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HyCentA wird zum COMET-K1-Kompetenzzentrum

HyCentA wird zum COMET-K1-Kompetenzzentrum

Österreich setzt auf H2-Spitzenforschung

Schon seit 2005 existiert Österreichs erstes und führendes Wasserstoffforschungszentrum HyCentA. Nach einem Aufstieg im COMET-Förderprogramm (Competence Centers for Excellent Technologies) setzt es seine Forschung am Campus der TU Graz nun als K1-Kompetenzzentrum fort.

Das HyCentA, Hydrogen Research Center Austria, an der TU Graz ist Österreichs führendes Forschungszentrum für Wasserstofftechnologien. Seit der Gründung im Jahr 2005 ist HyCentA darauf spezialisiert, neuartige technologische Lösungen für Elektrolyse, H2-Speicherung und Brennstoffzellen zu entwickeln, Innovationen gemeinsam mit Partnern umzusetzen und Technologien von der Idee bis zur Marktreife zu begleiten.

Alexander Trattner, wissenschaftlicher Leiter des HyCentA, erklärt: „Wir wollen die nachhaltige Wasserstoffgesellschaft wesentlich voranbringen, denn wir sind überzeugt davon, dass grüner Wasserstoff Teil der Lösung für ein klimaneutrales Energiesystem sein muss. Die Genehmigung des COMET-K1-Zentrums ermöglicht uns die umfassende Erforschung der besonders zukunftsrelevanten Wasserstofftechnologien Elektrolyseure, Speichersysteme und Brennstoffzellen. Wir können uns damit auch verstärkt der gesamthaften Betrachtung von Wasserstoff in den Bereichen Elektrizität, Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie widmen. Basierend auf der jahrzehntelangen Erfahrung in der Forschung und Entwicklung sowie Hunderten von erfolgreich durchgeführten Projekten ermöglicht das COMET-K1-Programm langfristig orientierte Forschung am HyCentA.“

COMET-Netzwerk
COMET baut Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft. Es ist das österreichische Flaggschiff-Programm von Wirtschaft und Wissenschaft zur Förderung von Spitzenforschung. Es fördert den Aufbau von Kompetenzzentren für exzellente Technologien – den COMET-Zentren.

Das etwa 80-köpfige Team des HyCentA arbeitet in vier Areas organisiert. Angestrebt wird eine Kostensenkung der Technologien, die Verringerung der Degradation und eine Erhöhung der Effizienz elektrochemischer Zellen. Zudem sollen die ideale Kombination der Schlüsseltechnologien und Optimierungspotenziale durch die Kopplung der Sektoren Energiewirtschaft, Industrie und Mobilität identifiziert werden. Letztendlich wird dadurch ein höherer Eigenversorgungsgrad mit erneuerbarer Energie, eine Steigerung der Resilienz des Energiesystems und die Standortsicherung durch die Schaffung heimischer Wertschöpfung angestrebt. Insgesamt forschen rund 40 führende nationale und internationale wissenschaftliche Partner und Unternehmen zusammen mit dem HyCentA im COMET-Programm an H2-Technologien.

Area 1: Elektrolyse und Power-to-X

Die Area 1 deckt alle Technologien ab, die der nachhaltigen und emissionsfreien Herstellung von Wasserstoff und Chemikalien zur Speicherung von Wasserstoff dienen. Die wichtigsten Technologien im Bereich der H2-Erzeugung mittels Elektrolyse sind die bereits ausgereifteren AEL und PEMEL, Anwendungen im mittleren Technology-readiness-level (AEMEL und SOEL) und vielversprechende Ansätze mit niedrigem TRL (PCCEL). Ergänzend werden Ansätze für die Wasserspaltung durch Solarenergie (Photoelektrolyse) und die elektrochemische Herstellung von Chemikalien wie Wasserstoffperoxid und Ammoniak erforscht.

Das Ziel besteht in der Weiterentwicklung der Technologien, beginnend bei den Materialien über Zelle und Stack bis hin zum System. Obwohl die allgemeinen Ziele – Erhöhung der Lebensdauer und der Effizienz sowie Senkung der Kosten – für alle Technologien gelten, unterscheiden sich die spezifischen Forschungsansätze. In Bezug auf Effizienzsteigerung sind Design und Betriebsstrategien zu optimieren. In Anbetracht der langen Lebensdauer von Elektrolyseuren wird ein Schwerpunkt auf beschleunigte Alterungstests gelegt. Im Hinblick auf die Fertigungsprozesse wird auf eine stärkere Automatisierung der Herstellungs- und Montageprozesse fokussiert.

Area 2: Green Energy and Industry

Die Area 2 konzentriert sich auf Schlüsseltechnologien, die für H2-Anwendungen im Energie- und Industriesektor unerlässlich sind. Es werden stationäre und transportable Speichertechnologien auf der Basis von gasförmigen Druckspeichern, Metallhydridspeichern und der flüssigen Speicherung betrachtet. Synergien aus dem Zusammenspiel von stationären und On-board-Anwendungen werden durch die Entwicklung eines intelligenten Zusammenspiels von Verteilungs- und Logistiksystemen mit stationären Infrastrukturen genutzt. Geforscht wird unter anderem auch an elektrochemischer Kompression und Aufreinigung sowie an der Verstromung mittels stationärer Brennstoffzellen. Neben der Effizienz der betrachteten Technologien stehen ebenso die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Anlagen im Mittelpunkt der Forschung.

Area 3: Green Mobility

Den Schwerpunkt der Area 3 bilden Arbeiten an BZ- und H2-Speichersystemen, insbesondere für die Mobilitätsanwendungen. Dazu gehören PEM- und neue AEM-Zellen, Stacks und Systeme sowie optimierte bestehende und alternative Speichersysteme. Die Forschungsarbeiten zielen auf die Generierung eines tieferen Verständnisses der Mechanismen von Brennstoffzellen und Speichersystemen ab, um die Probleme in Bezug auf Leistung, Degradation, Kosten und Industrialisierung zu verstehen und durch geeignete Gegenmaßnahmen zu lösen.

Relevante Ergebnisse für die Schnittstellendefinition auf Ebene der Fahrzeugintegration und der Betankungsinfrastruktur werden genutzt, um die bestmögliche Basis für zukünftige Entwicklungen zu schaffen. Wesentliche Erkenntnisse werden für eine optimierte Produktion und Fertigung genutzt, um eine schnelle Marktreife und Wirtschaftlichkeit zu erreichen.

Area 4: Circularity and System Optimization

In Area 4 werden lückenlose Tool-Chains entwickelt, um resiliente, sektorübergreifende Energiesysteme auf Basis von erneuerbarer Primärenergie sowie Wasserstoff zu untersuchen und zu optimieren. Mit diesen Simulationswerkzeugen können Betriebsstrategien für PtX-Anlagen entwickelt und Business Cases gestaltet werden.

Neuartige Test- und Messinstrumente für Brennstoffzellen und Elektrolyse sowie zugrundeliegende Mess- und Diagnosemethoden werden entwickelt, um Erkenntnisse über Degradationseffekte, Gesundheitszustand und vorausschauende Wartung zu gewinnen. Effiziente und kostengünstige Messwerkzeuge und -systeme werden für Anwendungen in der gesamten H2-Wertschöpfungskette umgesetzt, und ein umfassendes Wissen über die Eignung und Kompatibilität von Werkstoffen in Verbindung mit H2-Anwendungen wird aufgebaut.

