BZ-Lkw made in Sachsen

BZ-Lkw made in Sachsen

FES stellt H2-Truck in Zwickau vor

Früher wurde hier der Trabi gebaut – zukünftig sollen es H2-Lkw sein, die emissionsfrei aus der Werkhalle fahren. Diese Technologiewende vom Zweitakter zum Brennstoffzellenlastwagen soll nicht nur die FES GmbH Fahrzeug-Entwicklung Sachsen voranbringen. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der am 22. Juli 2024 Zeuge dieses Meilensteins war, hofft, dass die gesamte Region davon profitieren wird.

Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte bei der Präsentation: „Die Vorstellung des FES-Brennstoffzellen-Lkws ist ein herausragendes Beispiel für die Innovationskraft und das technische Know-how in Sachsen. Solche Projekte sind essenziell, um den Standort Sachsen als führend in der modernen Fahrzeugentwicklung zu positionieren und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.“

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Am Standort der ehemaligen Trabi-Produktion
Die Geschichte der FES GmbH reicht weit zurück – bis ins Jahr 1904, in dem die August Horch Motorwagenwerke AG gegründet wurde. 1957 gingen daraus die Sachsenring Automobilwerke Zwickau hervor, die für die Entwicklung und Produktion des Trabants bekannt wurden.

Nach der Wende, im Jahr 1992, gründete sich daraus die FES GmbH, die sich seitdem als Unternehmen der Volke-Gruppe als Entwicklungsdienstleister für nationale sowie internationale Automobilhersteller, verschiedenste Zulieferer sowie für die Bahn- und Luftfahrtindustrie etabliert hat und inzwischen rund 850 Mitarbeiter beschäftigt.

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Ziel von FES ist die Entwicklung und Fertigung von Fahrzeugen, die eine „nachhaltige und umweltfreundliche Mobilität“ ermöglichen. Dazu zählen sowohl batterie- als auch brennstoffzellenbetriebene Systeme. Im Elektromobilitätssektor ist FES seit 15 Jahren aktiv – vor sieben Jahren wurde beschlossen, auch Brennstoffzellen zu integrieren, so wie beispielsweise das FEScell-System. Nach Firmenangaben ist dies das „weltweit kleinste Brennstoffzellensystem für autonom fahrende Intralogistikfahrzeuge“. Es ist seit 2021 im Serieneinsatz, unter anderem in Flurförderzeugen im BMW-Werk Leipzig.


Vom Trabi bis zum Audi – alles dabei

Christian Schwamberger, Geschäftsführer der FES GmbH (s. Abb. 1), erklärte: „Wasserstoff ist aus unserer Sicht […] gerade für den Güterverkehr eine echte Alternative zum Verbrennungsmotor.“ Besonders stolz sind alle Akteure darauf, dass „dieses innovative Projekt komplett aus Eigenmitteln ohne staatliche Förderung“ umgesetzt werden konnte.

„Sie haben mit Qualität und Leistung gezeigt, dass Sie es einfach drauf haben.“

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer

Neuste Technik aus Sachsen
Bei dem H2-Lkw handelt es sich um einen serienreifen 18-Tonner, der je nach Kundenanforderung mit unterschiedlichen Konfigurationen bezüglich des Gesamtgewichtes (bis 26 t) und der Aufbauten konzipiert werden kann. Die dafür verwendete Brennstoffzelle – genau wie das Tanksystem – kommt vom Technologiepartner Toyota, der Antriebsstrang von der Framo GmbH aus Löbichau.

Der elektrische Dual-Motor verfügt über 280 kW Dauerleistung, wobei 120 kW aus der Brennstoffzelle kommen (170 kW ab 2025). Über den LiFePO4-Akku ist für 30 Sekunden eine Maximalleistung von 308 kW realisierbar (Akku ist CCS-nachladbar). Dieser Batterietyp ist laut FES zwar etwas schwerer, aber weniger brandgefährlich als vergleichbare Systeme.

Die hinter dem Führerhaus installierten Wasserstofftanks aus CFK fassen 33 kg bei 700 bar, ausreichend Energie für 350 bis 500 km Reichweite. Dazu sagte FES-Entwicklungsleiter Hartmut Schimmel (s. Foto auf Seite 4): „Wir haben den Lkw mit 700 bar gebaut, aber er kann an jeder 350-bar-Station befüllt werden.“ Zudem könnten bei Bedarf auch noch mehr H2-Tanks installiert werden.

Das Basisfahrzeug ist ein MAN TGM der dritten Generation und kann – im Bedarfsfall – von normalen Werkstätten repariert werden. Die Hinterachse ist für 1 Mio. Kilometer ausgelegt, berichtet Schimmel stolz. Das sei „kein Jugend-forscht-Projekt“, vielmehr verfüge der BZ-Lkw über „volle Fernverkehrseignung“.

Schimmel stellte gegenüber HZwei zudem in Aussicht, dass der BZ-Lkw in Kürze vorbestellt und ab 2025 ausgeliefert werden kann. Voraussetzung sei, dass jetzt potenzielle Interessenten auch wirklich entsprechende Bestellungen auslösen.


Neben dem Firmeneigentümer Martin Volke (l.) war der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer einer der Ehrengäste – hier im Gespräch mit Dr. Rainer Albrecht, dem FES-Gründungsgeschäftsführer von 1992 (r.)

Wasserstoffhochlauf in Deutschland

Wasserstoffhochlauf in Deutschland

Baufortschritte sind sichtbar
„Aus Vergangenheit wird Zukunft“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, als er sich im August dieses Jahres in Hamburg über den Stand der Bauarbeiten für zwei IPCEI-geförderte Großprojekte informierte. In Begleitung der Hamburger Senatorin für Wirtschaft Melanie Leonhard sowie des Senators für Umwelt Jens Kerstan setzte Habeck gemeinsam mit Gabriele Eggers, kaufmännische Geschäftsführerin von Gasnetz Hamburg, symbolisch den großen Schraubenschlüssel an, während zugleich röhrende Bagger ein Gebäude auf dem Gelände des 2021 stillgelegten Kohlekraftwerks Moorburg abrissen.

Denn direkt an der Süderelbe wird nun Platz geschaffen für den sogenannten Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH), wo mit dem seit langem geplanten 100-Megawatt-Elektrolyseur eine der größten Wasserstofffabriken Deutschlands entsteht. Baubeginn ist 2025, sagte Christian Heine, Sprecher der Geschäftsführung der Hamburger Energiewerke, die den HGHH gemeinsam mit ihrem Konsortialpartner Luxcara realisieren. Parallel dazu hat Hamburg Gasnetz die Tunnelbohrer für das H2-Industrienetz (HH-WIN) im Einsatz, das im Hafen der Hansestadt mit einer Länge von anfangs 40 Kilometern angelegt wird. Später soll es auf 60 Kilometer ausgebaut und an den European Hydrogen Backbone angebunden werden.

Hamburg will Tor zur Wasserstoffwelt werden
Beide Projekte sollen 2027 in Betrieb gehen und zusammen das Fundament für den Aufbau einer H2-Infrastruktur in Norddeutschland bilden. 10.000 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr soll der Elektrolyseur dann mithilfe des reichlich vorhandenen Windstroms produzieren. Dieser kann direkt bis zum 380-kV-Netzknoten übertragen werden, der am Standort Moorburg bereits vorhanden ist.

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„Luxcara ist in einige europäische Wasserstoffprojekte eingebunden“, sagte deren Geschäftsführerin Alexandra von Bernstorff anlässlich des Ministerbesuchs. „Aber keines begeistert mich so wie dieses hier.“ Denn hier gehe es wirklich voran. Während andere noch redeten und planten, werde in der Hansestadt gebaut, sagte auch Umweltsenator Kerstan. Seit vergangenem Jahr ist der Rückbau des Kohlekraftwerks in vollem Gange, an dessen Standort neben dem Elektrolyseur auch eine Gasübergabestation und eine Lkw-Verladestation entstehen. Von dort kann Wasserstoff per Trailer abtransportiert werden, um kleinere und mittlere Unternehmen im Hamburger Hafen zu versorgen, die nicht an das Gasnetz angeschlossen sind. Der Elektrolyseur soll dazu beitragen, den Hafen samt seiner Schwer- und Chemieindustrie zu defossilisieren, und perspektivisch auf bis zu 800 MW-Elektrolyseleistung ausgebaut werden, woran seitens der Industrie großes Interesse bestehe.

