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Hyzon Motors – Unternehmen wird neu positioniert

Hyzon Motors – Unternehmen wird neu positioniert

Die vergangenen Monate waren extrem für Hyzon Motors, mussten doch alle Zahlen für die vergangenen zwei Jahre seit Börsengang aufgrund eines Bilanzskandals neu aufbereitet werden, um den Bilanzierungsrichtlinien und den Bedingungen für das Börsenlisting (Aktienkurs musste wieder über 1 US-$ notieren, alle Quartalsberichte vorliegen, Fristen eingehalten werden) zu entsprechen. Dies liegt nun alles vor und es besteht Klarheit. Zudem wurde der Vorstand neu formiert und mit erfahrenen Fachleuten ergänzt.

Die Börse hat dies – wie von mir prognostiziert – in steigende Aktienkurse übertragen, die mit einem rasanten Anstieg von circa 0,50 US-$ bis auf knapp über 2 US-$ (Unternehmensbewertung stieg von 150 bis auf über 400 Mio. US-$ an) einhergingen. Jüngst kam es wieder zu einem markanten Kursrückgang, der aber angesichts der Perspektiven vorübergehender Natur sein sollte.

Zum Zahlenwerk: Per Ende des zweiten Quartals betrug der Bargeldbestand noch 172,4 Mio. US-$. Der Quartalsverlust in Höhe von 60,2 Mio. US-$ enthält hohe Rechtskosten in Zusammenhang mit den SEC-Untersuchungen und den notwenigen rechtlichen Maßnahmen, für die 32 Mio. US-$ bilanziert wurden und 28,5 Mio. US-$ davon als einmalig (non recurring) angesehen werden können.

Der Kapitalbedarf pro Monat wird auf 9 bis 12 Mio. US-$ geschätzt, wobei für das zweite Halbjahr zwischen 73 und 81 Mio. US-$ an Kapitaleinsatz gerechnet wird und 2024 dann insgesamt 110 bis 120 Mio. US-$, so dass das Unternehmen noch gut durchfinanziert ist, aber im Laufe des Jahres 2024 sicherlich Kapital aufnehmen muss (Ausgabe von Aktien, Kredite, IRA-Beiträge u. a.) oder andere Formen der Finanzierung suchen wird (Wandelanleihe, Beteiligung eines strategischen Partners). Unklar ist jedoch noch, welche Kosten für den Abschlussbericht der Börsenaufsicht SEC im Jahr 2024 auf Hyzon zukommen werden.

Matthew Foulston neues Vorstandsmitglied

Matthew Foulston hat über dreißig Jahre Erfahrung vor allem in der Kfz- und da vor allem in der Schwerlastverkehrsindustrie. U. a. war er CFO bei Navistar Truck und auch CFO von Mazda Nordamerika wie auch in Top-Positionen bei Ford Motor. Hyzon wird da sicherlich eine gute Wahl getroffen haben, die den Zielen des Unternehmens dienlich ist.

Am 24. August 2023 wurde zudem der bisherige Verwaltungsrat Erik Anderson zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats gewählt hat. Anderson tritt die Nachfolge von George Gu an, der von seinem Amt zurückgetreten ist.

200-kW-Brennstoffzelle hat Meilenstein erreicht

Der Standort in Rochester, New York, wird geschlossen bzw. verkauft, um Kosten zu senken. Der in der Produktionsstätte und dem firmeneigenen Forschungszentrum Bolingbrook in Illinois entwickelte 200-kW-Stack befindet sich hingegen in Testreihen auf der Straße. Die dortige Produktionsaufnahme und Kommerzialisierung kann somit in 2024 starten. Parallel wurde die vollautomatisierte Produktion der MEA (Membrane Electrode Assembly) installiert. Nun geht es an die Standardisierung des Designs und der Abnahme. Weitere 16 Muster werden den Testlauf noch durchschreiten.

Der 200-kW-Stacks (Singlestack) habe gegenüber dem Wettbewerb viele Vorteile, so die gleichlautende Pressemitteilung, was sich auf die Größe, Gewicht, Radius (mehr km pro Wasserstoff), aber auch den Preis (25 Prozent niedriger) bezieht. Zudem sei der Servicebedarf geringer. Mit diesen 200-kW-Stacks wurden bereits zehn Lkw für Testläufe ausgestattet, drei davon in Europa und sieben in Australien. Alles sehr gute Nachrichten.

Ein Markt von weltweit 68 Mio. dieselgetriebenen Lkw, die so umgerüstet werden können und damit der Dekarbonisierung helfen. Auch hier spielt der IRA hinein, da 60 Mio. US-$ für Verfahren für die Reduktion von Dieselemissionen zur Verfügung stehen, weitere 2 Mrd. US-$ für damit in Verbindung stehende Produktionsstätten auf amerikanischem Boden, weitere 3 Mrd. US-$ für Technologien, die die Kfz-Produktion technologisch verbessern helfen. Hyzon wird diese Zahlen sicherlich deshalb genannt haben, da man sich Zuschüsse aus diesen für sich erwartet, da man sich als „Technology Innovator“ einstuft.

Ein gutes Zeichen: Die Shortseller decken ein. Waren vor ein paar Monaten noch über 20 Mio. Aktien short, so fiel diese Zahl auf unter 13 Mio. Stück. Nach Kursen von circa 2 US-$ ging es wieder runter auf 1,20 US-$, wobei dies eher als Reaktion auf den Anstieg von 0,50 US-$ bis 2 US-$ zu werten ist (Gewinnmitnahmen, technische Reaktion). Aktuelle Kurse um 1,20 US-$ lassen nun wieder an den Kauf denken.

Hyzon ist wie Nikola und Ballard im genau richtigen Markt engagiert – der Brennstoffzelle bei Nutzfahrzeugen. Mancher Auftrag wird 2024 den Aktienkurs von Hyzon im positiven Sinne treiben. Auch die Beteiligung eines strategischen Investors ist jederzeit denkbar. Hyzon denkt darüber nach, Partnerschaften wie mit Fontaine Modification (Systemintegrator) auch in anderen Regionen wie Europa mit Partnern vor Ort anzustreben.

Tests mit 110- und 120-kW-Modulen

Hyzon Motors wird übergangsweise auch Lkw mit deren 110-kW- und 120-kW-Modulen positionieren. Bereits 15 Testläufe mit BZ-Lkw bei Kunden (Performance Food, Airgas, Bison Transport, Talke, Total Transportation Services, MPREIS, Hylane und zuletzt Seaboard Transport) konnten erfolgreich abgeschlossen werden. Dabei wurde unter extremen Wettereinflüssen getestet und in allen nur denkbaren Tageseinsätzen. Über 2.900 Stunden Dauereinsatz der BZ-Systeme und über 68.000 Meilen an Distanzen wurden dabei zurückgelegt. Dieses Testprogramm läuft in Europa und den USA und soll auf Australien – mit dem Kunden Remondis – ausgeweitet werden. Der Personalbestand soll bei circa 380 Mitarbeitern bleiben.

Partnerschaft mit Fontaine Modification

Hyzon baut im Gegensatz zu Nikola Motors kein eigenes Lkw-Chassis, sondern liefert das komplette Brennstoffzellen-Modul. Den Einbau führen Unternehmen wie die US-amerikanische Fontaine Modification als Systemintegrator für Hyzon durch. Allein Fontaine baut immerhin jährlich über 44.000 Lkw für Kunden um. Hyzon hat damit den perfekten Partner.