Zur Gestaltung einer Kreislaufwirtschaft werden Analysen und Konzeptentwicklungen zu systemischen und ökonomischen Marktmodellen und Recyclingpotenzialen synoptisch übergeführt. Darüber hinaus werden zukünftige Potenziale von Prozessen und Technologien zum Recycling bewertet und im repräsentativen Small Scale evaluiert. Ein Ökobilanzmodell für Recyclingszenarien wird entwickelt, das neue und recycelte Materialien und Komponenten methodisch gegenüberstellt.

Testcenter für H2, BZ, Elektrolyseure

Testing ist integraler Bestandteil des Forschungsportfolios des HyCentA. In den Laboren und Prüfständen am HyCentA werden Performance, Sicherheit, Degradationsverhalten und Zuverlässigkeit im Realbetrieb mit Wasserstoff geprüft und getestet. Hierfür stehen eine Fülle von Prüfständen und Laboren zur Verfügung, die den hohen und maßgeschneiderten Anforderungen von etablierten Test- und Prüfroutinen genauso entsprechen wie spezialisierten Kundenanforderungen.

Die verschiedenen Tests, die auf den Prüfständen und in den Laboren durchgeführt werden können, umfassen beispielhaft Qualitätsuntersuchungen, Kalibrierdienstleistungen, Leistungs- und Effizienztests, Sicherheitstests, Lebensdauertests und Tests unter realen Umweltbedingungen. Das 1.200 m² große Testcenter umfasst unter anderem zwei Einzelzellen-Elektrolyseteststände, zwei Short-Stack-Elektrolyseteststände, einen Hochdruckprüfstand bis 1.000 bar mit Klimakammer, zwei Multifunktionsprüfstände, einen BZ-Kathodensubsystemprüfstand, einen BZ-Systemprüfstand bis 160 kW mit Klimakammer, ein Gasanalyselabor, ein analytisches und elektrochemisches Labor, einen elektrochemischen Kompressionsteststand, eine 350- und 700-bar-H2-Tankstelle, eine Testzelle für H2-Permeation und einen Autoklav zur H2-Materialkompatibilitätsbestimmmung von Proben.

TU Graz und HyCentA

Das HyCentA ist ein gemeinwohlorientiertes Forschungszentrum. Die Forschenden arbeiten in enger Kooperation mit der TU Graz schwerpunktmäßig in der industriellen Forschung in den Bereichen Elektrolyse, Brennstoffzelle und H2-Infrastrukturen. Gesellschafter des HyCentA sind neben der TU Graz (50 Prozent Anteile) auch die Forschungsgesellschaft für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik, Magna und die OMV. Finanziert wird das COMET-Kompetenzzentrum vom Bund – konkret vom Klimaschutzministerium (BMK) und dem Wirtschaftsministerium (BMAW) – und den Bundesländern Steiermark, Oberösterreich, Tirol und Wien. Für das professionelle Programm-Management ist seit mehr als 20 Jahren die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) verantwortlich.

Die TU Graz ist die traditionsreichste technisch-naturwissenschaftliche Forschungs- und Bildungsinstitution in Österreich. Seit mehr als 50 Jahren forscht die TU Graz erfolgreich in den Bereichen Elektrochemie und Wasserstoff. Heute ist der TU-Graz-Campus mit 160 Köpfen in der H2-Forschung und einer einzigartigen Labor- und Forschungsinfrastruktur in der europäischen Spitzengruppe. Die TU Graz deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette der erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft von Erzeugung über Speicherung und Verteilung bis zur Anwendung ab und ist ein One-Stop-Shop der Wasserstoff-Technologieforschung, beginnend bei den Grundlagen bis hin zu angewandten Technologien und systemischen Aspekten.

Gefahrenabwehr beim Umgang mit Wasserstoff

Gefahrenabwehr beim Umgang mit Wasserstoff

EU-Projekte zeigen Notwendigkeit neuer Sicherheitsvorkehrungen

Mit Spannung sind die Ergebnisse der EU-Projekte HyResponder und HyTunnel-CS erwartet worden. In diesen beiden Projekten haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Experten aus der Industrie, der Feuerwehr und von Forschungseinrichtungen mit Bränden und Unfällen bei Wasserstoffanwendungen beschäftigt. Nunmehr ist bei der International Fire Academy (IFA) nachzulesen: „Wasserstoff-Fahrzeuge in Tunneln – große Gefahr für Einsatzkräfte!“

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) hat die Bundesregierung einen Handlungsrahmen für die künftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung sowie die Weiterverwendung von Wasserstoff und damit für die entsprechenden Innovationen festgelegt. Wasserstoff kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten – als Kraftstoff für Autos, als Rohstoff für die Industrie oder als Brennstoff für Heizungen. Als vielseitiger Energieträger ist er in allen Sektoren einsetzbar und übernimmt somit eine Schlüsselfunktion in der Energiewende.

In Power-to-Gas-Anlagen wird grüner Wasserstoff CO2-neutral aus erneuerbaren Energien gewonnen, die sich so effektiv im Gasnetz speichern und transportieren lassen. Entsprechend euphorisch sind die Vertreter dieser Technologie.

Wasserstoff ist allerdings – hier genügt ein Blick in das Sicherheitsdatenblatt – ein extrem entzündbares Gas, das nunmehr immer häufiger und in größeren Mengen gelagert und transportiert wird. Damit sind die Feuerwehren und Behörden in Genehmigungsverfahren und zwangsläufig auch bei Einsätzen konfrontiert, wie nachfolgende Meldungs-Beispiele zeigen:

  • Lastwagen gerät an Wasserstofftankstelle in Brand
  • Zwei Schwerverletzte nach Wasserstofftank-Explosion
  • Wasserstofftankstelle explodiert
  • Schwierige Bergung – Unfall mit „Wasserstoff-Fahrzeug“

Herkömmliche Kraftstoffe wie Benzin und Diesel sind im Einsatzgeschehen der Feuerwehren bekannt. Bisher spielen alternative Kraftstoffe wie verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas – LNG) oder Wasserstoff dabei eine noch sehr untergeordnete Rolle. Daher sind die Erfahrungen von Einsatzkräften damit auch eher gering.

Nun hat die Energiewende an Fahrt aufgenommen. Bedingt durch den Ukraine-Konflikt steigt die Nachfrage nach LNG und Wasserstoff stark an. Dazu kommt, dass die Erdgasnetze zukünftig mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Zunächst mit einer Zumischung. Eine Vielzahl an technischen Regelungen und Forschungen ist dafür notwendig und wird derzeit schon in den Gremien abgestimmt und etabliert.

Das erfordert bei den Behörden und Einsatzorganisationen entsprechende Ressourcen für die Bearbeitung und für die Aus- und Fortbildung sowie für spezielle Einsatzmittel.

Wir beobachten, dass Wasserstoffanwendungen bereits etabliert sind, die Einsatzkräfte jedoch oft noch nicht über die entsprechenden Fähigkeiten zur Gefahrenabwehr verfügen.