4,6 Mrd. Euro von Bund und Ländern
HGHH und HH-WIN sind zwei der 23 großen IPCEI-Vorhaben in Deutschland, die mit insgesamt 4,6 Mrd. Euro an öffentlichen Geldern unterstützt werden. Weitere 3,3 Mrd. Euro sollen durch private Investitionen der beteiligten Unternehmen hinzukommen. Das Geld geht unter anderem in den Aufbau von 1,4 Gigawatt Elektrolyseleistung, rund 2.000 Kilometer Wasserstoffpipelines, 370 Gigawattstunden Speicherkapazität und in die Nutzung von flüssigen organischen H2-Trägern (LOHC). Entsprechende Terminals sollen auf diese Weise den Transport von etwa 1.800 Tonnen Wasserstoff pro Jahr ermöglichen.

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Bundeswirtschaftsminister Habeck hatte am 15. Juli gemeinsam mit den Wirtschaftsministern von zehn Bundesländern in Berlin die Förderzusagen überreicht (s. HZwei-Heft Juli 2024). Die staatliche Unterstützung, die zu 70 Prozent vom Bund und zu 30 Prozent von den Ländern kommt, ist für Projekte der sogenannten Hy2Infra-Welle des Wasserstoff-IPCEI bestimmt. Die beihilferechtliche Genehmigung für die öffentliche Förderung hatte die EU-Kommission am 15. Februar erteilt.

Trotz des Baufortschritts in Moorburg bleibt für Industrievertreter die Unklarheit über den künftigen Wasserstoffpreis. Der muss noch verhandelt werden. Die Gespräche zwischen dem HGHH-Konsortium und den im Hafen ansässigen Unternehmen laufen bereits.

Abb.: Symbolische Montage am Standort Hamburg-Moorburg: Vizekanzler Robert Habeck und Gabriele Eggers, kaufmännische Geschäftsführerin von Gasnetz Hamburg, greifen zum Schraubenschlüssel. Dahinter Christian Heine (Hamburger Energiewerke), Michael Dammann (Gasnetz Hamburg) und Umweltsenator Jens Kerstan.

THG-Quotenhandel für grünen Wasserstoff

THG-Quotenhandel für grünen Wasserstoff

37. BImSchV ermöglicht Zusatzerlöse für erneuerbare Kraftstoffe

Die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) ist ein politisches Klimaschutzinstrument, das in Deutschland eingesetzt wird, um die landesweiten Emissionen im Verkehr zu verringern und erneuerbare Energien in der Mobilität zu fördern. Sie ist die nationale Umsetzung der Vorgaben aus der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie und hat das Ziel, die Mindestanteile an erneuerbaren Energien im Verkehrssektor für das Jahr 2030 und darüber hinaus zu erreichen.

Hohe THG-Emissionen im Verkehr sind auf die fossilen Kraftstoffe zurückzuführen. Aus diesem Grund sind Mineralölunternehmen bzw. die Inverkehrbringer fossiler Kraftstoffe dazu verpflichtet, ihre Emissionen um einen bestimmen Prozentsatz zu kompensieren und in emissionsärmere Alternativen zu investieren. Dieser Prozentsatz wird THG-Minderungsquote genannt und beträgt für das Jahr 2024 mindestens 9,25 Prozent. Er erhöht sich kontinuierlich bis 2030 auf einen Wert von 25 Prozent.

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Zur Erreichung dieser Ziele erlaubt das Bundesimmissionsschutz-Gesetz (BImSchG) bestimmten Erfüllungsoptionen wie beispielsweise Biokraftstoffen, Ladestrom oder strombasiertem Wasserstoff die Anrechenbarkeit über den Quotenhandel und ermöglicht somit attraktive Zusatzerlöse. Quotenverpflichtete Unternehmen vergüten Inverkehrbringern erneuerbarer Kraftstoffe die Emissionseinsparungen, erreichen ihre Ziele und verhindern damit die Zahlung einer Pönale von 600 €/t CO2. Für RFNBO (renewable fuels of non-biological origin) greift insbesondere die 37. BImSchV, für Ladestrom beispielsweise die 38. BImSchV.

Erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs
Im März 2024 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Novellierung dieser für RFNBO zuständigen 37. BImSchV. Damit wird die Anrechnung einer großen Bandbreite unterschiedlicher strombasierter Kraftstoffe auf die THG-Quote ermöglicht, darunter auch grüner Wasserstoff. Die neue Verordnung greift allerdings erst für Kraftstoffe, die ab dem 1. Juli 2024 in Verkehr gebracht werden.

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Die Vorgaben gelten im Wesentlichen für die Produktion von RFNBO und damit unmittelbar für den Produzenten. Quotenberechtigt und damit anspruchsberechtigt für die Quotenerlöse ist allerdings nicht der Produzent, sondern der Inverkehrbringer der RFNBO, welcher in der Regel dem Betreiber der RFNBO-Tankstelle entspricht. Auch der Einsatz von RFNBO in der Raffinerie ist möglich. In diesem Fall gilt die Raffinerie selbst als Inverkehrbringer und ist damit quotenberechtigt.

Quelle: https://www.greentrax.de/blog/gruener-wasserstoff-thg-quote

Grundsätzlich müssen zur Anrechnung von grünem Wasserstoff und RFNBO auf die THG-Quote die Strombezugskriterien erfüllt werden, die in der Delegierten Verordnung EU 2023/1184 festgelegt sind, sowie eine THG-Mindesteinsparung von 70 Prozent, berechnet nach den Vorgaben in der zweiten Delegierten Verordnung EU 2023/1185. Zur Nachweisbarkeit dieser Aspekte müssen die Anlagen zur Produktion inklusive möglicher Lieferanten in einem von der EU-Kommission anerkannten Zertifizierungssystem (bspw. REDcert EU oder ISCC EU) zertifiziert werden.

Erst nach erfolgreicher Zertifizierung kann das produzierte RFNBO angerechnet werden – vorausgesetzt, die Mindesteinsparung von 70 Prozent wird eingehalten. Diese Vorgaben gelten im Rahmen der deutschen THG-Quote für RFNBO, eingesetzt im Verkehrssektor, setzen aber ebenso die Standards für RFNBO, eingesetzt in anderen EU-Staaten und in anderen Endverbrauchssektoren (hier allerdings ohne die Möglichkeit von Quotenerlösen).

Nach Anerkennung der Zertifizierungssysteme für RFNBO durch die EU-Kommission können sich die relevanten Marktteilnehmer zertifizieren lassen. Vorher ist es nicht möglich, RFNBO zu produzieren und diese für die THG-Quote zu nutzen. Sogenannte Pre-Zertifizierungen sind zwar möglich und können gegebenenfalls den Zertifizierungsprozess beschleunigen, haben jedoch keine Rechtswirksamkeit in Bezug auf die 37. BImSchV und erlauben auch keine rückwirkende Anerkennung produzierter erneuerbarer Kraftstoffe.

Teilweise erneuerbarer Kraftstoff

Die Strombezugskriterien aus EU 2023/1184 sind eins zu eins in nationales Recht überführt worden und finden sich damit ebenfalls in der 37. BImSchV. Unterschieden werden muss zwischen vollständig und teilweise erneuerbarem Kraftstoff. Vollständig erneuerbarer Kraftstoff muss in der Regel alle Strombezugskriterien erfüllen (s. Abb. 2), inklusive Abschluss eines Green PPA , also eines Stromliefer- und Bezugsvertrages für erneuerbaren Strom, beispielsweise zwischen dem Betreiber eines Windparks und dem Betreiber des Elektrolyseurs. Teilweise erneuerbarer Kraftstoff muss diese Kriterien nicht erfüllen. Demnach muss zunächst geprüft werden, ob der Kraftstoff überhaupt vollständig als RFNBO im Sinne der Verordnung einzustufen ist.

