Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen

1 Einleitung: Rettet Wasserstoff das Klima?
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Teil 2.6 | Zukunftsszenarien für die Energiewende

Seit der Jahrtausendwende hat sich der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland stark beschleunigt. Seither befasst sich die Wissenschaft immer detaillierter mit der Frage, wie ein vollständig auf erneuerbaren Quellen basierendes Energiesystem in Deutschland und in der Welt aussehen könnte. Dabei ist man längst über simple Bierdeckelrechnungen, bei denen es nur darum geht, wie viel Energie sich auf wie viel Fläche gewinnen lässt, hinaus. Moderne Simulationssoftware berücksichtigt auch, wo und vor allem wann regenerative Energien zur Verfügung stehen. Je nach Fragestellung ergeben sich dabei unterschiedliche Varianten. Hier einige aktuelle Studien in Kürze:

– Das Forschungszentrum Jülich hat verschiedene Pfade zu einer Treibhausgasreduktion um 80 bzw. 95 Prozent bis 2050 simuliert, mit dem Ziel, den kosteneffizientesten Weg zu finden. Dabei wurden die Szenarien nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich detailliert aufgeschlüsselt. Ein zentrales Ergebnis war: Wenn wir 2050 Klimaneutralität erreichen wollen, muss das bereits heute bei der Wahl der Technologien berücksichtigt werden. Wenn unsere heutigen Entscheidungen lediglich auf eine Reduktion um 80 Prozent zielen, wird es vermehrt „stranded investments“ geben. [FZ Jülich, 2019]

– Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE hat untersucht, wie sich das Zusammenspiel von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft auf den Klimaschutz und dessen Kosten auswirkt. Je nachdem, wie gut neue Technologien und Notwendigkeiten angenommen werden, müssen demnach bis 2050 zwischen 0,4 (Szenario Suffizienz) und zwei Prozent (Szenario Beharrung) des Bruttoinlandsproduktes für den Klimaschutz aufgewendet werden. Die Studie wurde im Dezember 2020 als Reaktion auf die neuen Klimaziele der EU um ein zusätzliches, ambitionierteres Szenario ergänzt. [Fraunhofer ISE, 2020]

 

Abb. 7: Diese Simulation des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme zeigt, dass Klimaschutz, der auch Suffizienz einbezieht, deutlich billiger ist als ein Szenario, das auf hartnäckige Beharrungskräfte trifft

Datei: 7_CO2-Vermeidungskosten

Quelle: Fraunhofer ISE

Co2 Vermeidungskosten

– Das bisher ambitionierteste Szenario für Deutschland hat das Wuppertal Institut im Auftrag von Fridays4Future erstellt. Die Studie geht davon aus, dass die noch erlaubten CO2-Emissionen pro Kopf global gleichmäßig verteilt werden und das 1,5-Grad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent eingehalten werden soll. Demnach muss Deutschland bereits bis 2025 seine Emissionen um 60 Prozent mindern und 2035 klimaneutral werden. Neben einem massiven Ausbau der Wind- und Solarstromerzeugung spielt darin Wasserstoff eine herausragende Rolle. Um die Industrie mit grünem Wasserstoff zu versorgen, müsste demnach innerhalb weniger Jahre ein Pipelinenetz aufgebaut werden. [Wuppertal Institut, 2020]

– Die Thinktanks Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und die Stiftung Klimaneutrales Deutschland haben wiederum aufschlüsseln lassen, was passieren muss, um zumindest das Klimaziel der Bundesregierung zu erreichen und bis 2050 klimaneutral zu werden. Erstellt wurden die Berechnungen von Prognos, dem Öko-Institut und dem Wuppertal Institut. Wesentliches Element ist eine weitgehende Elektrifizierung bei gleichzeitig sinkendem Energiebedarf. Klar wird auch hier: Ohne Wasserstoff funktioniert es nicht. Allerdings soll dieser wegen der hohen Umwandlungsverluste im Vergleich zur Direktnutzung von Strom nur ganz gezielt eingesetzt werden: in der Industrie, für Schiffe und für Flugzeuge. [Agora, 2020]

Neben der Abbildung der technischen Situation berücksichtigen viele Szenarien auch Aspekte wie Arbeitsplätze oder volkswirtschaftliche Kosten. Dass die Bedeutung der regenerativen Energieerzeugung sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene erkannt worden ist, liegt nicht zuletzt daran, dass mittlerweile auch die Wirtschaft maßgeblich von dieser Entwicklung profitiert. Das ist deshalb so essenziell, weil die volkswirtschaftlichen Kosten den häufig als „Kosten der Energiewende“ bezeichneten Investitionen gegenüberstehen. Volkswirtschaftliche Kosten sind zum Beispiel die Kosten des Klimawandels, zum Beispiel durch Hochwasserschäden oder Ertragseinbußen in Land- und Forstwirtschaft.

Darüber hinaus hat die Energiewende das Zeug dazu, ein Jobmotor zu sein. Gut eine halbe Million Arbeitsplätze soll sie nach Plänen des Bundesumweltministeriums bis 2030 bringen. Auf dem Weg dorthin gibt es ein Auf und Ab. 2018 arbeiteten laut Umweltbundesamt mehr als 300.000 Menschen im Bereich Erneuerbare Energien. Das sind fast dreimal so viele wie im Jahr 2000. Im Rekordjahr 2011 waren es zwischenzeitlich rund 417.000. Danach brach allerdings zunächst die heimische Photovoltaikindustrie deutlich ein, und seit 2017 hat auch die Windenergie in Deutschland zu kämpfen.

Demgegenüber geht es in den konventionellen deutschen Wirtschaftsmärkten, die jahrzehntelang das industrielle Rückgrat der Bundesrepublik darstellten, genau andersherum: Im Steinkohlebergbau waren in Spitzenzeiten um 1955 rund 607.000 Menschen beschäftigt. 1990 waren es noch 130.000 und 2010 nur noch 25.000. Und die Zahl nimmt aufgrund des Ausstiegs aus der Kohleindustrie weiter ab.

Die Förderung der Exportwirtschaft und die Schaffung hochqualifizierter Arbeitsplätze sind auch in der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung zentrale Elemente. Die Wasserstoffstrategie der Europäischen Union hält bis zu einer Million Arbeitsplätze in der Wasserstoffwirtschaft für möglich. Dafür ist es erforderlich, technologisch an die Spitze zu kommen. Eine nachhaltige Wasserstoffproduktion und umfassende -infrastruktur in Deutschland sind dafür notwendige Mittel.

 Abb. 8: Die erneuerbaren Energien schaffen in Deutschland hunderttausende Arbeitsplätze. Mit dem Abwandern der Solarbranche nach Asien gab es einen starken Einbruch.

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Quelle: DIW/DLR/GWS

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