EU-Projekte HyResponder und HyTunnel-CS

Im Rahmen des HyResponder-Projekts wurde in den letzten Jahren ein „European Emergency Response Guide“ entwickelt. Dieser wird gerade auf Länderebene präsentiert. In Deutschland fand die Veranstaltung dazu Ende Mai 2023 in Oldenburg statt, um die vorgeschlagenen Reaktionen auf „Wasserstoff im Einsatzfall“ in die Deutschen Fachkreise der Brandbekämpfung zu kommunizieren, in Österreich gab es die entsprechende Veranstaltung bereits im April.

Das wichtigste Ergebnis des europäischen Forschungsprojektes HyTunnel-CS, in dem die IFA die Perspektive der Feuerwehren vertrat, ist: „Gegen Rauch, Hitze und Stichflammen können sich Feuerwehr-Einsatzkräfte schützen, nicht aber gegen die Druckwelle von Explosionen von Wasserstofffahrzeugen in Tunneln. Deshalb gilt es, sicheren Abstand zu halten. Wie aber sollen dann Menschen gerettet und Brände wirksam bekämpft werden? Auf diese Frage gibt es noch keine befriedigende Antwort – obwohl immer mehr wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zugelassen werden. Deshalb müssen die Feuerwehren jetzt sofort an geeigneten Lösungen arbeiten.“

Neben den Empfehlungen aus den Forschungsprojekten gibt es national und international noch andere wichtige Einsatzhilfen, wie etwa die ISO 17840 als erste weltweite Norm für die Feuerwehren. Zu wissen, wie die Energie in einem Fahrzeug gespeichert wird, kann den Unterschied bedeuten zwischen einem erfolgreichen Einsatz und einer möglicherweise unerwarteten Explosion, einem Gasaustritt, einer Stichflamme oder einem tödlichen Stromschlag.

                    

Mehrere Hunderttausend Benutzer haben die Euro Rescue App heruntergeladen. Sie bietet Zugriff auf 1.400 Fahrzeugrettungsblätter in vier Sprachen. Der Internationale Feuerwehrverband (CTIF) forciert die Verbreitung und die Nutzung.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Einsatzkräfte den Fahrzeugtyp identifizieren können. Bei Bränden etwa in Tunneln oder Tiefgaragen ist das sehr schwer. Darauf zielt auch die erwähnte Aussage der IFA ab, denn die Einsatzkräfte gehen wie gewohnt vor und treffen dann plötzlich auf ein Brennstoffzellenfahrzeug. Selbst wenn das richtige Rettungsdatenblatt gefunden wird, sind die Informationen, etwa über notwendige Sicherheitsabstände für die Einsatzkräfte beim Brand des H2-Fahrzeuges, „ausbaufähig“.

Bei Bränden und Unfällen ist zu beachten, dass immer ein Szenario zu betrachten ist. Dazu zählt zwingend die Umgebung der Einsatzstelle, die bei den Einsatzplanungen mitzuberücksichtigen ist. Der Brennstoffzellenbus brennt beispielsweise nachts in der Garage, weil er neben einem brennenden anderen Fahrzeug steht. Der H2-Bus ist dabei nicht die Ursache, aber er verschärft das Szenario wesentlich. Es sind zwei grundlegende Bereiche zu betrachten: Die Wasserstoffanlage (H2-Bus, H2-Pkw) ist selbst die Ursache, oder – das ist wahrscheinlicher – die Wasserstoffanlage wird durch ein externes Ereignis betroffen. Im Genehmigungsverfahren müssen beide Varianten betrachtet werden.

Künstliche Intelligenz hat großes Potential

Auf der anderen Seite stehen durch neue Anwendungen der Digitalisierung, insbesondere durch die künstliche Intelligenz (KI), künftig Möglichkeiten rascher Informationsbeschaffung zur Verfügung, um die Gefahrenabwehr zu unterstützen. Viel kritisiert ist die lange Bearbeitungszeit bei den Behörden für ein Genehmigungsverfahren. Hier verspricht die Politik eine wesentliche Beschleunigung. Gerade hier kann mit KI viel Zeit gespart werden.

Insbesondere kann die Feuerwehr mit einem geeigneten KI-Modul die eingereichten Unterlagen schnell analysieren und die Plausibilität prüfen. Für Einsätze in Explosionsbereichen können Roboter und Drohnen – mit KI – entscheidende Vorteile bringen. So kann ein Roboter beispielsweise eine Tiefgarage einscannen. Insbesondere können Brennstoffzellenfahrzeuge in Tiefgaragen und Tunnelanlagen ohne Gefährdung des Einsatzpersonals identifiziert werden.

Ein Lösungsansatz wäre es, Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen mit einem Chip auszustatten, damit der Roboter oder die Drohne Fahrzeuge rascher identifizieren kann. Mit Messtechnik am Roboter könnte man auch den Austritt von Wasserstoff detektieren.

Explosionslagen können in der Realität nicht geübt werden, daher bieten sich für das Training Virtual Reality (VR) beziehungsweise Augmented Reality (AR) an. Wie Abbildung 3 zeigt, kann man bereits mit herkömmlichen, kostenfrei zugänglichen Programmen ein brauchbares Einsatzleiter-Training realisieren.

Gratwanderung

Wenn die Feuerwehr eine Aus- und Fortbildung sowie spezielle Einsatzmittel benötigt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die H2-Technik fehlerhaft oder anfällig wäre. Es sind die neuen Szenarien (Massenunfall im Tunnel mit beteiligten H2-Lkw oder -Bussen), die das Risiko für die Einsatzkräfte wesentlich erhöhen.

Das alles ist in der Umsetzung „politisch brisant“, denn eigentlich sollte es bei Wasserstoff ja möglichst keine Probleme geben. Finanzielle Mittel für die Gefahrenabwehr sind „eher nicht“ vorgesehen. Die Einsatzorganisationen sind zunehmend mit einer Vielzahl an neuen Technologien und Energieträgern konfrontiert. Während der Umstellungsphase sind viele verschiedene Energieträger parallel in Anwendung. Für die Mitarbeiter im vorbeugenden Brand- und Gefahrenschutz sowie in der Einsatzplanung bedeutet das zurzeit häufig noch Neuland und „Learning by doing“. Der Arbeitsschutz ist dabei nicht nur für die H2-Tankstellenmitarbeiter und für die Fahrer der Tankwagen sicherzustellen, sondern auch im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung für die Einsatzkräfte.

Wie viel Fortbildung wollen wir unseren Feuerwehrangehörigen zukommen lassen? Derzeit gibt es noch keine speziellen Übungsanlagen in Deutschland. Die deutsche Innenministerin warnt vor „Anschlägen“ auf die Energieinfrastruktur, und auch gewalttätige Aktionen von Aktivisten sind zu berücksichtigen. Da ist nun die Einsatzplanung der Feuerwehr gefordert. Alternative Energien sind „eng“ damit verzahnt: Für die Gefahrenabwehr ist es sinnvoll, Synergieeffekte zu nutzen, beispielsweise sollten die Themen LNG und CNG bei den Wasserstofffortbildungen gleich mit eingebaut werden.