Ein Elektrolyseur könnte beispielsweise Netzstrom beziehen und müsste entsprechend dem durchschnittlichen EE-Anteil lediglich Stromherkunftsnachweise entwerten, ohne die weiteren Strombezugskriterien zu erfüllen (hierbei dürfen jedoch keine biomassebasierten Herkunftsnachweise verwendet werden). In einem solchen Fall würde der durchschnittliche EE-Anteil des konsumierten Stroms in Deutschland (sog. RES-E) zwei Jahre vor dem Produktionsjahr herangezogen werden. Falls der EE-Anteil beispielsweise 50 Prozent betrug, könnten maximal 50 Prozent des so erzeugten Kraftstoffs als RFNBO anerkannt werden.

In der Praxis ist eine Produktion rein über diesen Strombezug in Deutschland jedoch nicht möglich, da der relativ hohe Emissionsfaktor für Netzstrom berücksichtigt und in der Regel die Mindesteinsparung von 70 Prozent verfehlt wird. Die Schlüsselung der Gesamtemissionen auf aus der Produktionsanlage ausgekoppelte Erzeugnisse wie zum Beispiel Wärme und Sauerstoff könnte hier Abhilfe schaffen, genau wie eine anteilige Produktion gemeinsam mit der Produktion von vollständig erneuerbarem Kraftstoff über die Nutzung eines Green PPA.

Eine Schlüsselung der Emissionen kann bei der elektrochemischen Produktion von Wasserstoff, Wärme und Sauerstoff beispielsweise anhand des ökonomischen Wertes der Erzeugnisse erfolgen. Sollten jedoch alle Erzeugnisse einen Energiegehalt aufweisen, müsste die Schlüsselung der Emissionen anhand des energetischen Anteils erfolgen. Hierdurch verbessert sich die THG-Bilanz des Wasserstoffs.


Übersicht der aktuellen Regulatorik

Vollständig erneuerbarer Kraftstoff
Neben teilweise erneuerbarem Kraftstoff kann auch vollständig erneuerbarer Kraftstoff produziert werden. Hierzu müssen je nach Szenario der Strombeschaffung die in Abb. 2 aufgeführten Kriterien erfüllt sein, wodurch sich 100 Prozent des erzeugten Kraftstoffes als RFNBO anrechnen lassen. Bei einer anteiligen Produktion mit Strom, der diese Kriterien nicht erfüllt, hätten wir entsprechend weniger als 100 Prozent (abhängig vom EE-Anteil im Stromnetz des jeweiligen Produktionsstandortes).

Beispiel
Ein Elektrolyseur bezieht seinen Strom zu 70 Prozent via Green PPA (Szenario 2 aus Abb. 2) und zu 30 Prozent via Spotmarkt inklusive Strom-HKN-Entwertung. Bei einem EE-Anteil von 50 Prozent im Netz wären demnach maximal 70 Prozent plus 15 Prozent, also 85 Prozent RFNBO, die restlichen 15 Prozent könnten als Low-Carbon Hydrogen vermarktet werden, sind aber nicht für die THG-Quote zu verwenden. Ob tatsächlich 85 Prozent als RFNBO gelten, entscheidet sich allerdings erst, wenn klar ist, ob für die Gesamtmenge die Mindesteinsparung von 70 Prozent eingehalten wurde.

Zur Berechnung dieser Mindesteinsparung und der THG-Intensitäten der verschiedenen RFNBO gibt die zweite delegierte Verordnung mitsamt Annex (EU 2023/1185) die Methode vor und legt somit auch den Ausgangswert für die Emissionseinsparungen fest, die im Rahmen der deutschen THG-Minderungsquote vermarktet werden können. Die für Deutschland zuständige 37. BImSchV verweist hierbei direkt auf die delegierte Rechtsverordnung.

Mehr Klarheit über die Erlöspotenziale
Grundsätzlich müssen sämtliche Emissionen des kraftstoffspezifischen Lebenszyklus erfasst werden (Well-to-Wheel-Betrachtung). Dies beinhaltet die Emissionen der Einsatzstoffe (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) wie beispielsweise Strom, aufbereitetes Wasser, Stickstoff oder Elektrolyte wie Kaliumhydroxid, die Emissionen durch die Produktion (bspw. Leckagen oder Abfallbehandlung) sowie die Emissionen durch Transport via Diesel-Sattelzug und Verteilung an der Tankstelle. Im Vergleich zu Kraftstoffen für Verbrenner-Fahrzeuge entstehen bei Nutzung keine zusätzlichen THG-Emissionen. Beim Wasserstoff entstehen jedoch bei Transport und Verteilung schnell kritische Mengen an Emissionen, da Diesel-Lkw für den Transport von Wasserstoff derzeit aufgrund rechtlicher Vorgaben noch nicht durch nachhaltige Antriebe ersetzt werden können und die Tankstellen in der Regel kein Green PPA nutzen dürfen, womit der Stromverbrauch für Verdichtungs- und Kühlungsleistungen mit entsprechend schlechtem Emissionsfaktor verrechnet werden muss. Aktuell gibt es noch keine Standardemissionswerte beispielsweise für die Verdichtung und Kühlung an Tankstellen oder für die Produktion über Elektrolyseure mit geringer Kapazität (etwa < 5 MWel).

Vorgaben für Emissionen der Einsatzstoffe
Bei vollständig als erneuerbar anerkanntem Wasserstoff beziehungsweise RFNBO wird der zur Produktion verwendete Strom mit einem Emissionsfaktor von 0 kg CO2/GJ angerechnet. Darüber hinaus werden aber auch Vorgaben für nur teilweise als erneuerbar anerkannten Wasserstoff gemacht. Hierbei wird grundsätzlich die durchschnittliche THG-Intensität von Netzstrom für das jeweilige EU-Mitgliedsland herangezogen, in dem die Erzeugungsanlage für Wasserstoff steht. Da alle RFNBO aber eine THG-Einsparung von mindestens 70 Prozent gegenüber der fossilen Referenz vorweisen müssen, ist aktuell eine Anerkennung mit den relativ schlechten Netzstrom-Werten nur unter bestimmten Bedingungen möglich, wie beispielsweise der Schlüsselung der Emissionen auf etwaige kommerziell genutzte Nebenprodukte wie Wärme und Sauerstoff oder eine anteilige Produktion unter Einhaltung aller Strombezugskriterien (via Green PPA). Neben Strom müssen darüber hinaus alle anderen Einsatzstoffe in die Emissionsberechnung einbezogen werden. Zur Erstellung zertifizierbarer Berechnungsmethoden und zur Bewertung der Nachhaltigkeitskriterien kann auch auf die Expertise spezialisierter Berater zurückgegriffen werden.

Diese so errechnete THG-Intensität des RFNBO (Einsatzstoffe, Produktion, Transport und Verteilung) darf nach Berücksichtigung der Mindesteinsparung maximal 28,2 kg CO2/GJ betragen, um für die THG-Quote anerkannt zu werden. Für den Quotenhandel ist es erforderlich, dass die sogenannte letzte Schnittstelle einen Nachhaltigkeitsnachweis für die jeweiligen produzierten und an Lieferanten übertragenen RFNBO-Mengen ausgibt. Nur die letzte Schnittstelle ist berechtigt, einen solchen Nachweis auszustellen. In der Regel ist dies der Produzent, der den Kraftstoff in der für den Einsatz im Verkehr erforderlichen Qualitätsstufe erzeugt.

Dieser Nachhaltigkeitsnachweis beinhaltet beispielsweise die Bestätigung, dass sämtliche Strombezugskriterien und THG-Vorgaben eingehalten werden. Auch muss die für den jeweiligen Verwendungszweck berechnete THG-Intensität des RFNBO aufgeführt sein. Hierzu greift die letzte Schnittstelle wiederum auf die THG-Intensitäten möglicher vorgelagerter Schnittstellen zurück und ergänzt diese um eigene Emissionen inklusive nachfolgendem Transport und Verteilung.

