Rotterdam etabliert sich als H2-Drehscheibe

Rotterdam etabliert sich als H2-Drehscheibe

Beeindruckende Größe und Professionalität

Eine ganz andere Liga als die Hannover Messe oder die hy-fcell in Stuttgart: Der World Hydrogen Summit & Exhibition in Rotterdam zeigte vom 13. bis zum 15. Mai 2024, wo es im H2-Eventsektor hingehen kann. Ähnlich wie bei der Hydrogen Technology Conference & Expo in Bremen organisierten die Veranstalter ein großes, professionelles Branchen-Gathering, von dem die meisten Teilnehmenden beeindruckt, wenn nicht sogar begeistert waren, so dass man sich fragt, warum die Messe nur zwei Tage dauerte.

Auf dem Parkett der Ahoy-Arena ging es an beiden Tagen nicht nur rührig zu, sondern geradezu aufgedreht, quirlig, lebendig, und alles sprühte nur so vor Energie. Volle Gänge, intensiver Austausch und lautes Stimmengewirr – nicht nur bei den abendlichen Standpartys. Eine ganz andere Dimension als auf den meisten bisherigen Events, insbesondere auf deutschen Veranstaltungen. Selbst langjährige Messegänger zeigten sich angetan angesichts dieser laut Veranstalterangaben „weltweit größten“ Ausstellung mit dem Schwerpunkt Wasserstoff.

Bemerkenswert war sowohl die Anzahl der einheimischen Aussteller als auch die der teilweise sehr großen Landesvertretungen (insg. 20 ), nicht zuletzt dank der Unterstützung der niederländischen Regierung als Mitveranstalter des Events. Mit eigenen Ständen waren beispielsweise Australien, Andalusien, Chile, Finnland, Indien, Japan, Kanada, Korea, Marokko, Namibia, Norwegen, Oman, Südafrika und Uruguay dabei. Der VDMA hatte einen eigenen PtX-Gemeinschaftsstand, zudem waren auch einige deutsche Unternehmen anzutreffen, häufig allerdings mit ihren niederländischen Vertretungen.


auf der Messe mit Teilnehmenden aus Australien und der ganzen Welt.

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Unter den Ausstellern war auch Hilux, ein Toyota-Tochterunternehmen, das einen umgebauten Pick-up vorstellte. Der Prototyp, von dem mittlerweile insgesamt zehn Exemplare gebaut wurden, verfügt über ein BZ-System des Mirai 2 anstelle des Dieselaggregats sowie drei H2-Druckgasbehälter, die hinter dem Fahrersitz unterflur installiert sind, während auf der Beifahrerseite der Akku sitzt. Derzeit befinden sich die Fahrzeuge bei Kunden im Test, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieses Modell tatsächlich Serienreife erlangt.


Unter den Messebesuchern war auch der niederländische Energieminister Rob Jetten (l.), hier am Norwegen-Stand im Gespräch mit Maurice Adriaensen, Direktor bei DNV Energy Systems

Den Hydrogen Transport Award des SEC gewann in diesem Jahr das australische Unternehmen Fortescue mit seinem ammoniakbetriebenen Schiff. Die Green Pioneer gilt als erstes Schiff seiner Art, das für die Verwendung von Ammoniak in Kombination mit Diesel als Schiffskraftstoff zertifiziert wurde. Mark Hutchinson, CEO von Fortescue Energy, sagte: „Die Green Pioneer ist ein Beweis für unsere Lieferfähigkeit und unser Engagement und zeigt die Zukunft von grünem Ammoniak als Schiffskraftstoff. Unsere Arbeit hört hier aber nicht auf. Wir rufen nun Regulierungsbehörden, Häfen und Institutionen auf, sich uns anzuschließen, um die Einführung von Ammoniak als Schiffskraftstoff zu beschleunigen. Lassen Sie uns gemeinsam grüne maritime Knotenpunkte und Korridore schaffen und damit eine neue Ära der nachhaltigen Schifffahrt einläuten.“

Emma White, Marketingchefin des britischen Veranstalters sustainable energy council (sec), sprach gegenüber HZwei von mehr als 15.000 Messe- und mehr als 2.000 Konferenzgästen (erscheint eine Person an drei Tagen, wird sie dreifach gezählt) sowie von 500 Ausstellern, die ihre Produkte bzw. Dienstleistungen präsentierten. Auf der Hydrogen Technology Conference & Expo in Bremen waren vergangenes Jahr rund 550 Aussteller und mehr als 10.000 Besucher.

Große, prominent besetzte Konferenz

Ähnlich wie in Hannover gab es zwei Präsentationsforen, wo in Form von Vorträgen über aktuelle Entwicklungen informiert wurde, und eine wirklich beeindruckend große dreitägige Konferenz, die sowohl von der Prominenz der Redner als auch von der Anzahl der Teilnehmer her deutsche Kongresse locker in den Schatten stellt. (Irritierend war lediglich, dass nicht alle Konferenzgäste davon wussten, dass die Messe nicht an allen Tagen parallel lief.) Darüber hinaus gab es ein Africa Hydrogen Forum sowie die Verleihung des World Hydrogen Awards.

Besuch aus New Mexico

Bemerkenswert war der Besuch der Gouverneurin von New Mexico: Michelle Lujan Grisham erschien mit einem Begleittross sowie Wirtschaftsvertretern in den Niederlanden, um für die Ansiedlung potentieller Interessenten auf den reichlich verfügbaren Flächen New Mexicos zu werben. Der bislang von Öl und Gas geprägte US-Bundesstaat setzt ganz bewusst auf den Transformationsprozess, um so eine neue Perspektive für das Land sowie die vielen im Energiesektor arbeitenden Menschen zu schaffen.

Während eines Vor-Ort-Gesprächs mit HZwei legte die Gouverneurin detailliert dar, dass New Mexico bestens für die Energiewende gewappnet sei und auch keine Befürchtungen hinsichtlich eines Präsidentschaftswechsels habe, sollte es darauf im November 2024 hinauslaufen. Das ausführliche Interview folgt im HZwei-Heft Oktober 2024.

Autor: Sven Geitmann

Wasserstoff ist weiblich!