Fontaine Modification gehört zu der Unternehmensholding Marmon Holdings, die an über 100 Unternehmen u. a. aus der Logistik, dem Maschinenbau und der Medizintechnik mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 10 Mrd. US-$ beteiligt ist. Marmon Holdings wiederum gehört zu dem Beteiligungsportfolio des Milliardärs Warren Buffett, Berkshire Hathaway. Für mich lässt sich damit eine Spekulation begründen, Marmon könnte sich an Hyzon beteiligen, um das BZ-Know-how (Patente, Produkte) für Tochterfirmen wie Fontaine inhouse zu nutzen.

So kann man sich gut vorstellen, dass Hyzon einen Weg wie Ballard Power mit Ford Trucks oder Nikola mit Bosch für die BZ-Module geht, aber auch Teil eines größeren Ganzen werden könnte, welches strategische Überlegungen beinhaltet. Fontaine/Marmon könnte dies sein, aber auch Unternehmen wie Cummins oder Kfz-Zulieferer wie Dana oder Magna kämen in Betracht. Oder aber Lkw-Produzenten, die die BZ-Powertrain gerne selbst im Haus haben wollen, aber die Entwicklung „verschlafen“ haben. Damit wird Hyzon zusätzlich zu den Wachstumsperspektiven rund um die BZ-Stacks auch als Übernahmespekulation hoch interessant.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Schaffung neuer Ökosysteme

Schaffung neuer Ökosysteme

Interview mit Tomoho Umeda, Gründer von Hynfra

Tomoho Umeda ist wahrlich eine imposante Persönlichkeit. Der japanischstämmige Unternehmer zieht die Blicke auf sich, sobald er einen Raum betritt. Umeda ist der Gründer von Hynfra und Hynfra Energy Storage und fördert als strategischer Berater Wasserstofftechnologien sowie groß angelegte Lösungen für erneuerbare Energien. Er ist zudem Vorsitzender des Ausschusses für Wasserstofftechnologie bei der polnischen Handelskammer, Vorstandsmitglied der Vereinigung Hydrogen Poland und Mitglied von Hydrogen Europe sowie der European Clean Hydrogen Alliance.

HZwei: Herr Umeda, Sie sind Vorstandsvorsitzender eines der wichtigsten Unternehmen der Wasserstoffwirtschaft in Polen. Was motiviert Sie besonders in Hinblick auf die Entwicklung von Wasserstoff?

Umeda: Ich war vorher an der strategischen Beratung für zwei Branchen beteiligt: für die chemische Industrie und für die Energiewirtschaft – insbesondere für die japanische Energiewirtschaft. Im Jahr 2014 nahmen uns die Japaner mit in ein Werk, das Wasserstoff herstellt. Dort habe ich erkannt, dass ich mit meinem Wissen über die chemische Industrie und die Energiewirtschaft wirklich eine sehr gute Grundlage habe. Und seitdem beschäftige ich mich aktiv mit Wasserstoff. Ich habe einige der besten Leute, die ich in der Energie- und in der Chemieindustrie kennengelernt habe, eingeladen, sich zusammenzutun und dieses Unternehmen gemeinsam zu gründen. Denn Wasserstoff verbindet beide Bereiche sehr gut.

Wenn wir heute über Wasserstoff reden, sprechen wir eigentlich über das gesamte Spektrum, also auch über seine Derivate, einschließlich Ammoniak und Methanol. Was das Ammoniak betrifft, so verfügt Polen seit hundert Jahren über umfangreiche Erfahrungen in der Synthese von Ammoniak und im Umgang mit Wasserstoff. Die effektivsten Syntheseverfahren oder Optimierungen dieser Verfahren wurden ebenfalls in Polen durchgeführt. Damit ist Polen auf der Welt konkurrenzlos. Wenn wir uns heute das Chemieunternehmen Zakłady Azotowe Puławy anschauen, dann basieren deren Prozesse wesentlich auf dieser Technologie. Sie ist damit ein Schlüsselelement der Energieoptimierung in Polen.

Was den polnischen Markt sicherlich vom deutschen Markt unterscheidet, ist das Vorhandensein von Fernwärme und die Tatsache, dass unsere Wärme ein reguliertes Gut ist. Die Geschäftsparameter für solche Kraft-Wärme-Kopplungs- oder Polygenerationssysteme, die aus erneuerbaren Energien, Wasserstoff und Fernwärme bestehen, können dadurch sicherer vorhergesagt werden. Und das ist in der Tat die Richtung, in die wir weiter gehen wollen. In Polen wird dieser Wasserstoffmarkt ein fragmentierter Markt sein, denn die Fernwärme ist eine Grundlage für uns, um diese erneuerbaren Wasserstoffsysteme zu schaffen. Es sind mehr als 400 Städte, die mit Fernwärme ausgestattet sind.

Die gesamte postkommunistische Region verfügt über genau die gleiche Infrastruktur, denn sowohl in der Ukraine als auch in Russland, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn und im Norden, in den baltischen Ländern bis hin zu Finnland gibt es im Grunde die gleichen Systeme, auch weiter im Osten, der Mongolei und China. Es ist alles im Grunde sehr ähnlich. Ein ähnlicher Aufbau. Das ist eine großartige Basis für uns. Nicht nur für die Dekarbonisierung einer Stadt oder einer lokalen Regierungseinheit, sondern auch für die Schaffung neuer Ökosysteme auf der Grundlage dieser Netze.

Deutschland will nur grünen Wasserstoff nutzen. Die Projekte, die Sie durchführen, im polnischen Sanok oder dem ukrainischen Butscha, wo Sie ebenfalls aktiv sind, basieren ebenfalls auf grünem Wasserstoff. Würden Sie auch Wasserstoff verwenden, der mit anderen Energiequellen erzeugt wurde?

Wir setzen auf die erneuerbaren Energien, also entweder auf Wasserstoff aus Elektrolyse oder aus Biogas/Biomasse. Im Falle der Biomasse, die immer als erneuerbar gelten wird, schließen wir zumindest die Möglichkeit der Entwicklung von Projekten mit sogenanntem blauem Wasserstoff oder generell mit Systemen, die auf der Eliminierung von Kohlendioxid beruhen, nicht völlig aus. Fossile Brennstoffe hingegen werden wir nicht akzeptieren, weil wir glauben, dass diese EU-Verordnungen oder generell die Richtung, die wir weltweit in den Pariser Abkommen vereinbart haben, eindeutig ist. Ich verstehe ja jene Unternehmen, die versuchen, ihre bestehende Infrastruktur, ihre bestehenden Anlagen zu behalten und sie ein wenig zu modifizieren. Aber das ist das Problem dieser Unternehmen. Es ist nicht unser Problem. Wir sind nicht mit solchen Anlagen belastet und wir sind frei, um erneuerbare Energien zu nutzen.

Wenn ich aber an die Ukraine und Wasserstoff denke, kommt mir sofort die Kernkraft in den Sinn.

Die Kernenergie ist ein ganz anderes Thema, das sehr interessant ist. Ich denke, dass im Zusammenhang mit dem, was in letzter Zeit mit dem Überschuss an erneuerbaren Energien passiert ist, allmählich klar wird, warum Deutschland sich von der Kernenergie abgewendet hat. Denn wenn heute die Kernenergie im deutschen System immer noch einen bedeutenden Teil des sogenannten Sockels ausmachen würde, dann wäre eine Steigerung der Effizienz bei der Produktion aus erneuerbaren Quellen erschwert. Nun, es ist klar, dass die Kernenergie zwar sauber sein mag, aber systemisch gesehen ist sie einfach nicht sehr rational. Generell sehe ich diese Realität aber ein wenig anders, denn ich habe immer noch den Eindruck, dass wir ständig von Dekarbonisierung reden und dass wir uns irren, wenn wir nur über die Stromsysteme reden und nicht über den gesamten Energieverbrauch der Wirtschaft. Ich habe bis jetzt keine schlüssigen deutschen Ideen gesehen, wie man mit der Dekarbonisierung des gesamten Energieverbrauchs in der Wirtschaft umgehen will.