Voraussetzung zur Ausstellung solcher Nachweise ist das Vorliegen eines gültigen Zertifikats für die Produktionsstätte, das in einem der von der EU-Kommission anerkannten Zertifizierungssysteme ausgestellt sein muss. Nachhaltigkeitsnachweise und Zertifikate müssen zudem zur Nachweisführung in die Unions-Datenbank für RFNBO und ins Register der zuständigen Behörde des Umweltbundesamtes eingestellt werden. Beide Register sind derzeit noch im Aufbau.


Von der THG-Intensität zur THG-Minderungsmenge

Ausgehend von dieser produktionsspezifischen THG-Intensität des RFNBO kann anschließend die THG-Minderungsmenge für die THG-Quote berechnet werden. Die obige Abb. 3 geht von einem THG-Wert von 20 kg CO2/GJ H2 aus, womit sich eine rechnerische Minderungsmenge von fast 28 kg CO2 je kg H2 ergäbe (inkl. Dreifachanrechnung).

Diese Minderungsmenge reduziert sich jedoch mit der Zeit. Steigt die THG-Minderungsquote mit der Zeit an – wie es auch vom Gesetzgeber vorgesehen ist – so sinkt dadurch die Minderungsmenge durch grünen Wasserstoff, da auch dieser Wasserstoff die Reduktionsquote zu erfüllen hat. Abhängig von den erzielbaren Marktpreisen pro Tonne CO2 lassen sich die Zusatzerlöse durch grünen Wasserstoff herleiten: Bei einem Marktpreis von beispielsweise 130 € je Tonne CO2 (No-Cap-Quote) ließen sich damit 2024 Zusatzerlöse von etwa 3,60 € je kg H2 erzielen.

Zur Auszahlung der Quotenerlöse muss in der Regel vorab bei der für die THG-Quote zuständigen Biokraftstoffquotenstelle am Hauptzollamt die Quotenübertragung stattfinden. Spezialisierte Quotendienstleister können hier den Quotenhandel übernehmen, Quotenhandelsverträge zur Verfügung stellen sowie bei der Einhaltung von Formvorschriften und Antragsfristen unterstützen. Auch Handelsmodelle mit Indexpreis oder Festpreis für RFNBO können (auch über mehrere Jahre) nach Bedarf festgelegt werden und ermöglichen so sichere und prognostizierbare Quotenerlöse.

Autor: David Benjamin Pflegler, GT Emission Solutions GmbH, Kleve)

Grüner Wasserstoff auf hoher See

Grüner Wasserstoff auf hoher See

H2-Erzeugung auf schwimmenden Offshore-Windkraft-Anlagen

Wie man die Produktion von grünem Wasserstoff schon in wenigen Jahren stark hochfahren und diesen unabhängig vom Aufbau des H2-Kernnetzes zügig im Land verteilen könnte, erläuterte Jens Cruse, Schiffbauingenieur, Ende Januar dieses Jahres vor Fachpublikum in Hamburg.

Autarke, schwimmende Windkraftanlagen, in europäischen Gewässern platziert, sollen das vor allem in der Industrie zur Defossilisierung benötigte Gas direkt auf der Plattform per Elektrolyse aus entsalztem Meerwasser herstellen und an die Trägersubstanz LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier – s. auch S. 23) binden. Shuttle-Tankschiffe, wie sie in der Ölindustrie seit langem üblich sind, könnten die wertvolle Fracht dann beispielsweise im Monatsrhythmus an Land bzw. in den nächstgelegenen Hafen transportieren.

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Jens Cruse, der sich nach Jahren in der Forschung mit einem eigenen Unternehmen selbständig gemacht hat, zählt die Vorteile der direkten H2-Erzeugung auf hoher See auf: „Durch so ein Modell lassen sich bis zu 50 Prozent der Investitionskosten sparen, weil weder Strom- noch Gasleitungen verlegt werden müssen.“ Auch entfalle der teure Netzanschluss, was die gesamten Prozesse beschleunige, denn man müsse nicht langwierige Genehmigungsverfahren abwarten. Auch die Betriebskosten verringern sich, wenn man nicht an ein Leitungssystem gebunden ist. Die sogenannten Offshore-H2-Generatoren sollen dort zum Einsatz kommen, wo viel Wind weht, und das beinahe rund um die Uhr.

„Dafür muss man nicht bis Patagonien, Namibia oder Australien reisen“, sagt der Gründer und Geschäftsführer der Cruse Offshore GmbH. „Das haben wir in Europa direkt vor der Haustür, insbesondere vor den Küsten von Norwegen, Irland und Schottland.“ Die heutzutage noch relativ teuren Elektrolyse-Anlagen könnten dort das ganze Jahr über laufen, mit einem Maximum an frei zu erntender Windenergie.

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Auf jeden Fall kostengünstiger
Wasserstoff auf dem Meer zu erzeugen, indem man den Elektrolyseur in die Windkraft-Anlage integriert, würde sogar noch weniger Kosten verursachen als die Wasserstofferzeugung in einem Offshore-Windpark, der über ein Stromkabel mit der Anlage zur Wasserspaltung verbunden ist. Ein Vorteil der integrierten Lösung besteht auch darin, dass der Niederspannungs-Gleichstrom aus der Windenergieanlage direkt vom Elektrolyseur genutzt werden kann. Das spart schon mal die Umwandlung von Strom sowie die damit verbundenen Verluste ein. Der Transport von Wasserstoff via Pipeline ist bekanntermaßen kostengünstiger als die Weiterleitung des Stroms über Trassen. Durch eine direkte Verbindung des Elektrolyseurs mit der Windenergieanlage entfallen zusätzlich die Grundkosten, die man ansonsten etwa für eine Plattform auf See oder eine Landfläche zum Abstellen des Containers mit der Elektrolyse-Anlage einkalkulieren müsste.

Im Modell habe die schwimmende Anlage stärksten Belastungen getrotzt, erklärt Professor Moustafa Abdel-Maksoud, Leiter des Instituts für Fluiddynamik und Schiffstheorie an der Technischen Universität Hamburg (TUHH), der mit seinem Team Simulationen zur Optimierung der Anlage für extreme Wetterverhältnisse auf See und Tests im Wind- und Wellenkanal der TUHH durchgeführt hat. Nicht einmal eine mehr als 16 Meter hohe simulierte Welle habe die Funktionsweise des Systems beeinträchtigt. „Das System funktioniert einwandfrei, und es rechnet sich“, sagt Moustafa Abdel-Maksoud. „Wir sind technisch und wissenschaftlich in der Lage, das zu realisieren.“ Mit der innovativen Technik vermeide man zudem die Flächenkonkurrenz zu konventionellen Offshore-Windparks und sei für die H2-Produktion unabhängig von Überschussstrom.

Technisch und ökonomisch machbar
Nach Jahren der Vorarbeiten und wissenschaftlichen Tests plant Cruse jetzt mit einem Konsortium den Bau einer 5-MW-Anlage, die Windkraft, Meerwasserentsalzung, Elektrolyse und H2-Speicherung in LOHC miteinander kombiniert. Das geschieht im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojektes ProHyGen, das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) unterstützt wird [1]. Dabei handelt es sich um ein Verbundvorhaben, an dem sich außer der Cruse Offshore GmbH und der TUHH auch die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Maschinen- und Getriebebauer Renk und das auf die Verarbeitung von Rohöl-Derivaten spezialisierte Unternehmen H&R beteiligen.

Dass die Erzeugung von grünem Wasserstoff auf schwimmenden Anlagen ökonomisch und technisch machbar ist, darauf weist auch ein anderes, ebenfalls vom BMWK gefördertes Projekt des Fraunhofer ISE hin [2]. Dessen Konzept sieht ebenfalls den Transport des klimaneutralen Gases per Schiff vor, allerdings nicht an LOHC gebunden, sondern in Drucktanks gespeichert, in denen der Wasserstoff auf 500 bar komprimiert ist.