Wasserstoff ist weiblich!

Women in Green Hydrogen feiert Geburtstag

Women in Green Hydrogen wurde im November 2020 von neun Frauen aus dem Wasserstoffsektor gegründet. Mittlerweile ist das Netzwerk auf über 5.000 Mitglieder angewachsen und feiert regelmäßig Erfolge im Bereich Gender Awareness. Für das Jahr 2024 haben sich die Frauen zum Ziel gesetzt, eine eigene Geschäftsstelle aufzubauen.

Nachdem wir uns im November 2020 – mitten in der Corona-Pandemie – zum ersten Mal auf Zoom getroffen hatten, um das Netzwerk Women in Green Hydrogen (WiGH) zu gründen, waren wir schnell von dessen Erfolg überrumpelt. In kürzester Zeit bekamen wir zahlreiche Anfragen hinsichtlich möglicher Partnerschaften und Eventkooperationen. Es gab Bedarf und eine große Offenheit dafür, sich mit den Themen Diversität, Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit auseinanderzusetzen.

Die Zielsetzung von WiGH ist es, Frauen, die in der Wasserstoffbranche tätig sind, zu vernetzen und zu empowern. Das Netzwerk bietet Veranstaltungen zur Weiterbildung an – sowohl zur fachlichen als auch zur methodischen –, aber eben auch zum Netzwerken und zum Erfahrungsaustausch. Ein wichtiges Element von WiGH ist die Experten-Datenbank auf der Homepage. Dort sind H2-Expertinnen aus verschiedenen Ländern und Sektoren gelistet. Mittlerweile haben sich mehr als 950 Frauen aus über 70 Ländern registriert. Vor allem unterstützt die Datenbank Veranstalter dabei, geeignete SpeakerInnen zu finden.

WiGH pflegt mittlerweile über 18 feste Partnerschaften, unter anderem mit den World Hydrogen Leaders und der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung. Unsere Partner verpflichten sich dazu, künftige Veranstaltungen so zu planen, dass auf jedem Podium mindestens 30 Prozent Frauen vertreten sind. Dadurch ermöglichen wir es den Frauen in unserem Netzwerk, eine größere Sichtbarkeit zu erreichen, und natürlich unterstützen wir unsere Partner durch die Vermittlung passender Expertinnen.

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Gemeinsam mit den Partnern organisieren wir auf deren Konferenzen Workshops oder Vernetzungsformate. Im nächsten Jahr werden wir dies für große Konferenzen wie die Reuters Hydrogen Conference (09. bis 10.04.2024 in Amsterdam), den World Hydrogen Congress (01. bis 02.10.2024 in Kopenhagen) und die hy-fcell (08. bis 09.10.2024 in Stuttgart) anbieten. WIGH wird zudem vermehrt in Lateinamerika auftreten, zum Beispiel auf der Conferencia Latinoamericana CEGEN LAC im Februar in Mexico und dem 4th Hydrogen Congress for Latin America and the Caribbean im Juni in Santiago de Chile.

Auch unser Mentorinnen-Programm findet dieses Jahr zum dritten Mal statt – mit einer Rekordzahl von 180 Mentoren und Mentees. Insgesamt haben schon über 350 Frauen aus über 50 Ländern an dem WiGH-Mentorinnen-Programm teilgenommen. Es handelt sich dabei um ein Online-Programm, das Mitte 2021 ins Leben gerufen wurde. Wir möchten dadurch junge Fachleute in der Wasserstoffbranche in der Anfangsphase ihrer Laufbahn unterstützen und fördern. Wasserstoffexpertinnen aus der ganzen Welt helfen dabei, die beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten der neuen Führungskräfte in diesem Sektor zu verbessern. Physische Treffen bei geeigneten Gelegenheiten werden als wertvolle Ergänzung der Mentor-Mentee-Beziehung betrachtet.

Vereinsgründung als Meilenstein

Im Jahr 2023 konnten wir zwei besondere Highlights feiern: Wir haben unseren ersten regionalen Hub in Lateinamerika gegründet, der aus Verónica Chorkulak (WiGH Argentina), Nicole Gutiérrez (WiGH Colombia), Nuria Hartmann (WiGH Chile) und Maria Miller (WiGH Brazil) besteht. Auch wenn das Netzwerk von Anfang an weltweit agiert, können wir mithilfe von regionalen Hubs stärker auf die spezifischen Aktivitäten vor Ort reagieren. Wir freuen uns darüber, dass wir Frauen, die in ihren Ländern das Thema Wasserstoff und Gender Awareness vorantreiben wollen, ein Dach bieten können.

Ein zweiter großer Meilenstein war die Gründung von WiGH als Verein im Oktober 2023. Bislang hatte die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit als unsere Andockstelle fungiert und uns, gerade in der Anfangsphase, unterstützt. Da unser Netzwerk kontinuierlich wächst, haben wir uns dazu entschieden, uns auszugründen: Schrittweise planen wir nun den Aufbau einer eigenen Geschäftsstelle, um unseren Impact und unsere Schlagkraft zu erhöhen.

Das Jahr 2024 steht damit für uns im Zeichen des strategischen und strukturellen Wandels. Der Vereinsstatus wird es uns ermöglichen, Fördermittel zu beantragen, Spenden zu verwalten und an Forschungsprojekten teilzunehmen. Er ermöglicht es uns auch, unsere professionelle Arbeitsstruktur zu stärken, Freiwilligen die Kosten zu erstatten, ein Büro zu mieten und Personal einzustellen. Die rechtliche Struktur einer NGO gewährleistet auch die Fortführung des demokratischen Austauschs und der Entscheidungsprozesse innerhalb des Teams. Da das deutsche Recht diese Vorteile und Strukturen zulässt, haben wir beschlossen, das Netzwerk in Deutschland zu registrieren. Unser Ziel ist es nach wie vor, Frauen weltweit zu vernetzen und das Netzwerk in alle Regionen der Welt auszuweiten.