Ist der deutsche Markt für Ihr Unternehmen interessant? Versuchen Sie, dort Projekte vor Ort zu realisieren?

Wir haben darüber nachgedacht und sogar einige Versuche unternommen. Aber wir haben den Eindruck, nachdem wir verschiedene Vorstudien und Berechnungen durchgeführt haben, dass es paradoxerweise viel schwieriger ist, Wasserstoffprojekte auf dem deutschen Markt zu entwickeln als hier. Erstens ist dort schon ein hoher Sättigungsgrad mit erneuerbaren Energien vorhanden. Paradoxerweise würde ich jedoch sagen, dass es angesichts einer gewissen geografischen Ähnlichkeit für uns schwierig ist, die Modelle, die in Polen praktikabel sind und keine finanziellen Lücken aufweisen, auf Deutschland zu übertragen. Dort werden diese finanziellen Lücken, die bei diesen Projekten auftreten, mit Subventionen finanziert. Das wiederum führt zu einem neuen Wettbewerb, einem ungesunden Wettbewerb um Fördermittel. Wir führen unsere Projekte aber im Nullmodell durch, ohne Subventionen. Die Projekte müssen sich finanziell tragen. Deshalb haben wir uns aus dem deutschen Markt vorerst zurückgezogen.

Autorin: Aleksandra Fedorska

 

Grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung

Grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung

Reisebericht aus Indien von Sven Jösting

Am 18. und 19. April 2023 hat der Fachkongress „Green Hydrogen in India“ in Neu-Delhi stattgefunden. Aus diesem Anlass wurde ich zu einer Reise von Mumbai über Surat nach Neu-Delhi und dann via Ahmedabad zurück nach Mumbai eingeladen. Für den Weg wurden zahlreiche Meetings mit Topvertretern namhafter indischer Großunternehmen – oftmals in deren Firmenzentralen – eingeplant. Diese Firmen haben allesamt Wasserstoff als neues wachstumsstarkes Wirkungsfeld erkannt und verfügen bereits über große Mengen regenerativer Energie – vor allem Sonnenenergie – für die H2-Produktion. Ziel ist, den Wasserstoff in Form von grünem Ammoniak auf dem Schiffsweg zu exportieren.

Da gibt es eine Reihe von indischen Großunternehmen, die nicht nur bereits Solarenergie in einer Größenordnung von bis zu 5 GW installiert haben, sondern zusätzlich jeweils 1 GW Photovoltaikleistung jährlich generieren. Damit könnten rund 1 Million Tonnen grünes Ammoniak pro Jahr produziert werden – gewaltige Mengen und sehr ehrgeizige Pläne. Noch ist Indien Importeur von Ammoniak als Düngemittel, will dies aber in wenigen Jahren ändern und nicht nur Selbstversorger werden, sondern einen gewaltigen Exportmarkt für grünes Ammoniak und grünes Methanol erschließen. Die Planungsvorgaben liegen bei 70:30, das heißt 70 Prozent dieser Produktionsmengen für den Eigenverbrauch und 30 Prozent für den Export.

Präsident Modi adressiert das H2-Thema

Am Vorabend des Wasserstoffkongresses hält Präsident Narendra Modi im indischen Staatsfernsehen India News eine Rede über den Klimawandel. Er führt aus, was Indien zu tun gedenkt, um diesem Wandel mit zahlreichen Programmen und Maßnahmen zu begegnen. Jeder einzelne Inder sei aufgerufen, vernünftig mit der Umwelt und den Ressourcen umzugehen.

Indien hat im Januar dieses Jahres ein umfassendes H2-Programm auf den Weg gebracht. Solarenergie und Windkraft wird dabei eine besondere Bedeutung als Grundlage für die Produktion von Wasserstoff beigemessen. Grünes Ammoniak und auch grünes Methanol werden eindeutig als der Weg gesehen, Wasserstoff international nachhaltig transportierbar zu machen und für Indien als Exportgut zu entwickeln. Da Indien jedoch selbst großen Appetit auf nachhaltig erzeugte Energie hat, um den Import von fossilen Energieträgern zu reduzieren und nach Möglichkeit zu ersetzen, wird die Exportquote prozentual kleiner ausfallen als die im Land verbleibende H2-Menge.

Natürlich geht es neben dem Klimawandel auch um Energiesicherheit, und wie damit technologisch umzugehen ist. Dieser Fachkongress in Neu-Delhi konzentriert sich ausschließlich auf Wasserstoff.

National Green Hydrogen Mission

Das erst im Januar lancierte Programm zum Themenkomplex Wasserstoff „National Green Hydrogen Mission“ ist allumfassend. Jeder Aspekt – von der Produktion bis hin zu den vielen Nutzungspotentialen – wird behandelt. Zusätzlich wird es viele Förderprogramme geben. Ein Beispiel: Die Einspeisung von Wasserstoff in die Gasnetze (blending) wird staatlich subventioniert, das heißt, der Staat übernimmt die Transportkosten in den Pipelines. Da das Gasnetz derzeit nicht voll ausgelastet ist, kann Wasserstoff perfekt eingesetzt werden. Bislang kann bis zu 18 Prozent Wasserstoff eingeleitet werden.

Green Hydrogen in India

Indien hat die Potentiale von grünem Wasserstoff vollends erkannt. Das asiatische Land arbeitet an sehr anspruchsvollen Plänen, wobei vor allem die Unternehmen die Umsetzung übernehmen sollen. Der weltgrößte Energiekonzern, die indische staatliche NTPC, spielt bei diesem Dekarbonisierungsprozess, der durch zahlreiche Einzelprojekte im ganzen Land vorangetrieben wird, ebenfalls eine wichtige Rolle.

Indien will und muss von Gas- und Ölimporten wegkommen und auch für Kohle Alternativen finden, um Energiesicherheit, aber auch das Thema der Dekarbonisierung anzugehen. Über 90 Mrd. US-$ gibt das Land bislang jährlich für den Einkauf von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas aus. 40 Prozent der Primärenergie wird importiert. Demgegenüber verfügt Indien über schier unendliche Potentiale, sehr kostengünstig erneuerbare Energien zu erzeugen – vor allem via Sonnenkraft und zunehmend auch via Windenergie – hier zukünftig vor allem offshore. Indien sieht sich selbst in der Rolle eines H2-Frontrunners, da regenerative Energie via Sonnenkraft vor Ort im weltweiten Vergleich sehr günstig produziert werden kann.

Man spürt eine wahre Aufbruchstimmung und den Willen, die Grundlagen für die Wasserstoffproduktion in großem Stil zu legen. Für Projekte rund um die Erzeugung regenerativer Energien wird es zügige und schnelle Genehmigungsverfahren geben. Man spricht von Wochen oder wenigen Monaten statt wie bei uns in Deutschland von Jahren. Viele Flächen eignen sich perfekt, da es sich um sogenanntes Wasteland handelt, das heißt um Landflächen, die sich nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln oder für Viehzucht u. Ä. eignen.