Literatur

  • mdr.de/nachrichten/sachsen/chemnitz/zwickau/brand-tankstelle-lkw-zapfsaeule-meerane-100.html
  • kleinezeitung.at/oesterreich/5779092/Niederoesterreich_Zwei-Schwerverletzte-nach-WasserstofftankExplosion
  • heise.de/autos/artikel/Wasserstofftankstelle-in-Norwegen-explodiert-4445144.html
  • noen.at/moedling/schwierige-bergung-unfall-mit-wasserstoff-fahrzeug-gumpoldskirchen-wasserstoff-bergung-133570154
  • ifa-swiss.ch/magazin/detail/wasserstoff-fahrzeuge-in-tunneln-grosse-gefahr-fuer-einsatzkraefte
  • ISO 17840: Die erste weltweite Norm für Feuerwehren | CTIF – International Association of Fire Services for Safer Citizens through Skilled Firefighters
  • Petter, F.: First on site: Decision-making training for incident commanders in vehicle fires, interne Studie, unveröffentlicht
  • 000 Nutzer haben die Euro Rescue App heruntergeladen – Zugriff auf 1.400 Fahrzeugrettungsblätter in 4 Sprachen | CTIF – Internationaler Verband der Feuerwehren für sicherere Bürger durch qualifizierte Feuerwehrleute

 

Der grüne Alkohol

Der grüne Alkohol

Die Potentiale von Methanol

Methanol ist schon heute einer der wichtigsten Grundstoffe für die Chemieindustrie und wird in den nächsten Jahrzehnten noch an Bedeutung gewinnen – für Kunststoffe aller Art ebenso wie für die Herstellung von E-Fuels. Dafür sind große Mengen an grünem Wasserstoff und nachhaltig gewonnenem CO2 nötig.

Formaldehyd, Essigsäure, Silikon, Olefine: Diese Zwischenprodukte in der Chemieindustrie brauchen in aller Regel Methanol als Basischemikalie. Der 2021 vom Branchenverband Methanol-Institut und der International Renewable Energy Agency (Irena) veröffentlichte „Innovation Outlook Renewable Methanol“ bezifferte die weltweite Jahresproduktion des Grundstoffs mit 98 Mio. Tonnen. Tendenz: schnell steigend.

Treiber ist laut dem Bericht vor allem die chinesische Chemieindustrie. Obendrein treibt der vielseitige Alkohol immer öfter Fahrzeuge an Land und im Wasser an – mit speziellen Motoren, Brennstoffzellen oder umgewandelt zu E-Fuels.

Bis 2050 könnte die weltweite Produktion bei 500 Mio. Tonnen jährlich liegen, schätzen Irena und das Methanol-Institute. Wenn diese wie bisher aus Gas und Kohle erzeugt werden, würden die Klimagasemissionen aus der Methanolerzeugung von derzeit 0,3 Gt CO2-Äquivalent jährlich auf 1,5 Gigatonnen steigen.

Ebenso wie die Stromerzeugung braucht also auch die Methanolerzeugung eine neue Basis. Laut einer Well-to-Wheel-Analyse würde ein Umstieg auf grünes Methanol die Emissionen um 65 bis 95 Prozent senken. E-Methanol, also mithilfe von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff hergestelltes Methanol, schneidet dabei im Schnitt deutlich besser ab als das Biomethanol.

Methanol als Kraftstoff immer wichtiger

Der grüne Alkohol hat großes Potenzial für eine klimafreundliche Wirtschaft. „Erneuerbares Methanol gehört zu den am einfachsten zu implementierenden nachhaltigen Alternativen, vor allem im Chemie- und Transportsektor“, heißt es in dem Irena-Report. Er ist leicht zu lagern und zu transportieren und kann nahezu nahtlos in der Industrie eingesetzt werden.

Die Rolle von Methanol als Kraftstoff wächst schon seit Mitte der 2000er Jahre. Teils ist es die Basis für Biodiesel oder dient als Grundstoff für Antiklopfmittel. Von Benzin bis LPG kann Methanol zudem verschiedensten Kraftstoffen in relativ großer Menge beigemischt werden. Das geschah auch in den Ölkrisen der 1970er und 1980er Jahre.

In den vergangenen Jahren wuchs vor allem die Rolle von reinem Methanol als Kraftstoff. In China und Israel sind bereits Lkw mit Methanolantrieb auf den Straßen unterwegs. Auch die Kombination mit Direktmethanol-Brennstoffzelle ist erprobt, sowohl als alleiniger Antrieb als auch als Reichweitenverlängerung für Elektrofahrzeuge.

Auf dem Meer könnte Methanol den schwefelhaltigen Schiffsdiesel ersetzen. Das würde der Luft nicht nur viel CO2 ersparen, sondern auch Schwefel- und Stickoxide. Zum Zeitpunkt der Studie zählten die Autoren bereits mehr als 20 große Methanolschiffe, die in Betrieb oder in Auftrag waren. Ein Beispiel ist die Stena Germanica, eine 50.000 Tonnen schwere und 32.000 PS starke Fähre, die zwischen Deutschland und Schweden unterwegs ist. Sie wurde in weniger als drei Monaten für den Betrieb auf Methanol umgerüstet.

Neben Methanol gilt auch Ammoniak als aussichtsreicher Kandidat für eine grüne Seeschifffahrt (s. HZwei-Heft April 2022).

Der Methanol-Bedarf weltweit steigt, ebenso die Produktionskapazitäten. Formaldehyd (z. B. für Leime, Harze, Desinfektionsmittel), Olefine (z. B. für Kunststoffe) und die Beimischung zu Kraftstoffen sind derzeit die häufigsten Verwendungen.

E-Methanol braucht Mega-Elektrolyseure

Zum Zeitpunkt der Studie erfasste das Autorenteam erst 0,2 Mio. Tonnen Methanol aus erneuerbaren Quellen, vor allem aus Biomasse. Doch Biomasse ist endlich, selbst wenn es gelingt, Abwasser, Schwarzlauge und Hausmüll als Quellen nutzbar zu machen. Nahezu unbegrenzt ist hingegen das Angebot an Wind- und Solarenergie. Am E-Methanol aus elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff führt auf Dauer also kein Weg vorbei.

Das Rezept: Für eine Tonne grünes E-Methanol nehme man 0,19 t Wasserstoff und 1,38 t CO2. Letzteren trenne man aus der Luft oder aus Abgas bzw. Biogasanlagen ab. Um den benötigten Wasserstoff zu erzeugen, speise man einen Elektrolyseur mit 1,7 Tonnen Wasser. Zusätzlich benötigt man zehn bis elf MWh Wind- oder Solarstrom, vor allem für den Betrieb des Elektrolyseurs.

Mit einem 100-MW-Elektrolyseur, der zum Beispiel bei Thyssenkrupp oder Siemens Energy erhältlich ist, ließen sich so immerhin 225 Tonnen E-Methanol täglich herstellen, rechnet der Bericht vor. Die größten der heutigen Methanolfabriken sind etwa um den Faktor zehn größer, bräuchten also Elektrolyseure im Gigawattbereich. Diese Hochskalierung steht noch aus.

