von Sven Geitmann | Jan. 21, 2025 | 2025, Deutschland, Energiewirtschaft, Entwicklung, Europa, News, Wasserstoffwirtschaft
Was für Entwicklungen – wir leben in bewegten Zeiten. Zeitgleich finden derzeit mehrere transformative Prozesse statt: Nicht nur die Energie-, Verkehrs- und Wärmewende mit der Abkehr von fossilen Energieträgern oder gesellschaftlich der Trend zu verstärkt autokratischen Strukturen, sondern mit KI (künstlicher Intelligenz) auch die komplette Umgestaltung des Informations- und Kommunikationssektors.
Es stehen also nicht nur sämtliche Industrieunternehmen vor der Frage, wie ihre Energieversorgung bis 2045 CO2-frei erfolgen kann. Wir stehen nicht nur vor der Frage, wie wir Kriege beenden und demokratische Strukturen stärken können. Der Transformationsprozess betrifft die gesamte Gesellschaft – weltweit. Auch die Nachrichtenzentralen, Medienhäuser und Presseagenturen müssen sich neuen Herausforderungen stellen und beispielsweise einen Umgang mit computergenerierten Informationen und Fake News finden – ob sie wollen oder nicht.
Und natürlich spielt hier auch die voranschreitende Klimakrise eine entscheidende Rolle: Werden fortan weiterhin Journalisten live vor Ort recherchieren und von dort berichten? Wie viele Reisen sind in Zukunft aus Umweltschutzgesichtspunkten noch vertretbar? Wie entwickeln sich die Papierpreise und Portokosten? Braucht es zukünftig überhaupt noch Verlage? Will die Leserschaft auch morgen noch Printexemplare beziehen oder werden neben mehr digitalen Angeboten sowie Podcasts, Videos und Webinaren noch weitere Formate benötigt?
Mit all diesen Fragen hat sich auch der Hydrogeit Verlag beschäftigt – bereits vor Jahren. Ursprünglich als Ein-Mann-Verlag gestartet, hat sich das Betätigungsspektrum seit der Gründung im Jahr 2004 merklich verändert. Seit längerem gibt es mittlerweile ein Team, das sich um die Herausgabe von HZwei und H2-international kümmert – inzwischen rund zehn Personen, die in Teilzeit mitwirken.
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Trotz des emsigen und nachhaltigen Engagements all dieser Akteure stoßen wir immer wieder an Grenzen. Während der Wasserstoffsektor und das Interesse an H2– und BZ-Themen weiter wachsen, ist unser Angebot in den vergangenen Jahren weitestgehend gleich geblieben – qualitativ hochwertig, so melden uns das viele Lesende immer wieder zurück –, aber schwerpunktmäßig immer noch auf den Printsektor und die gedruckten HZwei-Hefte fokussiert. Und nicht wirklich tagesaktuell. Das darf sich gerne ändern.
Damit HZwei und H2-international auch zukünftig weiterhin als Leitmedien der Branche wahrgenommen werden, bedarf es jetzt Neuerungen. Um online eine aktuelle Berichterstattung zu ermöglichen und modernere Formate anbieten zu können, braucht es entsprechende Strukturen und auch mehr Power.
Aus diesem Grund haben wir uns bereits vor Monaten nach geeigneten Kooperationspartnern umgeschaut und mit dem Gentner Verlag einen Akteur gefunden, der thematisch und strukturell perfekt zu uns passt. Mit seinen Marken „Photovoltaik“ und „Erneuerbare Energien“ bringt das Stuttgarter Verlagshaus zwei wichtige Zeitschriften heraus, die hervorragend zu unserem Magazin über Wasserstoff und Brennstoffzellen passen.
Wir haben daher beschlossen, ab diesem Jahr zusammenzuarbeiten, um gemeinsam noch besser den Energiesektor bespielen zu können. Freuen Sie sich also darauf, dass ab sofort nicht nur aktueller und umfassender, sondern zukünftig auch mittels neuer Formate informiert wird.
Als erste Maßnahme haben wir die Erscheinungsweise erhöht. HZwei und H2-international kommen 2025 fünf Mal, ab 2026 sogar sechs Mal im Jahr heraus. Zudem werden wir mit einem eigenen Messestand auf der Hydrogen & Fuel Cells Europe in Hannover vertreten sein, um dort in Interaktion mit Ihnen, der Leserschaft, treten zu können. Weitere Maßnahmen folgen im Laufe des Jahres.
Wir freuen uns auf einen intensiveren Austausch sowie konstruktive Rückmeldungen.
Es sind bewegte Zeiten, und wir wollen sie nicht nur informativ begleiten, sondern aktiv dazu beitragen, sie nachhaltig mitgestalten zu können.
von Lowie D'Hooghe | Jan. 21, 2025 | 2025, Entwicklung
Das Problem mit der Iridiumabhängigkeit
Die Forderung nach einer nachhaltigeren Wasserstofferzeugung war noch nie so nachdrücklich wie heute, da die Industrie eine Dekarbonisierung anstrebt. Die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch Wasserelektrolyse ist zwar ein vielversprechender Weg zur Dekarbonisierung, hat aber mit einer harten Realität zu kämpfen: der fast vollständigen Abhängigkeit von einer teuren und umweltbelastenden Ressource. Aber was hat es mit dem Iridium auf sich? Und kann Wasserstoff seinem Ruf als Schlüsselinstrument für die industrielle Dekarbonisierung gerecht werden?
Hohe Leitfähigkeit und ein hoher Schmelzpunkt sind nur einige der einzigartigen Eigenschaften von Iridium. Vor allem dient Iridium als hervorragender Katalysator für die Wasserelektrolyse mit Protonenaustauschmembranen (PEM). Dies geht so weit, dass praktisch alle heute verwendeten PEM-Elektrolyseure Iridium als Katalysator für die Sauerstoffentwicklungsreaktion (OER) auf der Anodenseite ihrer Zellen verwenden. Dieser Ansatz hat jedoch auch einige Nachteile.
Iridium ist außerdem eines der seltensten Elemente auf der Erde. Es ist über 50-mal seltener als Gold. Und da jährlich nur etwa 7 bis 9 Tonnen gefördert werden, trägt seine arbeitsintensive Förderung zu einer bereits angespannten Umweltbelastung bei. Der Grund dafür ist, dass die Gewinnung und Raffination von Iridium sehr CO2-intensiv sind, was seine Verwendung in alternativen Energien weiter erschwert.
Die Kosten für Iridium machen seine Verwendung für die Wasserstofferzeugung noch komplizierter. Als eines der seltensten und teuersten Edelmetalle schwanken die Preise zwischen 4.000 und 6.000 US-$ pro Unze. Damit stellt das begrenzte Angebot an Iridium eine besondere Herausforderung für die Skalierung der erneuerbaren Wasserstoffproduktion dar. Seine Knappheit in Verbindung mit der hohen Nachfrage nach PEM-Elektrolyseuren treibt die Kosten weiter in die Höhe. Und da die Ir-Beladung der Anodenseite dieser Systeme 1 bis 2 mg/cm2 erfordert, macht diese Abhängigkeit die Ir-Reduzierung nicht nur zu einer technischen Priorität, sondern zu einem entscheidenden Schritt, um Wasserstoff zu einer wirtschaftlich tragfähigen Energielösung zu machen.
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abb. 2 MEA-Stack
Da die weltweite Nachfrage nach Elektrolyseuren steigt, stellt die Abhängigkeit von Iridium eine wachsende Herausforderung dar. Iridium ist ein Nebenprodukt der Platinraffination, so dass beide Märkte miteinander verflochten sind. Die zunehmende Einführung von Technologien, die auf Iridium angewiesen sind, führt zu dessen Verknappung, so dass eine Verringerung der Abhängigkeit im Interesse der Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit der Wasserstofferzeugung von entscheidender Bedeutung ist.
Wenn der Markt für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren langfristig schrumpft, könnte auch das Angebot an Platin (und folglich auch an Iridium) zurückgehen, da der Hauptmarkt für Platin heute maßgeblich Katalysatoren für Verbrenner-Pkw und -Lkw sind. Die Bemühungen um eine Optimierung der Ir-Nutzung sind jedoch bereits weit fortgeschritten, so dass die H2-Industrie in der Lage sein wird, die künftige Nachfrage zu decken, ohne auf seltene Ressourcen zurückgreifen zu müssen.
Mit weltweit steigender Nachfrage nach Ir-basierten Wasserstofftechnologien wird die Verknappung des Elements mitunter weiter zunehmen. Dies unterstreicht die entscheidenden Bemühungen zur Reduzierung des Ir-Bedarfs, sodass Erschwinglichkeit, Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit gewährleistet werden können. Um dem Bedarf gerecht zu werden, sind daher gemeinsame Anstrengungen zur Verringerung der Abhängigkeit von einem so schwer zu bekommenden Metall bereits in vollem Gange.
