Neue Leitung für das Norddeutsche Reallabor

Neue Leitung für das Norddeutsche Reallabor

Nachruf auf Professor Werner Beba

Mike Blicker wird neuer Projektkoordinator des Norddeutschen Reallabors (NRL), eines Verbundprojekts zum Einsatz von grünem Wasserstoff in der Praxis. Um verschiedene Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem zu erproben, haben sich mehr als 50 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu diesem Reallabor zusammengeschlossen, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert wird. Der Umweltingenieur und Verfahrenstechniker hatte die Leitungsfunktion nach dem Tod des bisherigen Projektkoordinators, Professor Dr. Werner Beba, kommissarisch übernommen und war zuvor dessen Stellvertreter. Außerdem forschte Blicker bereits in den NRL-Arbeitsgruppen „Wärme und Quartiere“ sowie „Industrie“, und er gehörte zur Leitung des HAW-Forschungsprojekts X-Energy.

Prof. Werner Beba hat das Norddeutsche Reallabor aufgebaut und mit großem Engagement und persönlicher Überzeugung geleitet. Zugleich war er Leiter des Competence Center für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E) an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Im Februar dieses Jahres ist er nach schwerer Krankheit im Alter von 66 Jahren verstorben. Sein Nachfolger als Leiter des CC4E wird Hans Schäfers, der seit 2017 als Professor für intelligente Energiesysteme und Energieeffizienz an der HAW Hamburg tätig ist und im Rahmen des NRL bereits die Arbeitsgruppe „Gesamtintegration“ leitete. Der promovierte Umwelttechniker und ehemalige Energieberater Schäfers wird nun auch neues Mitglied der NRL-Projektsteuerungsgruppe, eine Position, die zuvor ebenfalls Werner Beba innehatte.

Der 1956 in Bremen geborene Beba ging nach seinem Studium an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr ins Management des Medienkonzerns Gruner+Jahr, wo er unter anderem als Verlagsgeschäftsführer tätig war. 2008 wechselte der Wirtschaftswissenschaftler an die HAW Hamburg, übernahm dort den Lehrstuhl für Marketing und gründete das CC4E, das interdisziplinär an der Systemintegration von erneuerbaren Energien samt Speichern und Sektorenkopplung arbeitet. Mit seinem kommunikativen Talent gelang es dem ehemaligen Medienmanager, ganz unterschiedliche Menschen aus Forschung, Wirtschaft und Politik für die Notwendigkeit der Energiewende und den Klimaschutz zu begeistern.

Autorin: Monika Rößiger

FuelCell Energy: Endlich Kurswende?

FuelCell Energy: Endlich Kurswende?

Hier bin ich zurückhaltend. Das Unternehmen bietet meines Erachtens noch keine überzeugenden Perspektiven, ausgedrückt in erwartetem Wachstum, Aufträgen und Umsätzen durch den Einsatz seiner Technologie, was sich auch im Kursrückgang bis auf einen US-$ bestätigt hat. Von diesem sehr niedrigen Niveau hat der Kurs nun nachrichtengetrieben gedreht. Es sieht so aus, als ob nun ein allmählicher Kursanstieg bevorsteht. FuelCell Energy meldet eine Reihe von Projekten in Afrika, den USA und Kanada. Nigeria plant beispielsweise, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Energie regenerativ zu erzeugen (MoU mit Oando Clean Energy).

FuelCell Energy spricht von Projekten, bislang aber ohne Auftragswerte zu benennen; es zeigt sich jedoch, dass die Nachfrage nach BZ-Technologien wie Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC) steigt. In Kanada wurde ein Projekt mit FuelCell Energy als Technologiepartner für den Innovation Fund Award nominiert. Zusammen mit den Firmen Kinetrics und Bruce Power soll die Energieerzeugung von Ontario Power durch Wasserstoff ergänzt werden. Und es geht um CO2-freien Wasserstoff in Nutzfahrzeugen und darum, Strom aus Kernkraftwerken für die Wasserstoffproduktion zu nutzen (Überschussstrom). Dies ist zwar erst ein Pilotprojekt, lässt aber für die Zukunft Aufträge für Hochtemperatur-Elektrolyseure von FuelCell Energy erwarten.