Der 5-MW-Prototyp von ProHyGen soll in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) zum Einsatz kommen. Das Fundament des geplanten H2-Offhore-Generators wird aus vier Auftriebskörpern (engl. floater) bestehen, die unter Wasser verbunden und mit Ballastwasser gefüllt sind. Als Material werden Stahlbleche wie beim Schiffbau verwendet. Einer der Körper trägt die Windkraftanlage, ein anderer beherbergt eine Anlage zur Entsalzung von Meerwasser sowie einen Elektrolyseur und eine Komponente zur Einspeicherung des Wasserstoffs in LOHC. Darunter befinden sich eine Drehboje und die Ankertrossen, mit denen der H2-Offshore-Generator am Meeresboden befestigt wird. Zwei weitere Auftriebskörper bestehen aus doppelwandigen Tanks, in denen die Trägerflüssigkeit LOHC gelagert wird. Das sind normale Öltanks. Auch sonst sei bei diesem Verfahren die bereits vorhandene Öl-Infrastruktur nutzbar, betont Cruse und verweist auf die Schienen und Wasserwege, welche schon heute die Industriehäfen mit industriellen Standorten verbinden. Hamburg zum Beispiel biete da beste Voraussetzungen, weil im Hafen ansässige Unternehmen der Schwermetall-Produktion bereits als potentielle Wasserstoff-Abnehmer infrage kämen. Außerdem können die Tanks mit dem an das Trägeröl gebundenen Wasserstoff per Zug oder Binnenschiff bis tief ins Hinterland weiterverteilt werden, so wie das derzeit noch mit fossilen Energieträgern geschieht. Dieses seit langem bewährte Transportnetz reicht bis in die europäischen Nachbarländer. Eine funktionierende Infrastruktur ist zudem ein wichtiges Kriterium für einen schnellen Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft.


Diese Skizze zeigt, wo die notwendigen Anlagen untergebracht sind

Investoren gesucht
„Nach der Erprobung des Prototyps soll die Anlage im Laufe des Jahres 2025 auf 15 MW hochskaliert und in Serie hergestellt werden“, erläutert Jens Cruse, der das Verfahren zum Patent angemeldet hat und für die industrielle Verwertung des Konzeptes zuständig ist. Das weitere Ziel des Verbundprojektes „ProHyGen“ ist die Planung von Offshore-H2-Parks im Gigawatt-Bereich. Wenn alles gut läuft, könnte mit der Installation des ersten 3-GW-Parks, der grünen Wasserstoff erzeugt, in der zweiten Hälfte des Jahres 2027 begonnen werden, so Cruse. „Dazu benötigen wir jedoch finanzstarke Partner, die diese zukunftsweisenden Innovationen begleiten möchten.“


Der in LOHC gebundene grüne Wasserstoff kann per Schiff an Land transportiert werden

Literatur:
[1] https://www.tuhh.de/fds/research/current/modular-ship-assist-1

[2] https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2023/wasserstofferzeugung-auf-dem-meer-fraunhofer-ise-entwickelt-konzept-fuer-wasserstofferzeugung-auf-einer-offshore-plattform.html

Brennstoffzellen vom Polarkreis

Brennstoffzellen vom Polarkreis

Gigawattfertigung in Norwegen geplant

In Narvik produzierte REC einst Solarzellen. Heute stehen die Fabrikhallen leer. Mit zweimal rund 5.000 Quadratmetern Fläche und Reinraum-Ausstattung bietet sie gute Voraussetzungen, um dort eine Brennstoffzellen-Fertigung aufzubauen. Das Start-up Teco2030 will dort schon in wenigen Jahren im Gigawatt-Maßstab PEM-Brennstoffzellen mit hoher Leistungsdichte herstellen.

Teco2030 ist ein Spin-off der Teco Maritime Group, einem Dienstleister für eine „grünere“ Schifffahrt mit 30 Jahren Erfahrungen und rund 150 Mitarbeitenden. Dementsprechend lag es für Teco2030 nahe, Schiffe als eines der ersten möglichen Einsatzgebiete für das neue Produkt ins Auge zu fassen. Ziel ist es, eine Hochleistungsbrennstoffzelle für den maritimen Einsatz zu entwickeln und im Gigawatt-Maßstab zu produzieren. Chef des Spin-offs ist Teco-Gründer Tore Enger persönlich.

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Als Partner ist AVL mit im Boot, ein Unternehmen mit 12.000 Beschäftigten und Hauptsitz in Graz. Der Technologieentwickler aus der Automobilbranche kennt sich aus mit Brennstoffzellen und hat in Graz eigene Einrichtungen, um diese entwickeln, zu simulieren, zu testen und zu optimieren.

Gemeinsam haben Teco2030 und AVL eine neue PEM-Brennstoffzelle entwickelt. Sie ist nach Angaben der Firmen ihrer Leistungsdichte und Flexibilität einzigartig. Für die hohe Leistungsdichte sei vor allem rund um den eigentlichen Stack herum das Wissen der Partner und Lieferanten zusammengeflossen. Beckhoff Automation und Harting Technology sind zwei der deutschen Zulieferer, die dabei helfen sollen, dass die Entwicklung weiter „im Rekordtempo“ läuft, wie Teco2030 betont.

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Gemeinsam haben AVL und Teco2030 das Design des Produkts von der Membran bis zum Komplettsystem entwickelt. Sowohl die Bipolarplatten als auch die Membranen will das Unternehmen allerdings extern fertigen lassen. In Narvik sollen die Komponenten erst zu Zellstacks, dann zu Brennstoffzellenmodulen und schließlich zu kompletten Systemen verbaut werden. Anfang April, als eine Delegation der Hannover Messe mitsamt Journalistinnen und Journalisten den Standort besucht, gibt es dort vor allem große, leere Hallen und einige Büros zu sehen. Die Prototypen-Fertigung passt in einen einzelnen Raum.

Shell-Tanker als erste Anwendung
Eines der ersten Produkte soll eine Brennstoffzellengenerator (Fuel Cell Power Generator, kurz FCPG) im Format eines standardisierten 40-Fuß-Containers sein. Im Rahmen des Forschungsprojekt HyEkoTank soll der Brennstoffzellen-Container auf dem Bitumen-Tanker „Bitflower“ von Shell seinen ersten Praxiseinsatz haben. Für das Design hat die norwegische Klassifikationsgesellschaft DNV für den Einsatz in einem Forschungsprojekt ein „Approval in Principle“ (AiP) für den Einsatz auf Hochseeschiffen gegeben. Das Brennstoffzellensystem soll sich nahtlos in Schaltanlage eines Schiffes integrieren lassen, heißt es von Teco2030. Das AiP bezieht sich auf dabei auf das Brennstoffaufbereitungssystem, die Räume mit den Brennstoffzellen-Modulen, der Elektrotechnik, der Batterie, die HVAC-Technik und die Hilfseinrichtungen (Auxiliaries), das Inertisierungssystem und die Luftschleuse.


Abb. 2: Der Bitumentanker Bitflower soll das erste Schiff sein, das mit einer Brennstoffzelle von Teco2030 fährt, Teco-HyEkotank_BitFlower_NoLogo

Die Brennstoffzelle soll eine Leistung von 2,4 MW haben, also knapp 3.300 PS. Das ist weniger als der aktuelle Motor, doch Teco2030 betont, dass die Chartergeschwindigkeit des Schiffs damit eingehalten werden kann. „Diese Kapazität reicht aus, um das Schiff zu 100 % emissionsfrei mit Wasserstoff als Kraftstoff zu betreiben, ohne dass Treibhausgasemissionen entstehen“, sagt Tor-Erik Hoftun, Chief Strategy Officer von Teco2030. Während viele BSZ-Systeme eine relativ große Batterie als Leistungspuffer für den Antrieb benötigen, soll die neue Brennstoffzelle zudem sehr dynamisch reagieren können. Wie groß letztlich die externe Batterie ausgelegt wird, hängt dann von weiteren Anforderungen auf dem Schiff ab. „Die Brennstoffzelle ist dynamisch und kann die Reaktionszeit der Dieselmotoren abbilden, was bedeutet, dass die Installation in Bezug auf die Größe der externen Batterie und die Leistungsstrategien optimiert werden kann.”, sagt Hoftun. Neben der Brennstoffzelleneinheit gehört zum System ein austauschbarer Tank, der 4.000 kg Wasserstoff bei 350 bar fassen soll. Der Tanker kann also neuen Treibstoff auch in Häfen an Bord nehmen, die keine spezielle Infrastruktur für die Wasserstoff-Betankung haben.

