Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen

1 Einleitung: Rettet Wasserstoff das Klima?
H2

Teil 1 | Wissen Wasserstoff und Brennstoffzellen

Rettet Wasserstoff das Klima?

Die Sonne scheint und scheint. Die Vision, diese schier endlos anmutende Energiequelle zu nutzen und mithilfe des Energieträgers Wasserstoff zu speichern, ist schon viele Jahrzehnte alt. Dennoch wurde sie meist als utopisch angesehen. Sowohl die Solar- als auch die Wasserstofftechnologie waren zu teuer, fossile Brennstoffe dagegen billig und scheinbar unbegrenzt verfügbar.

Inzwischen aber hat sich der Wind gedreht: Solarenergie ist an vielen Orten der Welt die preiswerteste Art, Strom zu erzeugen. Die Wasserstofftechnik steht an der Schwelle zum Markt. Und der Klimawandel ist mittlerweile so unübersehbar, dass selbst zahlreiche Vertreter der fossilen Energiewirtschaft einräumen: So wie bisher kann es nicht weitergehen.

Wasserstoff, schon oft als Hoffnungsträger gehandelt, erlebt einen neuen Frühling, getrieben von klimawissenschaftlicher Notwendigkeit, technischem Fortschritt, wirtschaftlichem Wettbewerb und politischem Willen. Der weltweit agierende Hydrogen Council erlangt immer mehr Gewicht, und im Sommer 2020 präsentierte die deutsche Bundesregierung eine Nationale Wasserstoffstrategie.

Wasserstoff ist das am meisten vorkommende Element im Universum. Das Gas verfügt über einen hohen Heizwert und verbrennt mit Sauerstoff zu nichts anderem als Wasser. Es ist extrem leicht und wird bereits seit mehr als 100 Jahren als Industriegas verwendet. Aber genügen diese Eigenschaften, um Wasserstoff zur Schlüsseltechnologie der Energiewende und zum Kraftstoff der Zukunft zu machen?

Die Anforderungen an unser künftiges Energiesystem sind mittlerweile recht klar umrissen. Die konventionelle Energieerzeugung sowie Fahrzeugtechnologien einfach nur zu optimieren und effizienter zu machen reicht als Lösung nicht aus und kann eine wirklich nachhaltige und klimafreundliche Energieversorgung nicht gewährleisten. Die Verbrennung von fossilen Kohlenwasserstoffen muss möglichst schnell ein Ende finden, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einhalten zu können. Vor allem Sonne und Wind sollen die Säulen einer künftigen Energiewirtschaft sein.

Das hat verschiedene Konsequenzen. Da Sonne und Wind sich nicht steuern lassen, werden Energiespeicher aller Art wichtiger als je zuvor. Die sich rasant entwickelnde Batterietechnik kann in Zukunft dafür sorgen, dass selbst bei einer nächtlichen Flaute das Licht nicht ausgeht. Doch was noch fehlt, ist ein Verfahren, das es ermöglicht, Sonnen- und Windenergie auch über Wochen und Monate hinweg zu speichern und dann bei Bedarf für verschiedene Zwecke nutzbar zu machen. Als Speicher und als Kraftstoff spielt Wasserstoff daher in praktisch allen wissenschaftlichen Energiewendeszenarien eine zentrale Rolle.

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) will die Bundesregierung nicht nur beim Klimaschutz vorankommen, sondern vor allem die wirtschaftliche Chance nutzen, die der Wasserstoff bietet. In den letzten Jahrzehnten hat Deutschland mehrere Milliarden Euro in die Entwicklung der Wasserstofftechnik investiert und sich eine gute Ausgangsposition im Rennen um die besten Technologien erarbeitet. Die soll nun genutzt werden.

Eine Aufgabe ist es dabei, die Brennstoffzelle so schnell wie möglich massentauglich zu machen. Ihre Funktionsweise basiert auf einem Prinzip, das bereits 1839 entdeckt, dann aber nicht mit sonderlich viel Vehemenz weiterentwickelt wurde. Das lässt sich durch die dominante Stellung des Verbrennungsmotors erklären, der bis Anfang des neuen Jahrtausends nie ernsthaft infrage gestellt wurde. Kohle und Öl waren einfach zu praktisch.

Die Brennstoffzelle ist im direkten Vergleich dazu jedoch effizienter, sauberer und leichter. Dies hat sie bereits in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts bei zahlreichen Einsätzen in der Raumfahrt bewiesen. Aber obwohl an dieser Technologie schon seit zig Jahren mehr oder minder intensiv geforscht wird (s. Kap. 16.2: Geschichte), wurde erst in den 1980er Jahren erstmals ernsthaft darüber nachgedacht, Wasserstoff als Kraftstoff zu verwenden. Entscheidend war damals – in Zeiten des aufkeimenden Umweltschutzes – der ökologische Aspekt.

Nach den ersten Anläufen entwickelte sich Ende der 1990er Jahre ein regelrechter Hype um diese Technologie. Da die technische Umsetzung jedoch nicht so zügig erfolgte wie zunächst erwartet, nahm das Interesse schnell wieder ab. Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts folgte dann die nächste Welle der Euphorie. Diese verebbte jedoch, als 2009 das Thema Elektromobilität mit den rein batteriebetriebenen Fahrzeugen in den Fokus rückte.

Heute, da Strom aus Wind- und Solarenergie immer billiger wird und der Klimaschutz immer dringlicher, erleben Wasserstoff und Brennstoffzellen einen neuen Frühling. Die Preise für die entsprechenden Technologien sind deutlich gesunken, und Szenarien zeigen, dass noch in diesem Jahrzehnt grüner Wasserstoff und effiziente Brennstoffzellen in mehreren Bereichen konkurrenzfähig werden könnten (vgl. Kap. 14: Kosten der Wasserstofftechnologien).