Mit der neuen Struktur hoffen wir auch, unsere Ziele noch besser umzusetzen. Da unsere Arbeit bislang ausschließlich ehrenamtlich organisiert war, fehlte es häufig an Ressourcen, um auf politische Entscheidungsprozesse einzuwirken. Wir sehen es aber als unsere Aufgabe an, neben öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen dafür zu sorgen, dass Gender Equality im Wasserstoffsektor auch in politischen Gremien und Unternehmensvorständen gelebt wird. Zudem möchten wir stärker dazu beitragen, dass die strukturellen Gründe für Gender Inequality angegangen werden: Dazu gehören das Pipeline-Problem – der bereits geringere Anteil weiblicher Personen in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) –, aber auch der Gender Pay Gap. Die Herausforderungen sind also zahlreich. Umso erfreulicher ist es, dass WiGH diese Aufgaben ab sofort mit größeren Ressourcen angehen wird.

Autorin: Julia Epp, Mitgründerin von Women in Green Hydrogen, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Erste kommerzielle Produktion von grünem Wasserstoff

Erste kommerzielle Produktion von grünem Wasserstoff

Tschechien: Solar Global betreibt Elektrolyseanlage

Ein Elektrolyseur in der Kleinstadt Napajedla im Südosten der Tschechischen Republik hat den ersten grünen Wasserstoff des Landes aus Solarstrom produziert. Die industrielle grüne Wasserstoffproduktionsanlage wird von Solar Global betrieben, einem der führenden Akteure in der tschechischen Branche für erneuerbare Energien.

Diese Wasserstoffproduktionsanlage sollte vor allem als Pionierprojekt verstanden werden, denn ihre Leistung von 230 kW ist relativ gering. Es können bis zu 246 MWh Strom pro Jahr aufgenommen werden. Der Strom stammt aus einer Photovoltaikanlage mit 611 kW Peakleistung. Ein Batteriespeicher puffert die Differenzen zwischen Erzeugung und Verbrauch. Entsprechend der tschechischen Wasserstoffstrategie wird der Wasserstoff vor allem als Treibstoff eingesetzt.

„Der so erzeugte grüne Wasserstoff kann an der Tankstelle in Napajedla nicht nur in Lkw und Busse, sondern auch in Pkw mit umweltfreundlichem Wasserstoffantrieb getankt werden“, erklärte Vítězslav Skopal, Eigentümer der Solar Global Group. Laut Solar Global kann die Anlage jährlich rund acht Tonnen grünen Wasserstoff liefern. Damit kann ein Pkw 800.000 Kilometer und ein Wasserstoffbus 80.000 Kilometer weit fahren.

Gesamte Wertschöpfungskette abdecken

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Die Wasserstoffherstellung soll Schritt für Schritt zu einem wichtigen Industriezweig in Tschechien entwickelt werden. Dabei stellt sich die Solar Global Group eine Entwicklung der gesamten Wertschöpfungskette vor. Neben der Herstellung von Wasserstoff will das Unternehmen perspektivisch auch Fahrzeuge betreiben, die mit Brennstoffzellen ausgestattet sind. Schließlich will sich die Solar Global Group auch in der Bereitstellung von Wasserstoff über Tankstellen engagieren. „All dies setzt natürlich den Bau weiterer notwendiger Technologien voraus, das heißt Wasserstoffverdichtung, -speicherung und -tankstellen, die die nächsten Etappen unseres Pilotprojekts darstellen“, erklärte Skopal.

Die Herstellung des ersten Kilogramms tschechischen Wasserstoffs wurde finanziell vom Staatlichen Umweltfonds der Tschechischen Republik (SEF CR) gefördert, der seit 1992 besteht. Bislang hat das Umweltministerium vier Elektrolyseure aus dem Umweltfonds finanziell unterstützt. „Zwei weitere Projekte werden derzeit geprüft“, sagte Lucie Früblingová, Sprecherin des staatlichen Umweltfonds. Die Programme, aus denen heraus Wasserstoffprojekte gefördert werden können, werden derzeit erweitert. Die Anzahl der geförderten Projekte und die Summe der Subventionen sollen in der Zukunft steigen.

Fossile Firmen wollen grünen Wasserstoff produzieren

Auch Orlen Unipetrol, der größte Produzent von „grauem“, fossilem Wasserstoff in der Tschechischen Republik, soll Fördermittel erhalten. Das Unternehmen, das dem polnischen Mineralölriesen Orlen gehört, will einen Elektrolyseur in Verbindung mit einem Solarkraftwerk in Litvínov installieren. Mit dem Aufbau der Anlage soll zwischen 2024 und 2025 begonnen werden, die Produktion von grünem Wasserstoff soll Ende 2028 anlaufen. Unipetrol ist aber jetzt schon klar, dass die eigene Produktion nur einen Bruchteil seines Wasserstoffbedarfs decken kann. Man denkt bereits über H2-Importe nach.

Ein weiterer Elektrolyseur, der von dem Umweltfonds gefördert wird, gehört der Sev.en Energy Group. Das Bergbauunternehmen betreibt den einst großen Braunkohletagebau in Most, Komořany, der bald auslaufen soll, und die dazugehörigen Kohlekraftwerke. Sev.en plant einen massiven Ausbau von Solarkraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 120 MW. Hier ist ein 17,5-MW-Elektrolyseur vorgesehen, der ab 2027 360 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr produzieren soll. Die Kosten für das Wasserstoffsystem belaufen sich laut Pavel Farkač, Geschäftsführer von Sev.en, auf etwa 700 Mio. CZK, was umgerechnet 28,5 Mio. Euro entspricht, wovon ein substanzieller Anteil durch die Subventionen des Umweltfonds gedeckt werden soll.

Tschechiens Regierung hat im Oktober 2023 einen Entwurf für einen Energie- und Klimaplan für die Jahre bis 2030 vorgelegt. Laut der Pressemitteilung des Umweltministeriums soll bis zum Ende des Jahrzehnts vermehrt Wasserstoff für Industrie und Mobilität eingesetzt werden. Der Plan sieht außerdem vor, keinen Braunkohlestrom mehr zu exportieren.