PEM-Elektrolyseur-Technologie
PEM-Elektrolyseure werden zur Herstellung von Wasserstoff durch Wasserelektrolyse verwendet, einen Prozess, bei dem Wasser mithilfe von Elektrizität in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Diese Elektrolyseure werden für die Produktion von grünem Wasserstoff eingesetzt und unterstützen eine breite Palette von Anwendungen wie der Stahlherstellung, dem Transport und der chemischen Produktion. Der Elektrolyseur besteht aus mehreren Komponenten, darunter die Anode, die Membran und die Kathode, um nur einige zu nennen. Die Anode stellt jedoch den Flaschenhals in diesem Prozess dar.
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Trotz ihrer entscheidenden Rolle bei der Erleichterung der Sauerstoffentwicklungsreaktion bleibt die Abhängigkeit der Anode von hohen Iridium-Beladungen eine ständige Herausforderung. Aufgrund seiner ausgezeichneten Korrosionsbeständigkeit, seiner leitfähigen Eigenschaften und seiner hohen Aktivität für die OER wird Iridium von PEM-Elektrolyseuren als entscheidendes Element des Anodenkatalysators eingesetzt.
Die Membranelektrodenanordnung (MEA) ist das Herzstück eines PEM-Elektrolyseurs. An diesem Punkt des Prozesses wird Wasser durch Elektrolyse in Wasserstoff- und Sauerstoffionen aufgespalten. Das Design der MEA ist ausschlaggebend für die Effizienz, da es einen effektiven Protonentransfer, minimale Energieverluste und eine lange Lebensdauer unter rauen Bedingungen gewährleistet. Durch die Optimierung des Katalysatoreinsatzes und die Verbesserung der Materialleistung ebnen moderne MEA-Technologien den Weg für eine skalierbare H2-Produktion. Sie machen erneuerbaren Wasserstoff zu einer zunehmend praktikablen Lösung für die Dekarbonisierung.
Die Komponenten des PEM-Elektrolyseurs sind in ihrer Funktionalität voneinander abhängig, um Wasserstoff effizient produzieren zu können. Angesichts der Abhängigkeit von einem so wertvollen Element ist die Verwendung von Iridium zu optimieren, um den PEM-Wasserstofferzeugungsprozess kostengültig gestalten zu können. Die zunehmende Dringlichkeit, die Abhängigkeit von Iridium aus finanziellen und ökologischen Gründen zu verringern, hat zu Innovationen in der H2-Branche geführt. Für PEM-Elektrolyseure bedeutete dies die Entwicklung neuer Komponententechnologien, um die Auswirkungen knapper Materialien zu minimieren und gleichzeitig die Leistung beizubehalten.
Eine auf Fortschritt aufgebaute Partnerschaft
Die anspruchsvollen Betriebsbedingungen des PEM-Elektrolyseurs stellen einzigartige Herausforderungen dar, insbesondere im Hinblick auf den Materialverschleiß im Laufe der Zeit. Da die Langlebigkeit ein so kritischer Faktor ist, hat die inhärente Widerstandsfähigkeit von Iridium es lange Zeit zu einer Schlüsselkomponente gemacht. Mit zunehmender Skalierung der H2-Produktion wird eine Verringerung des Iridiumverbrauchs unerlässlich. Lösungen für diese Art von Herausforderungen erfordern jedoch Innovation und Zusammenarbeit.
Im Jahr 2017 begann Toshiba mit der Entwicklung einer innovativen MEA-Technologie zur Reduzierung von Iridium, mithilfe derer die Kosten des Katalysators sinken und gleichzeitig die katalytische Oberfläche vergrößert wird, was die Iridiumbeladung um bis zu 90 Prozent reduziert. Der Wechsel von beschichteten Katalysatormembranen (CCM) hin zur Direktbeschichtung auf eine poröse Transportschicht (PTL) führt zu einer erheblichen Verringerung des Iridiumverbrauchs bei der H2-Erzeugung.
Im Jahre 2022 ging Toshiba eine Partnerschaft mit Bekaert ein, um die Verfügbarkeit der MEA-Technologie von Toshiba zu verbessern. 2024 schlossen die Unternehmen eine offizielle Lizenzvereinbarung ab, die es Bekaert ermöglicht, die Toshiba-Innovation zu industrialisieren, so dass eine kostensenkende Technologie in den Markt eingeführt werden kann.
Innovationen für nachhaltige Komponenten
Nachhaltigkeit ist in jeder Phase der innovativen Prozesskette von Bekaert fest verankert. So wird sichergestellt, dass jede Lösung so entwickelt wird, dass sie die Bedürfnisse der Kunden erfüllt oder übertrifft und gleichzeitig zu einer nachhaltigeren Zukunft beiträgt. Die Reduzierung des Iridiumverbrauchs in Zusammenarbeit mit Toshiba ist ein Beispiel für das Engagement von Bekaert für Nachhaltigkeit. Dabei geht es nicht nur um die Umweltauswirkungen der Förderung seltener Metalle, sondern auch um den wirtschaftlichen Druck, der mit der Verknappung von Iridium einhergeht.
Die Zukunft des Wasserstoffs gestalten
Im Zuge der Umstellung des Energiesektors auf sauberere Alternativen sind Innovationen wie die iridiumreduzierende PEM-MEA-Technologie von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass PEM-Elektrolyseure sowohl praktisch als auch skalierbar sind. Durch den Einsatz fortschrittlicher Technik und kooperative Durchbrüche setzt Bekaert einen neuen Standard für Nachhaltigkeit, ohne dabei Kompromisse bei Haltbarkeit oder Effizienz einzugehen. Dieser Ansatz positioniert die Wasserstofftechnologie nicht nur als Lösung für den heutigen Energiebedarf, sondern auch als Eckpfeiler für eine sauberere und widerstandsfähigere Zukunft.
von Sven Geitmann | Jan. 6, 2025 | 2025, Deutschland, Entwicklung, Markt, Meldungen
Nordrhein-Westfalen baut seine Kapazitäten im H2-Forschungssektor weiter aus. Im September 2024 nahm das vergrößerte HyTechLab4NRW in Duisburg seinen Betrieb auf. Am Standort des Zentrums für Brennstoffzellen Technik stehen seitdem mit einer noch leistungsstärkeren Infrastruktur noch bessere Rahmenbedingungen für die Erforschung von Brennstoffzellen und Elektrolyseuren bereit.
Im Rahmen umfangreicher Umbaumaßnahmen wurde das im Jahr 2019 eröffnete HyTechLab4NRW auf den neuesten Stand der Technik gebracht und insbesondere bei der Medienversorgung besser ausgestattet, so dass jetzt auch größere Anlagen getestet werden können. ZBT-Betriebsleiter Bernd Oberschachtsiek zeigte sich sichtlich erleichtert: „Unser Provisorium war der hässlichste Container der Welt. Jetzt haben wir endlich ein voll ausgestattetes Labor, das nicht nur technisch auf dem neuesten Stand ist, sondern auch optisch überzeugt.“
ZBT-Geschäftsführer Dr. Peter Beckhaus erläuterte: „Heute reden wir über Brennstoffzellenantriebe für Schiffe, Flugzeuge und Lkw, mit Leistungen von 300 kW bis in den Megawattbereich. Um diese Anwendungen weiter zu erforschen, haben wir nun die passende Infrastruktur geschaffen.“ Silke Krebs, Staatssekretärin im NRW-Wirtschaftsministerium, erklärte: „Wasserstoff ist ein Wachstumsmarkt und gerade für NRW als Industriestandort von zentraler Bedeutung. Wir brauchen neue Technologien und Forschung, um diese Zukunft zu gestalten.“ Prof. Astrid Westendorf, Prorektorin für Forschung an der Universität Duisburg-Essen, ergänzte: „Dies ist ein echter Gewinn für unsere Forschungsinfrastruktur.“
Gelegenheit zur Besichtigung ist am 4. und 5. Februar bei den ersten ZBT-Wasserstofftagen.
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von Eva Augsten | Dez. 20, 2024 | 2024, Deutschland, Energiewirtschaft, Entwicklung, Markt, Meldungen, News, Wasserstoffwirtschaft
Die MAN-Tochterfirma Quest One, ehemals H-Tec Systems, feierte Ende September 2024 die Einweihung ihres Gigahub im Norden Hamburgs. Sie will in großem Maßstab flexible PEM-Elektrolyseure mit meterhohen Stacks herstellen.
Es war einer dieser Erfolgsmomente der Energiewende, bei denen alle gern auf der Bühne stehen und dessen Bedeutung man leicht am Promi-Faktor erkennen kann. An erster Stelle stand natürlich Bundeskanzler Olaf Scholz. In Hamburg-Rahlstedt sei er schon lange nicht mehr gewesen, sagte Scholz. Dabei war er dort zur Schule gegangen. „Dass man mit Wasserstoff Flugzeuge antreiben kann, haben wir damals aber noch nicht gelernt. Das war höchstens ein Thema für Forscher“, erzählte Scholz in der nagelneuen Fabrikhalle von Quest One.