Die Regierung und die zuständigen Ministerien arbeiten daran, den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft durch vereinfachte regulatorische Verfahren zu beschleunigen und zu unterstützen wie auch Fördermechanismen einzuführen. Regierungschef Modi fordert mit großem Druck, dass die Behörden zügig für die Umsetzung sorgen und konstruktiv die Wirtschaft unterstützen. Modi wird im positiven Sinne unterstellt, dass er mit seinem unternehmerischen Denken die richtigen Weichenstellungen vornimmt. Dafür sei er im Land bekannt, wie zu hören ist.

Grünes Ammoniak als Devisenbringer der Zukunft

Führt Indien bislang noch über 3 Mio. Tonnen Ammoniak – erdgasbasiertes – als Düngemittel ein, so kann das Land mittels der vielen vorhandenen erneuerbaren Energien und der darauf beruhenden zukünftigen Wasserstoffproduktion in den kommenden Jahren nicht nur Selbstversorger, sondern auch zum Exporteur von Ammoniak werden. Wir sprechen von 3 bis 5 Mio. Tonnen grünem Ammoniak pro Jahr bereits bis zum Jahr 2030, um so grünen Wasserstoff transportierbar zu machen. Eine Vielzahl von Projekten zum Bau von Ammoniakanlagen befindet sich bereits in der Planung und Umsetzung. Viele Projekte befinden sich in der Nähe von Häfen und sind somit logistisch perfekt aufgestellt.

Größte Unternehmensgruppen sind Vorreiter

Der Bedarf an grünem Wasserstoff ist gigantisch – vor allem in der chemischen Industrie, der Stahlerzeugung und anderen industriellen Einsatzgebieten. In der Mobilität wird ein Anteil von zehn Prozent gesehen, was unter anderem den Einsatz von Wasserstoff im Nutzfahrzeugverkehr, auf Schiffen und in der Eisenbahn angeht. Aber auch bei Pkw wird mittel- bis langfristig Bedarf für Wasserstoff gesehen, so der Tenor des zuständigen Topmanagers der Reliance Group, deren Großaktionär Ambani über 50 Mrd. US-$ in den Komplex Wasserstoff zu investieren plant.

Letztendlich geht es immer um die Dekarbonisierung. Überhaupt gehen Indiens Milliardäre in Sachen Wasserstoff voraus. So berichteten Topmanager von Reliance, Adani und anderen Unternehmen gegenüber HZwei von ihren Wasserstoffplänen. Tata beispielsweise hat bereits 2004 zusammen mit Rand Corp. einen Think-Tank zum Thema Wasserstoff initiiert. Außerdem unterhält die Tochter Tata Motors ein Joint Venture mit Cummins Engine, welches kürzlich um H2-Technik ergänzt wurde.

Indien will Elektrolyseurproduktion im eigenen Land

Einen Flaschenhals gibt es indes bei der Verfügbarkeit von Elektrolyseuren, die für die H2-Produktion benötigt werden. Dabei geht es nicht um die Energie, die der Elektrolyseur benötigt, sondern die Verfügbarkeit der notwendigen Mengen der Komponenten beziehungsweise deren Kapazitäten. Bei der gängigsten Variante, der alkalischen Elektrolyse, bestimmen noch chinesische Hersteller das Bild. Indien will da eine eigene Industrie auf die Beine stellen, das heißt ausländische Hersteller dafür gewinnen, deren Know-how durch den Aufbau von Produktionsstätten im Land zum Einsatz zu bringen und dies auch mittels staatlicher Programme zu fördern.

Marktführer in Sachen regenerative Energien wie Greenko haben deshalb Partnerschaften und Joint Ventures mit Unternehmen wie John Cockerill (Elektrolyseure) etabliert, um bei den sehr ehrgeizigen Unternehmenszielen, u. a. in der Nutzung von Wasserstoff für die Ammoniakproduktion, über die notwendigen Mengen an Elektrolysekapazität auch selbst verfügen zu können. Mit Uniper besteht bereits ein Abnahmevertrag, der sich auf zukünftige Produktionsmengen bezieht.

Für europäische, vor allem auch deutsche Unternehmen entwickeln sich hier sehr interessante Perspektiven, Wasserstoff zu kaufen, aber auch via Technologietransfer über Kooperationen und Joint Ventures in Indien mit Partnern eine Produktion (Brennstoffzelle, Elektrolyse, H2-Tanks und Zulieferteile) aufzubauen – nach der Devise: local for local.

Indien ist auf gutem Weg ins H2-Zeitalter

Indien hat das Potential der Eigenproduktion von Wasserstoff vollends erkannt und arbeitet an der Umsetzung. Sicherlich wird nicht alles von heute auf morgen realisierbar sein, da ein enormer Kapitaleinsatz erforderlich ist und die Projekte bestimmte Kriterien für ihre Finanzierung erfüllen müssen. Eine Reihe an persönlichen Gesprächen mit Topvertretern von Ministerien, Unternehmen und wichtigen Provinzen hat mich zu der Erkenntnis gebracht, dass sich Indien hier perfekt positioniert und ein weltweit führender Player werden wird.

Der steigende Energiebedarf wird vorerst noch von fossilen Energieträgern, aber step by step von regenerativen Energien und Wasserstoff gedeckt werden. Indien ist auf dem richtigen Weg. Bis zum Jahr 2047 will man energieautark und bis zum Jahr 2070 bei Net Zero im CO2-Ausstoß sein. Indien ist mit über 1,4 Mrd. Menschen seit wenigen Wochen der einwohnerstärkste Staat der Erde – vor China. Da sprechen wir von einem gewaltigen Energiehunger, der stark zunimmt – aber glücklicherweise mittel- bis langfristig regenerativ gestillt werden wird.

Ich konnte an diesem Kongress als Mitglied der Delegation der deutschen Beratungsinitiative Lili Navitas (der Name steht für grüne Energie) partizipieren. Der Unternehmenszweck: deutsche und indische Unternehmen in Sachen Wasserstoff und für dessen Produktion notwendige Technologien (u. a. Elektrolyse) zu verbinden und Kontakte mit dem Ziel gemeinsamer Projekte in Indien und Deutschland herzustellen. Initiator war Kiran Bhojani, selbst indischer Abstammung, der beruflich früher in Topposition bei E.ON in Deutschland gearbeitet hat. Er sieht es als seinen Auftrag an, Indien auf seinem Weg zu einer Wasserstoffgesellschaft zu begleiten und durch die Vermittlung von Kontakten und Unternehmensverbindungen zu unterstützen.

HyCentA wird zum COMET-K1-Kompetenzzentrum

HyCentA wird zum COMET-K1-Kompetenzzentrum

Österreich setzt auf H2-Spitzenforschung

Schon seit 2005 existiert Österreichs erstes und führendes Wasserstoffforschungszentrum HyCentA. Nach einem Aufstieg im COMET-Förderprogramm (Competence Centers for Excellent Technologies) setzt es seine Forschung am Campus der TU Graz nun als K1-Kompetenzzentrum fort.

Das HyCentA, Hydrogen Research Center Austria, an der TU Graz ist Österreichs führendes Forschungszentrum für Wasserstofftechnologien. Seit der Gründung im Jahr 2005 ist HyCentA darauf spezialisiert, neuartige technologische Lösungen für Elektrolyse, H2-Speicherung und Brennstoffzellen zu entwickeln, Innovationen gemeinsam mit Partnern umzusetzen und Technologien von der Idee bis zur Marktreife zu begleiten.