Autorin: Aleksandra Fedorska

Nationale Wasserstoffstrategie für Tschechien (auf Englisch): www.hytep.cz/images/dokumenty-ke-stazeni/Czech_Hydrogen_Strategy_2021.pdf

HySupply – Deutsch-australische Wasserstoffbrücke

HySupply – Deutsch-australische Wasserstoffbrücke

acatech und BDI zeigen, was machbar ist

Das Energiesystem zu defossilisieren ist ein wichtiges Ziel der Energiewende – grünen Wasserstoff zu importieren eine mögliche Option dafür. Das Kooperationsprojekt HySupply von acatech und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hat deshalb die Machbarkeit einer deutsch-australischen Wasserstoffbrücke geprüft. Das Ergebnis: Herstellung und Transport von Wasserstoff und Wasserstoff-Derivaten von Australien nach Deutschland sind technisch, ökonomisch und rechtlich möglich. Eine entscheidende Frage dabei: Wie könnten die Importe im Inland ökonomisch und technisch sinnvoll verteilt werden?

Energieimporte sind für die deutsche Energieversorgung eine feste Größe. Konzentrierten sie sich bisher größtenteils auf Energieträger fossilen Ursprungs wie Erdgas und Erdöl, könnten sie schon bald um einen alternativen Energieträger erweitert werden: grünen Wasserstoff. Nach dem in der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie enthaltenen Zielbild wird der Gesamtwasserstoffbedarf in Deutschland 2030 zwischen 95 und 130 TWh liegen und nur über Importe zu decken sein. Innerhalb der nächsten zehn Jahre könnte also australischer Wasserstoff eine Rolle im deutschen Energiesystem spielen. Aber warum kommt ausgerechnet das 14.000 Kilometer entfernt gelegene Australien dafür in Betracht?

Energieversorgung stabil und resilient gestalten
Alle Voraussetzungen sprechen dafür: Erneuerbare Energien zur Herstellung von grünem Wasserstoff sind in Australien reichlich vorhanden. Zudem sind hinsichtlich einer zukunftssicheren und verlässlichen Versorgung die Bedingungen ideal: „Eine australisch-deutsche Wasserstoffbrücke verspricht eine stabile und für beide Seiten vorteilhafte Handelsbeziehung zwischen zwei demokratischen Staaten“, erklärt acatech-Präsident Jan Wörner die Voraussetzungen. „Wir haben jetzt die Gelegenheit, den Zukunftsmarkt Wasserstoff mitzugestalten und unseren Innovationsstandort damit resilienter gegen Abhängigkeiten zu machen. Dafür brauchen wir einen entschlossenen, gemeinsamen Aufbau von Infrastrukturen und Rahmenbedingungen.“

Allerdings werde die Technologie zum Transport flüssigen Wasserstoffs voraussichtlich innerhalb der nächsten 20 Jahre nicht verfügbar sein, stellte Robert Schlögl kürzlich im Rahmen eines Interviews mit dem Deutschlandfunk fest. Er ist Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung und acatech-Mitglied. Als Co-Projektleiter hat er HySupply ab dessen Start im November 2020 begleitet. Diese und weitere Herausforderungen beim Transport flüssigen Wasserstoffs sind der Grund, weshalb sich die Machbarkeitsstudie HySupply mit den Importmöglichkeiten von H2-Derivaten beschäftigt, also Ammoniak, synthetischem Erdgas, Methanol, Fischer-Tropsch-Produkten und dem Trägermedium LOHC.

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HySupply untersuchte von Ende 2020 bis Januar 2024, unter welchen technischen, ökonomischen und rechtlichen Voraussetzungen eine deutsch-australische Wasserstoffbrücke machbar ist. Durchgeführt wurde die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Machbarkeitsstudie von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und dem Bundesverband der deutschen Industrie. Die University of New South Wales (UNSW) leitete das australische Konsortium. Gefördert wurde dieses vom Department of Foreign Affairs and Trade (DFAT). Zusammen haben beide Seiten ein einzigartiges Netzwerk aus Fachleuten aus Wissenschaft und Wirtschaft vereint, um die gesamte Wertschöpfungskette zu untersuchen.

Transport- und Versorgungsrouten

Bereits in der Vergangenheit haben sich Studien mit verschiedenen Schwerpunkten von Wasserstoffimporten beschäftigt. Das Besondere an der vorliegenden, für HySupply von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG erstellten Studie: Erstmals befasst sich eine Publikation explizit mit der letzten Meile, die die Infrastruktur meist vor die größten Herausforderungen stellt – technischer wie wirtschaftlicher Natur. Robert Schlögl erklärt dazu: „Die vorgelegte Studie analysiert, bewertet und vergleicht erstmals flächendeckend und umfassend alle wesentlichen Wasserstoffderivate und Transportoptionen, vom Importhub bis hin zum Endverbraucher.“

Insgesamt sind es 543 Nachfragestandorte in Deutschland, die in diese Analyse eingeflossen sind. Sie wurden den verschiedenen Anwendungsfällen zugeordnet und hinsichtlich der Versorgungsmöglichkeiten mit Wasserstoff und dessen Derivaten untersucht. Anwendungsfälle – das sind die Herstellung von Ammoniak, Stahl, petrochemischen Basischemikalien und synthetischen Flugturbinenkraftstoffen. Außerdem zählen die Bereitstellung von Prozesswärme in der Metallerzeugung und -bearbeitung, die Herstellung von Glas und Keramik sowie die Papierindustrie dazu. Als Transportwege berücksichtigt die Studie Binnenschifffahrtsstraßen, Schienennetz, Wasserstoffkernnetz und Produktpipelines. So listet die Studie je Anwendungsfall die ökonomischen Vor- und Nachteile der jeweiligen Optionen auf.


Abb. 2: Gesamtdarstellung des analysierten Versorgungsnetzes und Verteilung der Nachfragestandorte
Quelle: Fraunhofer IEG

Flexibilität entscheidet über den H2-Hochlauf
Das H2-Kernnetz spielt eine wichtige Rolle in der Versorgung der Industrie. Die Studie weist darauf hin, dass alle identifizierten Standorte potenzieller Wasserstoffgroßnachfrager im Jahr 2035 durch das Wasserstoffkernnetz erreicht werden. Aber: Der Transport von Wasserstoff (-derivaten) per Binnenschiff oder Bahn stellt in vielen Fällen eine mögliche Alternative oder Ergänzung zur pipelinegebundenen Standortversorgung dar.