Aus der Hamburger Politik waren sowohl der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher als auch die Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard erschienen – normalerweise kommt nur einer von beiden zu Feierlichkeiten. Aus Berlin kamen der Parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner aus dem Wirtschafts- und Klimaschutzministerium und Till Mansmann, Beauftragter für grünen Wasserstoff des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Vom Quest-One-Mutterkonzern MAN Energy Solutions und dessen Mutterfirma Volkswagen waren jeweils die Aufsichtsratschefs angereist, Gunnar Kilian und Hans Dieter Pötsch.
Der Anlass des ganzen Rummels: Das Unternehmen Quest One, das am Tag zuvor noch H-Tec Systems hieß, will im Nordosten von Hamburg eine Elektrolyseurherstellung im Gigawatt-Maßstab starten.
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Die PEM-Elektrolyse wird groß
Die Firmengeschichte von Quest One ist gleichzeitig eine Geschichte der Skalierung der PEM-Elektrolyseure. Die PEM-Elektrolyse läuft bei mäßigem Druck und mittleren Temperaturen, sie bietet daher einen guten Kompromiss zwischen Effizienz und Flexibilität. Damit ist sie die Technologie der Wahl, wenn es darum geht, Wasserstoff mithilfe der unsteten Energiequellen Wind und Sonne zu erzeugen. Doch im Vergleich zur Alkali-Elektrolyse hat sie Jahrzehnte der industriellen Skalierung nachzuholen.
Die H-Tec Wasserstoff-Energie-Systeme, wie Quest One bis Ende September hieß, begann 1997 damit, Mini-PEM-Elektrolyseure herzustellen. Diese waren vor allem dazu gedacht, Schulkindern das physikalische Prinzip der Elektrolyse nahezubringen. Mit Wasserkraft betriebene alkalische Elektrolyseure erzeugten zu jenem Zeitpunkt schon seit Jahrzehnten in Norwegen und Ägypten zehntausende Kubikmeter Wasserstoff stündlich für die Düngemittelproduktion. Dass Wasserstoff ernsthaft zu einer Speichertechnologie für Solar- und Windstrom werden könnte, glaubte damals aber höchstens eine Handvoll Visionäre.
Seither sind nicht nur die erneuerbaren Energien deutlich günstiger geworden. Auch die PEM-Technologie hat kräftig aufgeholt. Im Jahr 2010 kaufte das norddeutsche Energiewende-Unternehmen GP Joule die H-Tec. Die Elektrolyseure wuchsen auf einige hundert Kilowatt, immerhin tauglich für kleine Anwendungen. 2019 stieg MAN Energy Solutions ein und H-Tec brachte den ersten Megawatt-Elektrolyseur auf den Markt: neun Stacks à 110 kW, jeweils so groß wie eine Bierkiste, mitsamt den zugehörigen Peripheriesystemen, anschlussfertig montiert in einem 40-Fuß-Container, – eine praktische Lösung für kleine Windparks und einzelne Wasserstofftankstellen.
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Erfolgsmoment der Energiewende: Kinder drückten symbolisch den Startknopf für die Elektrolyseurfertigung von Quest One.
Gigawatt-Pläne für grünen Wasserstoff
Um Stahlwerke, Düngerhersteller und Raffinerien mit Wasserstoff zu beliefern, reicht das noch lange nicht, ebenso wenig für das Ziel von 10 GW Elektrolyseleistung, das die Ampel-Bundesregierung seinerzeit für 2030 ausgegeben hatte. Das ist die Dimension, in der auch Quest One mitmischen will. Das soll schon der neue Name deutlich machen. Er solle nicht nur aussagen, dass Klimaschutz die wichtigste aller Aufgaben sei, sondern auch, dass das Unternehmen mit grünem Wasserstoff aus seinen Elektrolyseuren ein Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen vermeiden wolle, erklärte Robin von Plettenberg, CEO der Quest One bei der Eröffnungsfeier.
Die rund 800 Gäste applaudierten kräftig. Überhaupt wurde bei der offiziellen Inbetriebnahme des Gigahub mit Buzzwords und Pathos nicht gegeizt. Über die Leinwand flackerten Bilder von ausgedörrten Böden, reißenden Fluten, brennenden Wäldern, gefolgt von einer Sanduhr – und dem quecksilbrig glänzenden, donutförmigen Logo von Quest One. Das Projekt sei „Teil von etwas ganz Großem“, sagte von Plettenberg.
Von Handarbeit zur Serie
Bisher bietet die Produktionshalle vor allem Platz für große Pläne. Der Reinraum mit der eigentlichen Fertigung verschwand am Eröffnungstag fast komplett hinter der riesigen Video-Leinwand. Doch Innovationen zeigen sich nicht immer in großen Maschinen. Während man Solar- und Batteriefabriken mit dem nötigen Kleingeld heute schlüsselfertig kaufen kann, hat sich Quest One mit jedem Fertigungsschritt, der in Rahlstedt automatisiert und zuverlässig läuft, ein Stück technologisches Neuland erobert.
Dabei hilft das ebenfalls am Gigahub angesiedelte Forschungs- und Entwicklungszentrum. Bis vor Kurzem fügten die Mitarbeiter zum Beispiel die Elektrolysezellen noch in stundenlanger Handarbeit zu Stacks zusammen. Bei diesem Schritt ist absolute Präzision angesagt, denn die winzigen Wasserstoffmoleküle können durch die kleinste Fuge entweichen und so den ganzen Stack unbrauchbar machen. Als Quest One Ende September seine Einweihung feierte, war es bereits gelungen, diese Aufgabe an Roboter zu delegieren. Sie erledigen die Arbeit in einem Viertel der Zeit. Weniger als eine Stunde braucht es mittlerweile, um einen Stack zu produzieren.
Nun, da das automatisierte Handling läuft, traut sich Quest One auch, von einer neuen Generation von Megawatt-Stacks zu sprechen. Drei Meter hoch und drei Tonnen schwer sollen sie sein, heißt es. Ende 2026 soll die Halle weitgehend voll sein, dann soll die Produktion der Megawatt-Stacks laufen. Mit solchen Stacks könnten auch Projekte jenseits der 100-MW-Marke mit PEM-Elektrolyseuren besser umsetzbar werden. Im Laufe des Jahres 2026 will sich Quest One in die Richtung bewegen, die in der Pressemitteilung angekündigt ist – hin zu einer Fertigungskapazität von 5 GW jährlich.
Einige Monate nach der Einweihung ist bei Quest One Alltag eingekehrt. Für die Büros stehen noch einige Ausbauarbeiten an. In den Reinräumen läuft hingegen die Serienfertigung. In der riesigen Halle stehen statt Bistrotischen und Stühlen nun Regale, um die Stacks zu lagern. Sie werden an den Stammsitz der Firma nach Augsburg geschickt, wo sich die Fertigung für die Elektrolyseure befindet.
Damit diese Elektrolyseure wirklich sauberen Wasserstoff erzeugen können, muss aber auch außerhalb der Fabrik noch einiges passieren. Wind- und Solarparks müssen gebaut und finanziert werden, ebenso wie Netze und Speicher für den Wasserstoff.
Schon bei der Einweihung zeigte die Paneldiskussion nach dem feierlichen Knopfdruck, dass die Anwesenden sich der Herausforderungen sehr bewusst waren. „Die richtige Arbeit geht jetzt erst los“, fasste es Jürgen Klöpffer, Finanzchef von MAN Energy, zusammen.
von Jörg Weber | Dez. 19, 2024 | 2024, Aktien, Deutschland, Entwicklung, Markt, Meldungen, News, Politik, Wasserstoffwirtschaft
Aktienanalyse von Jörg Weber, ECOreporter
Die große Euphorie den Wasserstoff betreffend scheint vorerst vorbei: Für die meisten H2-Aktien geht es seit längerem abwärts. Was paradox erscheint, denn der Klimawandel beschleunigt sich, die Zeit ihn zu bremsen verrinnt. Umso notwendiger wäre eine konsequente Energiewende, und dazu gehört nun einmal die Wasserstoffbranche. Doch derzeit läuft in der Energiepolitik vieles mit angezogener Handbremse, wenn es um erneuerbare Energien geht. Währenddessen sichern die Unternehmen, die ihr Geld mit fossilen Energien verdienen, ihre Pfründe.
Umweltfreundlich hergestellter Wasserstoff hat nach wie vor ein enormes Potenzial, wenn es darum geht, Industrieprozesse klimaneutral zu gestalten. Emissionsarmes Stahlkochen ist damit ebenso möglich wie die Herstellung von Düngemitteln oder die Dekarbonisierung des Verkehrs. Letzteres gilt zwar weniger für Pkw, aber dafür umso mehr für den Bereich Schwerlasttransport, also für Lkw, Züge und Schiffe. Doch überall hakt es. Auch beim Stahlproduzenten Thyssenkrupp, der groß wirbt: „Wir kochen auch nur mit Wasserstoff.“ Derzeit kocht im Ruhrgebiet aber immer weniger Stahl, Thyssenkrupp steht vor einer enormen Kündigungswelle. Das wird auch die Bemühungen um grünen, mithilfe von Wasserstoff hergestellten Stahl abbremsen.
