Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen

1 Einleitung: Rettet Wasserstoff das Klima?
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Teil 6.3 | Pipelines

Die Beförderung von Wasserstoff in Druckleitungen über Hunderte von Kilometern ist ein seit Jahrzehnten bewährtes Verfahren. Für gasförmigen Wasserstoff werden in der Regel Edelstahlleitungen verwendet, die wegen der besseren Dichtigkeit nahtlos verbunden (verschweißt) sind. Bei Bedarf, wenn lösbare Verbindungen benötigt werden, können auch besonders geeignete Verschraubungen verwendet werden (z. B. Swagelock), wie sie sich bereits bei Erdgassystemen bewährt haben.

In Deutschland existieren zwei große H2-Pipelinesysteme, die von zwei verschiedenen Gasunternehmen betrieben werden: Der französische Gaslieferant Air Liquide besitzt einen Rohrverbund zwischen Köln, Leverkusen, Düsseldorf und dem Ruhrgebiet. Die seit 1938 betriebene Pipeline hat eine Länge von 240 Kilometern (Durchmesser: 168 bis 273 mm) und wird unter einem Druck von 20 bis 100 bar betrieben. Der Durchsatz beträgt etwa 250 Mio. Kubikmeter Wasserstoff pro Jahr. Während der gesamten bisherigen Betriebszeit gab es keinerlei nennenswerte Unfälle.

Die Pipeline wird von mehreren industriellen Produzenten, vornehmlich aus dem Bereich der Chlorchemie, gespeist. Abnehmer sind rund 40 Kunden (z. B. Raffinerien), die Wasserstoff für die Entschwefelung ihrer Ölprodukte verwenden, sowie die chemische Industrie, die Wasserstoff für Reduktionsvorgänge in der Prozesskette einsetzt.

Die H2-Pipeline im Industriegebiet Leuna mit einer Länge von 100 Kilometern gehört dem Gaseunternehmen Linde und verbindet die Städte Merseburg, Leuna, Böhlen, Bitterfeld und Rodleben bei Dessau. Gespeist wird dieses 24-bar-System im Wesentlichen von einem Erdgasreformer mit einer Kapazität von rund 200.000 Normkubikmetern pro Stunde sowie von chemischen Produzenten aus der Region Bitterfeld.

Das weltweit längste zusammenhängende System geht von Nordfrankreich nach Belgien. Es misst 400 km. Diese Pipeline arbeitet bei Drücken von 65 bis 100 bar und wird von Air Liquide betrieben, und zwar seit 1966. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es ebenfalls seit mehr als fünfzig Jahren gute Erfahrungen mit Rohrsystemen für Wasserstoff. Insgesamt 720 km verteilen sich auf das Gebiet um die Großen Seen sowie die Golfküste. Weitere H2-Pipelines existieren in Brasilien, Thailand, Großbritannien, Schweden und Südafrika.

Viele Betreiber von Erdgasnetzen arbeiten intensiv daran, sich auch für eine künftige Wasserstoffinfrastruktur in eine gute Position zu bringen. So haben zum Beispiel elf große Gasnetzunternehmen aus ganz Europa im Sommer 2020 ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht, das ein 23.000 km langes Pipelinesystem als „Wasserstoff-Rückgrat“ für Europa vorsieht. Bis 2030 könnten demnach 6.800 Kilometer Pipelines Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, die Niederlande, Belgien, Tschechien, Dänemark, Schweden und die Schweiz miteinander verbinden. Der überwiegende Teil der Leitungen könnte aus umgewandelten Erdgasleitungen bestehen, was die Kosten deutlich senken würde. Eine solche Wasserstoffautobahn könnte, ähnlich wie eine Erdgaspipeline, 7 bis 13 GW Wasserstoff transportieren. Die niedrigere Energiedichte im Vergleich zum Erdgas müsste über einen höheren Volumenstrom ausgeglichen werden. In den folgenden Jahrzehnten könnte die Pipelineinfrastruktur schrittweise wachsen, parallel zum Ausbau der Wasserstoffproduktion. Wie aufwendig und handhabbar der Umbau von Erdgas- auf Wasserstoffbetrieb wird, ist allerdings noch nicht genau zu bestimmen.