Fazit: Das Unternehmen verfügt über eine gesunde Bilanzstruktur und ausreichend Eigenkapital zur Finanzierung. Leider hat FuelCell Energy noch keine für uns nachvollziehbare langfristige Strategie, wie die BZ-Technologie und die IP gewinnbringend eingesetzt werden sollen. Kooperationen wie mit ExxonMobil und IBM im Bereich Carbon Capture klingen sehr spannend, aber wie soll damit Geld verdient werden? Die Aktie wird ihren Weg gehen, zumal Förderprogramme (IRA) und der Bedarf an sicherer, sauberer Energie die Basis dafür bilden. Ein eigenes Stromportfolio (eigene Anlagen, Energieverkauf über PPA) wird langfristig die Ertragsbasis des Unternehmens bilden. Für Trader eine perfekte BZ/H2-Aktie.

Wikifolio BZVision – Zurück auf Start

Das vom Autor betreute Depot BZVision (ETF – BZ steht für Brennstoffzelle) auf Wikifolio (www.wikifolio.com) spiegelt die Entwicklung der Brennstoffzellen-Aktien perfekt wider. Nach Zuwächsen von über 100 Prozent pro Jahr in den Jahren 2018 bis 2020 steht das Depot nun wieder am Anfang. Während früher Positionen in FuelCell Energy, Plug Power und Hydrogenics (von Cummins Engine übernommen) enthalten waren, befinden sich heute nur noch drei Titel im Portfolio: Ballard Power, Bloom Energy und Nikola Motors. Im Vergleich zu einem breit diversifizierten Wasserstoff-ETF ist dies hochspekulativ. Die Begründung liegt darin, dass diese drei Titel alle Aspekte der Anwendung von Brennstoffzellen und Wasserstoff abdecken. Ob Mobilität (Nutzfahrzeuge wie Lkw und Busse, Schiffs- und Bahnverkehr), Energieerzeugung oder Eigenproduktion von Wasserstoff. Auch die Geographie wird berücksichtigt (USA, Europa und Asien). Dies ist keine Empfehlung. Einmal im Monat werden das Depot und die Performance kommentiert. BZVision: ISIN – DE000LS9QJG9 / WKN: WF00BZH2VI.

Risikohinweis

Jeder Anleger sollte sich bei der Anlage in Aktien immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bewusst sein und auch an eine sinnvolle Risikostreuung denken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien stammen aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, das heißt, es handelt sich nicht um Standardwerte, und auch ihre Volatilität ist deutlich höher. Dieser Bericht stellt keine Kaufempfehlung dar. Alle Informationen basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen hinsichtlich der Bewertung ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- bis langfristige Bewertung und nicht auf kurzfristige Gewinne legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 15. Dezember 2023

Was nu?

Was nu?

Liebe Leserinnen und Leser!

Die momentane Lage der Bundesregierung erscheint desolat: Das Bundesverfassungsgericht hat nicht wie erhofft mitgespielt – wenn auch mit denkbar knapper Entscheidung – und der Ampel eine 60 Mrd.-Euro-Lücke im Haushalt beschert.

Daraus könnte auch für die Energiewirtschaft eine desolate Lage erwachsen, denn viele Vorhaben, die über den geplanten Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanziert werden sollten, werden jetzt infrage gestellt, egal ob berechtigt oder nicht. Die Unsicherheit ist groß.

Dabei war die Situation schon vorher angespannt: Entscheidungen aus Brüssel lassen beispielsweise sehr lange auf sich warten. Dies betraf die RED II, die RED III und auch die IPCEI-Vorhaben – auch wenn die RED III am 31. Oktober 2023 veröffentlicht wurde. Wenn es gut läuft, könnte Ende des Jahres immerhin noch die 37. BImSchV auf den Weg gebracht werden – nach zwölf Jahren.

Diese Warterei hat zahlreiche Investoren nicht gerade ermutigt, ihr Geld für Zukunftsprojekte zur Verfügung zu stellen. Die FID, die „Final Investment Decision“, steht insbesondere bei zahlreichen Elektrolysevorhaben noch aus, weil die Rahmenbedingungen für nicht ausreichend sicher erachtet werden.

Nicht ohne Grund haben sich zahlreiche Unternehmen an der Ausschreibung der Important Projects of Common European Interest (IPCEI – wichtige Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse) beteiligt. Sie setzen damit auf Staatsgelder, die ihr eigenes finanzielles Risiko schmälern sollen.

Der Preis, den sie für diese „geschenkten“ Staatsgelder bezahlen müssen, ist, dass sie sich an die Regeln des Geldgebers halten müssen. Dazu gehört auch, dass sie dann in Kauf nehmen müssen, wenn es in Brüssel mal wieder länger dauert.

