von Monika Rößiger | Jan. 30, 2025 | 2025, Energiewirtschaft, Entwicklung, International, Markt, Meldungen, News, USA, Wasserstoffwirtschaft
Interview mit Bryan Glover, CTO bei Honeywell
Nach mehr als 50 Jahren Erfahrung mit Wasserstoff setzt Honeywell mit dem Unternehmen Energy and Sustainability Solutions (ESS) auch auf grünen Wasserstoff. Dabei nimmt der US-Mischkonzern gleich die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick: Von effizienterer PEM-Elektrolyse bis hin zur Transportinfrastruktur.
HZwei: Honeywell fokussiert sich stark auf eine Zukunft mit grünem Wasserstoff. Warum?
Glover: Honeywell ist sich der enormen Bedeutung bewusst, die grüner Wasserstoff bei der Energiewende spielen wird. Wegen seiner Energiedichte eignet sich Wasserstoff gut als Alternative zu fossilen Treibstoffen. Deshalb ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff in den kommenden Jahren erheblich steigen wird. Ein Bericht von Wood Mackenzie zeigt, dass kohlenstoffarmer Wasserstoff bis 2050 sieben Prozent des weltweiten Energiebedarfs ausmachen wird, was 211 Millionen Tonnen entspricht.
Globale Unterstützung und Investitionen in grünen Wasserstoff bestätigen das, da Regierungen weltweit Strategien beschließen, um dessen Einsatz zu fördern. So zielt unter anderem die nationale Wasserstoffstrategie Deutschlands darauf ab, ihre Klimaschutzziele mithilfe von grünem Wasserstoff zu erreichen. Ferner haben die Europäische Investitionsbank und Deutschland Ende 2023 den Fonds für Grünen Wasserstoff aufgestockt, um die globale Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln.
Ihr Unternehmen sieht sich als Pionier in der Entwicklung von innovativen Lösungen in Bezug auf grünen Wasserstoff. Welche sind das zum Beispiel?
Honeywell blickt auf mehr als 50 Jahre Erfahrung zurück, um Innovationen bei der Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff voranzutreiben. Wir bieten Lösungen, welche die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette abdecken – von der Produktion über die Umwandlung, Transport, Speicherung und Verteilung.
Seit 1966, als die erste industrielle Anwendung unserer PSA-Technologie (Pressure Swing Adsorption, Anm. d. Verf.) in Betrieb genommen wurde, führt Honeywell auf dem Gebiet der Wasserstoffaufbereitung. Bis heute haben wir weltweit mehr als 1.000 PSA-Anlagen geliefert, die etwa 25 Millionen Normkubikmeter reinen Wasserstoff pro Stunde produzieren, was eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Produktionseffizienz und Skalierbarkeit spielt.
Ein weiteres Beispiel sind Honeywells katalysatorbeschichtete Membranen (CCM, Anm. d. Verf.), mit denen Kunden eine größere Menge grünen Wasserstoffs zu niedrigeren Gesamtkosten produzieren können. Führende Elektrolyseurhersteller haben nachgewiesen, dass diese Membranen 30 Prozent mehr Wasserstoff produzieren können als die derzeit handelsüblichen CCM und die Kosten der Nicht-CCM-Stack-Komponenten um 29 Prozent senken.
Auf welche Weise kann Honeywell dazu beitragen, die Effizienz bei der Herstellung von grünem Wasserstoff entscheidend zu verbessern?
Wir investieren kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um eine noch breitere Produktion mit noch höherer End-to-End-Effizienz und Kosteneinsparungen zu ermöglichen. Neben der CCM-Technologie von Honeywell unterstützen wir auch die Entwicklung und Skalierung von Elektrolyseur-Technologien der nächsten Generation über Honeywell Ventures. Dieser Teil des Unternehmens investiert in der Frühphase in wachstumsstarke Unternehmen, die über bahnbrechende Technologien verfügen. Unsere strategische Investition in die Series-B-Finanzierungsrunde von Electric Hydrogen trug zu einer Summe von insgesamt 198 Millionen US-Dollar bei. Dieses Geld unterstützt Electric Hydrogen bei der Entwicklung von Elektrolyseuren mit hohem Durchsatz, um Kosten zu senken und die Effizienz für großangelegte Industrie- und Infrastrukturprojekte zu steigern.
Welche Lösung bietet Honeywell für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, zum Beispiel, was Speicherung und Transport angeht?
Im Jahr 2023 stellte Honeywell seine LOHC-Lösung (Liquid Organic Hydrogen Carrier, Anm. d. Verf.) vor. Diese innovative Technologie ermöglicht den Transport von Wasserstoff über die bestehende Öl- und Gasinfrastruktur. Das ist eine sicherere und kostengünstigere Lösung im Vergleich zu anderen derzeit auf dem Markt befindlichen Transportmethoden. Bei der LOHC-Technologie von Honeywell wird Wasserstoffgas chemisch an den flüssigen Trägerstoff Methylcyclohexan (MCH, Anm. d. Verf.) gebunden. Das MCH kann am Zielort wieder in Wasserstoff umgewandelt werden.
Der Wasserstoffrat prognostiziert, dass bis zum Jahr 2050 rund 400 Millionen Tonnen Wasserstoff und Derivate transportiert werden müssen. Da die Herstellung von grünem Wasserstoff wasserintensiv ist, werden ihn viele Länder weltweit importieren müssen. Unsere LOHC-Lösung kann die Wasserstoffproduktion um etwa zehn Prozent steigern und hat das Potenzial, zwischen 3.000 und 100.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr zu produzieren.
Wie sieht es mit dem Verbrauch von Ressourcen einschließlich Wasser für die Elektrolyse aus?
Der Verbrauch von Ressourcen, einschließlich Wasser, ist ein entscheidender Faktor bei der Wasserstofferzeugung per Elektrolyse. Unsere Lösungen für grünen Wasserstoff sind speziell darauf ausgerichtet, die Ressourceneffizienz zu verbessern. Die katalysatorbeschichteten Membranen von Honeywell optimieren den Prozess, indem sie die Menge an Wasser und anderen Betriebsmitteln für die Elektrolyse signifikant senken. Das reduziert auch die Gesamtkosten.
Was ist das „Revolutionäre“ an Honeywells Entwicklungen?
Die Internationale Energieagentur (IEA, Anm. d. Verf.) hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die bestehenden Industriehäfen und die Infrastruktur zu nutzen, um Drehscheiben für kostengünstigen, kohlenstoffarmen Wasserstoff zu schaffen. Die LOHC-Lösung von Honeywell ist ein Beispiel für diesen Ansatz, weil sie die bestehende Infrastruktur für fossile Brennstoffe nutzt, um Wasserstoff zu transportieren, was die Kosten erheblich senkt und die Skalierbarkeit verbessert. Unsere Technologie trägt nicht nur zur Energiewende bei, sondern stärkt auch das Vertrauen der Investoren in die Wasserstoffwirtschaft.
Sind Ihre Entwicklungen bereits in der Praxis einsetzbar und skalierbar?
Ja. Ein Beispiel dafür ist unsere Zusammenarbeit mit ENEOS, einem führenden Energieunternehmen in Japan. ENEOS wird die LOHC-Technologie von Honeywell an mehreren Standorten einsetzen, um das weltweit erste kommerzielle Projekt für flüssige organische Wasserstoffträger zu entwickeln. Das ENEOS-Projekt zeigt, wie unsere Technologie in bestehende Verkehrsnetze integriert werden kann. Diese strategische Partnerschaft mit ENEOS ist eines von mehreren Projekten im Bereich des Wasserstofftransports, bei denen wir mit diesem Unternehmen kooperieren.
Wie trägt Honeywell grundsätzlich zu einer nachhaltigen Entwicklung in der industriellen Produktion bei?
