Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Eva Augsten

22. Mai 2024

Titelbild: Publikumswirksam, aber unpraktisch: Ammoniak-Testlieferung per Container im Jahr 2022

Bildquelle: Senatskanzlei Hamburg

Eine neue Energieinfrastruktur entsteht

Grünes“ und „blaues“ Ammoniak von anderen Kontinenten soll nach Europa kommen

Mit Elektrolysewasserstoff hergestelltes Ammoniak soll zum grünen Energieträger und zur nachhaltigen Basischemikalie der Zukunft werden. Die Infrastruktur für den Import entsteht in Windeseile. In Hamburg und Brunsbüttel sollen 2026 neue Terminals den Betrieb aufnehmen.

Im Wasserstoffbereich war Japan schon oft seiner Zeit voraus. Im Jahr 2014 beschloss die japanische Regierung ihren vierten strategischen Energieplan. Wasserstoff und Brennstoffzellen standen bereits damals hoch im Kurs. Zugleich sollten verschiedene Importoptionen untersucht werden. Eine davon war Ammoniak.

Ammoniak besteht, wie die chemische Formel NH3 verrät, aus Stickstoff und Wasserstoff. Hergestellt aus elektrolytisch und mit erneuerbaren Energien gewonnenem Wasserstoff sowie Stickstoff aus der Umgebungsluft, könnte es zu einem klimafreundlichen Energieträger der Zukunft werden. Im Gegensatz zu reinem Wasserstoff ist es vergleichsweise leicht zu transportieren: Ammoniak wird unter Umgebungsdruck „schon“ bei -33 °C oder unter knapp 9 bar bei 20 °C flüssig. Auch die Energiedichte von flüssigem Ammoniak liegt mit 11,4 GJ/m3 merklich über der von flüssigem Wasserstoff (8,52 GJ/m3).

Cracken frisst Energie

---------- Werbung ----------
Matthews Deutsch

Mit sogenannten Crackern lässt sich das Ammoniak grundsätzlich wieder in Wasserstoff und Stickstoff zerlegen. Doch dabei handelt es sich um einen endothermen Prozess. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI warnt in einer Metastudie zum Wasserstoffimport daher vor hohen Umwandlungsverlusten und hohen Kosten, wenn man Ammoniak als Träger nutzt, um am Ende wieder Wasserstoff zu erhalten.

Doch das ist gar nicht für alle Anwendungen nötig, denn Ammoniak lässt sich auch direkt als Brennstoff nutzen. Vor allem im Schiffsverkehr gilt Ammoniak als aussichtsreicher Treibstoff. Japan will das stechend riechende Gas vor allem in Kohlekraftwerken einsetzen. Einen Testlauf gab es schon. Ab 2021 haben die Firmen JERA und IHI in einem Gigawatt-Kohlekraftwerk 20 Prozent des Brennstoffs durch Ammoniak ersetzt. Nun entstehen erste kommerzielle Terminals. Ein Konsortium rund um Mitsubishi will ein Terminal im Hafen von Namikata auf Ammoniak umrüsten, und auch das Duo IHI und Vopak prüft, wo in Japan sich weitere Importterminals bauen lassen.

Europa macht Tempo

Seit der Energiekrise drückt auch Europa auf die Tube. Dabei kommt es gelegen, dass es für Ammoniak bereits kommerzielle Logistikprozesse gibt. Rund 20 Millionen Tonnen werden jährlich verschifft, vor allem für die Herstellung von Düngemitteln. Dass der Düngemittelriese Yara International mit 15 Schiffen und dem Zugang zu 18 Ammoniakterminals das nach eigenen Angaben größte Logistiknetzwerk dafür betreibt, überrascht daher nicht. Doch wenn Ammoniak zum Energieträger werden soll, wird der Transport noch deutlich zunehmen.

Anfang 2024 veröffentlichte das niederländische Institute for Sustainable Process Technology (ISPT) eine „Clean Ammonia Roadmap“. Dieser zufolge könnten allein im Industriecluster Antwerpen-Rotterdam-Rhein-Ruhr bis zu 25 Millionen Tonnen „sauberes“ Ammoniak erzeugt und importiert werden. Der Hafen von Rotterdam könnte sich dabei zum zentralen Umschlag- und Lagerplatz entwickeln. Nach Deutschland könnten laut der ISPT-Studie aus den Niederlanden und Belgien bis zu drei Millionen Tonnen jährlich weitertransportiert werden.

Neue und umgerüstete Terminals

Um Ammoniak direkt nach Deutschland zu bringen, sollen mehrere Terminals entstehen beziehungsweise erweitert werden. In Hamburg hat das Hafenunternehmen HHLA im Oktober 2022 testweise Ammoniak per Container aus Abu Dhabi importiert, mit dem der Kupferhersteller Aurubis den Ersatz von Erdgas proben konnte – eine Aktion, die eher symbolisch anmutet. Für den echten Einsatz plant das Energieunternehmen Mabanaft eine Importkapazität von 600.000 Tonnen jährlich, die ab 2026 bereitstehen soll.