Im Wassersstoffspeicher liegt allerdings bisher eine wesentliche Begrenzung der Technologie. Bei einem einwöchigen Einsatz des Schiffs soll es möglich sein, etwa 70 Prozent der Antriebsenergie mit der Brennstoffzelle bereitzustellen. Während des Tests sollen die neuen Komponenten auf dem Deck des Schiffes platziert werden, sodass der Dieselmotor an seinem Platz bleiben kann. Wo die Brennstoffzelle perspektivisch sitzen soll, ist noch nicht klar. Klar ist aber, dass Platz an Bord immer ein Thema ist – vor allem beim Retrofit. „Das System ist kompakt gestaltet, um die Nachrüstung an neuen oder bestehenden Standorten, an denen früher Motoren standen, zu vereinfachen“, so Hoftun.

Das Projekt gehört zum EU-Programm Horizon und ist laut Teco2030 das größte aktuelle Retrofit-Vorhaben für ein Brennstoffzellenschiff. Shell will 5 Mio. USD in das Projekt investieren, von der EU sollen 5 Mio. EUR kommen. Am Ende des Projekts soll das Technology Readiness Level 8 erreicht sein. Teco2030 geht davon aus, dass sich die Versorgung mit dem standardisierten Brennstoffzellencontainer auf viele See- und Binnenschiffe übertragen lässt.

Parallel sind eine Reihe weiterer Forschungsprojekte angelaufen: Für eine Fähre in Kroatien erhielt ein Konsortium, zu dem auch Teco2030 gehört, bereits im Jahr 2023 eine Zusage über gut 13 Mio. Euro aus dem Horizon-Programm der EU.

In einem anderen Projekt will Teco2030 noch in der ersten Jahreshälfte gemeinsam mit AVL eine Retrofit-Lösung für einen 40-Tonner-Lkw mit vier 100-kW-Stacks demonstrieren. Und noch eine andere Baustelle ist die Entwicklung eines Brennstoffzellengenerators mit 0,6 bis 1,6 MW in einem kleineren Container gemeinsam. Dieser soll je nach Bedarf Bordstrom für Schiffe oder Baustrom liefern können. An diesem Projekt sind das norwegische Staatsunternehmen Enova und das Schweizer Bauunternehmen Implenia beteiligt. Schließt man auch die Projekte in Vorbereitung, in der technischen Konzeptphase oder mit ausstehender Finanzierung ein, erstrecken sich die Liste der Vorhaben über mehrere Seiten.

Schifffahrt muss grüner werden
Damit aus den Forschungsprojekten auch kommerzielle Anwendungen werden, muss Teco2030 allerdings noch zwei Hürden nehmen, die nicht zu unterschätzen sind. Erstens muss der schnelle Aufbau der Produktion gelingen. Und zweitens muss sich die Technologie neben den vielen Alternativen in dem dynamischen Markt der nachhaltigen Mobilität durchsetzen.

Was den Markt betrifft, sind die Manager von Teco2030 sehr zuversichtlich. Der politische Druck auf die Reedereien wächst, sie müssen ihre Schiffe klimafreundlicher machen. Im Verhältnis zu anderen Emissionsquellen war der Seetransport in der EU mit 3 bis 4 Prozent der CO2-Äquivalente zwar ein eher kleiner Posten, doch der Warenverkehr wächst. Deshalb gilt seit Januar 2024 der europäische Emissionshandel auch für große Schiffe ab 5.000 Bruttoregistertonnen, die Häfen innerhalb der EU anlaufen. Die International Maritime Organisation (IMO) hat im Sommer 2023 ihre Klimaziele ebenfalls verschärft. Bis 2040 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2008 um mindestens 70 % gesenkt werden, wobei 80 % angestrebt werden. Den womöglich stärksten Druck machen aber die Kunden. Viele Verbraucher legen Wert auf klimafreundliche Produkte. Und wenn demzufolge Großkonzerne wie Amazon oder Microsoft auf einem klimaneutralen Transport ihrer Waren bestehen, müssen sich die Reedereien etwas einfallen lassen – auch wenn sie laut Gesetz noch länger Zeit hätten.

Abb. 3: Die Prototypenfertigung in Narvik

Die Teco-Manager sehen daher einen großen Markt für ihre Brennstoffzellen. Ihre Potenzialanalyse beruht auf einem auf ein Papier von Hydrogen Europe aus dem Jahr 2021. Für dieses wurden über 60 Schiffstypen auf mögliche klimafreundliche Antriebstechnologien untersucht. Je nach Anwendung hätten sich dabei drei Antriebsarten als wirtschaftlich erwiesen. Ammoniak in Kombination mit Festoxid-Brennstoffzellen komme vor allem für schwere Hochseetanker in Frage. Für kleine Schiffe, die häufig Gelegenheit zum Tanken haben, seien Wasserstoff-Drucktanks in Kombination mit PEM-Brennstoffzellen die beste Option. Flüssiger Wasserstoff in Kombination mit PEM-Brennstoffzellen soll den Bereich dazwischen abdecken, in dem sich vor allem Containerschiffe, aber auch einige große Fähren und Kreuzfahrtschiffe bewegen. Unter diesen drei Treibstoffen sei gasförmiger Wasserstoff der günstigste, gefolgt von flüssigem Wasserstoff und schließlich Ammoniak. Unterm Strich sei die Kombination von PEM-Brennstoffzellen mit Wasserstoff in flüssiger oder gasförmiger Form in Bezug auf die Total Cost of Ownership (TCO) die beste verfügbare Technologie für rund 77.000 Schiffe weltweit.

Doch es gibt auch ganz andere Thesen, zum Beispiel im Bericht des Schiffsklassifizierers und Beratungsdienstleisters DNV aus dem Jahr 2023. Unter den bis zum Juli 2023 bestellten neuen Schiffen waren demnach lediglich fünf mit Wasserstoffantrieb. Die in dem Bericht für die Zukunft beleuchteten Technologien für die Dekarbonisierung sind vielseitig. Sie beinhalten die CO2-Abscheidung an Bord, Unterstützung durch Windenergie und sogar Nuklearantriebe. Unter den Brennstoffzellenantrieben explizit erwähnt ist die Festoxidbrennstoffzelle, betrieben mit Kohlenwasserstoffen oder Ammoniak. Flüssiger Wasserstoff als Treibstoff wäre auch vorstellbar, erklärt der Report am Beispiel der norwegischen Fähre MS Hydra, die mit einer PEM-Brennstoffzelle unterwegs ist. Doch DNV betont: gemessen an anderen Treibstoffen ist selbst beim flüssigen Wasserstoff die volumetrische Energiedichte gering. Die Kombination von gasförmigem Wasserstoff und PEM-Brennstoffzelle kommt dementsprechend gar nicht erst vor.

Hoftun und Enger schreckt die Konkurrenz der flüssigen und beinahe-flüssigen Kraftstoffe nicht ab. Da die PEM-Brennstoffzelle mit niedrigem Druck auskomme, könne man zum Beispiel auch an Bord Wasserstoff aus Ammoniak oder Methanol gewinnen, erklären sie. Ob dieser Ansatz, der gleich mehrere nicht etablierte Technologien an Bord kombiniert, die meist konservativen Reedereien überzeugt, muss sich erst noch zeigen.

Produktionsstart 2024 geplant

Abb. 4: Die manuelle Fertigung soll möglichst noch 2024 starten.