Die Kostenfrage: Kommt drauf an

Bis das grüne Methanol preislich mit dem fossilen mithalten kann, muss noch einiges passieren. Wie so oft hängt die Wirtschaftlichkeit von vielen schnell veränderlichen Faktoren ab, von den Stromkosten über die Investition in den Elektrolyseur bis hin zu einer günstigen CO2-Quelle.

Die Kosten für die Herstellung von Methanol aus fossilen Brennstoffen bezifferte der Bericht mit 100 und 250 USD pro Tonne, was allerdings schon eine Weile her ist. Die Marktpreise im ersten Quartal 2023 lagen laut Methanol-Institute zwischen 300 und 600 USD pro Tonne. Die Kosten für Biomethanol schätzt das Autorenteam der Studie derzeit auf 320 bis 770 USD pro Tonne, die sich auf 220 bis 560 USD senken ließen.

Dagegen hat es das E-Methanol aus grünem Wasserstoff bisher noch schwer, denn sowohl die Elektrolyse mit erneuerbaren Energien als auch die CO2-Abscheidung sind noch keine Massentechnologien. Das CO2 aus der Luft zu fischen würde leicht 300 bis 600 USD pro Tonne kosten. Fängt man es aus einer Bioenergieanlage auf, wäre es hingegen für 10 bis 50 USD pro Tonne zu haben.

Der Wasserstoffpreis hängt neben den Kosten für den Elektrolyseur vor allem von den Stromerzeugungskosten hab. Grob gesagt kalkulieren die Autoren: Bisher würde eine Tonne E-Methanol 800 bis 2.400 USD kosten, bis 2050 könnten die Kosten dafür auf 250 bis 630 USD sinken.

Wann und ob sich die Kosten des E-Methanols und des fossilen Methanols treffen, wird von der Skalierungsgeschwindigkeit ebenso abhängen wie von CO2-Preisen und dem globalen Energiepoker.

Methanol kompakt

Mit nur einer OH-Gruppe und einem Kohlenstoff-Molekül ist Methanol der chemisch einfachste unter den Alkoholen. Es ist bei Umgebungsbedingungen flüssig, wasserlöslich, farblos und riecht leicht alkoholisch.

Methanol kommt von Natur aus in kleinen Mengen in Lebensmitteln und der Atmosphäre vor. Früher wurde es als Nebenprodukt der Holzkohleherstellung gewonnen, daher hat es auch den Namen „Holzgeist“ oder „Holzalkohol“.

Im Vergleich zu Benzin oder Diesel ist die volumetrische Energiedichte von Methanol etwa halb so hoch. Es gefriert bei -97,6 °C, siedet bei 64,6 °C und hat eine Dichte von 0,791 kg pro Kubikmeter bei 20 °C. Bei der Verbrennung von reinem Methanol entsteht praktisch kein Rauch, Ruß oder Geruch.

Methanol ist leicht entzündlich und korrosiv. Obendrein ist es giftig. Das sind andere Kraftstoffe auch, es fällt allerdings selten auf, da niemand auf die Idee käme, Benzin oder Diesel zu trinken, während Methanol immer wieder zum Panschen von Alkohol verwendet wird.

Kommerzielle E-Methanol-Produktion in den Anfängen

Rund um die Welt gibt es erste Projekte für die Herstellung von E-Methanol. Meistens handelt es sich dabei um Pilot- und Forschungsanlagen mit kleinen Kapazitäten. Auf der Suche nach kommerziellen Projekten stößt man immer wieder auf ein Unternehmen: die Carbon Recycling International, kurz CRI, aus Island.

CRI nahm nach eigenen Angaben bereits 2012 eine kommerzielle E-Methanol-Anlage in Betrieb. Sie befindet in Svartsengi neben der berühmten Blauen Lagune und einem Geothermiekraftwerk. Mit dem heißen Wasserdampf kommen auch gelöstes CO2 und Schwefelwasserstoff an die Erdoberfläche – letzterer sorgt für den typischen Geruch nach faulen Eiern an Islands heißen Quellen.

Angelehnt an die Energiequelle lautet der Markenname Vulcanol. Mit immerhin 4.000 Tonnen Jahresproduktion kann man diese Anlage als die erste industrielle Anlage für E-Methanol betrachten. Der Wasserstoff stammt aus einer alkalischen Elektrolyse.

Auch das Großprojekt in einer Kokerei in der chinesischen Stadt Anyang (110.000 Tonnen Jahresproduktion) geht auf CRI zurück. Eine Elektrolyse mit Ökostrom gibt es dort allerdings nicht. Vielmehr enthält das Kokereigas neben Methan mit Wasserstoff und CO2 die für die Methanolproduktion erforderlichen Stoffe. Laut CRI ist die Anlage seit dem dritten Quartal 2022 in Betrieb.

Eine weitere Anlage, ebenfalls in China, soll noch 2023 in Betrieb gehen, um aus CO2 und Wasserstoff aus einem Petrochemiekomplex jährlich 100.000 Tonnen Methanol für die Kunststoffproduktion zu gewinnen. Einsetzen will dieses vor allem der Segelboot-Hersteller Jiangsu Sailboat.

Die erste Großanlage in Europa könnte in Finnfjord in Nordnorwegen entstehen und CO2 aus einem Ferrosiliziumwerk sowie grünen Wasserstoff aus einer Elektrolyseanlage nutzten. Die Investitionsentscheidung ist allerdings erst auf 2024 datiert. Zusätzlich nennt CRI in seiner Referenzliste noch vier Projekte aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon 2020.

Kleine Methanolfabriken von der Stange

Das Leipziger Ingenieurbüro BSE Engineering bietet unter dem Produktnamen FlexMethanol standardisierte Kleinanlagen für die E-Methanol-Herstellung an. Eingangsleistungen von 10 und 20 MW pro Modul sind möglich, in Kombination bis zu 100 MW, heißt es in der Broschüre. Als Zielgruppe nennt das Unternehmen Abfallverbrennungsanlagen, Papierwerke, fossile Kraftwerke und alle Wärmeprozesse.

Der Prozess gliedert sich in vier Schritte: die Elektrolyse, die CO2-Abscheidung (Scrubbing), die eigentliche Methanolsynthese und die Destillation.

BSE Engineering ist für die Integration der gesamten Methanolanlage zuständig und außerdem laut Broschüre exklusiver Anbieter der von BASF entwickelten Katalysatoren für die Methanolsynthese. Mit im Boot sind außerdem AkerSolutions für die CO2-Gewinnung, InvraServ-Knapsack für das Detailengineering und Sulzer für die Destillation. Für die Elektrolyse gibt es keinen festen Partner.

E-Methanol aus der Kläranlage

Im Oktober 2022 entstand aus dem KIT die Ausgründung Icodos. Das Ziel: Aus CO2-Punktquellen wie z. B. Biogas, das in Kläranlagen anfällt, E-Methanol zu erzeugen, wobei im Fall von Biogas zusätzlich reines Biomethan fürs Gasnetz entsteht. Dafür ist neben dem Biogas auch Wasserstoff erforderlich.

KIT Energy Lab: Im Energy Lab 2.0 untersuchen die Forschenden unter anderem die dynamische Methanolerzeugung mit erneuerbaren Energien.