Unsere heutige Welt basiert auf schwer zu defossilisierenden Industriezweigen wie der Erdölraffination, Gasverarbeitung, petrochemischen Produktion sowie der Zement- und Stahlherstellung. Der Übergang zu saubereren Energielösungen wird hier einige Zeit in Anspruch nehmen. Daher entwickelt Honeywell auch Lösungen, um die Emissionen der Schwerindustrie heute zu reduzieren. Ein Beispiel ist Honeywells Technologie zur Abscheidung von Kohlendioxid (CO₂, Anm. d. Verf.). ExxonMobil plant den Einsatz unserer Technologie zur CO₂-Abscheidung und Wasserstoffreinigung in einer Anlage zur Herstellung von kohlenstoffärmerem Wasserstoff in den USA. Es wird erwartet, dass mit Honeywells Technologie jährlich etwa sieben Millionen Tonnen Kohlendioxid aus dieser Anlage abgeschieden werden, was etwa dem Ausstoß von 1,5 Millionen Autos pro Jahr entspricht.
von Romana Mocnik | Jan. 29, 2025 | 2025, Elektromobilität, Entwicklung, Europa, Markt, Meldungen, News, Wasserstoffwirtschaft
Formula Student setzt auf H2
Im Sommer 2025 sollen die ersten Wasserstofffahrzeuge am Red Bull Ring im österreichischen Spielberg (Steiermark) gegen Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb antreten. Damit dort sowohl Brennstoffzellen als auch Verbrennungsmotoren eingesetzt werden dürfen, hat Formula Student Austria in Zusammenarbeit mit anderen Rennveranstaltern entsprechende H2-Regularien veröffentlicht, die es studentischen Teams ermöglichen, zukünftig Rennwagen, die mit Wasserstoff angetrieben werden, zu konstruieren, zu bauen und Rennen fahren zu lassen.
Die Formula Student Austria (FSA) ist das österreichische Event der studentischen Rennserie Formula Student und findet seit 2009 jedes Jahr statt. Diese Rennserie ermöglicht es jungen, engagierten Studierenden von Universitäten und Fachhochschulen aus aller Welt, ihr Wissen, ihre Konstruktions- und Entwicklungsfähigkeiten sowie auch ihre organisatorischen und kaufmännischen Talente in mehreren unterschiedlichen Disziplinen unter Beweis zu stellen.
Formula Student Austria findet jährlich am Red Bull Ring in Spielberg statt. 2025 nehmen 58 internationale Teams aus knapp 20 unterschiedlichen Nationen und damit mehr als 1.600 Studierende teil. Unterschiedliche Disziplinen fordern die Studierenden auf mehreren Ebenen heraus. Neben der obligatorischen technischen Abnahme geht es in fünf dynamischen Disziplinen um Schnelligkeit und Zuverlässigkeit der selbst konstruierten und gefertigten Rennboliden. Die drei statischen Disziplinen umfassen das Engineering Design und damit die Bewertung der Konstruktion des jeweiligen Fahrzeugs durch internationale Juroren. Außerdem geht es um die Bewertung des erstellten Business-Plans und der Vermarktungsstrategie, genauso wie um die Kostenaufstellung.
Technologieoffenheit für die Zukunft
Nachdem die Formula Student traditionell in zwei Klassen, eine mit Verbrennungsmotor (CV – combustion vehicle) und eine mit Elektromotor (EV – electric vehicle), aufgeteilt ist, gibt Formula Student Austria den Studierenden nun auch die Möglichkeit, Wasserstofffahrzeuge zu entwickeln und zu bauen. Dem Veranstalter geht es dabei um Technologieoffenheit. Um die Teilnahme von Fahrzeugen mit H2-Antrieb beim Event 2025 zu ermöglichen, hat Formula Student Austria schon vor knapp drei Jahren begonnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Maximilian Jauk, Head of Design bei Formula Student Austria, berichtet: „Unsere Motivation liegt darin, dass wir den zukünftigen Ingenieuren die Chance bieten möchten, sich außerhalb des Studiums mit dem Thema Wasserstoff zu beschäftigen. Dieses Thema wird für Arbeitgeber aus verschiedenen Branchen immer wichtiger. Uns ist bewusst, dass sich Alumni von Formula-Student-Teams nicht ausschließlich in der Automobilbranche bewerben, sondern auch das Know-how zu Wasserstoff für Arbeitgeber aus den Bereichen Nutzfahrzeuge, Energieinfrastruktur und Wasserstofferzeugung interessant ist.“
Hydrogen Concept Challenge
Seit 2023 gibt es in Kooperation mit zwei weiteren Formula-Student-Events, FS Alpe Adria (Kroatien) und FS East (Ungarn), eine Hydrogen Concept Challenge. Bei der Hydrogen Concept Challenge handelt es sich um einen Ideenwettbewerb, in dem Studierende ihre Konzepte für Formula-Student-Fahrzeuge mit einer Brennstoffzelle oder Verbrennungsmotor Experten aus der Industrie sowie Judges von FSA vorstellen. Dabei werden die Teams erstmals mit dem Thema Wasserstoff in Berührung gebracht und machen sich Gedanken über zukünftige Konzepte. Im Rahmen von Formula Student Austria nahmen bereits 2023 Teams aus Wien, Deggendorf und Stuttgart daran teil.

Alles in jugendlicher Hand
2024 konnte man zusätzlich die Formula-Student-Events in Portugal und Frankreich sowie Formula Future in Deutschland für das Thema Wasserstoff gewinnen. Gemeinsam mit den genannten Events wurde nun die Hydrogen Concept Challenge überarbeitet, um noch mehr Bezug zur tatsächlichen Konstruktion von Wasserstofffahrzeugen zu schaffen. So sollten sich die Teams über die Anordnung der Komponenten Gedanken machen, um Bauraum für die zusätzlich notwendigen Komponenten wie Tank oder Brennstoffzelle zu definieren.
Des Weiteren wurde eine Analyse gefordert, um die Auswirkungen des neuen Antriebsstrangs und des zusätzlichen Gewichts durch die schweren Hochdrucktanks auf die Rundenzeiten im Vergleich zu herkömmlichen Formula-Student-Fahrzeugen zu untersuchen. Außerdem sollten das Tanksystem und die Kühlung analysiert und eine Dimensionierung von Tank, Akku und Brennstoffzelle vorgenommen werden. Letztendlich sollten auch noch die Kosten berücksichtigt werden.
Dieses Jahr stellte das Team der FH Campus Wien ihr Konzept für die Umrüstung eines konventionellen Verbrennungsmotors auf den Betrieb mit Wasserstoff sowie für die Integration der H2-Komponenten in ein Formula-Student-Fahrzeug vor. Teams der Universität Wien sowie der Universität Karlsruhe zeigten Konzepte mit Brennstoffzellen. Auf anderen Events präsentierten sich deutsche, schweizerische und niederländische Teams.
Unterstützung aus der Wirtschaft
Als erster Partner zum Thema Wasserstoff konnte die INNIO Group gewonnen werden, ein global agierendes Unternehmen mit Hauptsitz in Tirol, ohne deren Unterstützung die Hydrogen Concept Challenge bei FSA nicht möglich wäre. Die INNIO Group als ein führender Anbieter von Energielösungen und damit verbundenen Services sowie Pionier in grünen Technologien unterstützt seine Kundinnen und Kunden dabei, sich in Richtung Net Zero zu bewegen. Das Unternehmen bringt mehr als 50 Jahre Erfahrung in der Umwandlung von erneuerbaren Energieträgern mit und bietet bereits heute Motoren mit einer „Ready for H2“-Option an.
Vorgaben für 2025
Nach erfolgreichen zwei Jahren mit der Hydrogen Concept Challenge konnte im Juli 2024 die erste Version der Hydrogen Rules für 2025 veröffentlicht werden. Mithilfe von Feedback aus Industrie, von H2-Experten und interessierten Teams definiert das Regelwerk, welche Randbedingungen von den Teams eingehalten werden müssen, um Sicherheit und Fairness zu gewährleisten.
Die Fahrzeuge dürfen maximal 2 kg Wasserstoff an Bord haben. Der Wasserstoff wird bei einem Druck von bis zu 350 bar in nach den Normen zertifizierten Tanks gespeichert. Um die Sicherheit zu gewährleisten, müssen Sensoren implementiert werden, die im Fall einer Störung das Fahrzeug und insbesondere die Wasserstoffzufuhr abschalten.