Das laute Lamentieren hat somit durchaus etwas Scheinheiliges, denn schließlich hat sie niemand gezwungen, sich bei IPCEI zu bewerben. Sie hätten alle bereits viel früher anfangen können, aber eben auf eigenes Risiko. Jetzt aber sitzen einige von ihnen da und monieren, dass sich ihr ursprünglich geplantes IPCEI-Vorhaben in der beantragten Form gar nicht mehr rechne, dabei waren sie es selbst, die sich für diesen Weg entschieden haben.

Immer wieder wird in diesem Zusammenhang davor gewarnt, in Deutschland angesiedelte Firmen könnten ins Ausland abwandern, dorthin, wo angeblich die Rahmenbedingungen besser sind. Vielleicht mag es einzelne Unternehmen geben, die diese Entscheidung tatsächlich treffen. Was dann genau deren Beweggründe sind, werden wir wahrscheinlich nie erfahren, doch es dürfte klar sein, dass solch ein Entschluss nicht allein von der Bearbeitungszeit in Brüssel abhängt, sondern multifaktoriell ist.

Und ja, das ein oder andere Projekt wird wahrscheinlich nie realisiert werden – aus welchen Gründen auch immer. Westküste100 ist solch ein Vorhaben. Als Reallabor habe es zwar wertvolle Arbeit geleistet, aber die „H2 Westküste GmbH wird keine positive Investitionsentscheidung für den geplanten Elektrolyseur treffen“, ist auf ihrer Homepage zu lesen. „Grund dafür sind insbesondere die gestiegenen Investitionskosten.“

Das mag den einen oder die andere schmerzen, denn eventuell droht solch ein Szenario auch noch weiteren Projekten. Aber ist es nicht besser, ein erkennbar unwirtschaftliches Vorhaben rechtzeitig zu stoppen als händeringend daran festzuhalten und es wider besseres Wissen durchzuziehen? Ist es nicht besser, die durch mittlerweile zwei Kriege und eine zwischenzeitliche Energienotlage veränderten Rahmenbedingungen anzuerkennen und neu zu kalkulieren?

Nur weil Westküste100 nicht weitergeführt wird, heißt es ja nicht, dass die Energiewende abgesagt wurde, dass wir jetzt doch nicht auf erneuerbare Energien und Wasserstoff umschwenken. Nur weil vereinzelt Firmen zukünftig woanders produzieren, bedeutet das ja nicht, dass hierzulande keine Wertschöpfung mehr stattfinden wird.

Die Bekenntnisse seitens der Politik sind da: Sowohl Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als auch zahlreiche Ministerpräsidenten der Länder hoben kürzlich nochmals die enorme Bedeutung insbesondere der H2-Projekte hervor. Zudem hat sich inzwischen in der Bundesrepublik eine Start-up-Szene breit gemacht, die mit neuen, innovativen Ideen auf den Markt drängt (s. S. 10). Hier sind Investoren gefragt, die deren Potentiale erkennen und jetzt auf eigenes Risiko – ohne Fördergelder – in Vorleistung gehen.

Ich möchte nicht schon wieder auf den US-amerikanischen E-Auto-Hersteller verweisen, aber es gibt sie – auch in Europa –, die Akteure, die mit etwas Fingerspitzengefühl oder viel Geld zum richtigen Zeitpunkt neue Technologien marktfähig machen können.

Die Energiewende ist eine Riesenherausforderung – für alle. Wer, wenn nicht Deutschland, könnte hier besser exemplarisch Wege aufzeigen und entsprechende Produkte anbieten. Statt aber die enormen Potentiale zu sehen, die in dieser weltweiten Umwälzung liegen, verharren viele hierzulande in der „German Angst“. Schlimm genug, dass dieser Begriff (laut Wikipedia „typisch deutsche Zögerlichkeit“) mittlerweile weltweit geläufig ist.

Die Devise sollte deswegen lauten: Potentiale erkennen und heben, um gemeinsam eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.

Herzlichst
Sven Geitmann
HZwei-Herausgeber

 

Riesenpotenzial am Bosporus

Riesenpotenzial am Bosporus

Wie entwickelt sich die türkische Energiewirtschaft?

Manchmal reicht der Gang aufs Dach, um sich einen Überblick über die wesentlichen Anlagen für Energiewende und Klimaschutz zu verschaffen: Auf dem Technologiezentrum der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) stehen 26 Männer und Frauen, überwiegend Fachleute für erneuerbare Energien aus dem türkischen Izmir, zwischen Solarmodulen, roten Stahlflaschen mit Wasserstoff und einer Pilotanlage zur CO2-Aufnahme aus der Luft. Alles stößt auf lebhaftes Interesse und wird fotografiert, auch der Blick zum nahegelegenen Forschungswindpark. Die Delegation der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer (AHK) erfährt hier in Hamburg-Bergedorf, wie die Freiluft-Komponenten mit den Anlagen im Gebäude zusammenwirken – etwa mit dem Elektrolyseur und der Methanisierungsanlage – wie in einer Art Miniatur-Wunderland der Energiewende.