Ende April 2024, bei Redaktionsschluss dieses Artikels für die Printausgabe der HZwei, arbeitete Teco2030 noch am Prototypen, der am Teststand in Graz noch nicht die gewünschte Leistung lieferte. „Wir machen gute Fortschritte und gehen davon aus, dass wir in ein paar Monaten die volle Leistung auf dem Prüfstand erreichen werden.”, sagt Hoftun. Sobald das erreicht ist, kann in den bisher leeren Hallen die manuelle Fertigung starten. Dieser Schritt ist für das dritte Quartal 2024 vorgesehen. Etwa gleichzeitig, so hofft man, werde eine Typenzulassung von DNV kommen. Mit den ersten Erfahrungen und der Zulassung soll dann eine automatische Fertigung entstehen – Ende 2025 für die Stacks, Anfang 2026 für die gesamten Brennstoffzellenmodule.

Um die weitgehend automatisierte Fertigung schnell aufbauen zu können, setzt Teco2030 auf die Erfahrung von ThyssenKrupp, die den Aufbau der Fertigungslinie übernehmen sollen. Im Jahr 2027 wollen die Norweger eine Fertigungskapazität von 800 MW jährlich erreichen. „Unit costs fall as soon as you start reaching economies of scale and robot-assisted production,” sagt Tore Enger, CEO von Teco2030. Und mit jeder Expansion sollen sie weiter sinken. Für das namensgebende Jahr 2030 nennt Teco ein Ziel von 700 Euro pro kW und ein Output von 3,2 GW. „Nach den bisherigen Investitionen von circa 60 Millionen Euro gehen wir davon aus, dass wir weitere 40 Millionen Euro benötigen, um die angestrebte Jahresproduktion von 800 MW zu erreichen, davon etwa 20 Millionen Euro für die eigentliche Produktionslinie“, sagt Enger. Rund 4 Mio. USD sollen in Kürze aus Indien kommen, vom Infrastruktur-Konzern Advait Infratech, der auch eine eigene Sparte für grüne Energie und Wasserstofftechnologien besitzt. Advait sichert sich damit 51 Prozent an einem Jointventure, das in Zukunft die Brennstoffzellen in Indien und Südasien produzieren und vermarkten soll.

Ob sich am anderen Ende der Welt, in Narvik, auch genügend Fachkräfte finden werden, die 200 Kilometer nördliche des Polarkreises in einer Fabrik arbeiten wollen? Enger und Hoftun sind sicher, dass auch das kein Problem sein wird. „Wir sehen ein großes Interesse von Fachleuten aus diesem Bereich, die nach Narvik ziehen möchten”, sagt Hoftun Sie setzen nicht nur auf eine starke Automatisierung, sondern auf die nahegelegene Universität und die Anziehungskraft der Natur in Nordnorwegen. Man kann praktisch vor der Haustür auf die Skier steigen. Und selbst in der Fabrikhalle geht der Blick aus dem Fenster hinaus auf den Ofotfjord.

Abb. 5: Die Gegend um Narvik ist abgelegen, aber bei Naturfreunden beliebtDieser Artikel entstand Ende April 2024 und erschien zuerst in der Printausgabe der HZwei. Ende Mai meldete Teco2030, dass der Prototyp am Teststand das Leistungsziel erreicht hatte.

Norwegen: Offshore-Windenergie dringend benötigt

Norwegen ist bekannt für seinen sehr günstigen Strom, der nahezu komplett aus Wasserkraft stammt. Damit lockt das Land auch international Investoren an, vor allem, wenn es um grüne Zukunftstechnologien geht. In Norwegen entstehen unter anderem Batteriefabriken, Rechenzentren und eine Wasserstoff-Industrie. Doch die verfügbare Wasserkraft ist keineswegs unendlich. Während Norwegen bisher etwa ein Zehntel seines Stroms exportiert, wird die Strombilanz voraussichtlich ab 2028 neutral sein. Neben den neuen Fabriken ist die Elektrifizierung ein wichtiger Treiber für den Stromverbrauch. So soll zum Beispiel vor der Küste gefördertes Erdgas künftig elektrisch zu LNG komprimiert werden. Die Wasserstofferzeugung – sowohl per Elektrolyse als auch aus Erdgas – spielt in den Fünfjahresprognosen des staatlichen Stromerzeugers Statnett dabei noch gar keine Rolle. Sie kommt erst später dazu. Abhilfe soll ein massiver Ausbau der Windstromerzeugung vor der Küste schaffen. Gleich das erste staatlich ausgeschriebene Projekt aus diesem März soll eine Leistung von 1,5 GW haben.

LOHC könnten H2-Importe vereinfachen

LOHC könnten H2-Importe vereinfachen

FLÜSSIGER HOFFNUNGSTRÄGER

Viele der Technologien für den H2-Transport sind bislang noch nicht ausgereift. Forscher und Industrie arbeiten daran, eine sichere H2-Distribution über große Entfernungen zu entwickeln, auch weil Deutschland in großem Stil auf H2-Importe angewiesen sein wird. Neben Ammoniak haben flüssige organische Wasserstoffträger (LOHC) gute Chancen auf einen Einsatz in Projekten und der Industrie. Denn sie könnten die konventionelle Infrastruktur von Öltanks und Tanker nutzen.

Das englische Kürzel LOHC steht für Liquid Organic Hydrogen Carriers. Dabei wird Wasserstoff chemisch und reversibel an eine flüssige organische Trägersubstanz gebunden. Das können beispielsweise Toloul, Benzyltoluol oder Dibenzyltoluol sein. Als LOHC werden organische Verbindungen bezeichnet, die Wasserstoff aufnehmen und wieder abgeben können und daher als Speichermedien für Wasserstoff verwendet werden können. Alle verwendeten Verbindungen sind unter Normalbedingungen flüssig und verfügen über ähnliche Eigenschaften wie Rohöl und dessen Derivate. Der Vorteil: LOHC kann in flüssiger Form in der bestehenden Infrastruktur genutzt werden.

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In der Regel wird Wasserstoff gasförmig bei hohem Druck von 700 bar oder in flüssiger Form und bei extremen Temperaturen von minus 253 °C in Spezialbehältern gespeichert und transportiert. Beide Wege sind jedoch technisch aufwändig und teuer. LOHC bieten hier eine reizvolle Alternative. Ein Vorteil: Eine direkte Nutzung von LOHC, beispielsweise in Brennstoffzellen zur Stromerzeugung, macht die Handhabung von Wasserstoff als Gas unnötig. „Die Technologie erlaubt deshalb eine besonders günstige und sichere Versorgung von mobilen und stationären Energieverbrauchern“, erklärt Daniel Teichmann, CEO und Gründer von Hydrogenious.


LOHC könnte H2-Transporte über große Entfernungen vereinfachen

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TRÄGERMEDIUM WIEDERVERWENDEN
Diese Technologie verbraucht die fossilen Rohstoffe nicht oder nur marginal. Sie können wie in einem geschlossenen Kreislauf immer wieder eingesetzt werden. Der Prozess funktioniert dabei in zwei Phasen: Bei der Hydrierung wird der Wasserstoff in Gegenwart eines Katalysators an flüssige organische Wasserstoffträger gebunden, und bei der H2-Freigabe, also der Dehydrierung, wird das Gas unter Wärme und mit einem Katalysator wieder freigesetzt. Die beladene Trägerflüssigkeit kann bei Umgebungsdruck und ungekühlt gelagert werden. Für den Transport können daher konventionelle Öltanks und Tanker genutzt werden. Wenn der Wasserstoff freigesetzt wird, muss die entladene Trägerflüssigkeit jedoch wieder an den Ort der Beladung mit Wasserstoff zurückgeführt werden. Konkret heißt das: Das Schiff oder der Tanklaster würde vollgeladen im Kreis fahren.

LOHC sind deshalb eine große Hoffnung für den H2-Transport über lange Strecken. Das TransHyDE-Projekt auf Helgoland erforscht zum Beispiel die gesamte Transportkette von der Bindung von Wasserstoff an LOHC bis zur Trennung. Derzeit werden die Projekte nur experimentell oder kleinskalig umgesetzt.