Es bleibt spannend
Die politischen Wasserstoffziele sind – noch – engagiert, die entsprechenden Budgets groß: Die Bundesregierung will mit ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie 9 Mrd. Euro investieren, Deutschland soll die weltweite Nummer eins in der Wasserstoffbranche werden. Auch die EU und die USA planen Milliardeninvestitionen in grünen Wasserstoff. Doch ob die Pläne realisiert werden, ist ungewiss, denn Regierungswechsel und Veränderungen in der gesamten politischen Landschaft können zum Umschwenken führen. Donald Trump plant riesige Steuererleichterungen für Unternehmen, in Deutschland wird seit Monaten über den Haushalt diskutiert – beides kann dazu führen, dass Anschubfinanzierungen für grüne Wasserstoffindustrien gekürzt werden.
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Die Euphorie in Bezug auf den möglichen Energieträger der Zukunft hat sich in den letzten Jahren stark abgekühlt. Wachstumswerte, zu denen H2-Aktien gehören, haben es in turbulenten Zeiten wie diesen ohnehin schwer, weil sie schwieriger und zu schlechteren Konditionen an Kredite kommen – gerade Profi-Investoren suchen dann oft etablierte und vermeintlich sicherere Werte. Zumal die echte H2-Revolution auf sich warten lässt; die Nachfrage schwach bleibt und die meisten Unternehmen schwankende Zahlen präsentieren. Die Folge: Manche Aktien haben seit der großen Wasserstoffbegeisterung im Jahr 2021 mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren.
Anlegerinnen und Anleger denken oft, sie könnten bei einer Technologie, die so kurz vor dem Durchbruch zu stehen scheint, nur einen Fehler machen: nicht auf den Zug aufzuspringen. In der Vergangenheit hat sich aber häufig gezeigt, dass es gerade bei Zukunftstechnologien auf die Auswahl der richtigen Papiere ankommt. Seriös lässt sich für den Wasserstoffmarkt nicht prognostizieren, welche Unternehmen letztlich zu den Gewinnern zählen werden. Aktien von Unternehmen, die ausschließlich in der Wasserstoffwirtschaft aktiv sind, sind oft eher eine Wette als ein strategisches Investment. Eine Ausnahme in der Branche bilden Firmen, die zwar auch, aber nicht nur auf Wasserstoff setzen. Dafür gibt es etablierte und profitabel arbeitende Beispiele. Zwei davon sind hier als erste vorgestellt: Linde und Air Liquide.
Linde
Der weltgrößte Industriegasekonzern Linde hat auch 2024 gute Geschäfte gemacht. An der Börse geht es für den internationalen Konzern seit Jahren meist aufwärts. Im dritten Quartal 2024 steigerte Linde seinen Umsatz zum Vorjahr um zwei Prozent auf 8,4 Mrd. US-$. Der Nettogewinn blieb stabil bei knapp 1,6 Mrd. Dollar. Einen höheren Gewinn verhinderten die aktuellen Sparmaßnahmen des Konzerns, die im letzten Quartal zusammen mit anderen Sonderausgaben einmalige Kosten verursachten. „Wie erwartet hat sich die schwache wirtschaftliche Entwicklung im dritten Quartal fortgesetzt, vor allem in den industriellen Endmärkten“, sagte Linde-Chef Sanjiv Lamba. „Derzeit rechnen wir nicht mit einer kurzfristigen Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds. Wir haben jedoch Maßnahmen ergriffen, um den wirtschaftlichen Gegenwind abzumildern.“
Für das Gesamtjahr 2024 hat Linde seine Prognose leicht gesenkt: Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn je Aktie soll jetzt bei 15,40 bis 15,50 US-$ liegen und damit acht bis neun Prozent über dem Vorjahreswert. Die Linde-Aktie kann unverändert als attraktives Investment gelten. Der Konzern verfügt über eine hervorragende Marktposition, ist sehr gut finanziert und erzielt auch in Flautephasen robuste Gewinne. Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis von 32 für 2024 ist allerdings weiterhin hoch, für 2025 fällt es mit 28 nur unwesentlich moderater aus. Anlegerinnen und Anleger, die aktuell einen Einstieg planen, werden möglicherweise einen langen Atem brauchen. Defensive Investoren sollten für einen Kauf auf Kursrücksetzer warten.
Linde ist eine ECOreporter-Favoriten-Aktie und den eigenen Angaben zufolge der weltweit größte Wasserstoffhersteller. Dieses Segment baut Linde kontinuierlich weiter aus. Der Konzern hat auf mehreren Kontinenten nachhaltige Wasserstoffprojekte initiiert. Anfang 2024 kündigte Linde etwa ein Projekt im niederländischen Eemshaven in Kooperation mit dem norwegischen Erdgaskonzern Equinor an. Die Quartalsdividende wird Linde um neun Prozent auf 1,39 US-$ (1,29 Euro) pro Aktie anheben. Die Ausschüttung steigt damit das 31. Jahr in Folge.
Air Liquide
Der französische Linde-Konkurrent Air Liquide ist ebenfalls an zahlreichen Projekten im Bereich grüner Wasserstoff beteiligt, etwa in seinem Heimatland oder im chinesischen Shanghai. Anfang 2024 kündigte Air Liquide ein Joint Venture mit dem Ölkonzern Total an, das in den nächsten zehn Jahren mehr als 100 Wasserstofftankstellen in Europa errichten soll. Bereits 2024 sollen rund 20 Stationen in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Deutschland in Betrieb genommen werden.
Der Kurs der Air-Liquide-Aktie hat sich in den letzten fünf Jahren gut entwickelt. Ein Hoch erreichte die Aktie im Mai 2024 mit fast 180 Euro, bis Ende November sank sie auf unter 160 Euro. Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2024 liegt bei 27. Air Liquide ist robust aufgestellt, ECOreporter schätzt die Nachhaltigkeitsziele von Linde allerdings als ambitionierter ein. Nach einer Bewertung der renommierten und unabhängigen Science Based Targets initiative (SBTi) sind die Nachhaltigkeitsziele sowohl von Linde als auch von Air Liquide mit dem Ziel einer Erderwärmung um maximal 1,5 Grad vereinbar.
Bloom Energy – Trotz Risiken interessant
Die Aktie des US-Konzerns Bloom Energy schoss von Oktober bis Ende November 2024 von unter 10 auf über 26 Euro hoch. Der Grund: Das Unternehmen konnte sich den bislang weltweit größten Auftrag für Festoxid-Brennstoffzellen sichern. Der Energieversorger American Electric Power (AEP) hat bis zu 1 Gigawatt (GW) an Brennstoffzellen bestellt. Sie sollen Rechenzentren für künstliche Intelligenz (KI) mit Strom versorgen. Im ersten Schritt umfasst die Vereinbarung laut Bloom Energy eine Bestellung von 100 Megawatt (MW), weitere Lieferungen sind ab 2025 geplant. Die Brennstoffzellen sollen direkt an den Standorten der Kunden installiert werden und Strom mit um ein Drittel geringeren CO2-Emissionen im Vergleich zur aktuellen Versorgung liefern.
Die Festoxid-Brennstoffzellen von Bloom Energy können laut dem Unternehmen zu 100 Prozent mit Wasserstoff oder einem beliebigen Gemisch aus Wasserstoff und Erdgas betrieben werden. Zu Kraftwerken zusammengeschaltet könne die Technologie ganze Gebäudekomplexe mit Strom versorgen. Festoxid-Brennstoffzellen sind also nicht zwingend eine saubere Lösung – das sind sie erst, wenn sie mit grünem Wasserstoff betankt werden. Bloom Energy selbst betont, dass die Klimabilanz schon beim Betrieb mit Erdgas deutlich besser sei als bei herkömmlichen fossilen Kraftwerken.
Analysten reagierten begeistert auf die Neuigkeit. Experten der US-Investmentbank Piper Sandler bezeichneten das Geschäft als „bahnbrechend“ für Bloom Energy. Der Auftrag könnte für den Konzern einen Umsatz von bis zu 3 Mrd. US-$ generieren und ihm gleichzeitig die Türen für weitere Kooperationen mit anderen Energieversorgern öffnen. Vor allem aber beweise der Auftrag, dass Bloom Energy tatsächlich fähig sei, mit seiner Technologie große Rechenzentren zu versorgen.
