Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen Teil 10.6.2

Teil 10.6.2 | Lkw

Bei schweren Nutzfahrzeugen, die weite Strecken zurücklegen, hat Wasserstoff gegenüber Batterien den Vorteil der höheren Energiedichte. Die ersten Wasserstoff-Lkw kommen derzeit in den Einsatz. In der Schweiz baut Hyundai seit 2020 die weltweit erste Fahrzeugflotte mit Brennstoffzellen-Trucks auf. Andere Hersteller wollen nachziehen, konnten aber bislang noch nicht liefern. Das Rennen um Marktanteile hat begonnen.

Die Südkoreaner verschifften im Juli 2020 die ersten zehn H2-Trucks vom Typ XCIENT Fuel Cell. Zunächst war eine Flotte von 50 Fahrzeugen geplant. Gemeinsam mit H2 Energy gründete die Hyundai Motor Company 2019 das Joint Venture Hyundai Hydrogen Mobility (HHM), um bis 2025 insgesamt 1.600 Exemplare dieses Modells auf die Straßen der Alpenrepublik zu bringen.

Der benötigte Wasserstoff wird in einer 2-MW-Elektrolyseanlage zu 100 Prozent aus lokaler Wasserkraft in Gösgen hergestellt. Er wird in Wechselcontainern (350 kg Fassungsvermögen) zwischengespeichert und dann zur Tankstelle in St. Gallen transportiert. Insgesamt sollen auf diese Weise im Schwerlastsektor pro Jahr 300 t Dieselkraftstoff ersetzt werden. Dies entspricht dem Jahresverbrauch von 40 bis 50 Lkw oder 1.700 Pkw.

Nach der Coop-Tankstelle in Hunzenschwil war dieser Standort der zweite von insgesamt sechs öffentlichen Stationen in der Schweiz (Rümlang, Zofingen, Bern, Crissier), an denen Ende 2020 Wasserstoff getankt werden konnte.

„Was die Schweizer Privatwirtschaft da schafft, ist weltweit einzigartig. Einige glaubten, die Wasserstoffindustrie sei eine reine Utopie. Die Schweiz aber beweist, dass sich elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge und Personenwagen mit sauberem Wasserstoff betanken und ohne CO2-Emissionen fahren lassen. Nebst dem Aufbau eines wirtschaftlich rentablen Sektors sprechen wir hier von einem großen Fortschritt für die Umwelt – mit überzeugenden Vorteilen für die Kunden.“                                                                                                                                                                                                                                   Bertrand Piccard, Abenteurer

Dass sich solch ein Betrieb, sowohl von BZ-Lastwagen als auch von H2-Tankstellen, rechnet, macht in der Schweiz das dort geltende Mautsystem möglich. Lkw müssen seit 2001 eine Schwerverkehrsabgabe zahlen, diese liegt derzeit je nach Emissionsklasse (EURO 1 bis 6) zwischen 2,15 und 2,92 Euro pro Tonne und Kilometer. Die Fahrt eines EURO-3-Lastwagens über 500 km kann so Mautkosten in Höhe von 157 Euro verursachen. Bei regelmäßigen Touren durch die Alpenrepublik kann sich dies schnell auf Zigtausende Euro summieren. Für emissionsfreie Fahrzeuge gibt es hingegen eine Mautbefreiung, so dass sich die höheren Investitionskosten in einem überschaubaren Zeitraum amortisieren.

Seit Anfang 2020 geht Österreich einen ähnlichen Weg. Auf der Nordtiroler Inntalautobahn A12 gilt seitdem ein verschärftes sektorales Lkw-Fahrverbot. Ausgenommen sind lediglich neue Fahrzeuge der Euroklasse VI sowie solche mit Elektroantrieb (Batterie oder Brennstoffzelle).

In Deutschland existieren derartige Anreize über das Mautsystem bisher nicht in vergleichbarer Größenordnung, und die steuerliche Begünstigung von Dieselkraftstoffen tat und tut ihr Übriges. Die Verkehrsminister der EU-Länder haben sich allerdings darauf geeinigt, das Mautsystem künftig stärker an den CO2-Emissionen auszurichten. Ab 2021 wird auch die CO2-Steuer auf Kraftstoffe einen Anreiz für klimafreundliche Antriebe bieten.

Hinzu kommt, dass die Europäische Union den Lkw-Herstellern vorschreibt, die CO2-Emissionen ihrer europaweiten Flotte aller neuen Lkw ab 2025 um 15 Prozent zu reduzieren, ab 2030 um 30 Prozent. Wer diese Vorgabe verfehlt, zahlt Strafen in dreistelliger Millionenhöhe. Allerdings können die Hersteller bis dahin Bonuspunkte erwerben: So werden seit Juli 2020 verkaufte emissionsfreie Fahrzeuge angerechnet und zudem doppelt gezählt.

Newcomer wie Nikola und Hyzon stehen bereit, und auch konventionelle Hersteller bringen sich in Stellung. So hat der schwäbische Automobilkonzern Daimler die Kooperation im Lkw-Sektor mit Volvo bekanntgegeben und gemeinsam mit den Schweden die Daimler Truck Fuel Cell GmbH & Co. KG gegründet.

Auch Toyota hat reagiert und ein Joint Venture mit den chinesischen Firmen FAW, Dongfeng, GAC, BAIC und SinoHytec gegründet. Bei United Fuel Cell System R&D (FCRD), an dem der japanische Autobauer 65 Prozent hält, sollen Brennstoffzellensysteme für Nutzfahrzeuge entwickelt werden. Toyota investiert zunächst rund 42 Mio. Euro in dieses Vorhaben.

Quasi als Reaktion auf all diese Aktivitäten taten sich verschiedene europäische Unternehmen zusammen und starteten 2020 eine Wirtschaftsinitiative für den Aufbau eines Wasserstoffkorridors speziell für Nutzfahrzeuge. Initiator dieser Initiative ist der Hafenbetrieb Rotterdam, der gemeinsam mit dem Gaseunternehmen Air Liquide eine Lkw-Infrastruktur in den Niederlanden, in Belgien und in Deutschland aufbauen möchte, um bis 2025 rund 1.000 wasserstoffbetriebene Lastwagen mit Energie zu versorgen. Mit von der Partie sind unter anderem Lkw-Hersteller wie die VDL Group, Iveco und Nikola, aber auch Logistikunternehmen.

Abb. 48: Der BZ-Lkw von Scania
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Quelle: Scania

Passend dazu kündigte der Tankstellenbetreiber H2 Mobility an, dass sein Unternehmen zukünftig vorrangig Betankungsstationen für Nutzfahrzeuge bauen beziehungsweise alte nachrüsten werde. Kleine H2-Stationen seien nicht wirtschaftlich und könnten nicht ohne weiteres Lkw mit 8 kg Wasserstoff, die diese benötigen, in einem Durchgang befüllen. Mittelgroße Standorte, die für Nutzfahrzeuge ausgelegt sind, könnten jedoch rentabel betrieben werden, wenn ausreichend Absatz durch genügend Fahrzeuge gewährleistet sei.

Wissenswertes zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen

Die Technik von gestern, heute und morgen

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