Fest steht steht jedoch, dass für jede Form der Speicherung und des Transports von Wasserstoff, Ammoniak, LOHC und weiteren wasserstoffbasierten Energieträgern auch geeignete Rahmenbedingungen nötig sind. TransHyDE analysiert daher den systemischen Rahmen und identifiziert Gestaltungsbedarfe. Die Ergebnisse münden dann in Handlungsempfehlungen. Diese enthalten unter anderem den Anpassungsbedarf bei Standards, Normen und Zertifizierungsoptionen von Wasserstoffspeicher- und -transporttechnologien.

Die LOHC-Technologie ist auch Bestandteil des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes der Bundesregierung: Denn die nationale Wasserstoffherstellung erfolgt sowohl durch Anlagen zur elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff als auch durch die Aufspaltung und Dehydrierung von Ammoniak und hydrierten flüssigen organischen Wasserstoffträgern. Der Koalitionsvertrag sowie die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie sehen die Verdopplung des nationalen Ausbauziels der Elektrolyseleistung von 5 auf mindestens 10 GW bis zum Jahr 2030 vor.

Aber das wird bei weitem nicht reichen. Deutschland wird H2-Importe benötigen. LOHC könnten dabei eine wichtige Rolle spielen. So wurde die neue Nationale Hafenstrategie (NHS) in engem Zusammenspiel mit der Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie entwickelt. In der NHS geht die Bundesregierung davon aus, dass bis zum Jahr 2030 bis zu 70 Prozent des Wasserstoffbedarfs durch Importe gedeckt werden, die hauptsächlich per Schiff erfolgen werden.

TRÄGERMATERIAL BENZYLTOLUOL
Die LOHC-Technologie von Hydrogenious könnte für den Seetransport von Wasserstoff besonders interessant sein: Denn sie nutzt die bestehende Infrastruktur für flüssige Brennstoffe in den Häfen und kann mit Tankschiffen oder Lastkähnen transportiert werden. Dies ist ganz im Sinne der Nationalen Hafenstrategie, die darauf abzielt, nachhaltige Konzepte für die Wiederverwendung konventioneller Infrastruktur zu schaffen.

Hydrogenious setzt das schwer entflammbare Thermoöl Benzyltoluol als Trägermedium ein. Nach Einschätzung des Unternehmens gelingt so eine effiziente Speicherung, insbesondere in dicht besiedelten Hafengebieten (z. B. Rotterdam, s. S. 17). In LOHC gespeicherter Wasserstoff kann bei Umgebungstemperatur und -druck gehandhabt werden und hat ein mit Diesel vergleichbares Gefahrenpotenzial, beschreibt Andreas Lehmann, Chefstratege (neudeutsch Chief Strategy Officer) bei Hydrogenious LOHC.

Das Unternehmen sieht durch LOHC die Mängel der bestehenden Methoden behoben. Diese seien weniger entflammbar und billiger zu transportieren als flüssiger Wasserstoff, der hochexplosiv ist, stark verdampft und kostspielige Behälter und eine neue, spezielle Infrastruktur erfordert. Der zurückgewonnene Wasserstoff habe zudem eine hohe Reinheit, anders als nach der Rückverwandlung von Methanol.


Abb. 3: Dr. Patrick Schühle arbeitet zu LOHC an der Uni Erlangen-Nürnberg

Das Unternehmen Hydrogenious aus Erlangen beteiligt sich auch an verschiedenen Forschungsprojekten: Im Projekt LOReley wollen Fachleute aus Industrie und Forschung den Prozess der H2-Freisetzung, also die Dehydrierung, optimieren. „Um den Wasserstoff freizusetzen, braucht es Reaktionsbeschleuniger, also Katalysatoren, und Temperaturen von bis zu 330 Grad Celsius“, erklärt Forscher Dr. Patrick Schühle von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU, s. Abb. 3). Dem Prozess muss die ganze Zeit Wärme zugeführt werden. „Je weniger Wärme man für den Prozess bereitstellen muss, desto effizienter wird die gesamte LOHC-Technologie, weil man Energie spart.“

LORELEY ENTWICKELT PLATTENREAKTOR
Bislang wurde für die Dehydrierung ein Reaktor mit Rohren verwendet, in die wenige Millimeter große Pellets geschüttet wurden. Die Pellets bestehen aus porösem Aluminiumoxid, in welchem das eigentliche Aktivmetall Platin abgeschieden ist. Wird der mit Wasserstoff beladene LOHC mit den Pellets in Kontakt gebracht, setzt sich das H2 frei. Die Forscher im Projekt LOReley haben nun einen neuen Ansatz gewählt und setzen auf einen Plattenreaktor auf Basis von Wärmetauschern, die man sonst aus Heizungen, Kühlschränken oder Industrieanlagen kennt.

Einen weiteren Vorteil gegenüber dem bisherigen Vorgehen sehen die Wissenschaftler darin, dass der Katalysator fest mit der Platte verbunden ist. „Im Schüttreaktor können die Pellets aneinanderreiben, und so kann es sein, dass der Katalysator als Pulver abgerieben ist. Im Projekt LOReley haben wir jetzt eine katalytische Schicht entwickelt, die eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber mechanischem Abrieb und Vibrationen aufweist“, erklärt Chemieingenieur Schühle.


Abb. 4: In dieser Plattendehydrieranlage wurde Wasserstoff freigesetzt

Im Projekt haben die Fachleute das neue Katalysator-Reaktor-Konzept im Labor und in den Räumlichkeiten der beteiligten Firma Hydrogenious LOHC Technologies, einer Ausgründung der FAU, getestet. Rund 1.000 Stunden lief der neue Plattenreaktor stabil. Zudem zeigte sich, dass mit diesem innerhalb von 15 Minuten die Wasserstofffreisetzungsrate verdoppelt werden konnte. „Die Wärme wird nicht erst vergleichsweise langsam über das gesamte Volumen des Reaktors gebracht, sondern gezielt und direkt an die Katalysatorschicht“, sagt Schühle. Diese Flexibilität im dynamischen Betrieb ist in Gaskraftwerken oder in der Schifffahrt durchaus relevant.

Schühle und Kollegen haben ihren Ansatz in vergleichsweise kleinem Maßstab testen können. Der Reaktor bestand aus zehn Platten. Im nächsten Schritt muss der Demonstrator wachsen, um ihn im Realbetrieb an einem Standort einzusetzen, wo der Wasserstoff auch gebraucht wird. Erst dann könne man sagen, wie gut der Reaktor bei der Wärmeeffizienz im Vergleich zum Standardreaktor sei. LOHC bieten viele Chancen. Ob alle Hoffnungen erfüllt werden können, muss das LOReley-Projekt, aber auch die Technologie insgesamt erst noch zeigen.

Transport per Schiff um 20 Prozent teurer
Laut einer Analyse von Aurora Energy Research sind Transporte per Schiff nach Deutschland grundsätzlich mindestens um 20 Prozent teurer als ein Pipelinetransport: Demnach kommt verflüssigter Wasserstoff aus Spanien auf 4,35 Euro und aus Marokko auf 4,58 Euro pro Kilogramm. Bei einem Transport mittels flüssiger organischer Wasserstoffträger (LOHC) oder Ammoniak wären es aus Spanien rund 4,57 Euro pro Kilogramm und aus Marokko rund 4,70 Euro, einschließlich der Kosten für die Rückumwandlung in gasförmigen Wasserstoff in Deutschland. Für Importe aus Australien und Chile kommt generell nur der Schiffstransport infrage. Sie erreichen Wettbewerbsfähigkeit nur dann, wenn der Wasserstoff als Ammoniak transportiert wird. Dann liegen die Kosten demnach bei 4,84 bzw. 4,86 Euro pro kg. All diese Werte bewegen sich innerhalb der Spanne der Herstellungskosten in Deutschland. Es käme also auf den konkreten Einzelfall an, welcher Weg wettbewerbsfähig ist. Bei Wasserstoff aus den Vereinigten Arabischen Emiraten wäre der günstigste Transport ebenfalls der in Form von Ammoniak; mit 5,36 Euro pro Kilogramm wäre dieser aber im Vergleich zur heimischen Produktion nicht wettbewerbsfähig.

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