Bloom Energy ist im H2-Sektor eines der interessanteren Unternehmen. Während Firmen wie Ballard Power, Plug Power oder Nel ihre vollmundigen Versprechen bislang nicht halten können, immer größere Verluste einfahren und bei Großaufträgen oft außen vor bleiben, wächst Bloom und kommt offenbar auch für große Projekte infrage. In diesem Jahr will der Konzern operativ schwarze Zahlen schreiben. 2025 soll erstmals ein Nettogewinn erzielt werden.
Vorsichtige Anlegerinnen und Anleger sollten jedoch abwarten, wie sich die weitere Geschäftsentwicklung bei Bloom gestaltet und ob tatsächlich in absehbarer Zeit schwarze Zahlen erreicht werden. Der Kursanstieg von Bloom Energy dürfte auch damit zusammenhängen, dass der Auftrag das Thema künstliche Intelligenz berührt.
Bloom Energy baut seit 2022 auch Wasserstoffgeneratoren (Elektrolyseure). Der Konzern machte 2022 erstmals einen Umsatz von mehr als 1 Mrd. US-$, 2023 waren es 1,3 Mrd. Dollar. Im Geschäftsjahr 2024 könnte Bloom erstmals die Gewinnzone erreichen.
Enapter – Riskant
Schlechter sieht es für das Hamburger Wasserstoffunternehmen Enapter aus: Es erwartet für 2024 weniger Umsatz als zunächst erhofft. Wesentliche Einnahmen sollen sich ins nächste Jahr verschieben. Allerdings gibt sich Enapter bei den mittelfristigen Aussichten optimistisch. Enapter ist klein: Für das laufende Geschäftsjahr dürfte der Umsatz bei 22 bis 24 Mio. Euro liegen. Zuvor hatte das Unternehmen mit 34 Mio. Euro gerechnet. Beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) prognostiziert das Management unverändert ein Minus von 7 bis 8 Mio. Euro. Der Prognose liegt laut Enapter ein Auftragsbestand von derzeit rund 50 Mio. Euro zugrunde. Aufgrund von Verzögerungen in der Produktion von 1-MW-Elektrolyseuren sowie Verschiebungen von Kundenprojekten erwartet Enapter, dass „wesentliche Teile der Umsätze“ erst 2025 realisiert werden.
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Die Halle in Saerbeck steht, wurde aber von Enapter nie bezogen (Foto von Nov. 2022), Quelle: Enapter
Enapter hat 2024 seine Strategie geändert. Ursprünglich wollte das Unternehmen eine Massenfertigung im nordrhein-westfälischen Saerbeck bei Münster aufbauen. Die Pläne für das Forschungs- und Produktionszentrum Enapter Campus wurden Anfang Juni 2024 aber aufgegeben. Der Konzern konzentriert sich künftig auf die Herstellung sogenannter Stacks, der Herzstücke eines Elektrolyseurs. Die vollständigen Elektrolyseure mit dem Markennamen Enapter werden nun im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmens von der Firma Wolong in China gebaut.
Außerdem will Enapter seine Stacks auch anderen Kunden anbieten. Ende Oktober 2024 erhielt das Unternehmen einen ersten Auftrag des niederländischen Energiekonzerns Adsensys, der Elektrolyseure mit Enapter-Technologie bauen will. Adsensys erwirbt auch eine Software-Lizenz von Enapter. Man sei „sehr zuversichtlich, dass in 2025 weitere Core-Partnerschaften abgeschlossen und umfangreiche Großaufträge in Asien, Europa und den USA realisiert werden können“, so Enapter-Chef Dr. Jürgen Laakmann, der Nachfolger von Firmengründer Sebastian-Justus Schmidt.
Die Aussichten der Enapter-Aktie sind kaum einzuschätzen. Die Aktie war immer schon eine Wette – nach Einschätzung von ECOreporter ist sie aber nach der Absage des Campus deutlich unattraktiver geworden. Enapter gibt zu, dass es derzeit nicht genug Nachfrage gibt, um eine Massenfertigung für seine Elektrolyseure aufzubauen. Zudem steckt das Unternehmen weiterhin tief in den roten Zahlen. Daher ist hier zunächst von einem Einstieg abzuraten.
SFC Energy – Klein und recht solide
Der Brennstoffzellenhersteller SFC Energy aus Brunnthal bei München hat in den ersten drei Quartalen 2024 Umsatz und Margen steigern können. Das Unternehmen sieht sich strategisch sehr gut aufgestellt und hebt seine Ergebnisprognose leicht an. SFC Energy erzielte von Januar bis September einen Umsatz von 105 Mio. Euro, im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von rund 20 Prozent. Dabei profitierte das Unternehmen nach eigenen Angaben besonders von der starken Nachfrage nach Brennstoffzellen für industrielle Anwendungen und einem deutlichen Ausbau des Projektgeschäfts.
Am stärksten legten die Geschäfte in Asien zu, wo der Umsatz um knapp 70 Prozent wuchs. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) kletterte im Jahresvergleich um 60 Prozent auf 7,2 Mio. Euro. Der Nettogewinn legte in den ersten drei Quartalen um fast 35 Prozent auf 8,7 Mio. Euro zu. Im dritten Quartal sank der Gewinn allerdings um 27 Prozent auf 2,3 Mio. Euro.
SFC Energy hat seine bislang größte Fabrik in Rumänien eröffnet sowie Geschäfte von Ballard Power erworben und damit entscheidende Weichen für weiteres Wachstum gestellt.
Dennoch: Die schlechte Ergebnisentwicklung im dritten Quartal stimmt bedenklich. Aber immerhin, SFC Energy hat mit seiner Technologie erfolgreich eine Nische besetzt. Die Brennstoffzellen werden vor allem zur stationären Stromversorgung genutzt – entweder wenn kein Zugang zum Stromnetz besteht oder als Ersatz für Diesel-Notstromaggregate. SFC gelingt damit, wovon etliche andere Wasserstoffunternehmen weit entfernt sind: Das Unternehmen erzielt Gewinne.
Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis der SFC-Energy-Aktie ist mit 27 für 2024 weiterhin hoch, 2025 könnte es dank der Aussicht auf weiter steigende Gewinne bei moderaten 18 liegen. Und das wäre dann für eine Wachstumsbranche schon ein erstaunlich seriös-niedriger Wert. Trotz der geschäftlichen Erfolge hat allerdings auch die SFC-Energy-Aktie in den letzten drei Jahren unter der Korrektur am Wasserstoffmarkt gelitten, der Kurs schwankt seit 2021 stark. Die Aktie ist nur für Anlegerinnen und Anleger mit erhöhtem Risikobewusstsein eine Option. Für defensive Investoren eignet sie sich nicht.
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In der neuen Zentrale des internationalen Anbieters von Elektrolysetechnologie Thyssenkrupp Nucera in Dortmund entstehen 560 neue Arbeitsplätze, Quelle: Thyssenkrupp Nucera
Thyssenkrupp Nucera im Sinkflug
Der Dortmunder Wasserstoffkonzern Thyssenkrupp Nucera ist im Vergleich zu SFC Energy ein Riese: Allein im dritten Quartal seines Geschäftsjahres 2023/2024 (April bis Juni) hat er über eine Viertelmilliarde Euro Umsatz erzielt – mehr als erwartet. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) sank im Vergleich zum Vorjahr hingegen von 7 auf nur noch 1 Mio. Euro. Insgesamt dürfte der Jahresumsatz bei 800 bis 900 Mio. Euro liegen. Davon sollen 500 bis 550 Mio. Euro mit der alkalischen Wasserelektrolyse (AWE) erwirtschaftet werden. Das EBIT wird laut Konzern voraussichtlich „im negativen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“ liegen.
Das Unternehmen leidet unter Verzögerungen neuer Projekte auf Kundenseite. Seit ihrem Börsenstart im Juli 2023 hat die Aktie deutlich an Wert verloren, der Kursverlauf zeigt im Schnitt kräftig nach unten. Nucera bleibt daher ein hochriskantes Investment. Nachhaltigen Anlegerinnen und Anlegern kann außerdem die Beteiligung des Konzerns am NEOM-Projekt in Saudi-Arabien Bauchschmerzen bereiten. Hierbei handelt es sich um eine futuristische Stadt, die in der Wüste im Nordwesten Saudi-Arabiens entsteht und international oft in der Kritik steht.
Fazit
H2-Aktien bleiben spekulative Investments. Verlässliche Einstiegschancen bieten vor allem die Gasekonzerne Linde und Air Liquide, deren Geschäft nicht von Wasserstoff abhängig ist. Bei den spekulativen Werten kommen Bloom Energy und SFC Energy geschäftlich deutlich voran – SFC schreibt bereits schwarze Zahlen, Bloom Energy könnte dies im aktuellen Geschäftsjahr schaffen. Die Risiken bleiben hier trotzdem hoch.
Die Aktien von Thyssenkrupp Nucera und Enapter sollte man im Auge behalten. Aktuell allerdings sind diese Papiere noch eher Wetten als Investments. Ehemalige Branchenlieblinge wie Plug Power, Ballard Power oder Nel haben die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen können, deutliche Kurseinbrüche waren die Folge. Hier scheint auch eine Wette aktuell wenig attraktiv.