Nicht, dass es solche Anlagen nicht auch in der Türkei gäbe; zumal das Land seit Anfang diesen Jahres eine eigene Wasserstoffstrategie hat. Auch dort ist das Ziel, die heimische Industrie mit Hilfe des flüchtigen Elements zu defossilisieren. Aber die Systemintegration und Prozessoptimierung in Hamburg beeindrucken die Ingenieure aus Izmir sichtlich und so fragen sie beim Austausch mit HAW-Wissenschaftlern detailliert nach.

Die Informationsreise der Gäste aus der drittgrößten Stadt der Türkei zu den wichtigsten Erneuerbare-Energien-Projekten und -Unternehmen in der Metropolregion Hamburg dient neben dem fachlichen Austausch auch der Anbahnung von gemeinsamen Energiewende-Projekten. Die Region um Izmir will eine Drehscheibe für erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff werden. Ähnlich wie das hanseatische Pendant prägen Hafen, Industrie und Handel die an der Ägäis gelegene Stadt samt Umgebung. Weitere Städte und Regionen in der Türkei, die sich für Wasserstoff in Position bringen wollen, sind zum Beispiel Istanbul, Antalya und die südliche Marmara-Region.


Abb. 2: Energiecampus Hamburg: Wasserstoff. PV-Anlage. Windräder (Forschungswindpark Curslack)

Im Januar 2023 präsentierte das Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen der Türkei die Strategien für den Ausbau von Wasserstofftechnologien – mit Fokus auf grünem Wasserstoff. Bis zum Jahr 2030 soll eine Kapazität von zwei GW erreicht werden, bis 2035 sollen es fünf GW sein und 70 GW bis 2053. Das ist am Anfang ziemlich wenig. Wahrscheinlich werden die Ziele noch erhöht. Die Türkei will Wasserstoff nämlich nicht nur lokal herstellen, um die eigene Industrie zu dekarbonisieren, sondern: „Der Überschuss an grünem Wasserstoff soll exportiert werden.“ So teilte es die AHK auf Nachfrage mit.

Deutsch-türkische Zusammenarbeit

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der türkische Energieminister Fatih Dönmez unterzeichneten passend dazu bereits im Oktober 2022 in Berlin eine Absichtserklärung „zur vertieften Zusammenarbeit im Bereich grüner Wasserstoff“, wie ein Sprecher des BMWK erläutert. „Die Vereinbarung wurde anlässlich des vierten Deutsch-Türkischen Energieforums abgeschlossen, einer wichtigen Plattform für den Dialog zwischen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft beider Länder im Klima- und Energiebereich.“

Um die Türkei beim Klimaschutz zu unterstützen, stellt Deutschland über die KfW Kredite in Höhe von 200 Mio. Euro zur Verfügung, die „über türkische Partnerbanken dem Markt verfügbar gemacht werden sollen und insbesondere zur Förderung von EE und Energieeffizienz in der Türkei eingesetzt werden. Über die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI) werden weitere 20 Mio. Euro für verbesserte Finanzierungskonditionen besonders innovativer Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt“, so das BMWK.


Abb. 3: Besichtigung des Elektrolyseurs im CC4E

Größtes Solarkraftwerk Europas

Und weil zur Herstellung von grünem Wasserstoff Ökostrom notwendig ist, will die Türkei ihre Windenergiekapazitäten auf knapp 30 GW bis 2035 erhöhen. Im Solarenergiebereich ist ein noch stärkerer Anstieg geplant: Von 9,4 GW (2022) auf rund 53 GW im Jahr 2035. Relativ unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit ging Anfang Mai in der zentraltürkischen Provinz Konya das größte Solarkraftwerk Europas (inklusive Kleinasiens) in Betrieb. Mit einer Leistung von 1,35 GW gehört es auch zu den größten weltweit. Rund drei Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr soll die Photovoltaik-Anlage in Karapınar liefern; genug für den Bedarf von zwei Millionen Menschen in der Türkei, teilt das Unternehmen Kalyon PV mit.

Mit Hilfe von Sonne, Wind, Wasser, Geothermie und Biomasse könnte das Land seinen Strombedarf in Zukunft komplett selbst decken, heißt es in einer Analyse der türkischen Wasserstoff-Gesellschaft (NHA). Zudem solle grüner Wasserstoff dazu beitragen, erst die eigene Industrie zu dekarbonisieren, insbesondere in den Bereichen Stahl, Zement und Düngemittelproduktion, um dann schließlich den weltweit begehrten Grundstoff und Energiespeicher auch exportieren zu können.