„Aktuell gibt es Überlegungen, ob wir in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen Standardtanks anbieten können, um für die Teams die Kosten zu senken, die Beschaffung zu erleichtern, die Sicherheit zu erhöhen und uns weitere Optionen bei der Betankung zu ermöglichen. So wäre eventuell ein Tauschsystem denkbar, wie man es vereinfacht gesagt vom Gasgrill kennt. Laut Regelwerk sollen die Tanks innerhalb von 15 Minuten ausbaubar sein, damit eine Betankung außerhalb des Fahrzeugs möglich ist und die Teams an den Fahrzeugen mit ausgebautem Tank arbeiten können. Dadurch stellen wir sicher, dass sich keine signifikanten Wasserstoffmengen im Auto befinden, wenn sich dieses in Gebäuden, wie zum Beispiel der Boxengasse des Red Bull Rings oder der Werkstatt an der Hochschule, befindet“, sagt Paul Mayr-Harting, Gründer des Ingenieurbüros HoKiTech und bei Formula Student Austria Hauptverantwortlicher für die technische Abnahme der Rennwagen.
Um den Umstieg auf Wasserstoff zu erleichtern, dürfen die Formula-Student-Teams bestehende Verbrenner- oder Elektrofahrzeuge umrüsten. Der Fokus soll auf der Inbetriebnahme und der Implementierung eines wasserstoffbasierten Antriebsstrangs liegen. Das bedeutet, dass weder ein neues Monocoque noch ein neuer Rahmen gefertigt werden muss. Ebenso können das bestehende Fahrwerk und das Flügelpaket weiterhin genutzt werden.
Um den Gewichtsnachteil der Brennstoffzellenfahrzeuge im Vergleich zu herkömmlichen E-Fahrzeugen in der Formula Student auszugleichen, dürfen die Teams mit 100 kW anstatt 85 kW Systemleistung fahren. Bei der Auswahl und Dimensionierung der Brennstoffzelle sowie der Auslegung des Akkus haben die Teams freie Hand, wobei beim 22 Kilometer langen Ausdauerrennen mindestens die Hälfte der Energie von der Brennstoffzelle bereitgestellt werden muss.
Die wasserstoffbetriebenen Verbrennerfahrzeuge können mit Viertaktmotoren mit bis zu 1,6 Liter Hubraum ausgestattet werden. Dabei werden die meisten Teams voraussichtlich auf Motorradmotoren zurückgreifen und diese auf den Betrieb mit Wasserstoff umrüsten. Die angesaugte Luftmenge sowie die eingeblasene Menge an Wasserstoff sind nicht reglementiert. „Für bisherige Verbrenner-Teams wird es immer schwieriger, Partnerfirmen zu gewinnen. Durch den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf Wasserstoff eröffnen wir den Teams auch neue Möglichkeiten, langjährige Sponsoren zu finden. Zusätzlich beschäftigen sie sich mit alternativen Antrieben und der Reduzierung des CO2-Fußabdrucks für eine grüne Zukunft“, erklärt Christoph Hirt, Eventmanager von Formula Student Austria.
Kooperationen und Vernetzung
Die Formula Student ist für viele Studierende ein wichtiger Teil ihres Studiums. Die gelernte Theorie wird in die Praxis umgesetzt, gleichzeitig sind die Zusammenarbeit in einem Team und Selbstorganisation gefragt. Auf den Bewerben können internationale Kontakte mit Gleichgesinnten und potenziellen Arbeitgebern geknüpft werden. Bei der Formula Student Austria sorgen ehrenamtliche Alumni von studentischen Rennteams für die professionelle Organisation und Durchführung. Wenn auch Sie und Ihr Unternehmen ein Teil von Formula Student Austria werden möchten, freuen wir uns, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Unsere Kontaktdaten finden Sie in der Box.
Die nächste Gelegenheit zur Mitwirkung an der Formula Student Austria ist vom 20. bis 24. Juli 2025 am Red Bull Ring in Spielberg, Österreich.
von Stephan Lederer | Jan. 28, 2025 | 2025, Energiewirtschaft, Entwicklung, Meldungen, News, Sicherheit, Wasserstoffwirtschaft
Ertüchtigung der Gasinfrastruktur
Damit Wasserstoff als wichtiger Bestandteil der Energiewende in Deutschland flächendeckend in Industrie, Mobilität und Energieversorgung eingesetzt werden kann, müssen neue Leitungen gebaut und zudem bestehende Erdgaspipelines für den Wasserstofftransport ertüchtigt werden. Das kann herausfordernd sein, da Wasserstoff explosiv ist und die Materialien der Leitungen angreift. Eine fachmännische Werkstoffprüfung schafft hier die nötige Sicherheit.
Die Bundesregierung setzt mit der nationalen Wasserstoffstrategie auf Wasserstoff als alternativen Energieträger für Industrie, Mobilität und Energieversorgung. H2 ist eine vielversprechende Lösung zur Unterstützung der Energiewende: Wasserstoff hat vielseitige Anwendungsmöglichkeiten, sei es in der Stromerzeugung, beim Betrieb von Brennstoffzellen für Mobilitätsanwendungen, in der Industrie oder der Heiz- und Wärmetechnik. Dadurch bringt Wasserstoff ein großes Potenzial zur Emissionsreduktion mit, Nachhaltigkeit entsteht durch den Einsatz von grünem Wasserstoff. H2 kann zudem als Langzeitspeicher dienen, da er oder seine Derivate eine bessere Speicherfähigkeit als Strom besitzen.
Für all diese Anwendungsbereiche muss Wasserstoff als Gas oder in flüssiger Form transportiert werden: in Pipelines als Rückgrat einer H2-Infrastruktur oder in Tanks auf der Straße, der Schiene oder auf See. Hierbei die nötige Sicherheit zu gewährleisten, stellt allerdings eine technische Herausforderung dar, denn Wasserstoff ist hochentzündlich und hat einen weiten Explosionsbereich. Leckagen müssen deswegen unbedingt vermieden werden, Materialien und Leitungen dicht und H2-beständig sein.
Wasserstoff kann Leitungswerkstoffe beeinträchtigen
Dies ist anspruchsvoll, da Wasserstoff mit anderen Materialien reagiert und deren Eigenschaften beeinflusst: Es kann zur Wasserstoffversprödung (engl. Hydrogen Embrittlement, HE) kommen, wenn Wasserstoffatome in Metalle eindringen: H-Atome diffundieren in die Metallstruktur und lagern sich an Gitterfehlern wie Korngrenzen, Versetzungen oder Hohlräumen an. Das vermindert die Festigkeit und die Duktilität des Metalls, also dessen Eigenschaft, sich unter Belastung plastisch zu verformen, bevor es versagt. Es wird damit unter Belastung anfälliger für Risse und Brüche.
Besonders betroffen sind hochfeste Stähle und Legierungen (Zugfestigkeit: Rm > 1.000 MPa) sowie Schweißnähte. Bei wiederholter mechanischer Belastung, etwa Druckstößen, wie sie im Betrieb von Rohrleitungen auftreten, können sich dadurch Risse schneller ausbreiten. Außerdem sind thermisch-mechanische Effekte zu beobachten: Bei höheren Temperaturen können Wasserstoffatome schneller und tiefer in das Metall eindringen, und es kann, abhängig vom Werkstoff, als ein weiterer Schädigungsmechanismus der sogenannte HTHA (High temperature hydrogen attack) zum Tragen kommen.
Bei höherem Druck steigt die Menge an Wasserstoff, die in das Metall eindringen kann. In feuchten Umgebungen können wiederum Wasserstoff und Wasser zusammenwirken und korrosive Angriffe beschleunigen. Wechselnde Temperaturen und Drücke sind dann weitere Herausforderungen.
Die Folge dieser Effekte ist eine reduzierte Lebensdauer der Transportleitungen: Das Material ermüdet schneller, Risse können entstehen und es kann zum vorzeitigen Materialversagen kommen. Das macht häufigere Wartungen, Inspektionen und den Austausch von Teilen der Anlagen notwendig, was zu Stillstandszeiten führt. Hinzu kommen Sicherheitsrisiken wie Leckagen und Explosionsgefahr.
Erdgaspipelines für den H2-Transport?
Geplant wird schon seit einiger Zeit, bestehende Erdgaspipelines für den Transport von Wasserstoff umzuwidmen. Aktuell werden in Teilen Deutschlands dem Erdgas zehn Prozent Wasserstoff beigemischt. Die Umstellung auf 100 Prozent Wasserstoff wird in Pilotprojekten derzeit erprobt. Viele der Werkstoffe der verlegten Erdgaspipelines sind grundsätzlich auch für den Wasserstofftransport geeignet. Allerdings muss auf Kompatibilität geachtet werden, weswegen eine Werkstoffprüfung unerlässlich ist, das heißt, das Material muss auf Wasserstoffversprödung und auf seine Eignung hin geprüft werden.