Rund elf Prozent der Standorte liegen bei einer Nachfrage von über 500 Gigawattstunden Wasserstoffäquivalent (GWhHeq). Größtenteils handelt es sich hier um Anwendungen wie die Herstellung von Basischemikalien und Stahl und den Einsatz von Ammoniak und synthetischen Flugturbinenkraftstoffen. 85 Prozent der untersuchten 543 Nachfragestandorte beanspruchen hingegen eine jährliche Nachfrage von weniger als 150 GWhHeq. Für diese Fälle ist die empfohlene Alternative zur pipelinebasierten Belieferung der Versorgungsanschluss per Binnenschiff oder Bahn.

Abschlussstudie fokussiert das Jahr 2035
Die Nationale Wasserstoffstrategie sieht vor, bis zum Jahr 2032 ein über 9.000 Kilometer langes Wasserstoffkernnetz zu installieren. Es soll die großen Wasserstoff-Einspeiser mit allen großen Verbrauchern verbinden. Die erste Phase des Markthochlaufs bis 2035 erfordert, auf die wichtigsten logistischen Fragestellungen Antwortoptionen anbieten zu können. Das gilt insbesondere für die Verteiloptionen des importierten Wasserstoffs und der Wasserstoffderivate, die für den Markthochlauf benötigt werden. Die im Rahmen des Projektabschlusses von HySupply vorgestellte Abschlussstudie mit dem Titel „Wasserstoff Verteiloptionen 2035“ fokussiert daher genau auf diesen entscheidenden Zeitraum bis 2035 und gibt einen zusätzlichen Ausblick auf die folgenden zehn Jahre bis 2045.


Abb. 3: Kostenoptimale Versorgungsketten
Quelle: Fraunhofer IEG

Inländische Transportkosten nur geringer Kostenanteil

Zwischen 3.400 und 16.000 Euro pro Tonne Wasserstoffäquivalent (EUR/tH₂eq): So weit reicht die in der Studie angegebene Spanne der festgestellten Bereitstellungskosten zwischen den unterschiedlichen Use Cases. Dabei machen die Importkosten mit einem Bereich von 41 bis 100 Prozent den Großteil aus, wohingegen die Kosten für die inländische Weiterverteilung mit durchschnittlich fünf Prozent Kostenanteil vergleichsweise gering ausfallen. In die ökonomische Bewertung flossen die Kosten für die Bereitstellung von Wasserstoff und seinen Derivaten ein. Zusätzlich wurden die spezifischen Transport- und Umwandlungskosten mit einbezogen.


Abb. 4: Kostenmodell zur Bewertung der Versorgungsketten
Quelle: Fraunhofer IEG

Karen Pittel, acatech-Präsidiumsmitglied und Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen, spricht sich für Flexibilität in den Verteiloptionen aus: „Diese alternativen Verteiloptionen spielen eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Standorte mit vergleichsweise geringem Bedarf. Sie bringen die nötige Flexibilität mit, um in der ersten Phase des Markthochlaufs schnell in die Umsetzung zu kommen. Um das gewährleisten zu können, sollten wir die Leistungsfähigkeit der alternativen Verteiloptionen sichern und ausbauen.“

Dennoch wird der konsequente Ausbau des Wasserstoffkernnetzes insbesondere für Standorte mit hoher Nachfrage eine zentrale Rolle spielen. Den parallelen Ausbau der verschiedenen Verteiloptionen sieht daher auch Robert Schlögl als essenziell notwendig an: „Die Fertigstellung des Wasserstoffkernnetzes muss energisch weiterverfolgt werden. Gleichzeitig müssen wir auch bei anderen Aufgaben, wie dem Ausbau des Bahnnetzes oder dem Aufbau von CO2-Infrastruktur, ins Umsetzen kommen.“


Abb. 5: Kategorien der modellierten Versorgungskettenausprägungen
Quelle: Fraunhofer IEG

Handlungsempfehlungen zu den Wasserstoff-Verteiloptionen 2035

  • Das Wasserstoffnetz muss weiter ausgebaut werden. Dabei gilt es Speichermöglichkeiten in der Planung zu berücksichtigen.
  • Das bestehende Bahnstreckennetz muss erweitert und um neue Strecken ergänzt werden.
  • Die Wasserstoffimportstrategie sollte zeitnah publiziert werden.
  • In der Markthochlaufphase gilt es, Wasserstoffderivate zunächst stofflich und erst später als Wasserstoffträger zu nutzen.
  • Produktpipelines sollten langfristig eingesetzt werden, um die Verteilung von Wasserstoffderivaten zu unterstützen.
  • Nachhaltigkeitskriterien beim Import kohlenstoffhaltiger Wasserstoffderivate sollten über den Aufbau internationaler Zertifizierungssysteme garantiert werden.
  • Wasserstoff- und CO2-Infrastrukturen müssen gemeinsam geplant und unter Berücksichtigung beidseitiger Wechselwirkungen aufgebaut werden.

Literatur: www.acatech.de, wasserstoff-kompass.de, www.energiesysteme-zukunft.de
Spillmann, T.; Nolden, C.; Ragwitz, M.; Pieton, N.; Sander, P.; Rublack, L. (2024): Wasserstoff-Verteiloptionen 2035. Versorgungsmöglichkeiten von Verbrauchsstandorten in Deutschland mit importiertem Wasserstoff. Cottbus: Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG

AutorInnen: Iryna Nesterenko, Philipp Stöcker
Beide von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften

Brennstoffzellensysteme sorgen für Netzhärtung

Brennstoffzellensysteme sorgen für Netzhärtung

Interview mit Christian Leu und Benedikt Eska von Axiosus

Ein wichtiger, aber häufig vernachlässigter Anwendungsbereich für H2-Technologie ist die unterbrechungsfreie Stromversorgung. Damit es nicht zu Lichtflackern und erst recht nicht zu Black-outs kommt, sind sogenannte USV-Systeme unabdingbar. Im besten Fall, wenn das Netz stabil ist, kommen sie zwar nie zum Einsatz, dennoch ist ihre Anwesenheit von zentraler Bedeutung. HZwei sprach darüber mit Benedikt Eska und Christian Leu, den Geschäftsführern der Axiosus Energy GmbH, zudem ging es um das Unternehmen selbst sowie die Technologie-Plattform Clean Power Net (CPN).