Deutsche Kooperationspartner gesucht

„Für deutsche Unternehmen bieten sich Potenziale in den Bereichen Know-how, Projektentwicklung und Technologielösungen“, so die AHK Türkei. Wie groß die Potenziale in dem südosteuropäischen Land tatsächlich sind, das immerhin mehr als doppelt so groß wie die Bundesrepublik ist, zeigt bereits ein Blick auf den derzeitigen Stand der erneuerbaren Energien: Denn trotz seiner Größe und trotz guter Windbedingungen ist die installierte Leistung an Windkraftanlagen mit 11,4 GW (im Jahr 2022) noch relativ gering. Eine Chance also für die deutsche Windenergieindustrie, um mit türkischen Partnern ins Geschäft zu kommen? Ja, heißt es aus der Delegation, und damit meinen die Teilnehmer nicht nur große Anlagenhersteller, sondern auch kleinere und mittelgroße Unternehmen, Zulieferer und Dienstleister.

„Mit der Ankündigung der Ausbauziele für Offshore-Wind gewinnt der türkische Windmarkt neue Dynamik und Bedeutung für den Export deutscher Technologie und Know-how“, bestätigt Jan Rispens, Geschäftsführer des Branchennetzwerks Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH), das rund 240 Unternehmen aus Norddeutschland zu seinen Mitgliedern zählt. „Seit vielen Jahren ist die Türkei ein wichtiger Windmarkt für deutsche und Hamburger Unternehmen.“ So seien beispielsweise Nordex, TÜV Nord und EnBW entweder durch eigene Niederlassungen oder Joint-Ventures mit türkischen Geschäftspartnern dort aktiv.

Doch die Umstellung von konventionellen auf erneuerbare Energien wird dauern. In den vergangenen Jahren hat das Land enorm viel Geld für die Einfuhr fossiler Rohstoffe ausgegeben, vor allem Erdgas und Öl. „Rund 97 Milliarden US-Dollar kostete der Import von Energie allein im letzten Jahr“, sagt Yıldız Onur, Handelsattaché im türkischen Generalkonsulat in Hamburg und Begleiterin der Izmir-Delegation. Damit seien die Kosten im Vergleich zum Vorjahr um beinahe 90 Prozent gestiegen. Schon aus wirtschaftlichen Gründen sei es daher sinnvoll, mehr auf Eigenproduktion von Energie zu setzen, um weniger abhängig von Importen zu sein.


Abb. 4: Methanisierungsanlage im CC4E

Nähe zu Russland

Dazu gehört für die Regierung Erdoğan bekanntlich auch Atomkraft. Ende April weihte der Staatspräsident das erste AKW des Landes ein, gebaut vom russischen Staatskonzern Rosatom, weshalb auch Kreml-Chef Wladimir Putin per Video an der Zeremonie teilnahm. Die fand übrigens am selben Tag statt, als in Deutschland und anderen Ländern die Wahllokale für die im Ausland lebenden Türken zur Stimmabgabe öffneten. Erdoğan hatte bei der AKW-Einweihung zugleich den Ausbau der Atomkraft angekündigt sowie die Ausbeutung neuer Gasvorkommen.

Das Oppositionsbündnis CHP war zwar nicht prinzipiell gegen Atomenergie, und auch nicht gegen die Suche nach neuen Gasfeldern im Schwarzen Meer. Allerdings kritisierte es die Abhängigkeit von Russland und wollte stattdessen auf „türkische Technologie“ setzen. Neue Kohlekraftwerke sollten jedoch nicht gebaut werden. Laut ihrem Programm setzte die CHP auf eine grüne Energiewende in allen Sektoren, auch in der Landwirtschaft.

Obwohl das Land am Bosporus mit der Wahl im Mai 2023 die alte Regierung bestätigt hat – am grünen Wasserstoff wird wohl trotzdem kein Weg vorbeiführen. Davon ist zumindest der Unternehmer Ali Köse überzeugt, nicht zuletzt wegen des Green Deal der Europäischen Union und dem Instrument des „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM), wodurch in Zukunft Ausgleichszahlungen für CO2-Emissionen fällig würden. Köse ist Gründungs- und Vorstandsmitglied im türkischen Wasserstoffverband H2DER und CEO der Firma H2Energy Solutions. Das erklärte Ziel seiner Firma lautet, die Türkei „fit“ für grünen Wasserstoff zu machen und diesen nach Deutschland zu exportieren. Beispielsweise arbeitet das Unternehmen an einem H2-Mobilitäts-Projekt in Istanbul.