Alexander Trattner, wissenschaftlicher Leiter des HyCentA, erklärt: „Wir wollen die nachhaltige Wasserstoffgesellschaft wesentlich voranbringen, denn wir sind überzeugt davon, dass grüner Wasserstoff Teil der Lösung für ein klimaneutrales Energiesystem sein muss. Die Genehmigung des COMET-K1-Zentrums ermöglicht uns die umfassende Erforschung der besonders zukunftsrelevanten Wasserstofftechnologien Elektrolyseure, Speichersysteme und Brennstoffzellen. Wir können uns damit auch verstärkt der gesamthaften Betrachtung von Wasserstoff in den Bereichen Elektrizität, Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie widmen. Basierend auf der jahrzehntelangen Erfahrung in der Forschung und Entwicklung sowie Hunderten von erfolgreich durchgeführten Projekten ermöglicht das COMET-K1-Programm langfristig orientierte Forschung am HyCentA.“

COMET-Netzwerk
COMET baut Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft. Es ist das österreichische Flaggschiff-Programm von Wirtschaft und Wissenschaft zur Förderung von Spitzenforschung. Es fördert den Aufbau von Kompetenzzentren für exzellente Technologien – den COMET-Zentren.

Das etwa 80-köpfige Team des HyCentA arbeitet in vier Areas organisiert. Angestrebt wird eine Kostensenkung der Technologien, die Verringerung der Degradation und eine Erhöhung der Effizienz elektrochemischer Zellen. Zudem sollen die ideale Kombination der Schlüsseltechnologien und Optimierungspotenziale durch die Kopplung der Sektoren Energiewirtschaft, Industrie und Mobilität identifiziert werden. Letztendlich wird dadurch ein höherer Eigenversorgungsgrad mit erneuerbarer Energie, eine Steigerung der Resilienz des Energiesystems und die Standortsicherung durch die Schaffung heimischer Wertschöpfung angestrebt. Insgesamt forschen rund 40 führende nationale und internationale wissenschaftliche Partner und Unternehmen zusammen mit dem HyCentA im COMET-Programm an H2-Technologien.

Area 1: Elektrolyse und Power-to-X

Die Area 1 deckt alle Technologien ab, die der nachhaltigen und emissionsfreien Herstellung von Wasserstoff und Chemikalien zur Speicherung von Wasserstoff dienen. Die wichtigsten Technologien im Bereich der H2-Erzeugung mittels Elektrolyse sind die bereits ausgereifteren AEL und PEMEL, Anwendungen im mittleren Technology-readiness-level (AEMEL und SOEL) und vielversprechende Ansätze mit niedrigem TRL (PCCEL). Ergänzend werden Ansätze für die Wasserspaltung durch Solarenergie (Photoelektrolyse) und die elektrochemische Herstellung von Chemikalien wie Wasserstoffperoxid und Ammoniak erforscht.

Das Ziel besteht in der Weiterentwicklung der Technologien, beginnend bei den Materialien über Zelle und Stack bis hin zum System. Obwohl die allgemeinen Ziele – Erhöhung der Lebensdauer und der Effizienz sowie Senkung der Kosten – für alle Technologien gelten, unterscheiden sich die spezifischen Forschungsansätze. In Bezug auf Effizienzsteigerung sind Design und Betriebsstrategien zu optimieren. In Anbetracht der langen Lebensdauer von Elektrolyseuren wird ein Schwerpunkt auf beschleunigte Alterungstests gelegt. Im Hinblick auf die Fertigungsprozesse wird auf eine stärkere Automatisierung der Herstellungs- und Montageprozesse fokussiert.

Area 2: Green Energy and Industry

Die Area 2 konzentriert sich auf Schlüsseltechnologien, die für H2-Anwendungen im Energie- und Industriesektor unerlässlich sind. Es werden stationäre und transportable Speichertechnologien auf der Basis von gasförmigen Druckspeichern, Metallhydridspeichern und der flüssigen Speicherung betrachtet. Synergien aus dem Zusammenspiel von stationären und On-board-Anwendungen werden durch die Entwicklung eines intelligenten Zusammenspiels von Verteilungs- und Logistiksystemen mit stationären Infrastrukturen genutzt. Geforscht wird unter anderem auch an elektrochemischer Kompression und Aufreinigung sowie an der Verstromung mittels stationärer Brennstoffzellen. Neben der Effizienz der betrachteten Technologien stehen ebenso die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Anlagen im Mittelpunkt der Forschung.

Area 3: Green Mobility

Den Schwerpunkt der Area 3 bilden Arbeiten an BZ- und H2-Speichersystemen, insbesondere für die Mobilitätsanwendungen. Dazu gehören PEM- und neue AEM-Zellen, Stacks und Systeme sowie optimierte bestehende und alternative Speichersysteme. Die Forschungsarbeiten zielen auf die Generierung eines tieferen Verständnisses der Mechanismen von Brennstoffzellen und Speichersystemen ab, um die Probleme in Bezug auf Leistung, Degradation, Kosten und Industrialisierung zu verstehen und durch geeignete Gegenmaßnahmen zu lösen.

Relevante Ergebnisse für die Schnittstellendefinition auf Ebene der Fahrzeugintegration und der Betankungsinfrastruktur werden genutzt, um die bestmögliche Basis für zukünftige Entwicklungen zu schaffen. Wesentliche Erkenntnisse werden für eine optimierte Produktion und Fertigung genutzt, um eine schnelle Marktreife und Wirtschaftlichkeit zu erreichen.

Area 4: Circularity and System Optimization

In Area 4 werden lückenlose Tool-Chains entwickelt, um resiliente, sektorübergreifende Energiesysteme auf Basis von erneuerbarer Primärenergie sowie Wasserstoff zu untersuchen und zu optimieren. Mit diesen Simulationswerkzeugen können Betriebsstrategien für PtX-Anlagen entwickelt und Business Cases gestaltet werden.

Neuartige Test- und Messinstrumente für Brennstoffzellen und Elektrolyse sowie zugrundeliegende Mess- und Diagnosemethoden werden entwickelt, um Erkenntnisse über Degradationseffekte, Gesundheitszustand und vorausschauende Wartung zu gewinnen. Effiziente und kostengünstige Messwerkzeuge und -systeme werden für Anwendungen in der gesamten H2-Wertschöpfungskette umgesetzt, und ein umfassendes Wissen über die Eignung und Kompatibilität von Werkstoffen in Verbindung mit H2-Anwendungen wird aufgebaut.

Zur Gestaltung einer Kreislaufwirtschaft werden Analysen und Konzeptentwicklungen zu systemischen und ökonomischen Marktmodellen und Recyclingpotenzialen synoptisch übergeführt. Darüber hinaus werden zukünftige Potenziale von Prozessen und Technologien zum Recycling bewertet und im repräsentativen Small Scale evaluiert. Ein Ökobilanzmodell für Recyclingszenarien wird entwickelt, das neue und recycelte Materialien und Komponenten methodisch gegenüberstellt.

Testcenter für H2, BZ, Elektrolyseure

Testing ist integraler Bestandteil des Forschungsportfolios des HyCentA. In den Laboren und Prüfständen am HyCentA werden Performance, Sicherheit, Degradationsverhalten und Zuverlässigkeit im Realbetrieb mit Wasserstoff geprüft und getestet. Hierfür stehen eine Fülle von Prüfständen und Laboren zur Verfügung, die den hohen und maßgeschneiderten Anforderungen von etablierten Test- und Prüfroutinen genauso entsprechen wie spezialisierten Kundenanforderungen.