Selbst sehr risikobereite Anlegerinnen und Anleger sollten, wenn sie eine Wette auf Wasserstoff eingehen wollen, eher einen Wasserstoff-Fonds oder -ETF ins Auge fassen, um ihr Investment zumindest etwas zu streuen. Und für alle H2-Werte außer Linde und Air Liquide gilt: Setzen Sie im H2-Markt grundsätzlich nur Geld ein, auf das Sie vollständig verzichten können. Unerwartetes kann jederzeit kommen – und Verluste muss man verkraften können, wenn man hier investiert.
Autor dieses Beitrags ist Jörg Weber, Gründer und Chefredakteur von ECOreporter.de. Die Internet-Publikation berichtet seit 25 Jahren ausschließlich über nachhaltige Geldanlagen. ECOreporter finanziert sich durch Abonnements der Lesenden und ist daher unabhängig von Werbeeinnahmen u. Ä. ECOreporter testet nachhaltige Fonds, ETFs, Banken, Anleihen, Genussrechte und anderes und analysiert nachhaltige Aktien. Konkrete Ratschläge und Warnungen zeigen den Lesenden, wo sie ihr Geld sinnvoll investieren können.
Jeder Anleger sollte sich bei der Investition in Aktien immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bewusst sein und auch an eine sinnvolle Risikostreuung denken. Diese Analyse stellt keine Kaufempfehlung dar.
Autor: Jörg Weber, ECOreporter
von Claas Hülsen | Dez. 4, 2024 | 2024, Energiespeicherung, Energiewirtschaft, Entwicklung, Europa, Meldungen, News, Wasserstoffwirtschaft
Neue DNV-Studie analysiert Produktion und Export
Eine neue Studie des Beratungsunternehmens DNV untersucht das H2-Exportpotenzial aus Schweden, Finnland und dem Baltikum sowie alternative Transportrouten nach Deutschland und Zentraleuropa. Die Studie zeigt dabei auf, ob es im Ostseeraum ein ausreichendes Potenzial für die Produktion von Wasserstoff für den Export gibt, wie wirtschaftlich dieser Wasserstoff produziert werden kann und wie die Länder in der Region von der Entwicklung eines H2-Netzes sowie dem entsprechenden Handel mit Wasserstoff profitieren können. Für den groß angelegten Export von Wasserstoff können gesamteuropäische Pipelinesysteme eine entscheidende Rolle spielen, weshalb die Studie auch eine vergleichende Analyse möglicher Pipelinerouten enthält.
Für die Dekarbonisierung zentraler Industriebereiche in Zentraleuropa und insbesondere in Deutschland ist die Beschaffung von günstigem grünem Wasserstoff in den kommenden Jahren eine wichtige Herausforderung. Insbesondere die Stahlindustrie und die Grundstoffchemie sind von der Verfügbarkeit von günstigem Wasserstoff abhängig. Eine heimische Herstellung von Wasserstoff kommt dabei schnell an ihre Grenzen. Sie konkurriert hierbei mit der Dekarbonisierung der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien bei gleichzeitig steigenden Strombedarfen durch die Elektrifizierung wesentlicher Wirtschaftsbereiche – beispielsweise in der Mobilität –, zum anderen sind die heimischen Gestehungskosten für Wasserstoff in Deutschland teilweise deutlich höher als in anderen Regionen der Welt.
Insofern werden wesentliche Mengen von Wasserstoff importiert werden müssen. Während für große Distanzen der Seetransport teilweise die einzige Option darstellt, stellt für mittlere Distanzen der pipelinegebundene Transport eine kosteneffiziente Variante dar. Der Transport über Pipelines hat insbesondere den Vorteil, dass erzeugter Wasserstoff in Reinform vorliegt und keine Transformationsverluste, wie beispielsweise bei einem Tankertransport in Form von Ammoniak, auftreten. Strategisch ist es für den Aufbau der H2-Importketten für Europa und Deutschland zudem wichtig, stabile und auch in Krisenfällen belastbare Partnerschaften aufzubauen, um nicht in ähnliche Situationen wie die Unterbrechung der Gasversorgung aus Russland im Zuge des Ukrainekriegs zu kommen.
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Insofern ist es im Interesse aller Beteiligten, sich auch innerhalb Europas nach möglichen naheliegenden Bezugsquellen umzuschauen. Verschiedene Pipelinekorridore werden in diesem Zusammenhang derzeit diskutiert und auch als sogenannte „Projects of Common Interest (PCI)“ von der EU gefördert.
Diesbezüglich hat DNV im Auftrag von Gascade in den vergangenen Monaten das Potenzial eines Wasserstoffbezugs aus Schweden, Finnland und dem Baltikum untersucht. Hierbei wurde auf der Basis vorliegender energiepolitischer Zielsetzungen der genannten Länder zunächst abgeschätzt, wie groß ein mögliches Exportportpotenzial aus dem Ostseeraum sein kann. Zum anderen wurde ermittelt, zu welchen Kosten dieser Wasserstoff bereitgestellt werden kann und welche Transportrouten aufgrund der geographischen Produktionspotenziale sinnvoll sein werden.
Die Länderanalysen, die die Basis der Untersuchung bilden, legen dabei ein differenziertes Bild der Pläne der einzelnen Staaten in zwei Szenarien vor. In diesen Szenarien wird jeweils der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der Eigenbedarf an Strom und Wasserstoff ermittelt. Dabei wird in einem optimistischen Szenario je Land jeweils von einem ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien für die meisten Länder unter Anwendung von Daten aus dem TYNDP 2022 ausgegangen. Dieser Ausbau wird jeweils kombiniert mit einem entsprechend, gemäß der jeweiligen H2-Strategie des Landes, ambitionierten Ausbau der jeweiligen H2-Nutzung. Das konservative Szenario ist demgegenüber in allen Komponenten weniger ambitioniert.
Die im jeweiligen Szenario verbleibenden Energiemengen (nach Abzug der Inlandsnachfrage von der Stromproduktion) werden für einen Export von Wasserstoff vorgesehen. Es ist zu beachten, dass diese Energie auch für den Export als Strom über neu gebaute Verbindungsleitungen vorgesehen werden könnte. Diese Alternative wird in dieser Studie jedoch nicht weiter berücksichtigt. Im Überblick ergibt sich hieraus das folgende Bild bezüglich des vorhandenen Exportpotenzials in den beiden Szenarien:
Bei dem in der Studie verwendeten konservativen Szenario zeigt sich, dass insbesondere Finnland im Jahr 2050 einen erheblichen Stromüberschuss erzielen kann, der zur Produktion von grünem Wasserstoff für den Export genutzt werden könnte. Der schwedische Stromüberschuss wird hingegen über den gewählten Zeitraum kontinuierlich abnehmen und das Land im Jahr 2050 keinen Überschuss mehr aufweisen. Dies liegt an den moderaten staatlichen Ausbauzielen in Schweden bei gleichzeitigem Voranschreiten der innerstaatlichen Elektrifizierung.
Insgesamt ergibt sich nach dem konservativen Szenario ein Potenzial von etwa 70 TWhel im Jahr 2050, das aus der Region bezogen werden kann, wobei Finnland die Hauptquelle für den Überschuss darstellt. Dieser ausgewiesene Überschuss auf Basis der niedrigeren Ambitionen ist recht gering, vor allem weil Schweden aufgrund der eigenen Elektrifizierung der Industrie und des heimischen Wasserstoffverbrauchs 2050 keinen geringen Überschuss ausweist. Dennoch leistet die Windenergie in den Ländern einen signifikanten Beitrag: Es ist davon auszugehen, dass Onshore-Windstrom mit einem Anteil von etwa 40 bis 50 % (SE) und 70 bis 80 % (FI) an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Zeitraum 2030 bis 2050 die Hauptquelle des Überschusses sein wird. Danach folgt die Offshore-Windkraft mit einem Anteil an der EE-Stromerzeugung, der bis 2050 auf 10 bis 20 % (SE) bzw. etwa 5 % im Jahr 2030 und 11 % im Jahr 2050 (FI) steigt.
Im optimistischen Szenario hingegen ist die Entwicklung in beiden Ländern ausgewogener. Schweden weist in diesem Szenario das höchste Überschusspotenzial im Jahr 2030 aus, das sich dann jedoch aufgrund der Elektrifizierung bis 2040 halbiert, danach aber stabil bleibt. Für Finnland wird ein noch stärkerer Anstieg als im konservativen Szenario prognostiziert. Im Zeitverlauf könnte dementsprechend das folgende Gesamtpotenzial für überschüssigen Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff aus der Region erreicht werden: 2030: 16 TWhel, 2040: 90 TWhel, 2050: 119 TWhel.