Zum anderen besteht bei Wasserstoff, dessen Moleküle kleiner sind als jene von Methan, eine erhöhte Diffusion durch Dichtungen und damit ein höheres Risiko von Leckagen, was zum Teil einen Austausch von Dichtungen und Ventilen erforderlich macht. Außerdem sind bessere Überwachungs- und Kontrollsysteme zur (frühzeitigen) Leckage- und Lageerkennung notwendig.
Einfluss des H2-Drucks auf die Infrastruktur messen
Wie sich Wasserstoff auf die Werkstoffe der Infrastruktur auswirkt, wird bei den Werkstoffprüfungen durch eine Kombination aus Laborprüfungen, Mikrostrukturanalysen, Simulationen und Langzeitfeldversuchen untersucht: Bei Zugversuchen werden Werkstoffproben zum Beispiel unter verschiedenen H2-Druckbedingungen belastet, um Festigkeit, Duktilität und Bruchverhalten zu messen. Kerbschlagbiegeversuche bewerten die Zähigkeit des Materials und seine Fähigkeit, Energie zu absorbieren, bevor es bricht, denn Wasserstoff kann die Kerbzähigkeit erheblich verringern.
Bei Druck- und Ermüdungstests werden Materialien zyklischen und unterschiedlichen Druckbedingungen ausgesetzt, um ihre Ermüdungsfestigkeit und ihr Verhalten unter wiederholter Belastung zu untersuchen. Weitere Erkenntnisse über Materialverhalten und -zuverlässigkeit lassen sich darüber hinaus aus Erfahrungsberichten und Datenanalysen von bestehenden Wasserstoffinfrastrukturen gewinnen.
Zusätzliche Faktoren, die für die Bewertung der Eignung von Werkstoffen für Wasserstoffpipelines relevant sind, sind auch Bruchzähigkeit und Risswachstumsverhalten. Sie lassen Rückschlüsse auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und Lebensdauer der Pipeline zu: Die Bruchzähigkeit gibt an, wie gut ein Material der Ausbreitung eines Risses widerstehen kann bzw. definiert den geringsten Wert, den ein Material aufweisen muss, um als sicher für den Einsatz zu gelten. Die Prüfungen erlauben präzise Lebensdauerprognosen und durch die Auswahl geeigneter Materialien längere Betriebszeiten.
Die Qualität der Schweißnähte der Pipelines wird durch visuelle Inspektionen, zerstörungsfreie und zerstörende Prüfungen wie die bruchmechanische Analyse ermittelt. Internationale Normen und Standards wie ASME B31.12 und ISO 11114 sowie weitere bieten Leitlinien und Mindestwerte, die die Materialien erfüllen müssen. Die Mindestbruchzähigkeit liegt zum Beispiel typischerweise im Bereich von 50 bis 100 MPam1/2.
Da noch Regelungslücken, vor allem in der nationalen und europäischen Normung, bestehen, hat das DIN die Normungsroadmap Wasserstoff initiiert. Hier werden beispielsweise aktuell mit der DIN EN 13445-15 und DIN EN 13480-11 Zusatzanforderungen für Druckbehälter und Rohrleitungen für Wasserstoffanwendungen erarbeitet.
Prüfung durch akkreditierte Prüfbetriebe
Werkstoffprüfungen sollten von einem akkreditierten Labor vorgenommen werden, um den hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. TÜV Hessen bietet als zugelassener Prüfbetrieb für die Werkstoffprüfung zum Beispiel umfassende Prüf- und Zertifizierungsdienste samt zerstörungsfreien und zerstörenden Prüfungen sowie Spezialprüfungen wie die H2-Qualifizierung an. Die Akkreditierung nach ISO/IEC 17025 bescheinigt, dass der Betrieb die Anforderungen eines international anerkannten Standards für die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien erfüllt. Die DIN EN ISO/IEC 17025 ist der weltweit gültige Standard für die Laborakkreditierung im Bereich Prüfen und Kalibrieren: Sie definiert allgemeine Anforderungen an Kompetenz, Neutralität und Arbeitsweise. Ein zugelassenes Prüflaboratorium bringt die notwendige Fachkompetenz durch technische Expertise und Erfahrung mit und gewährleistet Unabhängigkeit und Objektivität und die Einhaltung internationaler Standards und damit die Konformität. Für Unternehmen bedeutet das eine erhöhte Sicherheit, Risikominderung sowie langfristige Kostenersparnisse.
Fazit
Um Erdgaspipelines für den Transport von Wasserstoff zu ertüchtigen, muss eine Werkstoffprüfung des Materials erfolgen. Denn Wasserstoffversprödung, die durch den Betrieb mit H2 entstehen kann, führt zu vorzeitiger Materialermüdung und kann die Sicherheit beeinträchtigen. Die notwendigen Prüfungen und Versuche werden zuverlässig von akkreditierten Prüflabors durchgeführt.
Autor: Dr. Stephan Lederer, TÜV Hessen, Darmstadt
von Iris Ley | Jan. 28, 2025 | 2025, Deutschland, Energiespeicherung, Entwicklung, Markt, Meldungen, News, Politik, Wasserstoffwirtschaft
Die Region Heilbronn-Franken zeigt sich beim Thema Wasserstoff als Vordenkerin und Macherin. Die verantwortlichen Akteure aus Wirtschaft, Politik und Forschung arbeiten seit Jahren erfolgreich zusammen, um innovative und praxisnahe Lösungen für den Wasserstoffhochlauf zu entwickeln. Um das aus den unterschiedlichen Projekten gewonnene Wissen für alle zugänglich zu machen, Synergien zu schaffen und gemeinsam den Wasserstoffhochlauf vor Ort zu beschleunigen, wurde die Initiative „H2-Impuls“ ins Leben gerufen. Der Aufbau einer umfassenden Wasserstoffstrategie, die Ausweisung von zwei Prozent der Regionalfläche für Wind- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen sowie die Kooperation mit anderen Regionen sind erste konkrete Schritte, die zeigen, wie Heilbronn-Franken bereits jetzt die Wasserstoffzukunft im Südwesten aktiv mitgestaltet.
Im Rahmen der Initiative H2-Impuls wurden im Herbst 2024 Fördergelder in Höhe von insgesamt 550.000 Euro gesichert. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen steuert 450.000 Euro bei, um ein strategisches Regionalentwicklungskonzept zu erstellen und den Aufbau einer nachhaltigen H2-Infrastruktur zu unterstützen. Weitere 100.000 Euro kommen vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, um eine Wasserstoffstrategie für die Region Heilbronn-Franken zu entwickeln.
„Wasserstoff ist nicht nur für unsere Region von zentraler Bedeutung, sondern wird auch für ganz Baden-Württemberg eine Schlüsselrolle in der zukünftigen Energieversorgung spielen“, stellte Norbert Heuser, Landrat des Landkreises Heilbronn und Wasserstoffsprecher der Region Heilbronn-Franken sowie der Arbeitsgruppe Wasserstoff in der Metropolregion Stuttgart, beim 3. Metropolkongress der Europäischen Metropolregion Stuttgart Anfang November 2024 fest. „Deshalb schauen derzeit viele andere Regionen darauf, was in Heilbronn-Franken passiert.“ Heuser betonte zugleich, wie wichtig es sei, auch auf Landesebene die unterschiedlichen Projekte zu koordinieren und zusammenzuführen – so wie dies die H2-Impuls-Initiative auf regionaler Ebene bereits tut.
Ein Netzwerk aus tragfähigen Verbindungen
Das Ziel der Heilbronner H2-Impuls-Initiative ist es, Unternehmen, Kommunen und wissenschaftliche Einrichtungen zusammenzubringen, um Synergien zu schaffen und den Weg für eine nachhaltige Wasserstoffnutzung möglichst schnell zu ebnen. Das stetig wachsende H2-Netzwerk initiiert (Kooperations-)Projekte, informiert regelmäßig über laufende Aktivitäten, Initiativen und Fördermittel und stellt aktuelles Wissen für Unternehmen und Kommunen zur Verfügung. So wird vor Ort das Bewusstsein für Wasserstoffanwendungen gestärkt, und die verschiedenen Akteure der Region – darunter renommierte Institutionen wie beispielsweise das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, die Hochschule Heilbronn (HHN) und die Technische Universität München (TUM) – werden mit Unternehmen und Kommunen vernetzt.