Auch andere Unternehmer aus diesem Bereich sondieren den Markt in der Türkei, so Köses Beobachtung. Sie vernetzen sich und bauen Partnerschaften auf. Noch fehlen allerdings die Rahmenbedingungen, um Planungssicherheit für Investoren zu schaffen. Und noch hemme die Bürokratie sogar den Ausbau von Dachsolaranlagen. „In der Türkei sind weniger Dächer mit PV belegt als in Deutschland“, sagt Ali Köse, der regelmäßig zwischen beiden Ländern pendelt. „Dabei lässt sich hier aufgrund der Sonneneinstrahlung mit jedem Megawatt an installierter PV-Leistung ungefähr doppelt so viel Strom generieren wie in Deutschland.“

Phasenübergang effektiv nutzen

Phasenübergang effektiv nutzen

Innovatives Kühlkonzept für Brennstoffzellen

H2-Brennstoffzellensysteme haben sowohl für den Bereich der Mobilität als auch für stationäre Anwendungen maßgebliche Vorteile gegenüber bereits etablierten Technologielösungen. Insbesondere zeichnen sie sich durch den emissionsfreien Betrieb, eine lange Lebensdauer sowie hohe erreichbare Wirkungsgrade aus. Oft schrecken jedoch vergleichsweise hohe Anschaffungskosten potentielle Anwender ab. Um diese Kosten zu reduzieren, sollen großserientechnisch herstellbare Bipolarplatten besonders materialsparend gestaltet werden. Durch ein innovatives Kühlkonzept können Anwendungen nicht nur günstiger, sondern auch kleiner und leichtgewichtiger realisiert werden.

Eine Verringerung des Bauraums resultiert in einer Steigerung der Leistungsdichte des Systems wie auch in einer Erhöhung der in dem System vorhandenen Wärmestromdichte. Hieraus ergeben sich große Herausforderungen hinsichtlich der effizienten Temperierung von Brennstoffzellensystemen. Neben etablierten Luft- und Flüssigkeitskühllösungen ist eine Kühlung mittels Änderung des Aggregatzustandes des Kühlmediums ein besonders vielversprechender Ansatz. Durch eine gezielte Gestaltung der geometrischen Oberflächeneigenschaften von Bipolarplatten lassen sich einerseits höhere Energiemengen abführen und andererseits die Temperaturverteilung entlang einer Bipolarplatte gezielt einstellen. Innerhalb des HZwo:FRAME-Verbundprojekts „Innovative Kühlsysteme für Brennstoffzellen“ konnte ein auf dem Phasenübergang eines Kühlmediums basierendes Kühlkonzept entwickelt und der Funktionsnachweis im Labormaßstab erbracht werden.

Höhere Anforderungen an Wärmeabfuhr

Für den effizienten Betrieb eines Brennstoffzellensystems ist eine effektive und zielgenaue Temperierung von zentraler Bedeutung. Derzeit werden in kommerziell erhältlichen BZ-Stacks zwei Kühlmethoden angeboten: Luft- und Flüssigkeitskühlung [1].

Eine Luftkühlung zeichnet sich vor allem durch ihre konstruktive Einfachheit aus. Der technische Aufwand ist hierbei gegenüber flüssigkeitsbasierten Kühlsystemen deutlich geringer, da neben einem Lüfter keine zusätzlichen Elemente erforderlich sind. Limitiert werden die Einsatzmöglichkeiten der Luftkühlung in erster Linie durch die verhältnismäßig niedrige abführbare Wärmemenge. Außerdem führen luftgekühlte Systeme häufig zu einer stark inhomogenen Temperaturverteilung innerhalb der Brennstoffzellen, was deren Wirkungsgrad und Langzeitstabilität negativ beeinflussen kann. Aktiv luftgekühlt werden meist Stacks mit einer elektrischen Leistung unter 5 kW, die beispielsweise für stationäre Anwendungen genutzt werden.

Für die Temperierung von Brennstoffzellen-Stacks mit einer elektrischen Gesamtleistung von mehr als 5 kW, beispielsweise für Fahrzeuge, hat sich die Flüssigkeitskühlung etabliert. In flüssiggekühlten BZ-Systemen wird das Kühlmedium innerhalb eines Kreislaufs durch spezielle Kühlkanäle, welche in die Brennstoffzellen integriert sind, gepumpt. Das Kühlmedium muss die hier aufgenommene Wärme in einem nachgeschalteten Wärmetauscher wieder an die Umgebung abgeben.