Der Einstieg in die Erneuerbare-Energien-Technik war Ende des zwanzigsten Jahrhunderts sozusagen die Energiewende 1.0. In den nächsten Stufen ging es darum, wie man Wind- und Solarstrom ins bestehende System integrieren könnte. Dann kamen Energiespeicher hinzu. Als Nächstes steht die „Energiewende 4.0“ an. Das Energiesystem muss völlig neu gedacht werden. Die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität stehen nicht mehr einfach nebeneinander, sondern verschmelzen zukünftig miteinander. Klassische, zentrale Grundlastkraftwerke wird es immer weniger geben. An ihre Stelle treten dezentrale und vernetzte Technologien. Präzise Prognosen für Wind- und Solarstrom, effiziente Speicher, die Kopplung der Sektoren und flexible Verbraucher werden dafür sorgen, dass auch das neue System zuverlässig arbeiten wird. Forschungs- und Schaufensterprojekte wie die „Norddeutsche Energiewende 4.0“ zeigen, wie das gehen kann.

Ökostrom, der gerade nicht direkt genutzt oder in Batterien kurzzeitig gespeichert werden kann, ist dabei keinesfalls überflüssig. Mit Elektrolyseuren kann er in Wasserstoff umgewandelt werden, der anschließend vielseitig nutzbar ist – als Kraftstoff, für die dezentrale Strom- und Wärmeerzeugung mit Brennstoffzellenheizungen oder als Rohstoff für die Industrie.

Die technische Entwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik ist in den vergangenen Jahren weit vorangekommen. Wo vor Kurzem noch geforscht wurde, wird jetzt die praktische Umsetzung vorangetrieben.

Dieses Buch erklärt die Grundlagen und zeichnet dabei auch die Ursprünge der Technologie nach: Welche Vor- und Nachteile hat Wasserstoff? Wie wurde er bisher gewonnen und genutzt – und wie wird er in Zukunft hergestellt und eingesetzt? Wie lässt sich Wasserstoff sicher handhaben, speichern und transportieren? Wie kann er vom Grundstoff für die Chemieindustrie zur Schlüsseltechnologie für die Energiewende werden?

Viele Fragen. Freuen Sie sich auf viele Antworten!

Teil 3.1.2 | Wasserstoff im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen

Mitunter findet man widersprüchliche Angaben zu der Frage, ob die Energiedichte von Wasserstoff größer oder kleiner ist als die von Kohlenwasserstoffen. Beides ist richtig. Die freiwerdende Verbrennungsenergie (abgegebene Reaktionswärme ∆H) von Wasserstoff, bezogen auf ein Mol (eine bestimmte Zahl von Molekülen) dieses Mediums, ist niedriger als die von Kohlenstoff (s. Formel). Weil die Molekülzahl direkt mit dem Volumen korreliert, ist die volumetrische Energiedichte von Wasserstoff gering.

Bei einer gravimetrischen (massenbezogenen) Betrachtung sieht dies jedoch genau andersherum aus. Bei der Verbrennung von einem Gramm reinen Wasserstoffs wird viermal so viel Energie freigesetzt wie bei der Verbrennung eines Gramms Kohlenstoff:

H-Oxidation:

H2  +  ½ O2  →  H2O      ∆H = -67 Wh/mol = -39,2 Wh/g

C-Oxidation:

C  +  O2  →  CO2           ∆H = -109 Wh/mol = -9,2 Wh/g

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Kraftstoffe ist ihr thermisches Verhalten: Einige Substanzen sind unter Umgebungsbedingungen flüssig, andere gasförmig. Ihre unterschiedlichen Aggregatzustände sowie Siedepunkte lassen sich ebenfalls auf ihre Zusammensetzung zurückführen:

 Je größer der C-Anteil, desto höher liegt die Siedetemperatur.

Benzin und Diesel liegen wegen ihres komplexen Kohlenwasserstoffgeflechtes flüssig vor und sind damit sehr kompakte Speicherungsvarianten. Die wichtigsten alternativen Kraftstoffe (CNG = Compressed Natural Gas, komprimiertes Erdgas; LPG = Liquid Petroleum Gas, Autogas) sind bei Normaltemperatur Gase und müssen, um eine einigermaßen hohe Energiedichte zu erlangen, in Druckbehältern aufbewahrt werden.

 Abb. 12: Volumetrische Energiedichten verschiedener Kraftstoffe, die für Schiffe in Frage kommen. Geringere volumetrische Energiedichten sind kein Ausschlusskriterium, erfordern aber Anpassungen, entweder in Form häufigerer Betankung oder größerer Tankvolumina inklusive entsprechender Anpassung des Schiffsdesigns.

Datei: 12_Vorläufig SHIP
Quelle: NOW / Ship Fuel

NOW ShipFuel

Im Vergleich muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass Brennstoffzellen einen höheren Wirkungsgrad aufweisen als Verbrennungsmotoren. Für dieselbe zurückzulegende Strecke benötigt man also weniger Energie.

Während die Energiedichte von Flüssigkraftstoffen physikalisch konstant ist, ist beim Wasserstoff noch ein gewisser Spielraum vorhanden, zum Beispiel indem der Anteil des Wasserstoffs in flüssigen Trägermedien erhöht wird. Ständig in Bewegung ist dagegen die Batterietechnologie. In den vergangenen Jahren hat sich die volumetrische Energiedichte von Lithium-Ionen-Zellen in Elektroautos auf rund 400 Wh/l etwa verdoppelt. Bis 2030 könnte es zu einer weiteren Verdopplung kommen. Das ist allerdings immer noch eine deutlich geringere Energiedichte als bei Wasserstoff bei 700 bar, der auf etwa 2 kWh/l kommt.

preloader