Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen

1 Einleitung: Rettet Wasserstoff das Klima?
Gasrohr

Teil 5.7 | Gasnetzeinspeisung per Beimischung

Der größte Speicher wurde bisher noch nicht benannt: das Erdgasleitungsnetz. Dieses ist zwar kein Speicherbehälter, aber dennoch ein Energiespeicher, denn schließlich werden darin tagtäglich enorme Energiemengen transportiert und auch zwischengespeichert. Da Methan (CH4, Hauptbestandteil von Erdgas) von allen fossilen Kohlenwasserstoffverbindungen dem Wasserstoff am ähnlichsten ist, bestehen chemische Analogien, die auch eine Aufnahme größerer Mengen Wasserstoffs ins Netz ermöglichen.

Diese Speichervariante bietet den Vorteil, dass die bestehende Infrastruktur des gut ausgebauten Erdgasnetzes auch für die Verteilung sowie die Zwischenspeicherung von Wasserstoff genutzt werden kann. Die Aufnahmekapazität des Erdgasnetzes für Wasserstoff ist allerdings von den Zumischgrenzen und dem Erdgasvolumenstrom abhängig. Bei einer Zumischung von 5 Vol.-% H2 könnte das CH4-Netz etwa 20 Prozent des für 2020 erwarteten Windstromertrages aufnehmen, wenn die Windenergie per Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt würde.

Die Zumischung von Wasserstoff führt allerdings je nach Konzentration zu einer signifikanten Änderung der Gaskennwerte. Der Brennwert von Wasserstoff beträgt etwa ein Drittel des Brennwertes von Erdgas. Eine Zumischung von 20 Vol.-% Wasserstoff hat zur Folge, dass der Energieinhalt des Gasgemisches um etwa 15 Prozent abnimmt.

Der Wobbe-Index (Maß für die Wärmebelastung des Brenners) nimmt hingegen bei gleicher Zumischung nur um etwa 5 Prozent ab, da aufgrund der gegenüber Erdgas deutlich geringeren Dichte von Wasserstoff eine Teilkompensation erreicht wird.

Lange Zeit war unklar, wie viel Wasserstoff komplikationslos dem Erdgasnetz beigemischt werden kann. Zunächst hieß es, zwei bis fünf Volumenprozent könnten ohne jegliche technische Veränderung dem Gasnetz zugeführt werden. Inzwischen ist klar, dass auch weitaus mehr möglich ist. So wurden Anfang der 2020er Jahre zwei Blockheizkraftwerke und zwei Spitzenlastkessel in Hamburg mit bis zu 30 Volumenprozent Wasserstoff betrieben. Bei diesem Pilotversuch handelte es sich allerdings um ein abgegrenztes Inselnetz.

Etwa 20 bis 30 Volumenprozent Wasserstoffbeimischung sind nach Angaben unterschiedlicher Stellen in vielen Bestandsnetzen durchaus möglich, sofern das Gas nur zum Heizen genutzt wird. Industriekunden mit speziellen Anwendungen (z. B. die Glasindustrie) reagieren dagegen sensibel auf eine Veränderung der Gaszusammensetzung. Insbesondere dort, wo Erdgastankstellen vorhanden sind, gibt es Beschränkungen, weil die Druckbehälter in CNG-Fahrzeugen keine höheren Prozentsätze an Wasserstoff vertragen.

Abb. 27: Im Projekt MySmartLife in Hamburg wird die Beimischung von bis zu 30 Prozent Wasserstoff in ein lokales Erdgasnetz erprobt

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MySmartLife

Quelle: MySmartLife

Bereits im 19. Jahrhundert wurden in vielen Städten Rohrleitungssysteme installiert, um das sogenannte Stadtgas für die Straßenbeleuchtung und später auch für die Haushalte zum Heizen und Kochen zu verteilen. Bei diesem Gas handelt es sich um ein aus Kohle erzeugtes Gemisch aus je einer Hälfte Wasserstoff und einer Hälfte Kohlenstoffmonoxid. Problematisch war dabei mehr das Kohlenmonoxid als der Wasserstoff: Es führte zu vielen Todesfällen durch Vergiftung. Mittlerweile ist dieses Gas überall in Deutschland vom Erdgas verdrängt worden, zuletzt Anfang der 1990er Jahre in Saarbrücken. In Stockholm, Schweden, wird dagegen heute noch das rund 800 Kilometer lange Niederdrucknetz zur Verteilung von Stadtgas genutzt. Die Umstellung auf einen höheren Wasserstoffanteil wäre also nicht die erste Umstellung in der Geschichte der Gasnetze.

Da moderne Kunststoffrohre, wie sie heute im Gasnetz verwendet werden, unsensibel auf Wasserstoff reagieren, wird ernsthaft über die Umstellung von Erdgasleitungen auf 100 Prozent Wasserstoff nachgedacht. Damit einher könnte ein allmählicher Aufbau einer kompletten H2-Rohrleitungsinfrastruktur gehen.

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