Auch in diesem Szenario bleibt Finnland der größte Überschuss-Stromerzeuger und würde etwa 30 TWhel mehr als im konservativen Szenario produzieren. Hinzu kommt ein kleines Potenzial aus den baltischen Staaten und Polen.
Für die nachfolgende Analyse der Pipelineverläufe wurde diese Analyse je Szenario nicht nur auf Länderebene vorgenommen, sondern auf Regionalebne differenziert – Basis dafür bildeten die bestehende und geplante Verteilung von EE in den einzelnen Landesregionen.
Berechnung der H2-Erzeugungskosten
Die Analyse der Gestehungskosten ist wichtig, da ein Export von Wasserstoff nur dann als Geschäftsmodell sinnvoll ist, wenn die Kosten auch im Vergleich zu anderen möglichen Herkunftsregionen wettbewerbsfähig sind. In dieser Hinsicht sind die nivellierten Wasserstoffkosten (LCOH) der üblicherweise verwendete Leistungsindikator. In einem zweiten Schritt wird daher je Region eine Berechnung der Erzeugungskosten für grünen Wasserstoff durchgeführt. Verglichen werden pro Region die LCOH für unterschiedliche Erzeugungstechnologien, für die die jeweiligen regionalen Kapazitätsfaktoren zugrunde gelegt werden.
Für die Berechnung der Wasserstoffgestehungskosten (LCOH) werden zudem zwei mögliche Konzepte in der Studie überprüft. Zunächst wird als Option 1 angenommen, dass der Elektrolyseur direkt gekoppelt mit erneuerbaren Ressourcen betrieben wird, um grünen Wasserstoff zu erzeugen. Alternativ wird dann auch ein anderer Ansatz für die Region analysiert, bei dem der Strom aus dem Stromnetz bezogen wird – was regulatorisch unter bestimmten Umständen, die in den Delegated Acts der EU vorgegeben werden, auch die Erzeugung von grünem Wasserstoff möglich macht. In diesem Fall prüfen wir, ob die Einspeisung aus erneuerbaren Energien in den untersuchten Gebieten über 90 % liegt, wie es für eine Ausnahme von den RED-III-Kriterien in Bezug auf Punkte wie PPA für erneuerbare Energien, Zusätzlichkeit und zeitliche Korrelation erforderlich ist, und bewerten dann den Wasserstoff entsprechend unter Zugrundelegung der Stromkosten aus dem Netz.
Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse, dass die Erzeugungskosten über das direkt gekoppelte Konzept hoch erscheinen. Sie liegen je nach Region zwischen 6,15 EUR/kg und 18,75 EUR/kg (s. Abb. 2). Dies erscheint im Vergleich zu den Erzeugungskosten in Südeuropa für direkt gekoppelte Anlagen hoch, so dass es zu diesen Produktionskosten fragwürdig ist, dass sich ein Export wirtschaftlich etablieren kann.
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Abb. 2: Stromgestehungskosten von Wasserstoff für direktgekoppelte Onshore-Windelektrolyse im Jahr 2030 für alle analysierten NUTS2-Regionen
Aufgrund des sehr hohen Anteils an EE in den skandinavischen Regionen und des zusätzlich ebenso niedrigen spezifischen CO2-Anteils je kWh (durch die Kombination Wasserkraft, Kernenergie und EE) kann aber angenommen werden, dass für die relevanten Gebotszonen in Finnland und Schweden die Ausnahmeregelungen des REDIII Delegated Act zum Tragen kommen, so dass Elektrolyseure die Energie aus dem Netz beziehen können. Hierdurch ändert sich das Bild im Bezug auf die LCOH signifikant – insbesondere, da die Elektrolyseure nun eine sehr viel höhere Volllaststundenzahl erreichen können und so die Kapitalkosten im Verhältnis zur erzeugten Wasserstoffmenge reduziert werden. Auf diese Weise werden LCOH zwischen 2,5 EUR/kg und 4,5 EUR/kg erreicht.
Da diese wiederum über die Zeitachse abhängig von den Stromkosten im jeweiligen Land sind, wurden diese Strompreise aus der DNV-Strompreisprognose für Finnland und Schweden zugrunde gelegt. Aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung in beiden Ländern steigt die Nachfrage nach Strom zwischen 2030 und 2050 an – was zunächst zu steigenden Strompreisen und damit auch steigenden LCOH führen wird. Langfristig wird sich aus Sicht von DNV der Strompreis jedoch moderat entwickeln, so dass die LCOH für 2050 bei etwa 2,5 EUR/kg eingeschätzt werden (s. Abb. 3).
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Abb. 3: LCOH Schweden und Finnland bei Netzentnahme 2030 bis 2050
Als Ergebnis der Kostenanalysen ergab sich somit, dass in Skandinavien aufgrund der spezifischen Systemsituation sehr attraktive Produktionskosten für Wasserstoff erreicht werden. Dies zeigte sich auch bereits in diesem Jahr bei den Pilotauktionen der Europäischen Wasserstoffbank.
Exportkorridore nach Zentraleuropa
Im letzten Teil der Analyse wurden aufgrund der ermittelten regionalisierten Exportpotenziale schließlich mögliche Exportkorridore nach Zentraleuropa bewertet. Dabei haben wir für die Analyse die derzeit in den Netzentwicklungsplänen beschriebenen Korridore (European Hydrogen Backbone) zugrunde gelegt und diese im Hinblick auf das regionalisierte Exportpotenzial aus dem ersten Teil der Untersuchung hinsichtlich ihrer Kosten und Kapazitäten sowie ihrer strategischen Routenführung verglichen. Die nachfolgende Abbildung zeigt die fünf untersuchten Varianten, für die jeweils zu Vergleichszwecken ein identischer Startpunkt in Finnland nahe der Stadt Turku gewählt wurde und das ermittelte regionalisierte Exportpotenzial zugrunde gelegt wird.
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Abb. 4: Fünf analysierte Fälle für den (gleichzeitigen) Einsatz der Onshore- und Offshore-Pipeline-Routen
Beide Routen schließen an das geplante finnische Onshore-Wasserstofftransportnetz an, das aus dem Norden Finnlands kommen wird.
Onshore-Route
Die Onshore-Route beginnt mit einer Verbindung von Turku nach Helsinki, wo der finnische Meerbusen von einem Offshore-Pipeline-Segment durchquert wird, das Helsinki mit Tallinn verbindet. Von dort aus wird der Wasserstoff über eine neu gebaute Pipeline durch Estland und Lettland transportiert, bis man in Lettland auf einen etwa 100 Kilometer langen Abschnitt einer wiederverwendeten Erdgaspipeline trifft. Die Gesamtlänge der Onshore-Route beträgt etwa 2.000 km. Zur Berechnung der Wasserstofftransportkapazität gehen die European-Hydrogen-Backbone-Reports von folgenden Annahmen für die verschiedenen Pipelinesegmente aus:
- Neubau von 36-Zoll-Pipelines (50 bar), Nennkapazität von 4,7 GWH2, Kapazitätsfaktor 100 %
- Wiederverwendete 36-Zoll-Pipelines (50 bar), Nennkapazität von 4,7 GWH2, Kapazitätsfaktor von 75 %
- Neubau von 48-Zoll-Pipelines (80 bar), Nennkapazität von 16,9 GWH2, Kapazitätsfaktor 75 %
Die umgewidmeten Abschnitte weisen im Vergleich zu den anderen Rohrleitungsabschnitten einen geringeren Betriebsdruck und damit eine geringere Transportkapazität auf. Diese Segmente stellen somit einen Engpass für Transportkapazitäten dar. Sofern keine Booster-Kompressoren eingesetzt werden, um die Strömungsgeschwindigkeit nach Möglichkeit vorübergehend zu erhöhen, bestimmt diese Einschränkung die Transportkapazität der gesamten Route.
Dies führt zu einer Transportkapazität von 30,9 TWhH2/Jahr, basierend auf der Vollauslastung innerhalb der oben angegebenen Grenzen der Kapazitätsfaktoren und den Teilen des Netzwerks mit der niedrigsten Kapazität (75 % * 4,7 GWH2 = 3,6 GWH2). Wenn die Gesamtstrecke auf eine Transportkapazität von 4,7 GWH2 ausgebaut werden kann, können insgesamt 41,2 TWhH2/Jahr transportiert werden. Bei dem erwarteten Kapazitätsfaktor für finnische Onshore-Windenergie von 40 % beträgt die Transportkapazität einer 4,7 GWH2-Verbindung 16,5 TWhH2/Jahr.
Beim Vergleich mit der erwarteten Größenordnung des Überschusses aus Finnland ergibt sich, dass die Onshore-Route die erwartete Wasserstofftransportkapazität aus dem Überschuss aus Finnland nur im optimistischen Szenario (8,6 TWhH2/Jahr) für 2030 decken kann. Nach dieser Zeit reicht die Onshore-Route allein nicht mehr aus, um ausreichende Transportkapazitäten bereitzustellen.