Im Rahmen aktueller Entwicklungen rücken zunehmend dünne metallische Bipolarplatten in den Fokus, da solche Bipolarplatten in Zukunft kostengünstig in Serie produziert werden können. Gleichzeitig kann die Leistungsdichte von Brennstoffzellen erhöht und somit neue Anwendungsbereiche und Miniaturisierungsmöglichkeiten von Brennstoffzellensystemen adressiert werden. Vor diesem Hintergrund werden allerdings die beschriebenen konventionellen Kühllösungen, basierend auf reiner Konvektion, in Zukunft nicht mehr dazu ausreichen, die erforderlichen Wärmemengen über die noch zur Verfügung stehenden Flächen abzuführen.

Eine Zweiphasenkühlung (auch Siedekühlung genannt) bietet die Möglichkeit, die hohen erforderlichen Wärmestromdichten, d. h. die Wärmeenergie bezogen auf die Fläche und das Zeitintervall zur Kühlung von miniaturisierten Brennstoffzellen, zu erreichen. Hierbei wird der Effekt ausgenutzt, dass beim Phasenübergang des Kühlmediums in den gasförmigen Zustand ein hoher Energiebetrag – die Verdampfungsenthalpie – benötigt wird, welcher der Brennstoffzelle während des Phasenübergangs an der Oberfläche der Bipolarplatten entzogen wird und daher in erheblichem Maße zur Kühlwirkung beiträgt. Da dieses leistungsfähige Kühlkonzept auf geringe Volumenströme des Kühlmediums angewiesen ist, kann damit auch die Leistung der erforderlichen Peripherie, wie etwa der Pumpen im Vergleich zu Luft- oder Flüssigkeitskühlungen, deutlich reduziert werden [2].

Bearbeitung mittels Laserstrahlabtragen

Die Forschungsarbeiten sind insbesondere durch das große Potential der Siedekühlung für das effiziente Wärmemanagement von Brennstoffzellensystemen motiviert. Hierbei stand die metallische Bipolarplatte als ein wesentliches Funktionselement der Brennstoffzelle im Fokus. Im Rahmen der Entwicklung mussten Designkonzepte für die neue Kühlmethode entwickelt und umgesetzt werden, wie etwa die simulationsbasierte Berechnung einer optimierten Kühlmediumströmung oder die Gestaltung beständiger Dichtungen. Schlussendlich war es vorgesehen, die metallischen Bipolarplatten aus einem 100 Mikrometer dicken Ausgangsblech umformtechnisch herzustellen und diese anschließend hinsichtlich der Anforderungen des neuen Kühlkonzepts zu modifizieren.

Ein Ziel, das im Rahmen des Projekts verfolgt wurde, war eine homogene Temperaturverteilung auf der Bipolarplatte. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde eine geeignete Oberflächenfunktionalisierung als Methode zur Beeinflussung des Wärmeübergangskoeffizienten gewählt. Eine solche Oberflächenfunktionalisierung konnte durch die Einbringung von Mikrostrukturen in Form von Einzelpulsabträgen mittels Laserstrahlbearbeitung realisiert werden. Derartige Mikrostrukturen bewirken zum einen eine Vergrößerung der realen Oberfläche der Bipolarplatte und zum anderen eine Erhöhung der Keimstellenzahl für die Blasenbildung beim Phasenübergang.

Als ein relevanter Gestaltungsparameter wurde in diesem Zusammenhang die sogenannte Mikrostrukturdichte (Anzahl Mikrostrukturen pro Fläche) durch Variation des räumlichen Abstandes zwischen den einzelnen Pulsabträgen untersucht. In Abb. 1 sind Ergebnisse der Mikrostrukturierung von Probewerkstücken bei unterschiedlichen Pulsabständen von 5 µm bis 35 µm gezeigt.

Funktionsnachweis im Labormaßstab

Zur Untersuchung des Wärmeübergangs der modifizierten Bipolarplatten wurde ein Laborprüfstand entwickelt und umgesetzt (s. Abb. 2). Der Messstand wurde derart konzipiert, dass die technischen Bedingungen denen des realen Anwendungsfalls entsprechen und im Bereich realistischer Lastveränderungen variiert werden können. Eine transparente Prozesskammer und eine Bipolarplatte hüllen die Kühlkanäle ein und ermöglichen dabei, ablaufende Strömungs- und Siedeprozesse des Kühlmediums optisch zu erfassen. Zusätzlich wurden mittig in Strömungsrichtung drei abgeschirmte Thermoelemente gleichmäßig über der Bipolarplatte verteilt, welche zur messtechnischen Erfassung der Temperaturverteilung im Kühlmedium genutzt wurden.