Die verschiedenen Tests, die auf den Prüfständen und in den Laboren durchgeführt werden können, umfassen beispielhaft Qualitätsuntersuchungen, Kalibrierdienstleistungen, Leistungs- und Effizienztests, Sicherheitstests, Lebensdauertests und Tests unter realen Umweltbedingungen. Das 1.200 m² große Testcenter umfasst unter anderem zwei Einzelzellen-Elektrolyseteststände, zwei Short-Stack-Elektrolyseteststände, einen Hochdruckprüfstand bis 1.000 bar mit Klimakammer, zwei Multifunktionsprüfstände, einen BZ-Kathodensubsystemprüfstand, einen BZ-Systemprüfstand bis 160 kW mit Klimakammer, ein Gasanalyselabor, ein analytisches und elektrochemisches Labor, einen elektrochemischen Kompressionsteststand, eine 350- und 700-bar-H2-Tankstelle, eine Testzelle für H2-Permeation und einen Autoklav zur H2-Materialkompatibilitätsbestimmmung von Proben.

TU Graz und HyCentA

Das HyCentA ist ein gemeinwohlorientiertes Forschungszentrum. Die Forschenden arbeiten in enger Kooperation mit der TU Graz schwerpunktmäßig in der industriellen Forschung in den Bereichen Elektrolyse, Brennstoffzelle und H2-Infrastrukturen. Gesellschafter des HyCentA sind neben der TU Graz (50 Prozent Anteile) auch die Forschungsgesellschaft für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik, Magna und die OMV. Finanziert wird das COMET-Kompetenzzentrum vom Bund – konkret vom Klimaschutzministerium (BMK) und dem Wirtschaftsministerium (BMAW) – und den Bundesländern Steiermark, Oberösterreich, Tirol und Wien. Für das professionelle Programm-Management ist seit mehr als 20 Jahren die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) verantwortlich.

Die TU Graz ist die traditionsreichste technisch-naturwissenschaftliche Forschungs- und Bildungsinstitution in Österreich. Seit mehr als 50 Jahren forscht die TU Graz erfolgreich in den Bereichen Elektrochemie und Wasserstoff. Heute ist der TU-Graz-Campus mit 160 Köpfen in der H2-Forschung und einer einzigartigen Labor- und Forschungsinfrastruktur in der europäischen Spitzengruppe. Die TU Graz deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette der erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft von Erzeugung über Speicherung und Verteilung bis zur Anwendung ab und ist ein One-Stop-Shop der Wasserstoff-Technologieforschung, beginnend bei den Grundlagen bis hin zu angewandten Technologien und systemischen Aspekten.

Nikola Motors

Nikola Motors

Nikola – Den Gewitterwolken folgt der Sonnenschein

Die Aktie von Nikola Motors ist unter Druck geraten. Die Gründe dafür liegen – gefühlt – beim Abgang von Michael Lohscheller als CEO (Krankheitsfall in der Familie) sowie bei der Ankündigung, dass die Absatzziele für den batteriegetriebenen BEV-Tre (es sollten 350 bis 500 in 2023 werden) nicht erreicht werden. Außerdem wurde eine 5-Prozent-Wandelanleihe über nominal 325 Mio. US-$ angekündigt, und der Bereichsvorstand für den Wasserstoffbereich der Tochter HYLA hat das Unternehmen verlassen. Daneben geht es um die Untersuchung von zwei Ereignissen: Es gab einen Brand wegen zwei defekten Zellen (von insgesamt 3.100) in batterieelektrischen Lkw und ausgelaufenes Kühlwasser. Daraufhin gab es einen Rückruf der ausgelieferten Fahrzeuge zwecks Prüfung. Zudem ging Batteriezulieferer Proterra unter Konkursschutz (Chapter 11 – Betrieb geht weiter). Soweit die negativen News.

Was ist von alledem zu halten?

Für Shortseller eine Steilvorlage, was sich im jüngsten Kurseinbruch widerspiegelt, haben diese doch über 158 Mio. (Stand per 15.8.) Aktien leer verkauft, um an fallenden Aktienkursen zu partizipieren. Aber die Story hat auch eine andere Seite – eine für mich relevantere:

CEO Lohscheller wurde durch Steve Girsky ersetzt. Der Mann ist seit IPO-Beginn bei Nikola dabei. Er hat Lohscheller zu Opel und dann auch zu Nikola geholt. Bei General Motors war er im Vorstand und gilt als verantwortlich für deren damalige Sanierung (Staatskredit/Bürgschaft der Regierung Obama).

In einem – dem ersten – Interview mit der Fachzeitung Freightwaves vom 17. August 2023 – äußerte sich der neue CEO. Darin beschreibt er den Weg, den Nikola in turbulenten Zeiten gegangen ist. O-Ton: „ Meine oberste Priorität ist es, den Schwung nicht zu rauszunehmen.“ Nikola habe so viel schon erreicht und werde seinen Weg gehen, so das Resümee des Interviews.

Kapitalsituation

Bedingt durch die Genehmigung für die Erhöhung der auszugebenden Aktien von 800 Mio. auf 1,6 Mrd. Aktien auf der Hauptversammlung Anfang August hat Nikola nunmehr die Möglichkeit, mehr Aktien auszugeben, um damit Eigenkapital zu generieren. Dazu wurde ein bestehendes ATM-Programm (at the market – Verkauf über die Börse) im Wert von 600 Mio. US-$ am 4. August 2023 mit der Citicorp verlängert.

Hinweis: Nikola benötigt nach eigener Aussage insgesamt 600 Mio. US-$, um das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren so aufzustellen, dass es in die Gewinnzone kommt. Dies ist für das Jahr 2025 (Cash-Flow-positiv) prognostiziert.

Nun wird ergänzend eine Wandelanleihe (Convertible) mit fünf Prozent Coupon im Nominalwert von 325 Mio. US-$ an den Markt gebracht. Das Gute daran ist, dass institutionelle Anleger solche Anlagen (eventuell ein Green Bond – hängt mit der Verwendung der Mittel zusammen) sehr gerne erwerben und mehr Sicherheit erhalten, als wenn sie Aktien beziehen. Da eine Wandelanleihe optional in Aktien getauscht werden kann, kann hieraus eventuell Eigenkapital werden, wenn die Aktie stark steigt und dem Halter dieses Wertpapiers einen Sondergewinn (Kursgewinn) bringt. Dann wird aus Fremdkapital Eigenkapital.

Ausreichend Liquidität vorhanden

Addiert man alle nur möglichen Formen der Finanzierung bzw. Liquiditätsbeschaffung, so verfügt Nikola rechnerisch per Anfang Juli über 743 Mio. US-$ an Potential. 295,4 Mio. US-$ betrug der Liquiditätsbestand am Ende des zweiten Quartals – siehe oben. Darin enthalten ist der Erlös aus dem Abschluss mit Iveco in Höhe von 26,5 Mio. US-$ und der Landverkauf (Sale + Lease Back) über 49 Mio. US-$ des Firmengeländes in Coolidge. Der Verkaufserlös der geplanten Wasserstoffproduktion in Buckeye an Fortescue Future Industries in Höhe von 20,7 Mio. US-$ ist in der Gesamtliquidität im Juli enthalten, nicht jedoch in der Zahl per 30. Juni 2023, so dass Nikola damit über 316,1 Mio. US-$ an Cash verfügt.

Was ist von all den Kapitalmaßnahmen zu halten?