Auf dem von Mabanafts Tochtergesellschaft Oiltanking Deutschland betriebenen Tankterminal Blumensand soll auch ein Tank zur Lagerung von flüssigem Ammoniak entstehen. Ein Cracker soll das Ammoniak zu Stickstoff und Wasserstoff aufspalten können. Zur Vorbereitung des Genehmigungsverfahrens hat mittlerweile ein sogenannter Scoping-Termin mit der Umweltbehörde stattgefunden, bei dem gemeinsam mit direkt betroffenen Nachbarn, Umweltverbänden und weiteren Fachleuten der Umfang der freiwilligen Umweltverträglichkeitsprüfung diskutiert wurde.

Über das neue Terminal in Brunsbüttel will RWE jährlich rund 300.000 Tonnen grünes Ammoniak importieren, auch hier ist 2026 als Startjahr anvisiert. So richtig viel ist das nicht, wenn man es mit dem geplanten LNG-Terminal vergleicht, über das jährlich 8 Milliarden Kubikmeter verflüssigtes Erdgas nach Deutschland kommen sollen. Vergleicht man den Energiegehalt, geht es um 1.560 GWh Ammoniak und 80.000 GWh LNG.

RWE kündigte ebenfalls an, einen Cracker zu bauen, der einen Teil des Ammoniaks wieder in Wasserstoff und Stickstoff zerlegen soll. Durch den Energieverlust wird also das Verhältnis von Ammoniak und LNG noch weiter auseinanderdriften. RWE betont allerdings, dass eine Umrüstung des LNG-Terminals auf Ammoniak später möglich sein soll.

Weniger Schlagzeilen als die geplanten Neubauten machen dagegen die beiden vorhandenen Terminals von Yara in Brunsbüttel und Rostock, die der Konzern bisher nur für den Eigenbedarf nutzte. Schon dafür kommen jährlich rund 600.000 Tonnen Ammoniak in Rostock an. Insgesamt wäre Yara nach eigenen Angaben in der Lage, 3 Millionen Tonnen sauberes Ammoniak zu liefern, wenn die Nachfrage vorhanden sei.

Distribution per Bahn oder Pipeline

Einer der ersten Kunden von Yara könnte das Leipziger Gasunternehmen VNG sein. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung haben die beiden Firmen im Frühjahr 2023 unterzeichnet. Auch Mabanaft in Hamburg hat mit dem Prozessgas-Hersteller Air Products bereits einen Ankerkunden benannt. RWE prüft derweil, ob und wie sich das Ammoniak auf dem Schienenweg in Deutschland weitertransportieren lässt. Mit an Bord ist dabei der Schienenlogistiker VTG.

Der Transport von Ammoniak per Bahn ist nicht neu, doch im Vergleich zur See birgt er ein höheres Risiko. Ammoniak riecht schließlich nicht nur unangenehm, sondern greift auch die Atemwege an. In der Vergangenheit kam es beim Transport per Zug und Lkw durch belebte Gegenden immer wieder zu Unfällen mit Verletzten oder gar Toten, unter anderem in Serbien im Dezember 2022 und im September 2023 im US-Bundesstaat Iowa. Der bulgarische Düngerkonzern Agropolychim investiert nach dem Unfall nun in eine neue Flotte von Ammoniaktankzügen.

Laut einer Studie des niederländischen Think Tanks ISPT könnten Pipelines den Transport von Ammoniak über Land deutlich sicherer machen. Rund 7.600 Kilometer Ammoniakpipelines gebe es bisher weltweit. In den vergangen 50 Jahren habe es lediglich elf Unfälle gegeben, bei keinem davon seien Menschen gestorben.

RWE Texas Kopie
Abb. 2: Ab 2030 wollen LOTTE Chemical, Mitsubishi und RWE gemeinsam Ammoniak in Texas erzeugen
Grafik: RWE

Woher kommt grünes Ammoniak?

Bevor das Ammoniak nach Deutschland importiert werden kann, muss es allerdings erst einmal hergestellt werden. Ein Hotspot dafür wird voraussichtlich Namibia mit seinem H2-Megaprojekt Hyphen Hydrogen Energy sein. Mit dem deutschen Unternehmen Enertrag als Anteilseigner ist der Weg des Wasserstoffs ein Stück weit vorgezeichnet. Eine Million Tonnen Ammoniak, erzeugt mit Wind- und Solarenergie, soll das Megaprojekt liefern. 300.000 Tonnen davon hat sich bereits RWE mittels einer Absichtserklärung reserviert. Doch schaut man auf die von ISPT genannten Mengen, wird auch die bisher anvisierte Produktion in Namibia nicht ausreichen.

RWE berichtet daher auch von einer Partnerschaft mit der koreanischen LOTTE Chemical und dem japanischen Mitsubishi-Konzern. Gemeinsam prüfen die Konzerne den Aufbau einer Produktion von bis zu 10 Millionen Tonnen Ammoniak jährlich im US-Bundesstaat Texas. Dabei geht es sowohl um „blaues“ als auch „grünes“ Ammoniak, entstehen soll die Produktion ab 2030. Damit erfüllt RWE auch gleich eine Empfehlung des Fraunhofer ISI für den Import von Wasserstoffderivaten: sich mit anderen künftigen Importnationen zusammenzuschließen, statt eine Konkurrenzsituation aufzubauen.

Autorin: Eva Augsten

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

preloader