Das aus CO2 und Wasserstoff erzeugte Methanol-Wasser-Gemisch absorbiert dabei das CO2 aus dem zuvor gereinigten Biogas. Zurück bleibt Methan, das ins Erdgasnetz gespeist werden kann. Das gelöste CO2 wiederum wird mit dem zugeführten Wasserstoff aus dem Lösungsmittel ausgetrieben und in einem Synthesereaktor zu Methanol und Wasser umgesetzt. Ein Teil dieses Produkts wird im Kreis geführt und kann so immer wieder als Absorptionsmittel dienen.

Eine vom BMBF geförderte Pilotanlage ist im Bau und soll Ende des Jahres am KIT getestet werden. Danach soll sie in der Mannheimer Kläranlage an realem Biogas erprobt werden. Folgen soll ein größerer Test gemeinsam mit EDF in Frankreich. Ein Rollout könnte noch in diesem Jahrzehnt möglich sein. Die typische Größe für die Anlagen soll im ein- bis zweistelligen Megawattbereich bezogen auf die Elektrolyseleistung liegen.

Institute und Chemiekonzerne arbeiten zusammen

In Deutschland gibt es eine ganze Reihe von Forschungsprojekten, die sich mit Methanol aus grünem Wasserstoff befassen. Meist arbeiten dabei etablierte Forschungsinstitute und große Raffinerie- oder Chemieunternehmen zusammen. Der hier zusammengestellte Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Westküste100/Raffinerie Heide: An dem H2-Reallabor im schleswig-holsteinischen Heide will ein Konsortium eine ganze Reihe von Wasserstofftechnologien untersuchen – vom Kavernenspeicher bis zur Methanolsynthese (s. HZwei-Heft Okt. 2020). Letztere soll bei der Raffinerie Heide stattfinden. Das CO2 soll aus einem Zementwerk stammen, der Wasserstoff aus einer Elektrolyseanlage. Allerdings ist in der finalen Projektbeschreibung bezüglich der Methanolsynthese nur noch von einer „Machbarkeitsstudie“ die Rede. Die Herausforderung sei es, den großtechnischen Prozess zwischen Zementwerk und Raffinerie einzubinden. Verantwortlich für das entsprechende Arbeitspaket ist thyssenkrupp. Das Reallabor läuft von 2020 bis 2025. Eine Skalierung auf „mehrere hundert Megawatt“ Elektrolyseleistung im Anschluss an das Reallabor ist laut Projektbeschreibung das Ziel. Am Ende, so die Vision, soll dabei Kerosin für den Hamburger Flughafen herauskommen.

Komplexe Infrastruktur: Die Studie zur Methanolerzeugung ist nur ein kleiner Teil des Projekts Westküste100. Die Vernetzung der Prozesse ist ein Argument für die lokale Erzeugung der leicht transportablen Chemikalie.

HyPe+/Raffinerie Schwedt: Die Raffinerie Schwedt hat im Mai 2023 gemeinsam mit Enertrag eine Studie vorgelegt, nach der sie bis 2045 komplett klimaneutral werden könnte (s. S. 18). Anstelle fossiler Rohstoffe will sie auf grünen Wasserstoff aus der Region setzen. Wind- und Solaranlagen gibt es im Umland reichlich, unter dem Titel Flow-Projekt ist auch eine Wasserstoffleitung geplant. Die Zahlen machen Eindruck: 300 MW Elektrolyseleistung sollen es schon in der ersten Ausbaustufe sein, bis Ende 2027 dann 400 MW bei einer Wasserstoffproduktion von über 30.000 Tonnen. Für 2030 sieht die Studie 160.000 Tonnen eigene Wasserstoffproduktion vor, weitere 80.000 sollen zugekauft werden. Damit würde etwa ein Fünftel der laut Nationaler Wasserstoffstrategie für diesen Zeitpunkt vorgesehenen Menge in Schwedt landen. Produzieren will die Raffinerie perspektivisch zwei Millionen Tonnen „Flugkraftstoff, Methanol und High-Value-Chemicals“ jährlich, eine weitere Tonne an Biokraftstoffen kommt hinzu. Die Frage nach der CO2-Quelle blieb leider bislang unbeantwortet.

Chemiepark Leuna/TotalEnergies: Am Standort Leuna kündigten TotalEnergies, die Fraunhofer-Institute CBP und IMWS sowie der Elektrolyseurhersteller Sunfire vor zwei Jahren ein Projekt mit dem Titel e-CO2Met an. Bei der dortigen Raffinerie Mitteldeutschland handelt es sich laut TotalEnergies mit jährlich 700.000 Tonnen Methanol um die größte Methanolproduktion Europas – bisher komplett auf fossiler Basis. Der Hochtemperaturelektrolyseur von Sunfire ist mit einer Eingangsleistung von 1 MW vergleichsweise klein. Sunfire bestätigt, dass er seit Februar 2023 in Betrieb ist. Ein Update zum Gesamtprojekt war von TotalEnergies allerdings nicht zu bekommen.

H2Mare Methanolproduktion auf dem Meer: Mit der Entfernung zur Küste wächst nicht nur der mögliche Energieertrag von Offshore-Windparks, sondern leider auch der Aufwand für die Anbindung ans Stromnetz – erst recht, wenn wegen der hohen Leistung mehrere Kabel nötig würden. Deshalb könnten diese Windparks stattdessen Wasserstoff erzeugen, der sich per Schiff oder Pipeline an Land bringen lässt, so eine Idee, die unter anderem im Projekt Aquaventus Gestalt annimmt. Das Leitprojekt H2Mare, an dem auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt ist, geht in einem der vier Verbundprojekte dabei noch einen Schritt weiter. Direkt auf See soll der Wasserstoff zu Ammoniak, LNG, Methanol oder flüssigen Kohlenwasserstoffen (E-Fuels) verarbeitet werden. Eines der Projektziele ist es, beispielhaft einen vollständigen Prozess zur Herstellung von e-Fuels im Sommer 2025 erstmals auf einer schwimmenden Plattform vor Helgoland zu demonstrieren. Solche Anlagen müssen mit der schwankenden Stromproduktion aus Windenergie ebenso klarkommen wie mit einer schwankenden Plattform und den Wetterbedingungen auf See. Die dynamische Produktion von E-Methanol erprobt das KIT während H2Mare allerdings nur an Land.

H2Mare verfolgt noch weitere Ansätze: Für den Offshorebetrieb angepasste Destillationsmodule aus dem 3-D-Drucker sollen das Methanol vom im Prozess ebenfalls entstehenden Wasser trennen. Das spart Transportkapazität, und das Wasser soll nach Aufbereitung wieder für die Elektrolyse zur Verfügung stehen. Das benötigte CO2 könnte künftig mittels Elektrodialyse aus dem Meer gewonnen werden, was die Logistik vereinfachen würde. Und die TU Berlin arbeitet daran, einen Elektrolyseur direkt mit Salzwasser zu betreiben.

OMV Deutschland, München: Sogenannte Sustainable Aviation Fuels, kurz SAF, auf Basis von E-Methanol sind das Ziel des Projektes M2SAF. Das Konsortium besteht aus der BASF Process Catalysts, dem Anlagenbauer thyssenkrupp Uhde, der Raffinerie OMV Deutschland, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Prüflabor ASG. Das Projekt startete im November 2022 und ist auf zweieinhalb Jahre ausgelegt. Details zu Mengen und Leistungen waren von Uhde nicht zu erfahren.

