Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen

1 Einleitung: Rettet Wasserstoff das Klima?
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Teil 7.1 | Aufbau eines Tankstellennetzes

Ab den 1980ern gab es eine Reihe von Forschungs- und Pilotprojekten, in denen die heutigen Erkenntnisse zum Betrieb von Wasserstofftankstellen gesammelt wurden. Die erste Wasserstofftankstelle der Welt entstand Mitte der 1980er Jahre in Berlin. In einem dreijährigen Langzeitversuch erprobten dort verschiedene Unternehmen die Betankung von Fahrzeugen mit gasförmigem Wasserstoff. Mit dem Projekt wurde die grundsätzliche Praxistauglichkeit der Wasserstoffantriebs- und Betankungstechnik nachgewiesen.

Im Mai 1999 ging am Flughafen München die erste öffentliche Tankstelle für flüssigen Wasserstoff im Rahmen des Projekts H2argemuc in Betrieb. An dem 18-Mio.-Euro-Projekt mit einer robotergestützten Betankung waren 13 Industriepartner beteiligt. In München tankten LH2-Limousinen von BMW, Versuchsfahrzeuge von Daimler-Benz sowie drei Flughafenvorfeldbusse. Später kamen noch zwei Busse im ÖPNV-Einsatz hinzu – einer mit Verbrennungsmotor und einer mit Brennstoffzellenantrieb. Bei den rund 8.000 Betankungsvorgängen wurden insgesamt 115.000 kg Wasserstoff umgeschlagen, und 500.000 km wurden mit Wasserstoffantrieben zurückgelegt.

Im Rahmen dessen wurde eine ganzheitliche Sicherheitstechnik entwickelt, und es wurden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen untersucht. Das Ergebnis: Wasserstoff kann zuverlässig und alltagstauglich getankt werden – allerdings doch lieber von Hand, da der Betrieb des Tankroboters sich als zu aufwendig erwiesen hat.

Abb. 29: Vollautomatische Robotbetankung aus dem letzten Jahrtausend
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Quelle: BMW

Im Zuge des 1995 initiierten Projektes WEIT (Wasserstoff-Energie Island-Transfer) entstand in Hamburg eine weitere öffentliche Tankstelle, diesmal für gasförmigen Wasserstoff. Sechs Kleintransporter (Mercedes Sprinter) wurden vom Benzinbetrieb auf Wasserstoff umgerüstet. Die Anlieferung des Wasserstoffs geschah mit Tankfahrzeugen, die insgesamt 320 Stahlzylinder (Volumen 4.200 Nm3 bei 200 bar) transportieren konnten und vor Ort als Hauptspeicher für die Tankstelle fungierten. Das WEIT-Projekt lieferte insbesondere Erkenntnisse zu Genehmigungsverfahren und zur öffentlichen Akzeptanz.

In den 2000er Jahren folgte eine Reihe von Projekten, die sich mit dem Einsatz von Wasserstoff in Bussen befassten, ebenfalls mit Millionenförderungen, unter anderem von der Europäischen Union. Dazu gehörten zum Beispiel das Projekt CUTE (Clean Urban Transport for Europe = sauberer innerstädtischer Verkehr für Europa) und ECTOS (Ecological City Transport System). In zehn europäischen Großstädten (London, Barcelona, Hamburg, Madrid, Stockholm, Luxemburg, Porto, Reykjavik, Stuttgart sowie Amsterdam) wurden jeweils drei Brennstoffzellenbusse erprobt. Später kamen je drei weitere Busse im australischen Perth und in Peking dazu. Das Anforderungsprofil für die Busse war an jedem Ort anders, ebenso wie die H2-Produktion, die Kraftstoffspeicherung und die Betankung. Auf diese Weise konnten umfassende Erfahrungen für die verschiedensten Bedürfnisse gesammelt werden. Insgesamt kamen die 36 Busse bis Anfang 2006 auf rund 70.000 Betriebsstunden bei einer Gesamtfahrstrecke von über 1 Mio. km. Sie hatten somit die Zuverlässigkeit und Robustheit des Brennstoffzellenantriebs in unterschiedlichsten Klimazonen und Topographien bewiesen: in der Winterkälte Reykjaviks und Stockholms ebenso wie in der Hitze Madrids, auf flachem Terrain ebenso wie bei Steigungen von bis zu acht Prozent.

Abb. 30: Damalige Wasserstofftankstelle an der Berliner Heerstraße
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Parallel zu diesem Vorhaben entstand auf politischer Seite 2002 die Verkehrswirtschaftliche Energiestrategie (VES), aus der im Jahr 2004 die Clean Energy Partnership (CEP) hervorging. Bundeswirtschaftsministerium und mehrere Industriepartner wollten die Wasserstoffmobilität gemeinsam voranbringen. Anfangs sollte insbesondere Berlin als Testgebiet für ein alternatives Verkehrskonzept dienen. An einer H2-Tankstelle auf dem Betriebsgelände des Berliner Nahverkehrsunternehmens BVG konnte ab 2002 sowohl LH2 als auch GH2 getankt werden. Im Rahmen der Clean Energy Partnership wurden auch Fahrzeugantriebe für Pkw, Busse und Transporter sowie die Versorgung mit alternativen Kraftstoffen (vornehmlich Wasserstoff, aber auch Erdgas) getestet. Das Projekt umfasste erstmals auch eine in konkreten Zahlen gefasste Einführungsstrategie für Wasserstoff. Meilensteine sollten unter anderem die Etablierung von 2.000 öffentlichen H2-Tankstellen bis zum Jahr 2010 und der Ersatz von 15 Prozent des Kraftstoffverbrauches durch Wasserstoff (2,4 Mio. tH2/Jahr) bis zum Jahr 2020 sein.

Die Realität blieb weit hinter dem Plan zurück. Im Jahr 2003 gab es weltweit noch nicht einmal 50 Fahrzeuge und 21 Wasserstofftankstellen. Allein 30 der Fahrzeuge wurden in Kalifornien betrieben, das damals sozusagen als Testgelände für zahlreiche Automobilkonzerne fungierte. Hinzu kam, dass die Umrüstung jeder einzelnen Tankstelle je nach Größe und Druckniveau etwa 0,5 bis 1,5 Mio. Euro kostete. Im Jahr 2011 waren gerade einmal ein Dutzend Tankstellen aufgebaut, plus einige zusätzliche Betankungsstationen bei Automobil- und Mineralölkonzernen. In Deutschland waren 2011 einige Dutzend Brennstoffzellenautos unterwegs.

In den 2010er Jahren wuchs die Clean Energy Partnership immer weiter. Es kamen mehr Bundesländer und Industriepartner hinzu. In den Folgejahren entstanden 50 Wasserstofftankstellen in den Metropolregionen und entlang der Hauptkorridore für den Autoverkehr in Deutschland.

Im Jahr 2014 gründeten sechs CEP-Partner – Air Liquide, Daimler, Linde, OMV, Shell und Total – das Joint Venture H2 Mobility. Sie setzten sich das Ziel, 100 H2-Stationen in sieben Ballungszentren (Hamburg, Berlin, Rhein-Ruhr, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart und München) sowie entlang Fernstraßen und Autobahnen bis 2019 in Betrieb zu nehmen. Tatsächlich waren bis Anfang 2021 90 erreicht.

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