Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen
1 Einleitung: Rettet Wasserstoff das Klima?
2 Energieversorgung von der Steinzeit bis heute
- 2 Energieversorgung von der Steinzeit bis heute
- 2.1 Der Energiebedarf wächst
- 2.2 Heutige Energiequellen
- 2.3 Grenzen der heutigen Energieversorgung
- 2.4 Ausweg Atomenergie?
- 2.5 Das richtige Timing: Speicher und Lastmanagement
- 2.6 Zukunftsszenarien für die Energiewende
- 2.7 Der Beginn der solaren Wasserstoffwirtschaft
- 2.8 Die Nationale Wasserstoffstrategie
3 Wasserstoff und seine Eigenschaften
4 Gewinnung von Wasserstoff
- 4 Gewinnung von Wasserstoff
- 4.1 Zukünftiger Wasserstoffbedarf
- 4.2 Herstellungsprozesse im Überblick
- 4.2.1 Die Elektrolyse: Hoffnungsträger für grünen Wasserstoff
- 4.2.1.1 Die Elektrolyse: Hoffnungsträger für grünen Wasserstoff
- 4.2.2 Reformierung von Kohlenwasserstoffen
- 4.2.2.1 Dampfreformer
- 4.2.2.2 Partielle Oxidation
- 4.2.2.3 Autothermer Reformer
- 4.2.3 Pyrolytische Prozesse auf Basis fester Kohlenwasserstoffe
- 4.2.4 Methanpyrolyse: Ein Traum in türkis
- 4.2.5 Kværner-Verfahren
- 4.2.6 Mikrobiologische Herstellung: Von Natur aus grün
- 4.2.7 Dissoziation: Wasserstoff aus dem Solarturm
- 4.2.8 Methanhydrat: Wasserstoff aus der Tiefsee?
- 4.3 Reinigung
- 4.4 Herstellungskosten
5 Speicherung von Wasserstoff
6 Transporte
7 Tankstellen-Infrastruktur
9 Brennstoffzelle
10 Einsatzgebiete
11 Wasserstoffmotor
12 Wasserstoff für die Industrie
13 Katalytischer Brenner
14 Kosten der Wasserstofftechnologien
15 Fazit und Ausblick
16 Anhang
17 Literatur
Teil 2.5 | Das richtige Timing: Speicher und Lastmanagement
Die Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenkraft erfolgt bekanntlich nicht kontinuierlich, sondern ist fluktuierend. Das ist eine große Veränderung, vor allem verglichen mit Kohle- und Atomkraftwerken, die weitgehend auf einen gleichmäßigen Betrieb ausgelegt sind (Grundlast). Wichtig ist dabei zu wissen, dass Erzeugung und Verbrauch im Stromnetz in jeder Sekunde genau austariert werden müssen, um die Stabilität zu gewährleisten und die Netzfrequenz konstant zu halten. Da der Stromverbrauch seit jeher im Tages- und Jahresverlauf schwankt, gehören Mittel- und Spitzenlastkraftwerke schon immer zu unserem Stromsystem und wurden nicht erst durch fluktuierende Erzeugung aus Wind- und Sonnenenergie erforderlich. Um den Verbrauch zu eher nachfrageschwachen (Tages-)Zeiten zu forcieren, bieten Stromversorger und Netzbetreiber darüber hinaus schon seit Jahrzehnten Sonderpreise an, zum Beispiel für Nachtspeicherheizungen und Großabnehmer, die nachts den Überschussstrom aus den Atomkraftwerken abnehmen können.
Auch Pumpspeicherkraftwerke sind nicht neu: Sie pumpen Wasser in ein Staubecken hinauf, wenn mehr Strom erzeugt als abgenommen wird. Übersteigt die Stromnachfrage dann die aktuelle Produktion, wird das Wasser über eine Turbine abgelassen, so dass wie bei einem normalen Wasserkraftwerk Strom erzeugt wird.
Die Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen, wächst allerdings deutlich bei einem hohen Anteil von Wind- und Solarstrom. Doch auch wenn diese Energiequellen nicht gezielt gesteuert werden können, ist ihre Nutzung mittlerweile dank verlässlicher Wetterberichte und Prognosesoftware gut planbar. Um die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu schließen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, von denen die meisten bereits heute angewendet werden, aber auch noch ausbaufähig sind.