Wasserstoff-aktiv – Beispiele aus der Region
Technologietransferprojekte „H2Orizon“ und „Zero Emission“:
Das DLR in Lampoldshausen (Landkreis Heilbronn) nutzt als einer der größten Flüssigwasserstoffverbraucher Europas umfangreiche Wasserstoffinfrastrukturen für Raumfahrtantriebe. Mit Technologietransferprojekten wie H2Orizon und Zero Emission fördert es mithilfe grünen Wasserstoffs die Entwicklung wasserstoffbasierter Technologien, die über die Raumfahrtanwendungen hinausgehen. Ziel ist eine nachhaltige und CO2-freie Energieversorgung des Forschungsstandorts.
RegioWIN-Leuchtturmprojekt „Hydrogenium“:
Am DLR-Standort Lampoldshausen entsteht ein Test- und Anwendungszentrum, das Unternehmen bei der Entwicklung und Erprobung von Wasserstofftechnologien unterstützt. Das Testfeld ermöglicht Forschung und Entwicklung flüssigwasserstoffbasierter Systeme und Komponenten. Das Projekt ist als „Vorhaben von strategischer Bedeutung“ von der Europäischen Union und dem Land Baden-Württemberg gefördert.
H2-Innovationslabor:
Die Forschungspartner Fraunhofer IAO, die Hochschule Heilbronn, die Technische Universität München und das Ferdinand-Steinbeis-Institut haben mit dem Verbundprojekt H2-Innovationslabor Heilbronn-Franken Grundlagen für die Entwicklung einer regionalen Wasserstoffwirtschaft geschaffen. Hierzu wurden unter anderem wichtige Akteure identifiziert, ein H2-Ökosystemmodell entwickelt und Handlungsempfehlungen für die Region Heilbronn-Franken erarbeitet.

Die Wasserstoff-Insel Öhringen
Quelle: Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn
Wasserstoff-Insel Öhringen:
In einem räumlich begrenzten Gebiet wurde der Wasserstoffanteil im Erdgasnetz durch die Netze BW sukzessive auf bis zu 30 Prozent angehoben. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) unterstützte die Integration einer Elektrolyseanlage in das Anlagenkonzept und überwachte die technische Umsetzung.
Umstellung des Kohlekraftwerks Heilbronn:
Das Heilbronner Steinkohlekraftwerk der EnBW wird bis 2026 auf Erdgas umgerüstet. Ab 2035 soll die Energieproduktion vollständig mit grünen Gasen erfolgen, was Heilbronn zu einer der ersten klimaneutralen Großstädte machen könnte.
Wasserstofftag:
Seit elf Jahren veranstaltet die Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn GmbH gemeinsam mit dem Technologie-Transfer-Zentrum Lampoldshausen (TTZ), dem DLR Lampoldshausen und der Gemeinde Hardthausen den Wasserstofftag – einen Fachkongress für die regionale und nationale Wasserstoffwirtschaft.
Mit richtiger Strategie zur Versorgungssicherheit
Neben konkreten Projekten zur Anwendung, Produktion, Speicherung und zum Transport von Wasserstoff steht in Heilbronn-Franken derzeit die Entwicklung einer tragfähigen Wasserstoffstrategie im Fokus. Angesichts der nationalen H2-Roadmap, die nord- und ostdeutschen Bundesländern einen Vorteil verschafft, muss der Südwesten selbst aktiv werden, um ausreichend Wasserstoff zu erhalten. Unter der Leitung von Landrat Heuser fanden bereits mehrere Strategiegespräche mit Netzbetreibern, Stadtwerken, großen Wirtschaftsunternehmen sowie Vertretern der Kommunen und Wirtschaftsförderungen statt.
„Durch die Ausweisung neuer Flächen für Wind- und Solarenergie schaffen wir die rechtlichen Voraussetzungen, um den Ausbau erneuerbarer Energien in unserer Region zu fördern. Dies ist die Grundlage, um vor Ort die Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff in größerem Umfang zu ermöglichen. Überschüssiger Wind- und Solarstrom kann dann für die Wasserstoff-Elektrolyse und Energiespeicherung genutzt werden“, erklärt Dr. Andreas Schumm, Verbandsdirektor des Regionalverbands Heilbronn-Franken. Wichtig sei aber auch, die Sektorenkopplung – also die Verknüpfung von Strom-, Wärme- und Wasserstoffnetzen –, die als zentraler Baustein der zukünftigen Energieinfrastruktur gilt, sowie die Nutzung aller Energiequellen, um die Wärmewende voranzubringen, frühzeitig – also jetzt – mitzudenken.
Hürden abbauen, um H2-Hochlauf zu beschleunigen
Wer mit Unternehmen oder Vertretern von Kommunen spricht, hört überall die dringende Forderung, endlich die regulatorischen Rahmenbedingungen anzupassen. Diese stehen den Klimazielen und dem Markthochlauf der erneuerbaren Energien beziehungsweise des grünen Wasserstoffs allzu oft entgegen. „Wir unterstützen Unternehmen in der Region Heilbronn dabei, die Potenziale der Wasserstofftechnologie zu nutzen. Durch unsere Initiativen bieten wir gezielte Hilfestellung und fördern den Austausch. Unser Ziel ist es, die Vorreiterrolle in der Wasserstoffwirtschaft, die wir vor allem durch das Engagement des DLR innehaben, weiter auszubauen“, erklärte Dr. Patrick Dufour-Bourru, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn GmbH.
Initiative H2-Impuls: Vernetzt Unternehmen, Kommunen und Politik
Die Initiative H2-Impuls wird vom Landratsamt Heilbronn, dem Regionalverband Heilbronn-Franken und der Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn GmbH getragen. Der Zusammenschluss dieser Akteure versteht sich als aktives Bindeglied zwischen Wirtschaft, Kommunen, Politik und Öffentlichkeit. Mit regelmäßigen Netzwerktreffen wird der Austausch gefördert, um die Energieversorgung der Region zukunftsfähig zu gestalten.
Autorinnen: Iris Ley (rechts), Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn GmbH / Bettina Pany, Regionalverband Heilbronn-Franken
von Sven Geitmann | Jan. 27, 2025 | 2025, Energiewirtschaft, Entwicklung, Europa, Markt, Meldungen, News, Wasserstoffwirtschaft
Interview mit Marco Lazzaroni, CEO von UFI Hydrogen
UFI Hydrogen mag vielen Akteuren in Deutschland bisher noch nicht so bekannt sein. Das Unternehmen mit Sitz in der Nähe von Trient gehört zur weltweit tätigen UFI Group, die 57 Handelsniederlassungen und 22 Werke auf der ganzen Welt unterhält, u. a. in Europa, Tunesien, China, Indien, Korea und Brasilien. Deren Produkte, hauptsächlich Filter und Komponenten für das Wärmemanagement, werden in vielen Sektoren benötigt. HZwei sprach mit Marco Lazzaroni, CEO des jüngsten Unternehmens der UFI-Gruppe, UFI Hydrogen, über die aktuelle Wirtschaftslage in Europa, das Potenzial der Wasserstoffwirtschaft und natürlich über die Ambitionen der Italiener im H₂-Geschäft.
HZwei: Herr Lazzaroni, Sie kommen gerade vom Deutsch-Italienischen Energieforum der Italienischen Handelskammer für Deutschland (ITKAM). Welche Eindrücke haben Sie aus Frankfurt am Main mitgenommen?
Lazzaroni: Ich hatte einen sehr guten Eindruck von der Veranstaltung. Sie bot eine wichtige Gelegenheit, Kontakte zu den Akteuren entlang der H2-Wertschöpfungskette am deutschen Markt zu knüpfen.
Sie waren dort unter anderem auf dem Podium und haben über das Potenzial von grünem Wasserstoff zur Dekarbonisierung der europäischen Industrie diskutiert. Was ist Ihre Quintessenz aus diesem Austausch?