Nach Veröffentlichung der DNV-Studie kündigte das Konsortium „Nordic-Baltic Hydrogen Corridor“ an, dass es die ursprünglichen Pläne zur Nutzung von Pipelineabschnitten bestehend aus wiederverwendeten Erdgaspipelines aufgeben und – aus Gründen der Transportkapazität – versuchen werde, 48-Zoll-Neubauleitungen über die gesamte Landtrasse vorzusehen. Dies bedeutet, dass die Landroute tatsächlich über eine größere Transportkapazität verfügen wird, als in dieser Studie prognostiziert, sofern die neuen 48-Zoll-Pipelines realisiert werden können.
Offshore-Route
Die Offshore-Route beginnt alternativ mit einer Verbindung von Turku zur Insel Åland. Von dort führen eine oder mehrere Pipelines mit einer Länge von etwa 760 Kilometern durch die Ostsee zur dänischen Insel Bornholm. Von dort führen wiederum eine oder mehrere Pipelines zum deutschen Festland. Die Gesamtlänge einer einzelnen Pipelinetrasse beträgt etwa 1.000 km. Die Gesamtlänge, einschließlich einer doppelten Pipelinetrasse, beträgt etwa 1.900 km. In der Studie wurden diesbezüglich sowohl die Kosten für eine einfache als auch für eine doppelte Trasse analysiert.
Bei einem maximalen Betriebsdruck von 80 bar ist aufgrund der in der Pipeline induzierten Druckverluste eine Wasserstoffrekomprimierung entlang der 760 km langen Strecke von Åland nach Bornholm erforderlich. In diesem Fall muss die Offshore-Route eine Verbindung zur schwedischen Insel Gotland herstellen, um dort eine Rekomprimierung durchzuführen und/oder eine Verbindung zu lokalen Angebots- und Nachfragezentren herzustellen.
Zur Berechnung der Wasserstofftransportkapazität gehen die European-Hydrogen-Backbone-Reports von folgenden Annahmen aus:
- Neubau von 48-Zoll-Pipelines (80 bar)
- Nennkapazität von 16,9 GWH2
- Ein Kapazitätsfaktor von 75 %, was einer tatsächlichen Kapazität von 111,0 TWhH2/Jahr
- Unter der Annahme eines Kapazitätsfaktors von 40 % (entsprechend finnischer Onshore-Windenergie) entspricht dies einer tatsächlichen Kapazität von 59,2 TWhH2/Jahr.
Alternativ wurde die Möglichkeit einer einzigen optimierten Offshore-Pipeline untersucht, die so dimensioniert ist, dass sie in der Lage ist, den erwarteten Überschuss für alle untersuchten Szenarien und Jahre zu transportieren. Bei dieser Pipeline wurde zusätzlich eine Verbindung zwischen der Insel Bornholm und der polnischen Küste im Bereich Niechorze-Pogorzelica vorgesehen, um dort eine Verbindung mit dem landseitigen Wasserstoffnetz herzustellen. Die Optimierung sieht entsprechend eine Dimensionierung der einzelnen um die 780 km langen Pipeline derart vor, dass sie 65 TWhH2/Jahr bei einem Kapazitätsfaktor von 40 % plus X transportieren kann. Ziel der Optimierung ist also, dass eine einzige Pipeline in allen analysierten Szenarien ausreicht, um den überschüssigen Wasserstoff aus Finnland zu transportieren.
Ergebnisse der Optimierung
Die Berechnung erfolgte auf Basis der Norm ASME B31.12, Option A. Daraus ergab sich ein Betriebsdruck von 170 bar und daraus resultierend eine Wandstärke von 60.13 mm. Dies liegt außerhalb des standardisierten Bereichs der auf dem Markt erhältlichen Pipelinewandstärken, ist aber in der Branche nicht beispiellos. Beispielsweise weist die Langeled-Pipeline, die zwischen Großbritannien und Norwegen verläuft, ähnliche Designspezifikationen auf. Die nachfolgende Tabelle fasst die erforderlichen Spezifikationen zusammen.
Tab. 1: Spezifikationen der 780 km langen Pipeline von den Ålandinseln nach Bornholm
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Quelle: DNV
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Offshore-Route den erwarteten Wasserstofftransportbedarf aus dem Überschuss aus Finnland in den folgenden Szenarien decken kann:
- Einzelne (nicht optimierte) Pipeline (59.2 TWhH2/Jahr): Alle Szenarien werden erfüllt, außer dem optimistischen Szenario 2050 (62.4 TWhH2/Jahr).
- Duale (nicht optimierte) Pipelines (118.4 TWhH2/Jahr): Alle Szenarien werden erfüllt.
- Einzelne (optimierte) Pipeline (65.0 TWhH2/Jahr): Alle Szenarien werden erfüllt.
Techno-ökonomische Analyse
Nachfolgend sind die Ergebnisse der verschiedenen Pipeline-Routen-Optionen zusammengefasst:
Tab. 2: Nivellierte Kosten des Wasserstofftransports für die analysierten Pipeline-Routen
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- Fall 1: Nur Onshore-Route: Die Gesamtinvestitionskosten betragen rund 5,8 Milliarden Euro, aber mit 1,37 Euro/kg H2 ist sie auf der Grundlage der nivellierten Kosten des Wasserstofftransports die teuerste Option.
- Fall 2: Nur Offshore-Route – einzelne Pipeline: Die Gesamtinvestitionskosten sind ähnlich wie bei Fall 1, aber die nivellierten Kosten des Wasserstofftransports sind mit 0,40 Euro/kg H2 weitaus günstiger.
- Fall 2 (Opt): Nur Offshore-Route – einzelne Pipeline (optimiert): Die Gesamtinvestitionskosten sind ähnlich wie in Fall 2, aber die nivellierten Kosten des Wasserstofftransports sind mit 0,39 €/kg etwas niedriger.
- Fall 3: Nur Offshore-Route – doppelte Pipeline: Nivellierte Kosten von 0,40 €/kg. Die Gesamtinvestitionskosten betragen jedoch rund 11,8 Mrd. € – doppelt so viel wie in Fall 2.
- Fall 4: Onshore-Route und Offshore-Route – einzelne Pipeline: Die Gesamtinvestitionskosten sind ähnlich wie in Fall 3, aber die gewichteten durchschnittlichen nivellierten Kosten sind mit 0,61 €/kg höher.
Obwohl Offshore-Pipelines etwa 1,5-mal teurer sind als Onshore-Pipelines mit gleichem Durchmesser, sind sie aufgrund der unterschiedlichen Gesamttransportentfernung zwischen den Onshore- und Offshore-Routen (1.000 km bzw. 2.000 km) in Kombination mit dem größeren Gesamtdurchmesser und Druck (und damit der Transportkapazität) der Offshore-Routen eine kostengünstigere Option für den Transport von überschüssigem Wasserstoff von Finnland nach Mitteleuropa. Aus Sicht der Diversifizierung und der Entwicklung der Wasserstoffproduktion in den baltischen Staaten bietet eine zusätzliche Onshore-Route jedoch eine höhere Versorgungssicherheit.
Schlussfolgerungen
Die Option, Wasserstoff aus dem Ostseeraum zu beziehen, ist für Mitteleuropa wirtschaftlich und strategisch interessant. Niedrige Produktionskosten in Verbindung mit einer innereuropäischen Produktion können die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie fördern und würden Europa weniger abhängig von Importen machen. Für viele Endanwendungen ist die Möglichkeit der Gewinnung von reinem Wasserstoff (und nicht von Derivaten wie Ammoniak) attraktiv, da sie effizienter ist und die Kosten für Umwandlungsprozesse vermeidet.
Eine Kombination aus Offshore- und Onshore-Pipelines kann die Versorgung diversifizieren, da ein ausreichendes Wasserstofferzeugungspotenzial vorhanden ist, wenn das Potenzial für überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien genutzt wird. Eine optimierte Offshore-Pipeline wäre jedoch das kostengünstigste Transportmittel nach Mitteleuropa.
Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass ein strategischer Dialog zwischen den Ostseeanrainerstaaten und den von Wasserstoffimporten abhängigen Ländern der EU (insbesondere Deutschland und Polen) initiiert werden sollte. Ziel sollte es sein, eine gemeinsame Strategie und Vision für ein Wasserstoffnetz im Ostseeraum zu entwickeln, die die bisherigen Überlegungen in der Diskussion um ein europäisches Wasserstoff-Backbone weiterentwickelt und die Pläne für den EE-Ausbau, die Pipelineplanung und die industrielle Nutzung konkretisiert. Aufgrund der vielen zu berücksichtigenden Aspekte wäre ein multinationales Abkommen für eine solche Wasserstoffproduktion und den Netzausbau erstrebenswert.
Autoren: Claas Hülsen, Daan Geerdink, Daniel Anton, DNV Energy Systems Germany GmbH, Hamburg
Claas.Huelsen@dnv.com