Regelbare Kraftwerke erzeugen die fehlende Strommenge: Gut regelbar sind derzeit vor allem Gaskraftwerke, da sie am schnellsten reagieren können. Da auf die Dauer ein kompletter Ausstieg aus den fossilen Energien notwendig wird, kann dies aber nur eine Übergangslösung sein. Es gibt auch steuerbare regenerative Energiequellen wie Bioenergie (inkl. biogenes Erdgas) oder Wasserkraft, deren Potenzial allerdings begrenzt ist. Daher sind sie zwar eine wertvolle, aber keine alleinige Option.
Räumlicher Ausgleich durch Ausbau der Stromnetze: Wenn in Bayern keine Sonne scheint, weht an der Nordsee häufig ein frischer Wind. Man kann also auf oder an der See den Strom produzieren, der im Süden Deutschlands gebraucht wird. Noch weiter gedacht könnte man sogar Solarstrom aus Spanien oder Afrika nach Mitteleuropa transportieren. In der fossilen Energiewirtschaft war ein solcher räumlicher Ausgleich nur bedingt erforderlich. Kraftwerke und Industriezentren sind gemeinsam entstanden und liegen daher meist eng beisammen. Für die zukünftige Energieversorgung ist also zumindest ein teilweiser Neubau von Gleichstrom-Höchstspannungsleitungen, die von Wind- und Solarstromhotspots in die Verbrauchszentren führen, erforderlich. Zentrale Projekte in Deutschland sind die Leitungen SuedLink (von der Nordsee nach Bayern), SuedOstLink (von Sachsen-Anhalt nach Bayern), A-Nord (Niedersachsen/Nordrhein-Westfalen) und Ultranet (Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz). Der massive Netzausbau ist politisch umstritten, es gibt zahlreiche Bürgerinitiativen dagegen. Auf technischer Ebene hat sich allerdings mit der Weiterentwicklung der Speichertechnik die Diskussion ein Stück von den Netzen weg hin zu den Speichern verschoben.
Zeitlich gesteuerter Verbrauch (Lastmanagement): Mit Nachtspeicherheizungen und Wärmepumpen war das Lastmanagement bereits im alten Energiesystem angelegt. Dieser Ansatz lässt sich heute ausbauen, indem man zeitlich unkritische Stromverbräuche verschiebt. Dafür eignen sich insbesondere die Wärme- bzw. Kälteversorgung beim Aufheizen von Prozessmedien in der Industrie oder in Kühlhäusern. Einen Anreiz hierfür können flexible Stromtarife schaffen, die je nach Energieangebot variieren. Beim Lastmanagement ist die Dauer der Verschiebung ein wesentlicher Faktor: Eine Unterbrechung für einige Sekunden oder Minuten ist auch bei großen Industrieprozessen oft möglich, Wärmepumpen bewegen sich im Stundenbereich. Verschiebungen um mehrere Tage sind dagegen bislang problematisch.
Speicher füllen die Lücken: Stromspeicher können Wind- und Solarstrom aufnehmen, wenn er reichlich zur Verfügung steht, und wieder abgeben, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt. Bisher am Markt etabliert sind im Wesentlichen die oben genannten Pumpspeicherkraftwerke. Grundsätzlich sind sie auch für eine langfristige Speicherung geeignet, aber ihre Kapazität reicht bei weitem nicht aus. Da gut geeignete Standorte bereits weitgehend genutzt sind, ist ein Ausbau in Deutschland praktisch nicht möglich.
Batteriespeicher sind wegen ihrer hohen Effizienz die aussichtsreichste Technologie für die kurzfristige Speicherung von Strom. Sie werden in immer mehr Orten bereits in großem Maßstab eingesetzt, und ihre Preise sinken rasant. Derzeit ist die Lithium-Ionen-Batterie führend. Neue Technologien wie Feststoffbatterien und Lithium-Luft-Batterien sind in Sicht und sollen die Speicherdichten noch erhöhen. Für die langfristige, saisonale Stromspeicherung über Monate hinweg (saisonale Speicherung) sind Batterien jedoch nicht geeignet.