In den deutsch-italienischen Beziehungen steckt eine Menge Potenzial: Zum einen in Bezug auf die Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff im Rahmen des SoutH2-Korridor-Projekts. Das ist die 3.300 km lange H2-Pipeline, die Nordafrika, Italien, Österreich und Deutschland verbinden soll, aber eben erst noch geschaffen werden muss. Ziel ist es, die europäische Industrie mit wettbewerbsfähigem grünem Wasserstoff zu versorgen. Italien spielt in diesem Korridor eine entscheidende Rolle. Das italienische H2-Backbone-Netz besteht aus rund 2.300 km Pipelines und mehreren Hundert Megawatt starken Verdichterstationen, die bis 2030 zu reinen Wasserstoffanlagen werden sollen.
Zum anderen eröffnen neue Technologien zur Gewinnung und Nutzung von Wasserstoff in der Industrie viele Chancen für eine europäische Zusammenarbeit. UFI Hydrogen wird dank seiner neuen Produktionsanlage in Serravalle, südlich von Trient im Zentrum eines der wichtigsten Wasserstofftäler Italiens, eine wichtige Rolle spielen. Wir sind zudem auch in Tunesien aktiv und arbeiten am Mattei-Plan für eine grüne H2-Pilotanlage mit, die über den SoutH2-Korridor Wasserstoff nach Europa bringen soll.
Ihre Muttergesellschaft ist in den vergangenen Jahren stark expandiert, hat mittlerweile 22 Standorte weltweit aufgebaut und beschäftigt über 4.400 Mitarbeiter. Können Sie bitte kurz erläutern, was die UFI Group macht?
Die 1971 gegründete UFI Filters Group ist ein weltweit führender Anbieter von Filtrationstechnologie und Wärmemanagement. Das Unternehmen bedient eine Vielzahl von Sektoren – von der Automobilindustrie über die Luft- und Raumfahrt und die Schifffahrt bis hin zu spezialisierten industriellen und kundenspezifischen hydraulischen Anwendungen. UFI-Produkte finden sich in allen Arten von Fahrzeugen wieder – von Ferrari und anderen Top-F1-Teams bis hin zur europäischen ExoMars-Raumsonde. Seit sieben Jahren nun fokussiert UFI sich auch auf das Wasserstoffgeschäft. Es ist das große Bestreben unseres Chairman und Eigentümers Giorgio Girondi, eine aktive Rolle bei der grünen Transformation der Wirtschaft zu spielen. Die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in der Gruppe spiegeln sich in 320 Patenten wider. Unsere Innovationen sind auch die Grundlage für die Etablierung unseres Wasserstoffgeschäfts.
Ihr Unternehmen UFI Hydrogen ist eine Tochter der UFI Group und wurde erst 2023 gegründet. Was bieten Sie an, was Ihre Muttergesellschaft nicht schon bereithält?
Wie Sie wissen, entwickelt sich grüner Wasserstoff zu einer der vielversprechendsten Lösungen zur Dekarbonisierung unserer Wirtschaft. UFI Hydrogen steht mit an der Spitze dieser Entwicklung und treibt die Innovation durch die Entwicklung von katalysatorbeschichteten Membranen voran. Unsere Membranelektrodeneinheiten, kurz MEAs, sind für vier verschiedene Anwendungsarten geeignet: für die Produktion von grünem Wasserstoff durch Wasserelektrolyse, die emissionsfreie Stromerzeugung mit Brennstoffzellen, die Produktion von E-Fuels durch die Umwandlung von CO2 sowie für elektrochemische Kompressoren für grünen Wasserstoff. Unsere Mission ist es, durch innovative Lösungen die Industrialisierung der Wasserstoffwirtschaft voranzubringen.
Sie haben unter anderem eine patentierte Membrantechnologie, ist das richtig?
Ja, unser Vorzeigeprodukt sind Membranen für die Wasserelektrolyse, die mit Platin und auch mit Iridium als Katalysatoren beschichtet sind, mit die teuersten Materialien der Welt (MEA UFI.Iridium™). Diese Membranen ermöglichen eine effiziente Trennung von Wasserstoff und Sauerstoff und stellen eine Schlüssellösung für die großtechnische Produktion von grünem Wasserstoff dar. UFI Hydrogen wird diese Innovation bereits Anfang 2025 mit einer leistungsstarken Technologielösung auf den Markt bringen. Sie wird die Produktionskosten für Wasserstoff deutlich senken und die Technologie somit erschwinglicher und nachhaltiger für den Einsatz im industriellen Maßstab machen. Die zweite Produktlinie, die auf Brennstoffzellenmembranen (MEA UFI.Platinum™) basiert, ermöglicht die Umwandlung von grünem Wasserstoff in Strom über Brennstoffzellen. Dies bietet zukunftsweisende Lösungen für emissionsfreie Mobilität und auch für stationäre Anwendungen. UFI Hydrogen will diese Technologie bis 2026/2027 auf den Markt bringen, mit dem Ziel, eine grüne, PFAS-freie MEA-Membran zu entwickeln, die frei von Fluorpolymeren und somit absolut umweltfreundlich ist.
Die MEA-UFI-Membranen können darüber hinaus für die Elektrolyse von CO₂ zur Herstellung von E-Treibstoffen verwendet werden, was eine große strategische Bedeutung für den Verkehrsmarkt (Automobil, Luftfahrt und Schifffahrt) hat, sowie für elektrochemische Kompressoren. Letztere eröffnen einen völlig neuen Markt, da sie in der Lage sind, Gas ohne bewegliche mechanische Teile zu verdichten. Dadurch werden die Betriebskosten gesenkt, die Energieeffizienz verbessert und die für herkömmliche Kompressoren typischen Verschleiß- und Wartungsprobleme beseitigt. Da diese Kompressoren in der Lage sind, hohe Drücke zu erreichen, sind sie von entscheidender Bedeutung für die Speicherung und Verteilung von grünem Wasserstoff – zwei Schlüsselprozesse, die seine Akzeptanz sowohl in der Industrie als auch im Transportwesen sicherstellen.
Warum sind Sie erst jetzt in das H2-Geschäft eingestiegen?
Wir haben seit 2017 intensiv geforscht, um etwas Revolutionäres zu entwickeln, von dem wir glauben, dass wir es jetzt anbieten müssen, um die Wasserstoffproduktion und -umwandlung zu industrialisieren. Die Wasserstoffwirtschaft muss sich schneller weiterentwickeln als bisher, und wir haben die Technologie, um die Produktion und Speicherung von Wasserstoff erschwinglich zu machen und somit wettbewerbsfähige Preise für diese erneuerbare Energie zu erreichen.
UFI Hydrogen ist das einzige italienische Unternehmen, das von der Kommission im Rahmen des europäischen Hy2Move-Projekts im IPCEI-Kontext gefördert wird. Worum geht es bei diesem Projekt?
Das Ziel dieses Projekts ist es, die Emissionen im Mobilitäts- und Transportsektor bis 2050 um 90 Prozent zu reduzieren, in Übereinstimmung mit dem europäischen Green Deal. UFI Hydrogen fördert im Rahmen des IPCEI-Projekts Hy2Move die Entwicklung innovativer MEAs für Brennstoffzellen, die für Sektoren wie den Straßenverkehr, die Schifffahrt, die Luftfahrt und stationäre Anwendungen bestimmt sind.
Ich habe gehört, dass Ihr Chairman und Firmeneigentümer der UFI Group, Giorgio Girondi, enge Kontakte zur italienischen Regierung unterhält und sogar EU-Parlamentarier berät. Können Sie die Rolle, die er spielt, genauer beschreiben?
Herr Girondi wurde jüngst zum Berater der italienischen Delegation im Europäischen Parlament für Italien, Europa und China ernannt. Das ist eine Ehre und Verpflichtung zugleich. Mit 42 Jahren Erfahrung durch die weltweite Expansion der UFI Gruppe, deren Umsatz sich von einst zwei Millionen auf zuletzt fast 600 Millionen Euro entwickelt hat, ist seine Expertise sicher sehr wertvoll für die Politik. Insbesondere sein Fachwissen und seine Einblicke in die Produktion der UFI Group in China sind sehr interessant für die Intensivierung der Beziehungen zwischen Europa und China, die Förderung wertvoller industrieller Investitionen und gemeinsame Wachstumsmöglichkeiten.
