Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen

1 Einleitung: Rettet Wasserstoff das Klima?
Wsserstoffgewinnung 1

Teil 12 | Wasserstoff für die Industrie

Bisher wird Wasserstoff kaum in der Energiebranche eingesetzt, sondern vor allem als Grundstoff in der Industrie (vgl. Seite 62, Zukünftiger Wasserstoffbedarf), insbesondere in der Chemieindustrie, zum Beispiel zur Ammoniakherstellung für Düngemittel. Laut Nationaler Wasserstoffstrategie werden dafür derzeit 55 TWh Wasserstoff in Deutschland stofflich genutzt. Diese werden weit überwiegend auf Basis fossiler Energieträger erzeugt. Laut der Wasserstoffstrategie der Europäischen Union sollen Industriegebiete, die Wasserstoff in großen Mengen benötigen, auch die Keimzellen einer neuen Infrastruktur sein. In Hamburg wurde bereits ein Wasserstoffnetz angekündigt, das die großen Industrieunternehmen rund um den Hafen versorgen soll, darunter u. a. das Stahlwerk Arcelor.

Die Stahlindustrie ist ein zentrales Beispiel dafür, wie Wasserstoff auch in neuen Branchen eingesetzt wird, um kohlenstoffbasierte Grundstoffe zu ersetzen. Laut Nationaler Wasserstoffstrategie könnten allein in der deutschen Stahlindustrie für die Substitution von Koks bis 2050 über 80 TWh Wasserstoff benötigt werden.

Mit etwa sieben Prozent der CO2-Emissionen hat die Stahlindustrie einen beträchtlichen Anteil am menschengemachten Treibhauseffekt. Das liegt nur etwa zur Hälfte am hohen Energiebedarf. Ein guter Teil geht auch auf den Herstellungsprozess an sich zurück.

Eisen liegt in der Natur nicht als reines Metall vor, sondern neigt bekanntlich dazu, mit Sauerstoff zu reagieren – umgangssprachlich nennt man das Rosten. Auch Eisenerz ist eine Verbindung von Eisen und Sauerstoff. Will man es zu Stahl verarbeiten, muss man also als Erstes den Sauerstoff entfernen. Dieser chemische Prozess wird in Hochöfen durchgeführt und heißt Reduktion. In den Öfen wird das Eisen zusammen mit Koks eingeschichtet. Bei Temperaturen von bis zu 2.000 °C laufen mehrere Prozesse parallel ab. Stark vereinfacht bindet vor allem der Kohlenstoff aus dem Koks den Sauerstoff aus dem Erz – dabei entsteht CO2. Unten aus dem Hochofen wird dann das geschmolzene Roheisen entnommen.

Ebenfalls seit vielen Jahrzehnten bekannt und verbreitet ist die sogenannte Direktreduktion, die weniger Energie benötigt. Dabei können verschiedene kohlenstoffhaltige Grundstoffe eingesetzt werden. Häufig ist es Methan. Im ersten Schritt wird dieses teilweise oxidiert.

2 CH4 + O2 → 2 CO + 4 H2

Im nächsten Schritt erfolgt die eigentliche Umwandlung des Eisenerzes zu Eisen:

Fe2O3+ CO + 2 H2 → 2 Fe + CO2 + 2 H2O

Das Eisen schmilzt dabei nicht. Es sieht nach dem Prozess genauso aus wie vorher, ist aber deutlich leichter, da der Sauerstoff fehlt. Man spricht daher von Eisenschwamm oder DRI (Directly Reduced Iron).

Selbst wenn die Energie komplett klimaneutral bereitgestellt würde, würden bei der Stahlherstellung also noch immer große Mengen CO2 freigesetzt werden. Ändern lässt sich das, indem man den Prozess grundsätzlich umstellt und anstelle von Kohlenstoffverbindungen Wasserstoff nutzt, um den Sauerstoff aus dem Erz zu entfernen.

Der Stahlkonzern Arcelor prüft gerade den Einsatz eines solchen Verfahrens an seinem Standort in Hamburg. Die Bedingungen dort sind günstig. Am Standort befindet sich seit mehreren Jahrzehnten eine Anlage zur Direktreduktion in einem anderen Verfahren im Einsatz. Hamburg hat ehrgeizige Pläne als Wasserstoffhauptstadt, und es steht im Norden viel Windstrom zur Verfügung, der zur Erzeugung von grünem Wasserstoff genutzt werden könnte.

Arcelor hat ausgerechnet, dass rund 2000 GWh Wasserstoff nötig wären, um das gesamte Stahlwerk auf dieses Verfahren umzustellen. Zusätzlich benötigt das Werk auch noch Strom. In seiner Berechnung kommt das Unternehmen auf 174 Offshore-Windräder mit je 5 Megawatt Leistung, die es bräuchte, um seine gesamte Stahlproduktion klimaneutral zu betreiben. Zum Vergleich: Ende 2019 waren in Deutschland rund 1.500 Offshore-Windräder in Betrieb (allerdings sind die Leistungen der neueren Anlagen bereits größer als 5 MW).

Wirtschaftlich liegt dagegen noch vieles im Unklaren. Arcelor kalkuliert, dass der grüne Stahl um 35 bis 100 Prozent teurer wäre als konventionell hergestellter Stahl. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass die Herstellung des grünen Wasserstoffs bisher etwa dreimal so teuer ist wie die Erzeugung von Wasserstoff aus Erdgas. Umgerechnet auf das Endprodukt scheinen die Mehrkosten in einem vertretbaren Rahmen zu bleiben: Ein Kleinwagen aus grünem Stahl würde ungefähr 500 Euro mehr kosten, ein Päckchen mit 100 Schrauben wäre um 50 Cent teurer. Doch im Vergleich zu fossilen Energien entstünde so ein Nachteil im weltweiten Wettbewerb. Der ließe sich ausgleichen, wenn es einen weltweiten CO2-Preis oder eine Grenzabgabe auf CO2 an den EU-Außengrenzen gäbe. Hier zeigt sich wieder, wie Technologie, Wirtschaft und Politik global ineinandergreifen müssen, wenn Klimaschutz gelingen soll.

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