Die bisherigen Projekte in Sachen E-Methanol in Deutschland sind vielseitig, aber bisher eher klein. Wie schnell und ob sie überhaupt hierzulande skalieren, ist noch abzuwarten. Der Wille ist da, doch allein die Erzeugungskapazitäten für Wind- und Solarstrom aufzubauen, kostet Zeit und Geld. Und es gehört ja gerade zu den Vorteilen von Methanol, dass es sich problemlos auf Schiffen um die Welt transportieren lässt. Solange Deutschland seinen Energiebedarf nicht komplett selbst deckt und es keine Wasserstoffpipeline übers Mittelmeer gibt, liegt es also nahe, dass grünes Methanol zu wesentlichen Teilen importiert werden wird.

 

Wasserstoff – eine saubere Alternative?

Wasserstoff – eine saubere Alternative?

Allgemeine Innovationstrends entlang der H2-Wertschöpfungskette

Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum und birgt seit vielen Jahren das Potenzial, eine bedeutende Rolle bei sauberen Energielösungen einzunehmen. Sein großes Vorkommen und seine sauberen Verbrennungsprodukte würden vermuten lassen, dass Wasserstoff der ideale Kandidat ist, um uns von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien. Wenn es jedoch darum geht, seine Tauglichkeit als saubere Energiequelle zu bewerten, muss man die gesamte Wertschöpfungskette betrachten. Diese kann in drei Hauptbereiche unterteilt werden: Produktion, Speicherung sowie Verteilung und Endanwendung. Das Europäische Patentamt (EPO) und die Internationale Energieagentur (IEA) haben kürzlich einen Bericht zur Analyse globaler Innovationstrends entlang H2-Wertschöpfungsketten veröffentlicht. Die bestehenden und neuen Technologien, die den einzelnen Phasen der Wertschöpfungskette entsprechen, sind in der folgenden Abbildung zu sehen, die dem EPO/IEA-Bericht entnommen wurde.

Heute werden rund 95 Prozent des Wasserstoffs aus fossilen Energiequellen über Prozesse wie Erdgasreformierung gewonnen. Dieser Prozess erfordert nicht nur weiterhin fossile Brennstoffe als Rohstoff, sondern auch einen hohen Einsatz von Energie, die meist ebenfalls aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird.

Produktion

Die Elektrolyse ist eine alternative Methode zur Wasserstoffproduktion, die keine fossilen Brennstoffe als Rohstoff benötigt, zurzeit jedoch nur einen sehr geringen Anteil der weltweiten Produktion ausmacht (ca. 0,04 % im Jahr 2021). Dieser Prozess nutzt Elektrizität, um Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Die Elektrolyse erscheint zwar vielversprechend, jedoch liegt die durchschnittliche Effizienz dieses Prozesses nur bei rund 75 Prozent. Zudem werden für mehr als 99 Prozent der gesamten Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse nicht-erneuerbare Energiequellen genutzt.

Die globale Trendanalyse von EPO/IEA zeigt auf, dass im Zeitraum von 2011 bis 2020 der größte Teil der wasserstoffbezogenen Patente auf Technologien zur Wasserstoffproduktion entfiel. Technologien, die in Bedenken bezüglich des Klimawandels begründet sind, generierten 2020 nahezu 90 Prozent der Internationalen Patentfamilien (IPF) im Zusammenhang mit Wasserstoffproduktion. Mit einem starken Fokus auf der Dekarbonisierung der Wasserstoffproduktion gab es eine deutliche Zunahme von Patenten in Bezug auf die Elektrolyse und einen deutlichen Rückgang der Patentanmeldungen für die Wasserstoffproduktion aus fossilen Brennstoffen (s. Abb. 2).

IPF-Trends bei Technologien zur Wasserstofferzeugung, 2001 bis 2020

Durch die hohen Erdgaspreise hat sich das Wirtschaftsklima zugunsten des emissionsarmen Wasserstoffs aus Elektrolyse verlagert, der so für weitere Investitionen interessant geworden ist. Weitere Innovationen werden auch notwendig sein, um eine emissionsarme Wasserstofferzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zu ermöglichen. Obwohl zurzeit bereits mehrere Elektrolysetechnologien mit stark unterschiedlicher technischer Reife entwickelt werden, gibt es nach wie vor keinen Konsens über eine bevorzugte Lösung.

Speicherung und Verteilung

Reiner Wasserstoff wird zurzeit als Gas in Pipelines und Tube-Trailern oder in flüssiger Form in Kryobehältern transportiert. Um das Potenzial von Wasserstoff als Brennstoff voll auszuschöpfen, sind effiziente, standardisierte und kostengünstige Methoden für die Speicherung und den Transport zwingend erforderlich.

Bei der Speicherung und beim Transport von Wasserstoff gibt es viele Herausforderungen, zum Beispiel das hohe Gewicht und Volumen der Speichersysteme, Energieverluste in Verbindung mit Kompression und Verflüssigung und die Haltbarkeit von Speichersystemen. Patentanmeldungen im Bereich Wasserstofftransport und -speicherung zeigen einen starken Fokus auf die Infrastruktur zur Unterstützung der Wasserstoffaufnahme (s. Abb. 3).

Patenttrends bei Technologien zu Wasserstoffspeicherung, -verteilung und -umwandlung (IPF, 2001 bis 2020)

Anders als im Bereich der Wasserstoffproduktionstechnologien machen Universitäten und Forschungseinrichtungen nur einen geringen Anteil der Patentanmeldungen für die Speicherung und den Transport von Wasserstoff aus. Dies lässt vermuten, dass dieser Teil der H2-Wertschöpfungskette hauptsächlich auf ausgereiften Technologien mit dem Schwerpunkt auf inkrementeller Innovation basiert. Einige neue Technologien, wie die Nutzung von flüssigen organischen Wasserstoffträgern oder synthetischem Methan, bergen jedoch das Potenzial für einen künftigen breiteren Einsatz.

Neue Anwendungen

Während sich dieser Artikel hauptsächlich auf Wasserstoff als alternativen Brennstoff konzentriert, wird die Wasserstoffnachfrage vor allem von der chemischen Industrie angetrieben, wobei rund 75 Prozent für die Ammoniakproduktion und etwa 25 Prozent für die Methanolproduktion bestimmt sind. Innovationen im Wasserstoffsektor, beschleunigt durch den Wunsch nach sauberer Energie, werden wahrscheinlich zu einer höheren Effizienz der bestehenden H2-Wertschöpfungskette führen und somit die CO2-Emissionen der gesamten Industrie reduzieren.

Neue Wasserstoffanwendungen und Patentanmeldungen sind stark auf den Transport fokussiert. Dabei gibt es seit 2001 mehr IPF für Wasserstoffanwendungen im Automobilbereich als für alle anderen neuen Wasserstoffanwendungen zusammen. Brennstoffzellen scheinen die ausgereifteste Technologie für wasserstoffbetriebene Transportmittel zu sein, was sich bereits in einer gewissen Marktakzeptanz niederschlägt. Alternativen wie H2-Verbrennungsmotoren sind nachweislich leistungsfähig und hinken der Reife der Brennstoffzelltechnologie leicht hinterher.