Auch für die UFI Group selbst ist China ein sehr wichtiger Markt. In mittlerweile sieben Produktionsstätten in China sind 1.800 Mitarbeiter der UFI Group für ein Drittel unseres Umsatzes verantwortlich. In Jiaxing hat unsere Gruppe erst im Mai UFI GREEN gegründet, den ersten Industriestandort in China, der sich ganz den grünen Technologien widmet. Künftig wird UFI Hydrogen auch 5.000 Quadratmeter in Jiaxing innerhalb von UFI GREEN belegen, um die Entwicklung fortschrittlicher Lösungen für die Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff in China zu beschleunigen. Um diese Expansion zu unterstützen, hat UFI Hydrogen eine Absichtserklärung mit Sinopec, Chinas größtem Öl- und Petrochemieunternehmen, unterzeichnet, um neue Lösungen für grünen Wasserstoff zu erforschen und in den chinesischen Energiemarkt einzubringen.
Sie gehen offenbar von einem schnell wachsenden Markt aus. Auch in Ihrem Heimatmarkt Italien bauen Sie derzeit eine neue Produktionsstätte in der Nähe von Verona. Was wird dort produziert werden?
Das ist richtig. Wir sind gerade dabei, die neuen Räumlichkeiten in Serravalle, das liegt zwischen Trient und Verona, zu beziehen. In der neuen 14.000 Quadratmeter großen Industrieanlage werden zunächst rund 30 Mitarbeiter beschäftigt sein, darunter Forscher, Techniker und Produktionsmitarbeiter für die Fertigung unserer MEA-Technologie, die im Januar 2025 mit den erwähnten Membranen für die Wasserelektrolyse und den Brennstoffzellenmembranen beginnen soll. Für die nächsten vier Jahre rechnet das Unternehmen mit einer Investition von rund 50 Mio. Euro und der Schaffung von rund 100 neuen Arbeitsplätzen in der Region.
Sehen Sie bereits eine steigende Nachfrage nach Ihren Membranen, oder sind die Bedarfe noch gering?
Es gibt definitiv eine wachsende Nachfrage. Wir befinden uns jetzt in der Phase des Markteintritts mit unserer Technologie, die besonders effizient ist und eine sehr hohe Wasserstoffproduktion bei geringerem Energieverbrauch ermöglicht. Mehrere internationale Kunden haben sich bereits mit uns in Verbindung gesetzt, um unsere MEAs zu bewerten und zu erwerben. Ab Januar 2025 werden wir in unserer neuen Anlage in Serravalle die industrielle Produktion aufnehmen.
Vor kurzem haben wir gelesen, dass Giorgio Girondi nach Partnern im H₂-Sektor sucht und gegebenenfalls UFI Hydrogen auch an die Börse bringen möchte? Stimmt das, und wenn ja, wie ist der aktuelle Stand?
Wir sind auf der Suche nach operativen und strategischen Partnern, das ist richtig. Ein Börsengang wäre ein möglicher weiterer Schritt auf unserem Weg in die Zukunft. Im Moment sind 100 Prozent der Anteile inhouse, das heißt, UFI Hydrogen gehört zur Hälfte der UFI Filters Group und zur anderen Hälfte direkt der Giorgio Girondi Holding Group. UFI Hydrogen ist mittlerweile eine Aktiengesellschaft, Società per azioni (S.p.A.). Diese neue Rechtsform gibt uns genügend Spielraum, um externe Investoren aufzunehmen.
Im Moment suchen wir in Deutschland, unserem Kernmarkt in Europa, nach Partnern, um unsere Technologie weiterzuentwickeln und für spezielle Bedarfe auszurichten. Wir glauben fest daran: Um eine zukünftige europäische H2-Wirtschaft zu gestalten, müssen wir in Europa unsere Innovationskraft zusammenbringen, wenn wir durchschlagenden Erfolg anstreben. So wie wir es auch bereits im IPCEI-Projekt tun, wo wir in Deutschland, das mag für Ihre Leser interessant sein, unter anderem mit BMW, Airbus und dem Familienunternehmen Neumann & Esser zusammenarbeiten. Darüber hinaus haben wir bereits laufende strategische Beziehungen zu allen großen deutschen Wasserstoff-Beteiligungsgesellschaften.
Nun klagen ausgerechnet die deutschen Wirtschaftsunternehmen seit Monaten über einen Nachfragerückgang und fehlende Planungssicherheit. Berührt Sie das, und wie ist die Stimmung in Italien?
Italiens Wirtschaft hatte das Glück, nicht wie die deutsche zu schrumpfen, aber das Wachstum hat sich auch verlangsamt. Dennoch sind wir sehr optimistisch für die Wasserstoffindustrie insgesamt, da der Markt die H2-Supply-Chain stärkt. In Italien hat die Regierung kürzlich erst die Nationale Wasserstoffstrategie veröffentlicht, die eine klare Richtung vorgibt und die zeigt, dass Italien von der Schlüsselrolle des Wasserstoffsektors für die Dekarbonisierung und die Energiesicherheit des Landes überzeugt ist. Das stimmt auch die Investoren zuversichtlich.
Interview: Sven Geitmann
von Sven Geitmann | Jan. 27, 2025 | 2024, 2025, Energiewirtschaft, International, Markt, News, Politik, USA, Wasserstoffwirtschaft
Interview mit Michelle Lujan Grisham, Gouverneurin von New Mexico
Die USA investieren viel Geld in erneuerbare Energien und auch Wasserstoff. Die Biden-Regierung hat mit dem Inflation Reduction Act (IRA – Inflationsminderungs-Gesetz) große Geldsummen freigesetzt, um nachhaltige Technologien zu fördern. Auch wenn unter einer neuen Trump-Regierung zumindest ein Teil davon wieder rückgängig gemacht werden dürfte, haben sich etliche Bundesstaaten auf den Weg gemacht und setzen – so wie New Mexico – auf Wasserstoff. HZwei-Herausgeber Sven Geitmann sprach darüber bereits im Sommer 2024 während des World Hydrogen Summits in Rotterdam mit Gouverneurin Michelle Lujan Grisham.
HZwei: Frau Gouverneurin, es ist mir eine Ehre, heute hier mit Ihnen sprechen zu können. Was hat Sie bewogen, hier nach Europa zu kommen?
Grisham: Wir haben 2,2 Mio. Einwohnende, die wir vertreten. Um das machen zu können, müssen wir wissen, was auf der Welt passiert und uns selbst einen eigenen Eindruck davon machen. Diese spezielle Konferenz ist wichtig für uns aus zwei Gründen: Erstens gibt es ausländische Investoren, die in New Mexico Wasserstoff-Campus aufbauen wollen. Für sie sind wir hier unterwegs, um New Mexico als interessanten Standort mit all seinen Assets vorzustellen. Und zweitens haben unsere weltweiten Partner die Überzeugung, dass Wasserstoff einen Kraftstoff für den Transformationsprozess des Energiesektors darstellt.
Das Bewusstsein über Klimagerechtigkeit in den Niederlanden sowie in Europa ist ein kraftvolles Vorbild für die Vereinigten Staaten sowie einige Gouverneure, um – wie soll ich sagen – die eigenen Klimaziele zu erreichen. Wir müssen Teil einer sehr viel größeren internationalen Bewegung werden, um Net-Zero wie geplant zu erreichen und den Temperaturanstieg aufzuhalten. Außerdem müssen wir uns um die Lebensbedingungen insbesondere der unterprivilegierten Bevölkerungsgruppen kümmern – New Mexico ist ein armer Bundesstaat –, die vielen Emissionen ausgesetzt sind oder in Regionen wohnen, in denen fossile Energieträger dominieren.
Hier wird all das thematisiert, deswegen sind wir hier.
Um was für Unternehmen geht es dabei?
Bei uns sind bereits etliche Wasserstoffunternehmen angesiedelt. Gleichzeitig sind wir der zweitgrößte Öl- und Gasproduzent in den Vereinigten Staaten. Diese Unternehmen, so wie beispielsweise Exxon Mobile, müssen ihre Emissionen in unserem Bundesstaat reduzieren. Aber natürlich auch hier, schließlich sind sie der größte US-Arbeitgeber in den Niederlanden. Sie haben damit eine große Verantwortung. Wir wollen sie gerne im Land halten und gleichzeitig bei ihren Bemühungen zur Emissionsreduzierung unterstützen, indem wir den Übergang zu saubereren Kraftstoffen – wie Wasserstoff – erleichtern.