Abb.: Christian Leu

 HZwei: Fangen wir mal mit Ihrer BZ- und Wasserstoff-Vita an. Sie sind ja beide schon sehr lange im H2-Geschäft. Seit wann und wo bzw. als was?

Leu: Alles fing an mit meinem Einstieg als Entwicklungsingenieur für Brennstoffzellentechnik beim Berliner Start-up Heliocentris im Jahr 1998. Zuletzt war ich dort verantwortlich für die Produktlinie Stationäre-Brennstoffzellen-Stromversorgungen und dabei auch involviert in die ersten kommerziellen Roll-outs für BZ-Netzersatzanlagen beim BOS-Digitalfunk in Deutschland.

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Eska: Meine erste ernsthafte Berührung mit dem Thema Brennstoffzelle war bereits vor über 25 Jahren. 2001 bin ich dann bei Proton Motor eingestiegen und war 2006 einer der Verantwortlichen für den Börsengang in London. 2009 gründete ich mein Beratungsunternehmen mit Fokus auf Brennstoffzelle und Wasserstoff.

Herr Leu, nach dieser langen Zeit bei Heliocentris waren Sie zunächst allein in Berlin aktiv. Warum dann der Zusammenschluss mit Herrn Eska?

Leu: Nach der Insolvenz der Heliocentris übernahm ich 2017 beim Ingenieur-Dienstleister ITK Engineering, einem Unternehmen der Bosch-Gruppe, eine Stelle für den Aufbau von Kompetenz und Geschäft im Bereich der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie. Im Laufe der Zeit entstand bei mir der Wunsch, nicht nur Entwickler zu unterstützen, sondern vor allem Anwendern zu helfen, fertige Entwicklungen nachhaltig erfolgreich in den kommerziellen Einsatz zu bringen. Da das mit dem Geschäftsmodell der ITK nicht gut vereinbar war, suchte ich nach Möglichkeiten für ein eigenes Business. In Benedikt fand ich den idealen Partner – gleichgesinnt und in den Erfahrungen und Stärken komplementär.

Herr Eska, nach dieser jahrelangen Selbständigkeit – was hat Sie dazu bewogen, ein eigenes Unternehmen mit Herrn Leu zu gründen?

Eska: Es gab im meinem Beratungsunternehmen immer mehr Anfragen, ob ich nicht auch bei der Umsetzung unterstützen kann. Aus diesem Grund war ich schon länger am Überlegen, die Rechtsform zu ändern und meine Tätigkeit auf eine breitere Basis zu stellen. Dann kam etwas der Zufall hinzu, dass ich im richtigen Moment mit Christian telefoniert habe. Nachdem wir schon bei anderen Gelegenheiten zusammengearbeitet hatten, haben wir uns intensiv ausgetauscht und die gemeinsame Basis gesehen. Zugegebenermaßen hätten wir vor Corona und der Lernkurve mit Online-Meetings in der Form wahrscheinlich vor ein paar Jahren nicht gemeinsam gegründet.

Seit wann genau arbeiten Sie jetzt zusammen?

Eska: Gegründet haben wir gemeinsam 2022, aber tatsächlich kennen wir uns schon aus dem VDMA-Arbeitskreis Brennstoffzelle beziehungsweise – für die Kenner – aus dem Vorläufer, dem AK Berta. Das müsste so 2003 oder 2004 gewesen sein.

Bevor wir jetzt zu Ihren Dienstleistungen kommen: Wofür steht Axiosus?

Leu: Die Frage bekommen wir natürlich öfters. Axiosus ist ein Kunstwort und hat unsere Tätigkeit bereits im Namen. Axiosus ist zusammengesetzt aus dem griechischen „axiópistos“ für zuverlässig und dem englischen „sustainability“ für Nachhaltigkeit. Axiosus Energy steht folglich für zuverlässige, nachhaltige Energieversorgungslösungen.

Verstehe. Was genau bieten Sie denn an?

Eska: Wir sehen uns stark an der Schnittstelle zwischen den Systemanbietern und den Anwendern. Die Anbieter wollen sich auf ihre Standardprodukte fokussieren und die Anwender suchen nach einer für sie optimalen Lösung. Wir bringen beide Seiten zusammen. Das startet bei der technischen Konzeption, der Standortplanung bis hin zur Umsetzung vor Ort mit den unterschiedlichen Gewerken. Dafür setzen wir auf unsere Partner, zum Beispiel aus der Elektro- und Tiefbaubranche. Aus Sicht des Anwenders können wir bei geeigneten Projekten auch als Generalunternehmer auftreten. Dabei sind wir herstellerneutral und technologieoffen unterwegs.

Zusammengefasst sind es zwei Säulen: Beratung und Projektentwicklung. Unsere Hardware-Projekte sind derzeit hauptsächlich im Bereich Notstromversorgung für die kritische Infrastruktur. In der Beratung sind wir auch im Bereich der Elektrolyse, Wasserstoffversorgung und strategisch-technologischen Unternehmensentwicklung unterwegs.

Können Sie uns mal bitte einen Einblick geben, wie groß dafür der Markt ist – allein hier in Deutschland?

Leu: Ohne Berücksichtigung weiterer Anwendungen aus anderen Bereichen der kritischen Infrastruktur sind im BOS-Funknetz allein 3.800 Basisstationen im Betrieb, mit Leistungsanforderungen von weniger als 5 kW. Wir gehen in dem Leistungsbereich eher von mehr als 10.000 Anwendungen mit Hochverfügbarkeitsanforderungen aus.

Sie kümmern sich ja beispielsweise um den BOS-Digitalfunk in Brandenburg. Können Sie kurz mal anhand dieses Projekts erläutern, was Sie da machen?

Eska: In Brandenburg sind wir im Unterauftrag des Brennstoffzellenherstellers Advent Technologies aus Dänemark tätig. Wir koordinieren alle notwendigen Planungen und Errichtungsarbeiten für Notstromsysteme. Zusätzlich sind wir der erste Ansprechpartner für den Betreiber bei technischen Fragen. In der nächsten Phase werden wir uns zudem um die Wartungs- und Servicearbeiten kümmern.

