Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen

1 Einleitung: Rettet Wasserstoff das Klima?
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Teil 2.7 | Der Beginn der solaren Wasserstoffwirtschaft

Die Vision der „solaren Wasserstoffwirtschaft“ geht bis in die 1950er Jahre zurück. Die Sonne ist die größte und ergiebigste Energiequelle, die der Menschheit zur Verfügung steht. Sie spendet unserem Globus Tag für Tag die 7.000-fache Menge des täglichen Energiebedarfs der gesamten Erdbevölkerung.

Wie fast immer waren es anfangs kleine Firmen und Forschungsgruppen, die sich mit dieser Vision befassten. Die Solar-Wasserstoff-Bayern GmbH (SWB) im Oberpfälzischen Neunburg vorm Wald testete von 1987 bis 1999 ein Solar-Wasserstoff-System, zu dem ein Elektrolyseur mit 111 kW elektrischer Leistungsaufnahme gehörte, der 24 m3 Wasserstoff pro Stunde erzeugen konnte. Zum Projekt gehörten auch ein Gabelstapler mit Brennstoffzellenantrieb und eine automatisierte Wasserstofftankstelle.

Im Projekt Phoebus (Photovoltaik, Elektrolyse, Brennstoffzelle und Systemtechnik) wurde zwischen 1992 und 1999 ein autark arbeitendes Energieversorgungssystem mit Wasserstoff als Speichermedium für Solarstrom erprobt. Das damals weltweit größte Photovoltaik-Wasserstoff-Komplettsystem versorgte die Bibliothek und das Forschungszentrum Jülich. Es bestand aus einer PV-Anlage mit 30 kW Leistung, 400 Autobatterien und einem 26-kW-Elektrolyseur und konnte so die Energie auch langfristig speichern. Eine ähnliche Anlage entstand 1996 an der FH Stralsund und bezog neben Solarmodulen auch Windstrom ein.

In den vergangenen Jahren sind erste Wasserstoffprojekte über den Laborstatus hinausgewachsen und wurden unter lebensnahen Bedingungen erprobt: Auf der norwegischen Insel Utsira mit knapp 250 Einwohnern wurde 2006 eine autarke Stromversorgung aufgebaut und getestet, die auf zwei Windkraftanlagen, einem Elektrolyseur und einer 60-kW-Brennstoffzelle beruht. In Brütten in der Schweiz entstand 2015 ein energieautarkes Mehrfamilienhaus mit neun Wohneinheiten. Das Gebäude gewinnt seine Energie mit Solaranlagen. Gespeichert wird diese in einer Kombination aus Batterien als Kurzzeitspeichern und Wasserstoff als Langzeitspeicher. Eine Brennstoffzelle macht daraus bei Bedarf wieder Strom und Wärme. Zum Konzept gehören auch zwei Fahrzeuge – ein E-Auto und eines mit Biosprit. Letzterer wird bilanziell aus dem Biomüll des Gebäudes gewonnen und reicht für rund 10.000 km jährlich.

Das Desertec-Konzept ist vermutlich die bekannteste Vision der solaren Wasserstoffwirtschaft. Sie hat ihre Ursprünge in den 1980er und 1990er Jahren. Das Ludwig-Bölkow-Systemtechnik-Institut analysierte damals die Möglichkeit, mithilfe großer Solaranlagen Wasserstoff im Sonnengürtel der Erde (z. B. in der Sahara) zu produzieren, um diesen nach Mitteleuropa zu transportieren. Der Club of Rome nahm später den Gedanken auf, und schließlich führte auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Studien zu diesem Thema durch. Bezüglich der Frage, ob der Transport der Energie per Stromkabel oder Wasserstoffleitung erfolgen sollte, wechselten die Prioritäten mehrfach.

Am „Solarplan für das Mittelmeer“ aus dem Jahr 2008 waren 43 Staaten der EU, Nordafrikas und des Nahen Ostens beteiligt. Solarthermische Kraftwerke auf einem Gebiet von weniger als 0,3 Prozent der Wüstenflächen Nordafrikas und des Nahen Ostens könnten genügend Strom und entsalztes Wasser für diese Länder selbst und Europa erzeugen. Zusätzlich wäre Stromerzeugung durch Windenergie in Marokko und am Roten Meer möglich. Solar- und Windstrom könnten mit Hochspannungsgleichstromübertragungsnetzen bis nach Europa übertragen werden.

Im Sommer 2009 fand sich die Desertec Industrial Initiative (DII) zusammen, ein Konsortium aus großen Unternehmen, das dieses Projekt mit einem Volumen von hunderten Milliarden Euro weiterverfolgen wollte. Kritiker gaben zu bedenken, dass in Nordafrika erzeugter Strom zuallererst für die Versorgung der Region genutzt werden müsse, bevor man ihn auch exportiere. Es war aber vor allem die politische Instabilität der Region, die das Projekt ausbremste. Doch aufgegeben wurde die Idee von der Energie aus der Wüste nie ganz.

Heute wird sie wieder aktuell, wenn auch deutlich verändert. Statt Strom soll Wasserstoff exportiert werden, flüssig per Schiff oder gasförmig per Pipeline. Die Photovoltaik hat die solarthermischen Kraftwerke schon lange preislich unterboten. Und auch die Beteiligung ist internationaler geworden. Der neue Schwung ist schon sichtbar: In Saudi-Arabien soll bis 2025 die nach jetzigem Stand weltweit größte mit grünem Strom betriebene Elektrolyseanlage entstehen.

Beständig ist die Kritik: Die Vision des Wasserstoffs aus der Wüste baut darauf, dass die Differenz zwischen jeweils aktuellem Energiebedarf und lokaler Produktion durch Importe gedeckt wird und Konzerne das am günstigsten können. Sie ist der Gegenpol zur Idee einer regionalen Energiewende mit Windparks in der Hand von Genossenschaften und Bürgerenergiegesellschaften und Solaranlagen auf praktisch jedem Dach, die meist mit einem gewissen Suffizienzdenken einhergeht. Zwischen diesen beiden Polen gibt es mittlerweile eine Reihe von Energiewendeszenarien, von denen einige auch in diesem Buch vorgestellt werden.

 Abb. 9: Das Projekt Desertec steht für eine großtechnische Vision der Energiegewinnung in der Wüste

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Quelle: Desertec Foundation

 Abb. 10: Das Projekt eFarm ist das Gegenteil von Desertec: Mit Windstrom soll in Schleswig-Holstein lokal Wasserstoff erzeugt werden, der vor Ort Brennstoffzellenbusse und -autos antreibt. Der Bau hat bereits begonnen.

Datei: 10_csm_200224-GPJ-WMK_Exponat-Einsatz_354ed4fb7d

Prejekt EFarm

Quelle: GP Joule

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