Bei den von Ihnen erwähnten H2-Campus – geht es dabei um Forschung und Entwicklung, um Produktion oder worum?
Um alles. Wir haben Fläche (fünftgrößter US-Bundesstaat). Und wir haben zwei der insgesamt fünf nationalen US-Forschungszentren, wir haben unglaublich ergiebige Böden, wir haben die größte Windfarm der USA, wobei noch weitere kommen, und wir haben sehr viel investiert in neue Stromtrassen. Wir können also grüne Elektronen ins Stromnetz bringen. Deswegen wollen wir alles: Brennstoffzellen, Wasserstoff als Kraftstoff, Produktion, Wärme- und Kälteerzeugung – in jeglicher Größenordnung.
Dabei haben wir natürlich interessante Herausforderungen beim Wasser: Wir haben Wüste und Dürre, bedingt durch die Klimakrise. Diese Wüstengeologie ist zwar gut für fossile Energievorkommen, aber wir haben vornehmlich Brackwasser. Im Förderprozess von Öl und Gas entsteht zudem Prozesswasser. Beides, Brack- und Prozesswasser, lässt sich mit moderner Technologie nutzbar machen, wie wir auf der COP in Dubai vom dortigen Umweltminister gelernt haben. So können auch wir unser Wasser reinigen bzw. entsalzen, um es für Wasserstoff einsetzen zu können, ohne unsere Trinkwasservorkommen zu reduzieren.
Da der Transformationsprozess von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern so komplex ist, wollen wir all diese Technologien nutzen und laden Investoren und Wirtschaftsunternehmen ein, sich bei uns anzusiedeln. So wie beispielsweise ein australisches Unternehmen, das kürzlich angekündigt hat, 100 Mio. US-Dollar in einen Produktions- und Forschungs-Campus zu investieren.
Wo sehen Sie da die Herausforderungen beziehungsweise Chancen?
Dieser Transformationsprozess ist kostenintensiv. Gleichzeitig ergeben sich da tolle Gelegenheiten zum Gestalten – nicht zuletzt durch den Inflation Reduction Act. Unser Bundesstaat hat da noch weitere Steuervergünstigungen draufgesetzt, und es gibt ja noch weitere wirtschaftliche Entwicklungsinstrumente, so dass wirklich gute Voraussetzungen herrschen. Dadurch ergeben sich bei der Mitgestaltung dieses neuen Marktes gute Konditionen mit hohen Gewinnmargen. Auf diese Weise bekommen wir einen Fuß in die Tür, bevor der Wettbewerb beginnt.
Wir haben dafür die geeigneten Standorte. Wenn es um Ansiedlungen geht, geht’s um Standortvorteile – die haben wir. Unsere Geologie, unsere Anbindungen an die Häfen an der Golfküste sowie in Los Angeles. Oder einfach die Anbindung per Truck sowie Bahn nach Kalifornien sowie Mexiko.
Was für zusätzliche Instrumente, ergänzend zum IRA. haben Sie in New Mexico?
In der Tat haben wir weitere Fördermaßnahmen, so wie beispielsweise seit März 2024 den Advanced Energy Equipment Tax Credit (Steuergutschrift für moderne Energieanlagen). Diese Gutschrift gleicht bis zu 20 Prozent der Herstellungskosten für Komponenten der erneuerbaren Energien aus – bis zu einem Höchstbetrag von 25 Millionen US-Dollar pro Projekt.
Wie beurteilen Sie den IRA?
Das war von Präsident Biden nicht nur produktiv, sondern auch strategisch ein wichtiger Schritt für die Transition, die wir alle wollen. Wir merken immer häufiger, dass wir diesen Übergang brauchen, andernfalls können wir gleich aufhören, den Planeten zu retten. Deswegen muss man einiges an Geld investieren, das ist richtig, weil die USA ein großer Energieverbraucher und ein großer Öl- und Gasproduzent sind. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen und nicht anderen Menschen sagen, was sie tun sollen.
Zurück zu Ihrem Bundesstaat: Wie wollen Sie den Spagat zwischen der fossilen und einer nachhaltigen Energiewirtschaft hinbekommen?
Auf jeden Fall muss die Kohlenstoffintensität verringert werden in allen Bereichen – inklusive Öl und Gas. Die Fabriken müssen die Net-Zero-Ziele erreichen. Wir müssen jetzt den Mobilitätssektor dekarbonisieren und in Richtung Wasserstoff gehen. Dafür benötigen wir Arbeitskräfte und müssen schauen, wo wir die herbekommen. Ein großer Teil davon wird ganz offensichtlich – weltweit – aus dem Öl- und Gassektor kommen in den kommenden 25 bis 35 Jahren. Ich kann Ihnen genau sagen, wie viele Arbeitskräfte das sind, wo die herkommen, was die verdienen, wie deren familiäres Umfeld ist.
Wir haben 150.000 Menschen, die in der Öl- und Gasindustrie arbeiten und die einen möglichst einfachen Übergang in eine zukünftige Energieversorgung benötigen. Aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen brauchen sie alle vergleichsweise wenig Training für andere Sektoren. Wir haben bereits mit einem Energy Transition Act bewiesen, dass wir das hinbekommen, indem wir über 800 Nawaho-Mitarbeitern eines Kohlekraftwerks neue Beschäftigungsverhältnisse besorgt haben.
New Mexico ist da in vielen Belangen führend in den Vereinigten Staaten. Die Öl- und Gasfirmen werden zu Energieunternehmen, die kohlenstoffarme Lösungen entwickeln, um Wasserstoff von einer Idee in die Realität zu bringen. Wir unterstützen diese Unternehmen auf ihrem Weg. Und selbst wenn die Firmen den freiwerdenden Mitarbeitern nicht helfen, helfen wir diesen Arbeitern.
Wie sieht es mit Wasserstoff aus? Auf welche Herstellungspfade konzentrieren Sie sich?
Wir machen uns nicht so viele Gedanken um die Farben. Ich sorge mich eher um die Kohlenstoffintensität. Ihr Wasserstoff kann grün-plus oder weiß sein oder was auch immer. Es kommt doch darauf an, wo die Ursprünge liegen. Die steuerlichen Vergünstigungen sind dafür da, um Ihren Aufwand zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu ersetzen. All die Firmen, die hier sind und ihre Produkte präsentieren, wollen doch dasselbe – und wir wollen sie unterstützen.
Die Leute da draußen verstehen doch die ganze Diskussion um die verschiedenen Wasserstofffarben gar nicht, denn es dreht sich doch alles um dieselben Moleküle. Und wir wollen grün – oder besser grüner – werden. Grüner Wasserstoff wird jedoch inzwischen mit einem größeren Wasserbedarf assoziiert. Deswegen müssen wir dahin kommen, dass wir letztendlich möglichst viele grüne Elektronen in die Stromleitung bekommen.
Dafür ist ein Übergangsszenario notwendig, allerdings dürfte es schwierig werden, mit grauem Wasserstoff wirtschaftlich agieren zu können. Denn Sie bekommen umso mehr Unterstützung von uns, je sauberer Sie sind. Wir sind technologieoffen, aber sicher hinsichtlich der Kohlenstoffintensität.
Wovon gehen Sie aus, wie kann dieser Wasserstoff dann am sinnvollsten transportiert werden? Per Pipeline? Gebunden in Ammoniak oder Methanol? Oder in LOHC?
Ja, alle von ihnen. Ammoniak scheint eine gute Lösung für den Überseetransport zu sein. Es gibt nicht genügend Pipelines rund um den Globus, also müssen es alle diese Formate sein.
Was erwarten Sie von der US-Wahl? Wird es grundlegende Veränderungen auch beim IRA geben, sollte Trump gewählt werden?
Selbst republikanische Staaten mögen es nicht, wenn Washington DC uns sagt, was wir zu tun haben. Man kann beispielsweise einen Staat nicht führen, wenn man nicht die richtige Infrastruktur hat. Trump wird sehr aggressiv sein mit seinen Äußerungen, kein Geld auszugeben, aber im Kongress dürfte es wieder eng werden. Präsidenten haben in der Regel nur begrenzte Möglichkeiten, Dinge zu tun oder zu lassen. Ich bin daher nicht wirklich besorgt.
Interview: Sven Geitmann