Es gibt da dieses tolle Wort „Netzhärtung“. Was bedeutet das?

Leu: Ziel der Netzhärtung ist es, das gesamte BOS-Funknetz für 72 Stunden abzusichern. Hierzu werden die vorhandenen Batterie-USV-Anlagen meist um stationäre Netzersatzanlagen ergänzt. Viele Bundesländer setzen dabei auf Brennstoffzellenlösungen.

Axiosus war 2022 auf einem CPN-Workshop, ist aber laut Website kein Partner von Clean Power Net (CPN). In den vergangenen Jahren war es sehr ruhig um diesen Firmenzusammenschluss. Das war mal eins der Leuchtturmvorhaben der Nationalen Organisation für Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie (NOW). Passiert dort noch etwas?

Eska: Wir sehen CPN als wertvollen Zusammenschluss aus Herstellern und Zulieferern. Nachdem wir selbst nicht Mitglied sind, können wir zu den aktuellen CPN-Aktivitäten nichts sagen. Bei dem Workshop 2022 durften wir als Gäste über die Betriebserfahrungen aus Brandenburg berichten.

Was ist Ihr neustes Vorhaben?

Leu: Bei unserem neuesten Projekt helfen wir aktuell einem Konzern bei der Auslegung und Beschaffung von Wasserstoffspeichern mit zugehörigem Logistikkonzept. Daneben sind wir weiterhin mit dem Aufbau des Unternehmens beschäftigt. Zuerst müssen wir dieses Jahr weiter Personal an den Start bringen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Wenn sich alle Anfragen materialisieren, werden wir zu größeren Leistungen bei den Stromversorgungen und weiteren Aufträgen als Generalunternehmer kommen.

Letzte Frage: Sind Sie eigentlich auch international aktiv?

Eska: Auch wenn wir noch nicht lange unter Axiosus Energy agieren, haben wir bereits Kunden aus EU- und Nicht-EU-Ländern. Unsere Zusammenarbeit mit der dänischen Advent Technologies A/S haben wir ja bereits erwähnt.

Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Interviewer: Sven Geitmann

Eine neue Energieinfrastruktur entsteht

Eine neue Energieinfrastruktur entsteht

Grünes“ und „blaues“ Ammoniak von anderen Kontinenten soll nach Europa kommen

Mit Elektrolysewasserstoff hergestelltes Ammoniak soll zum grünen Energieträger und zur nachhaltigen Basischemikalie der Zukunft werden. Die Infrastruktur für den Import entsteht in Windeseile. In Hamburg und Brunsbüttel sollen 2026 neue Terminals den Betrieb aufnehmen.

Im Wasserstoffbereich war Japan schon oft seiner Zeit voraus. Im Jahr 2014 beschloss die japanische Regierung ihren vierten strategischen Energieplan. Wasserstoff und Brennstoffzellen standen bereits damals hoch im Kurs. Zugleich sollten verschiedene Importoptionen untersucht werden. Eine davon war Ammoniak.

Ammoniak besteht, wie die chemische Formel NH3 verrät, aus Stickstoff und Wasserstoff. Hergestellt aus elektrolytisch und mit erneuerbaren Energien gewonnenem Wasserstoff sowie Stickstoff aus der Umgebungsluft, könnte es zu einem klimafreundlichen Energieträger der Zukunft werden. Im Gegensatz zu reinem Wasserstoff ist es vergleichsweise leicht zu transportieren: Ammoniak wird unter Umgebungsdruck „schon“ bei -33 °C oder unter knapp 9 bar bei 20 °C flüssig. Auch die Energiedichte von flüssigem Ammoniak liegt mit 11,4 GJ/m3 merklich über der von flüssigem Wasserstoff (8,52 GJ/m3).

Cracken frisst Energie

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Mit sogenannten Crackern lässt sich das Ammoniak grundsätzlich wieder in Wasserstoff und Stickstoff zerlegen. Doch dabei handelt es sich um einen endothermen Prozess. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI warnt in einer Metastudie zum Wasserstoffimport daher vor hohen Umwandlungsverlusten und hohen Kosten, wenn man Ammoniak als Träger nutzt, um am Ende wieder Wasserstoff zu erhalten.

Doch das ist gar nicht für alle Anwendungen nötig, denn Ammoniak lässt sich auch direkt als Brennstoff nutzen. Vor allem im Schiffsverkehr gilt Ammoniak als aussichtsreicher Treibstoff. Japan will das stechend riechende Gas vor allem in Kohlekraftwerken einsetzen. Einen Testlauf gab es schon. Ab 2021 haben die Firmen JERA und IHI in einem Gigawatt-Kohlekraftwerk 20 Prozent des Brennstoffs durch Ammoniak ersetzt. Nun entstehen erste kommerzielle Terminals. Ein Konsortium rund um Mitsubishi will ein Terminal im Hafen von Namikata auf Ammoniak umrüsten, und auch das Duo IHI und Vopak prüft, wo in Japan sich weitere Importterminals bauen lassen.

Europa macht Tempo

Seit der Energiekrise drückt auch Europa auf die Tube. Dabei kommt es gelegen, dass es für Ammoniak bereits kommerzielle Logistikprozesse gibt. Rund 20 Millionen Tonnen werden jährlich verschifft, vor allem für die Herstellung von Düngemitteln. Dass der Düngemittelriese Yara International mit 15 Schiffen und dem Zugang zu 18 Ammoniakterminals das nach eigenen Angaben größte Logistiknetzwerk dafür betreibt, überrascht daher nicht. Doch wenn Ammoniak zum Energieträger werden soll, wird der Transport noch deutlich zunehmen.

Anfang 2024 veröffentlichte das niederländische Institute for Sustainable Process Technology (ISPT) eine „Clean Ammonia Roadmap“. Dieser zufolge könnten allein im Industriecluster Antwerpen-Rotterdam-Rhein-Ruhr bis zu 25 Millionen Tonnen „sauberes“ Ammoniak erzeugt und importiert werden. Der Hafen von Rotterdam könnte sich dabei zum zentralen Umschlag- und Lagerplatz entwickeln. Nach Deutschland könnten laut der ISPT-Studie aus den Niederlanden und Belgien bis zu drei Millionen Tonnen jährlich weitertransportiert werden.