Druckluftspeicherkraftwerke, sogenannte CAES-Kraftwerke (Compressed Air Energy Storage), arbeiten in einem Leistungsbereich und mit Betriebscharakteristiken ähnlich wie bei Pumpspeicherkraftwerken. Aber auch ihre Speicherkapazitäten reichen nur für Entladedauern im Bereich von wenigen Stunden aus. Das Nutzungspotenzial dieser Technik für die Langfristspeicherung ist aufgrund der geringen spezifischen Energiedichte des Speichermediums und der damit verbundenen großen Zahl benötigter Kavernen begrenzt.
Deswegen bleibt als saisonaler Speicher in fast allen Energieszenarien allein der Wasserstoff. Kritisch ist allerdings der Wirkungsgrad: Die Elektrolyse überführt je nach Verfahren (s. Seite 64, Die Elektrolyse: Hoffnungsträger für grünen Wasserstoff) etwa 65 bis 75 Prozent der Energie aus dem Strom in Wasserstoff. Dieser kann in einem GuD-Kraftwerk mit einem Wirkungsgrad von etwa 60 Prozent wieder in Strom verwandelt werden. Der Gesamtwirkungsgrad liegt dann bei etwa 40 Prozent. Werden noch eine Komprimierung des Gases sowie sein Transport berücksichtigt, sinkt er weiter. Wasserstoff ist also für diejenigen Anwendungen die richtige Wahl, auf die zwei Bedingungen zutreffen: Es gibt bislang keine effizienteren Alternativen, und es ist so viel bezahlbarer Strom aus erneuerbaren Energien vorhanden, dass keine zusätzlichen fossilen Kraftwerke anspringen müssen.
Ein zentraler Aspekt, der über die Betrachtung allein des Stromsektors hinausgeht, ist die sogenannte Sektorenkopplung, die mit dem Fortschreiten der Energiewende immer wichtiger wird. Sie verbindet Strom, Wärme und Mobilität sowie im weiteren Sinne auch stoffliche industrielle Prozesse. Aus Ökostrom erzeugter Wasserstoff muss nämlich nicht zwingend in Strom zurückverwandelt werden. Er kann stattdessen auch in Brennstoffzellenfahrzeugen oder -heizungen eingesetzt werden. Er kann zudem zu synthetischem Erdgas weiterverarbeitet und dann ins Gasnetz eingespeist werden. Auch flüssige Treibstoffe lassen sich aus ihm gewinnen. In der Industrie kann Wasserstoff stofflich eingesetzt werden, um zum Beispiel eine klimaneutrale Stahlproduktion zu ermöglichen. Parallel kann bei den Umwandlungsstufen anfallende Wärme häufig mitgenutzt werden, beispielsweise durch die Einspeisung in Fernwärmenetze.
So ergeben sich unendlich viele Nutzungspfade. Keiner davon ist grundsätzlich richtig oder falsch. Wichtig ist aber, jeweils den effizientesten verfügbaren Pfad einzuschlagen.
Wichtige Parameter für die Wahl eines Speichers sind:
- Treibhausgasemissionen
- Energetische Gesamteffizienz
- Wirtschaftlichkeit
- Netzauslastung
- Speicherdichte
- Reaktionsgeschwindigkeit
- Langzeitspeicherfähigkeit
Abb. 6: Daten zur Energiewende werden immer leichter öffentlich zugänglich. Das „Agorameter“ des Thinktanks Agora Energiewende zeigt zu jedem Zeitpunkt die aktuelle Produktion und den Verbrauch von Strom in Deutschland.
Dateil 6_Agorameter
Quelle: Agora Energiewende
In Hochlastzeiten Wasserstoff mithilfe von Windstrom zu erzeugen ist nur dann sinnvoll, wenn dadurch nicht andernorts ein Gaskraftwerk einspringen muss, um die Stromlücke zu füllen. Dies ginge nämlich ansonsten zulasten der Gesamteffizienz. Wird der Wasserstoff aber dann erzeugt, wenn ausreichend elektrische Energie vorhanden ist, ist das sinnvoll.
Ein Elektroroller, der sich nie mehr als ein paar Kilometer von der nächsten Steckdose entfernt, kann am effizientesten mit einer Batterie betrieben werden. Für ein Seeschiff, das weite Strecken zurücklegen muss, scheint dagegen Wasserstoff auf Dauer geeigneter.