Abb. 2 Prüfstand: Prozesskammer mit integrierter Bipolarplatte und Temperatursensorik

Innerhalb der Experimente wurden unter anderem eine geprägte Referenz-Bipolarplatte sowie eine laserstrukturierte, beschichtete Bipolarplatte charakterisiert. Um eine möglichst homogene Temperaturverteilung entlang der Strömungsrichtung zu erreichen, wurde die Mikrostrukturdichte in Abhängigkeit der Strömungsrichtung und Strömungslänge variiert.


Abb. 3: Strukturierte Bipolarplatte mit in Fließrichtung sinkender Dichte der Mikrostrukturen (links); Detailansicht Wellenstruktur (mittig); Detailansicht Mikrostrukturierung (rechts)

Anhand des Prüfstandes konnte experimentell der Einfluss der Oberflächenfunktionalisierung auf das Phasenübergangsverhalten gezeigt und untersucht werden. Siedevorgänge auf der strukturierten Oberfläche waren hierbei weniger intensiv ausgeprägt als auf der unstrukturierten Referenzplatte (s. Abb. 4). Auch die Messungen mittels der Temperatursensoren bestätigten, dass die maximal auftretenden Temperaturen durch die Oberflächenfunktionalisierung der Bipolarplatte verringert werden konnten. Zudem war die Temperaturverteilung entlang der Strömungsrichtung des Kühlmediums deutlich gleichmäßiger: Die Temperaturerhöhung ∆T entlang der strukturierten und beschichteten Platte war für alle untersuchten Parametersätze im Vergleich zur Referenz-Bipolarplatte geringer.


Abb. 4: Ergebnisse der optischen Untersuchung: Intensität der Blasenbewegung (dunkelblaue Bereiche) im Flussfeld der Referenzplatte (oben) sowie der strukturierten und beschichteten Platte (unten) bei Prozessparametern (Einlasstemperatur des Kühlmediums und Wärmestromdichte von Bipolarplatte): 78 °C und 0,5 W/cm2 (links); 78 °C und 2 W/cm2 (rechts)

Es konnte somit nachgewiesen werden, dass die thermodynamischen Eigenschaften der Bipolarplatten, insbesondere im Bereich der Verdampfungszonen, durch die Mikrostrukturierung beeinflusst und eingestellt werden können. Die im Rahmen dieses Projekts erzielten Ergebnisse stellen einen weiteren Schritt in Richtung kostengünstiger und gleichzeitig platzsparender Brennstoffzellenstacks dar.

Über das Projekt

Im Rahmen des Vorhabens wurden grundlegende und anwendungsrelevante Erkenntnisse für die Gestaltung sowie für die technologische Umsetzung eines auf dem Verdampfungsprinzip basierenden Brennstoffzellenstacks mit metallischen Bipolarplatten erarbeitet und unter realitätsnahen Bedingungen validiert. Zur Erreichung der Projektziele haben folgende Projektpartner zusammengearbeitet: WätaS Wärmetauscher Sachsen GmbH, Fischer Werkzeugbau GmbH, CeWOTec Chemnitzer Werkstoff- und Oberflächentechnik gGmbH, Professur Mikrofertigungstechnik und Professur Alternative Fahrzeugantriebe an der Technischen Universität Chemnitz.

Förderung und Projektträger: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) / Sächsische Aufbaubank (SAB)

Literatur

[1]        A. Fly and R. H. Thring, A comparison of evaporative and liquid cooling methods for fuel cell vehicles, Int. J. Hydrogen Energy, vol. 41, no. 32, pp. 14217–14229, 2016, ISBN: 0360-3199, ISSN: 03603199, DOI:10.1016/j.ijhydene.2016.06.089

[2]        G. Zhang and S. G. Kandlikar, A critical review of cooling techniques in proton exchange membrane fuel cell stacks, Int. J. Hydrogen Energy, vol. 37, no. 3, pp. 2412–2429, Feb. 2012, ISSN: 03603199, DOI:10.1016/j.ijhydene.2011.11.010

Autoren:
Igor Danilov, M. Sc, igor.danilov@mb.tu-chemnitz.de
Dipl.-Ing. (FH) Ingo Schaarschmidt, M. Sc, ingo.schaarschmidt@mb.tu-chemnitz.de
Dr.-Ing. Philipp Steinert, philipp.steinert@mb.tu-chemnitz.de

 

preloader