Neue und umgerüstete Terminals

Um Ammoniak direkt nach Deutschland zu bringen, sollen mehrere Terminals entstehen beziehungsweise erweitert werden. In Hamburg hat das Hafenunternehmen HHLA im Oktober 2022 testweise Ammoniak per Container aus Abu Dhabi importiert, mit dem der Kupferhersteller Aurubis den Ersatz von Erdgas proben konnte – eine Aktion, die eher symbolisch anmutet. Für den echten Einsatz plant das Energieunternehmen Mabanaft eine Importkapazität von 600.000 Tonnen jährlich, die ab 2026 bereitstehen soll.

Auf dem von Mabanafts Tochtergesellschaft Oiltanking Deutschland betriebenen Tankterminal Blumensand soll auch ein Tank zur Lagerung von flüssigem Ammoniak entstehen. Ein Cracker soll das Ammoniak zu Stickstoff und Wasserstoff aufspalten können. Zur Vorbereitung des Genehmigungsverfahrens hat mittlerweile ein sogenannter Scoping-Termin mit der Umweltbehörde stattgefunden, bei dem gemeinsam mit direkt betroffenen Nachbarn, Umweltverbänden und weiteren Fachleuten der Umfang der freiwilligen Umweltverträglichkeitsprüfung diskutiert wurde.

Über das neue Terminal in Brunsbüttel will RWE jährlich rund 300.000 Tonnen grünes Ammoniak importieren, auch hier ist 2026 als Startjahr anvisiert. So richtig viel ist das nicht, wenn man es mit dem geplanten LNG-Terminal vergleicht, über das jährlich 8 Milliarden Kubikmeter verflüssigtes Erdgas nach Deutschland kommen sollen. Vergleicht man den Energiegehalt, geht es um 1.560 GWh Ammoniak und 80.000 GWh LNG.

RWE kündigte ebenfalls an, einen Cracker zu bauen, der einen Teil des Ammoniaks wieder in Wasserstoff und Stickstoff zerlegen soll. Durch den Energieverlust wird also das Verhältnis von Ammoniak und LNG noch weiter auseinanderdriften. RWE betont allerdings, dass eine Umrüstung des LNG-Terminals auf Ammoniak später möglich sein soll.

Weniger Schlagzeilen als die geplanten Neubauten machen dagegen die beiden vorhandenen Terminals von Yara in Brunsbüttel und Rostock, die der Konzern bisher nur für den Eigenbedarf nutzte. Schon dafür kommen jährlich rund 600.000 Tonnen Ammoniak in Rostock an. Insgesamt wäre Yara nach eigenen Angaben in der Lage, 3 Millionen Tonnen sauberes Ammoniak zu liefern, wenn die Nachfrage vorhanden sei.

Distribution per Bahn oder Pipeline

Einer der ersten Kunden von Yara könnte das Leipziger Gasunternehmen VNG sein. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung haben die beiden Firmen im Frühjahr 2023 unterzeichnet. Auch Mabanaft in Hamburg hat mit dem Prozessgas-Hersteller Air Products bereits einen Ankerkunden benannt. RWE prüft derweil, ob und wie sich das Ammoniak auf dem Schienenweg in Deutschland weitertransportieren lässt. Mit an Bord ist dabei der Schienenlogistiker VTG.

Der Transport von Ammoniak per Bahn ist nicht neu, doch im Vergleich zur See birgt er ein höheres Risiko. Ammoniak riecht schließlich nicht nur unangenehm, sondern greift auch die Atemwege an. In der Vergangenheit kam es beim Transport per Zug und Lkw durch belebte Gegenden immer wieder zu Unfällen mit Verletzten oder gar Toten, unter anderem in Serbien im Dezember 2022 und im September 2023 im US-Bundesstaat Iowa. Der bulgarische Düngerkonzern Agropolychim investiert nach dem Unfall nun in eine neue Flotte von Ammoniaktankzügen.

Laut einer Studie des niederländischen Think Tanks ISPT könnten Pipelines den Transport von Ammoniak über Land deutlich sicherer machen. Rund 7.600 Kilometer Ammoniakpipelines gebe es bisher weltweit. In den vergangen 50 Jahren habe es lediglich elf Unfälle gegeben, bei keinem davon seien Menschen gestorben.


Abb. 2: Ab 2030 wollen LOTTE Chemical, Mitsubishi und RWE gemeinsam Ammoniak in Texas erzeugen
Grafik: RWE

Woher kommt grünes Ammoniak?

Bevor das Ammoniak nach Deutschland importiert werden kann, muss es allerdings erst einmal hergestellt werden. Ein Hotspot dafür wird voraussichtlich Namibia mit seinem H2-Megaprojekt Hyphen Hydrogen Energy sein. Mit dem deutschen Unternehmen Enertrag als Anteilseigner ist der Weg des Wasserstoffs ein Stück weit vorgezeichnet. Eine Million Tonnen Ammoniak, erzeugt mit Wind- und Solarenergie, soll das Megaprojekt liefern. 300.000 Tonnen davon hat sich bereits RWE mittels einer Absichtserklärung reserviert. Doch schaut man auf die von ISPT genannten Mengen, wird auch die bisher anvisierte Produktion in Namibia nicht ausreichen.

RWE berichtet daher auch von einer Partnerschaft mit der koreanischen LOTTE Chemical und dem japanischen Mitsubishi-Konzern. Gemeinsam prüfen die Konzerne den Aufbau einer Produktion von bis zu 10 Millionen Tonnen Ammoniak jährlich im US-Bundesstaat Texas. Dabei geht es sowohl um „blaues“ als auch „grünes“ Ammoniak, entstehen soll die Produktion ab 2030. Damit erfüllt RWE auch gleich eine Empfehlung des Fraunhofer ISI für den Import von Wasserstoffderivaten: sich mit anderen künftigen Importnationen zusammenzuschließen, statt eine Konkurrenzsituation aufzubauen.

Autorin: Eva Augsten

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