Im Vergleich zum Transport mit Fahrzeugen – egal ob flüssig oder gasförmig – ist die Pipeline das deutlich effizientere System. Allerdings gehen auch hier die Meinungen auseinander, über welche Distanzen der Transport rentabel ist. Während Anhänger der großtechnischen Erzeugung in der Sahara sich durchaus eine Wasserstoffpipeline quer durch Europa vorstellen können, sehen andere die Grenze bei etwa 2.000 Kilometern.

Neben Gaspipelines werden in den USA auch Rohrsysteme für flüssigen, tiefkalten Wasserstoff betrieben. Der Flüssigwasserstoff diente beispielsweise als Treibstoff für die Space-Shuttles.

Der Transport von LH2 in Pipelines stellt eine große materialwissenschaftliche Herausforderung dar und ist eher ein Fall für Spezialanwendungen als für große Transportmengen, da durch die großen Temperaturunterschiede in befülltem und unbefülltem Zustand infolge der Dehnung sehr starke Spannungen in den Leitungen und Verbindungselementen auftreten können. Wenn bei horizontalen Leitungen die untere Seite stärker abkühlt als die obere, können sich diese beispielsweise verbiegen. Bei vertikalen Leitungen kann es wiederum zu plötzlichen, geysirartigen Verdampfungen kommen, wenn kalte Flüssigkeit in warme Leitungen gefüllt wird, weshalb vorheriges Abkühlen erforderlich ist.

Bei doppelwandigen, vakuumisolierten Rohren besteht die innere Leitung aus austenitischem Edelstahl oder Material, das für extrem tiefe Temperaturen geeignet ist (geringe Wärmedehnung, geringe Wärmeleitung). Die äußere Leitung muss guten Schutz gegen Verschleiß und Reibung gewährleisten. Das gesamte Leitungssystem ist darüber hinaus mit einer Vielzahl von Sicherheitseinrichtungen versehen. So darf die Beförderung von Kraftstoff vom Tank zum Verbraucher nur dann stattfinden, wenn er dort auch tatsächlich verbraucht wird. Magnetventile öffnen deshalb nur, wenn Strom anliegt (stromlos geschlossen). Dadurch wird das unbemerkte Ausströmen von Kraftstoff im ausgeschalteten Zustand verhindert. Zudem schließen Durchflussmengenbegrenzer automatisch, wenn die Durchflussmenge zu hoch ist, weil dies den Abriss oder Bruch einer Leitung bedeuten könnte.

Sollte der Druck innerhalb des Leitungssystems zu hoch werden, sorgen Sicherheitsventile, ähnlich wie bei den Tankbehältern, für einen kontrollierten Druckausgleich. Entweichendes Gas kann dann durch Ventilationssysteme und über Entlüftungsleitungen weggeleitet werden.

Während herkömmliche Kraftstoffe für ihre Beförderung zum Teil mit Pumpen angesaugt werden, ist das bei flüssigem Wasserstoff nicht möglich: Er würde durch den entstehenden Unterdruck sofort verdampfen. Deshalb muss er immer bei leichtem Überdruck gerhalten werden.

Bevor flüssiger Wasserstoff vom Tank zum Verbraucher gelangt, wird er in der Regel über isolierte Leitungen zum Wärmetauscher geleitet und dort erwärmt. Diese Wärmetauscher können ihre Energie beispielsweise aus dem Kühlwasserkreislauf beziehen. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, nichtisolierte Leitungen zu verwenden, in denen sich der Wasserstoff erwärmt, ohne dass Wärmetauscher notwendig sind. In jedem Fall sollten die Leitungen über einen Schutz verfügen, damit bei einer etwaigen Berührung keine Kälteverbrennungen auftreten.

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