Nikola hätte meines Erachtens warten sollen, Kapital über die Börse (ATM) und Wandelanleihe zu beschaffen. Gute Nachrichten wie Absatzerfolge beim FCEV-Tre wären hierfür die Vorlage – steigende Aktienkurse. Auf der anderen Seite will Nikola über die kommenden zweiJahre voll durchfinanziert sein. Liegen erst einmal 600 Mio. US-$ auf der Bank, dann wird da Ruhe reinkommen und Nikola kann sich auf den Absatz vor allem der FCEV-Tre konzentrieren. Dann haben auch Shortseller Argumentationsprobleme, wenn Nikola keinen Kapitalbedarf mehr hat, der extern gedeckt werden müsste.

Absatz der BEV-Tre

Dass es hier zu weniger Auslieferungen der batterieelektrischen Fahrzeuge im weiteren Jahresverkauf kommen wird, liegt an vielen Gründen. Die jüngste Rückrufaktion mag da belastend wirken. Indes sieht Nikola seine Zukunft eher beim wasserstoffbetriebenen Lkw und nicht so sehr dem batterieelektrischen, und der FCEV-Tre wird erst seit Ende Juli überhaupt erst in Serie produziert. 200 Vorbestellungen liegen dafür vor. Immerhin gibt es Förderprogramme, die gut 320.000 US-$ pro Lkw ausmachen – kostet wohl 400.000 US-$. Hier wird es spannend, wenn größere Aufträge kommen – die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr groß.

Kapitalbedarf sinkt beträchtlich

Benötigte Nikola noch vor 2 Jahren über 200 Mio. US-$ pro Quartal (darin enthalten der Bau der Hallen und Infrastruktur), so soll der Kapitalbedarf pro Quartal auf 100 Mio. US-$ bis Ende 2023 sinken. Noch liegt der Liquiditätsabfluss (Cash Burn) bei circa 150 Mio. US-$ im Quartal. In 2022 waren es noch über 240 Mio. US-$ im Quartal. Dies zeigt, dass Nikola sich gut aufstellt, bis das Unternehmen voll im Laufen ist.

LoI mit Anheuser Busch in Vergessenheit geraten

Der große Brauereikonzern Anheuser Busch (BUD) hält Nikola die Stange. Gemeinsam haben beide vor Jahren eine Absichtserklärung (LoI) abgeschlossen, wonach 800 FCEV-Tre geordert werden könnten. Mehrere fahren bereits im Testbetrieb des Subunternehmers Biagi Brothers ohne Probleme und wohl schon über 12.000 Meilen. Was wohl an der Börse passiert, wenn BUD aus dem LoI einen Auftrag macht und den Auftragsbestand damit allein schon auf 1.000 FCEV-Tre hoch katapultiert?

Die Meldungen der vergangenen Wochen

Gleich zwei Programme zur Förderung der Wasserstoffinfrastruktur in Kalifornien konnten für Nikola gewonnen werden. Für acht Wasserstofftankstellen gibt es dazu Zuschüsse von über 58 Mio. US-$. Das ist sehr positiv zu bewerten, da Nikola mit Volterra (Tochter von EQT, einem Fonds) bereits ein Abkommen für den Bau von 50 H2-Tankstellen (bis zu 1 Mrd. US-$ Invest?) über die kommenden Jahre abgeschlossen hat und durch die Förderung weitere Unterstützung erfährt.

Einen Auftrag über 13 E-Lkw (10 batterieelektrische und 3 wasserstoffbetriebene) konnte von J.B. Hunt eingenommen werden. Dieses Unternehmen betreibt einen eigenen umfassenden Fuhrpark, liefert aber zudem Dienstleistungen rund um den Waren-/Gütertransport für über 1 Million Lkw in den USA. Das sieht wie eine Steilvorlage für viel mehr aus.

Fazit

Nikola ist ein Start-Up in einem neuen Wachstumsmarkt und auch First Mover. Start-Ups haben meist (immer) Startschwierigkeiten – aber die vergehen und können gelöst werden. Problem erkannt – Problem gebannt. Nikola macht sehr gute Krisen-PR – geht mit allen Problemen umgehend an die Öffentlichkeit. Sind alle Kapitalmaßnahmen erfolgreich abgeschlossen, ist Nikola gut durchfinanziert und kann sich voll auf den Auf- und Ausbau des Unternehmens konzentrieren. Aktuelle Unsicherheiten lassen auf die Börsenregel verweisen: Buy on bad news. Im Aktienkurs sind alle negativen Nachrichten enthalten, nicht aber die möglichen positiven (z.B. Aufträge). Den Gewitterwolken folgt der Sonnenschein.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

verfasst von Sven Jösting am 22. August 2023

Runter vom Gas

Runter vom Gas

Seit Mitte Mai 2023 tun 21 Brennstoffzellenstapler in der Werksflotte von Linde Material Handling (MH) in Aschaffenburg ihren Dienst. Rund 2,8 Mio. Euro flossen in die Planung und Errichtung der innovativen H2-Infrastruktur vor Ort. Die Produktionsanlage entstand in einer Bauzeit von nur elf Monaten auf 280 m2 im Fertigungs- und Montagewerk. Die dezentrale Wasserstoffinfrastruktur auf dem Gelände des Konzerns soll künftig als Anschauungsbeispiel für interessierte Kunden dienen, denn die Logistikbranche muss dringend von ihren CO2-Emissionen runter.

„Wir zeigen, wie die Nutzung regenerativer Energiequellen in der Praxis funktionieren kann“, sagt Stefan Prokosch, Manager bei Linde Material Handling. Neben der Klimaneutralität (nur mit grünem H2) sei vor allem das schnelle Betanken der Flurförderzeuge mit Wasserstoff bei intensiven Mehrschichteinsätzen ein großer Vorteil. „Eine dreiminütige Betankungszeit entspricht einer vergleichbaren Ladeleistung von rund 480 kW“, freut sich Prokosch.

Die Millioneninvestition wird vom Bundesverkehrsministerium gefördert und vom Projektträger Jülich umgesetzt. Ziel ist es, Erfahrungen zu sammeln und Expertenwissen aufzubauen. So können Kunden künftig beim Einsatz von Wasserstoff in Materialflussprozessen umfassend beraten werden. Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie GmbH (NOW), bezeichnet das Projekt in Aschaffenburg als „Leuchtturmprojekt für den weiteren Hochlauf der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“. Projektplanung und Anlagenbau haben insgesamt gut drei Jahre gedauert.

Wo liegen die Herausforderungen?

Mit Wasserstoff betriebene Flurförderzeuge bieten Synergieeffekte mit der H2-Nutzung in der Distributionslogistik oder der Industrieproduktion, wodurch insgesamt die Wirtschaftlichkeit verbessert wird. Die Intralogistik kann hier als Einstieg genutzt werden. So setzt das BMW-Werk in Leipzig bereits seit Jahren auf BZ-Gabelstapler und nutzt zudem seit September 2022 in der Lackiererei einen flexiblen Wasserstoffbrenner (s. Kasten).

Eine der größten Herausforderungen liegt gerade in der Infrastruktur: Wasserstoff ist noch nicht flächendeckend verfügbar. Und nur grünes H2-Gas leistet einen Beitrag, um die Klimaziele zu erreichen. Skaleneffekte sind dabei wichtig, um die Kosten der H2-Herstellung zu senken. Wirkungsgrad und Effizienz müssen sowohl bei der Erzeugung als auch bei der Rückumwandlung weiter verbessert werden. Linde MH und der Mutterkonzern KION Group haben bereits mehrere Millionen Euro in die Entwicklung und Produktion der Brennstoffzellensysteme sowie die Errichtung der Wasserstoffinfrastruktur mit Betankungsanlage investiert.

Nachdem aktuell das erste eigene 24-Volt-System für Lagertechnikgeräte auf den Markt gekommen ist, steht als Nächstes die Entwicklung eines 48-Volt-Brennstoffzellensystems auf der Agenda. Ein Förderbescheid dafür liegt bereits vor. Als Hersteller von eigenen Brennstoffzellensystemen und Lithium-Ionen-Batterien hat man beispielsweise die Chance, eigene Brennstoffzellensysteme zu konzipieren, die eine größere Flexibilität bei der Fahrzeugkonstruktion erlauben.

PEM-Elektrolyseur erzeugt 50 kg H2 pro Tag

Die Anlagenteile für die neue H2-Produktion in Aschaffenburg verteilen sich auf mehrere Module. Das Herzstück ist ein PEM-Elektrolyseur, der auf eine Produktionsmenge von 50 Kilogramm H2 pro Tag eingestellt ist. Hier wird gereinigtes und deionisiertes Trinkwasser mithilfe von grünem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. In einem weiteren Container wird der Wasserstoff stufenweise auf 450 bar komprimiert. Anschließend gelangt das grüne Gas über Rohrleitungen und Ventile in die Hochdruckspeicher. Ein gesteuertes Ventilsystem regelt die Zuleitung zur Ausgabe an die Zapfsäule. Mitarbeiter schließen die Fahrzeuge hier an, und innerhalb kurzer Zeit ist der Tankvorgang abgeschlossen. Der Hochdruckspeicher ist so ausgelegt, dass er bei 450 bar bis zu 120 kg H2 speichern kann, so können auch die Tankspitzen beim Schichtwechsel gedeckt werden.

Insgesamt sind nun 21 Gegengewichtsstapler mit BZ-Hybridsystem bei Linde im Einsatz. Darunter zwölf des Modells E50 mit fünf Tonnen Tragfähigkeit sowie neun des E35 mit 3,5 Tonnen Tragfähigkeit. Sie alle ersetzen Modelle mit Verbrennungsmotor. Als Teil der Werksflotte übernehmen sie unter anderem das Be- und Entladen von Lkw und die Versorgung der Montagebänder mit großen und schweren Komponenten, wie beispielsweise Gegengewichten, vormontierten Rahmen oder Fahrerkabinen. Im BZ-System reagieren der Wasserstoff und der Sauerstoff der Umgebungsluft. Die erzeugte elektrische Energie lädt so eine Lithium-Ionen-Batterie auf, die den Stapler antreibt. Ein Energiemanager steuert und plant den Energiebedarf am gesamten Standort, vermeidet Lastspitzen und dient der Kostenoptimierung.

Wo wird das BZ-System eingesetzt?

Das BZ-System HyPower 24V mit 7 kW Leistung ist auf die eigenen Flurförderzeuge zugeschnitten und wurde speziell für Einsätze im innerbetrieblichen Materialfluss entwickelt. Durch die Abstimmung mit der leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterie des Hybridsystems werden die BZ-Stacks geschont, was die Lebensdauer verlängert. Auch der Geräuschpegel wurde optimiert. Das System ist vernetzt und kann so Daten über den Zustand und die Nutzung über die Cloud austauschen.

Linde MH nutzt bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten einen Prototyp mit BZ-Antrieb. Seit 2010 sind die BZ-Stapler in die Serienproduktion integriert. Bereits heute können 80 Prozent der Gegengewichtsstapler, Schlepper und Hochhubwagen mit H2-Antrieb bestellt werden. In Studien und Projekten zeigte Linde MH, unter welchen Voraussetzungen die Fahrzeuge mit BZ heute schon wirtschaftlich sind: nämlich wenn vor Ort bereits eine Wasserstoffinfrastruktur vorhanden ist oder hochreiner Wasserstoff als Abfallprodukt im betrieblichen Prozess anfällt. „Ab zwanzig Geräten im Mehrschichtbetrieb mit hohen jährlichen Betriebsstunden kann die Umstellung aktuell schon wirtschaftlich lohnend sein“, sagt Sebastian Stoll. Er arbeitet als Programmmanager im Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) bei der NOW.

In den USA sind 50.000 BZ-Flurförderzeuge im Einsatz

Der Markt für BZ-Flurförderzeuge in der EU birgt ein großes Potenzial. Jährlich werden in Europa im Segment der Gegengewichtsstapler rund 70.000 Geräte mit Verbrennungsmotor (Klasse 4/5) abgesetzt, die durch elektrische Antriebe ersetzt werden könnten. Zusätzlich werden jährlich etwa 60.000 bis 80.000 Klasse-1-Flurförderfahrzeuge mit Blei-Säure-Batterien (BSB) durch Neugeräte ersetzt. Beide stellen zusammen das theoretische Potenzial für dieses Segment dar, berichtet Stoll. „Leitmarkt für BZ-Flurförderzeuge sind derzeit ganz klar die USA, wo Stand Mitte 2022 über 50.000 Flurförderzeuge mit BZ im Einsatz sind – mit stark wachsender Tendenz.“

Um Aussagen über zukünftige Marktpotenziale in der EU treffen zu können, sei es nötig, die Megatrends und Treiber in der Intralogistik zu erkennen, erläutert Stoll. Der wachsende Anteil des Online-Handels mit immer kürzeren Bearbeitungszeiten, Digitalisierung und Outsourcing geht einher mit mehr Kostendruck und Wettbewerb. Auf der anderen Seite muss auch diese Branche dekarbonisiert werden. Andere Luftschadstoffe und Lärmemissionen müssen ebenfalls verringert werden.

Dem wachsenden Interesse kommen die Hersteller von BZ-Gabelstaplern nach: Beispielsweise hat der US-Marktführer Plug Power im Duisburger Hafen sein europäisches Entwicklungszentrum angesiedelt. Deutsche Brennstoffzellen für die Intralogistik kommen von Globe Fuel Cell Systems, FES Fahrzeug Entwicklung Sachsen oder eben von Linde MH. Die drei Unternehmen sind auch Mitglied im Clean Intralogistics Net (CIN). Bei diesem Netzwerk handelt es sich um einen vom Bundesverkehrsministerium unterstützten Zusammenschluss von insgesamt zwölf Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, der das Ziel verfolgt, der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in der Intralogistik in Deutschland und Europa zum Durchbruch zu verhelfen.

BMW nutzt flexiblen H2-Brenner im Werk in Leipzig

Das Werk der BMW Group in Leipzig pilotiert nach eigenen Angaben als erste Autoproduktion in der Lackiererei mit der innovativen Brennertechnologie. Diese kann Wasserstoff und Methan (CH4) sowohl allein als auch im Gemisch verbrennen. Der Einsatz des Doppelbrenners erfolgt zunächst im Pilotbetrieb. Derzeit hat das Werk in Leipzig über 130 BZ-betriebene Flurförderfahrzeuge in seiner Flotte. Fünf H2-Tankstellen befinden sich auf dem Werksgelände. Die jüngste davon ermöglicht erstmals sogar vollautomatisierte Tankvorgänge.

Auch in der Logistik jenseits der Werkstore erprobt die BMW Group gemeinsam mit Partnern den Einsatz von Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Transportlogistik und engagiert sich in zwei Forschungsprojekten. Bei H2Haul geht es um die Entwicklung und Pilotierung von 16 Brennstoffzellen-Lkw in Belgien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Beim Projekt HyCET treibt BMW als Konsortialführer die Entwicklung von H2-LKW mit Verbrennungsmotor in der Transportlogistik voran.

Autor: Niels Hendrik Petersen

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