Wasserstoffbetriebene Lösungen für den Straßen- und Schienenverkehr sind weiter entwickelt als jene für den Lufttransport. Dabei stellen die Skalierbarkeit und Masse an Wasserstoffspeichern weiterhin Herausforderungen im Luftfahrtsektor dar. Die Patentanmeldungen bei Wasserstoffanwendungen zeigen einen starken Fokus auf den Automobilsektor (s. Abb. 4).

Patenttrends bei Wasserstoff-Endanwendungen (IPF, 2001 bis 2020)

Schwierigkeiten bereiten nach wie vor die Wasserstoffspeicherung im Fahrzeug sowie die Umwandlung der chemisch in Wasserstoff gespeicherten Energie in Antriebskraft. Im Automobil- und Luftfahrtsektor dominieren Patentanträge für Antriebssysteme. Insbesondere machen H2-Brennstoffzellen einen beträchtlichen Anteil der Innovationen der letzten zehn Jahre aus. In der Luftfahrt eignen sich Brennstoffzellen voraussichtlich eher für Kurzstreckenflüge. Bei Langstreckenflügen werden die höhere Turbinenleistung und Energiedichte von wasserstoffbasierten Kraftstoffen vermutlich eine höhere Leistung als die Kombination aus Brennstoffzelle und Motor bieten.

Wohin führt der Weg?

Die globale Trendanalyse von EPO/IEA zeigt deutlich, dass Wasserstoff weltweit ein Innovationsschwerpunkt bleibt. Um das Potenzial von Wasserstoff als saubere Energiequelle der Zukunft voll auszuschöpfen, sind Innovationen in der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich, die effiziente, kostengünstige und nachhaltige Verfahren von der Produktion bis zur Endanwendung sicherstellen können.

Wir alle setzen darauf, dass Innovatoren die Technologien liefern, die den Weg für Wasserstoff als Energie der Zukunft ebnen. Investitionen in neue Technologien sind für den weiteren kommerziellen Erfolg entscheidend. Mehr als 80 Prozent der in der Spätphase getätigten Investitionen in H2-Start-ups im Zeitraum 2011 bis 2020 gingen in Unternehmen, die einen Patentantrag in Bereichen wie Elektrolyse, Brennstoffzellen oder emissionsarmen Methoden für die Wassererzeugung aus Gas eingereicht haben.

Forresters ist darauf spezialisiert, das geistige Eigentum von Innovatoren, die auf Patente vertrauen, zu schützen, ihre Erfindungen auf den Markt zu bringen und ihnen eine klare Richtung zu geben.

Emissionsfreies Energiesystem eines Fluss- und Küstenschiffes

Emissionsfreies Energiesystem eines Fluss- und Küstenschiffes

H2-Antrieb auf der Coriolis

Global ist die Schifffahrt für etwa drei Prozent aller Kohlenstoffdioxidemissionen verantwortlich. Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO (von engl. International Maritime Organization) hat sich daher zum Ziel gesetzt, diese bis zum Jahr 2050, verglichen mit dem Stand von 2008, mindestens zu halbieren. Für Schiffe werden aufgrund der hohen Leistungsbedarfe und der großen zurückzulegenden Reichweiten vollelektrische Lösungen nur in einigen Anwendungsfällen möglich sein. Wasserstoff und seine Derivate wecken daher bei der maritimen Industrie zunehmendes Interesse aufgrund ihres Potentials, den Emissionsausstoß der Schifffahrt deutlich zu reduzieren. Die Herausforderung ist dabei, Wasserstoff einerseits in sicherer Form und möglichst kompakt an Bord zu speichern und andererseits das Gesamtenergiesystem auf verschiedene Anforderungen abzustimmen und seine Steuerung optimal zu gestalten.

Derzeit wird bei der Hitzler Werft in Lauenburg das Forschungsschiff Coriolis des Helmholtz-Zentrums Hereon, Geesthacht, gebaut. Das Schiff wird neben einem dieselelektrischen Antriebssystem auch Batterien sowie ein Wasserstoffsystem an Bord verbaut haben. Letzteres hat das Hereon gemeinsam mit dem DLR Institut für Maritime Energiesysteme und dem Ingenieurbüro Technolog, Hamburg, konzeptioniert.

Wasserstoffsystemlabor H2SL an Bord

Das H2SL ist als ein über das Schiff verteiltes Wasserstoffsystem geplant. Die Hauptkomponenten sind ein Metallhydridtank (MH-Tank), eine Eigenentwicklung des Hereon, sowie eine Niedertemperatur-PEM-Brennstoffzelle. Dazu kommen noch verschiedene Komponenten der Peripherie, wie beispielsweise eine Bunkerstation für Wasserstoff, ein Tankanschlussraum am Metallhydridtank und zwei Abblasemasten.

Insbesondere für ein vergleichsweise kleines Schiff wie die Coriolis mit knapp 30 m Länge muss die Anordnung der Komponenten sehr genau geplant werden. Grund hierfür ist unter anderem, dass es für die Verwendung von Wasserstoff an Bord noch keine bindenden Regularien gibt.

Die Definition von Gefahrenzonen sowie die einzuhaltenden Abstände von Be- und Entlüftungen stammen aus dem IGF-Code, welcher in der Schifffahrt den Umgang mit Kraftstoffen mit niedrigem Flammpunkt reguliert und bisher vorrangig für LNG angewendet wird. Hier wird bisher aber noch keine Rücksicht auf die speziellen Eigenschaften von Wasserstoff, wie beispielsweise die wesentlich höhere Flüchtigkeit als bei LNG, genommen. Dies zeigt sich unter anderem bei der Größe und Form der Gefahrenzonen (s. kugelförmige Gefahrenzonen um die Ausbläser und Lufteinlässe). Eine Erweiterung des IGF-Codes auf die Nutzung von Wasserstoff befindet sich derzeit in Arbeit.

Das Tanksystem, bestehend aus dem eigentlichen Metallhydridtank sowie dem vorgeschriebenen inertisierbaren Tankanschlussraum, wird auf einer 5“-Containergrundplatte aufgebaut und etwa die halbe Höhe haben. Neben dem Gewicht des Metallhydrids selbst bestimmen die stählernen Tankhüllen, Verrohrungen und insbesondere der Druckbehälter des Tankanschlussraums das Gesamtgewicht. Bei einem Gesamtsystemvolumen von rund 4 m3 und einem Gesamtsystemgewicht von etwa 5 Tonnen speichert das Tanksystem circa 30 kg H2.

Damit ist die Brennstoffzelle in der Lage, das Schiff mit etwa 500 kWh grüner Energie zu versorgen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, grüner Wasserstoff kann und darf tatsächlich gebunkert werden – eine Herausforderung in sich, wie erste Sondierungsgespräche mit Wasserstoffproduzenten und Häfen gezeigt haben.

Im Vorfeld der Werftausschreibung wurde der Energiebedarf für die Propulsion bei der SVA Potsdam im Modellversuch ermittelt und auf die Großausführung skaliert. Die Schiffsform der Coriolis ist auf den Betrieb bei niedriger Geschwindigkeit optimiert, weil dies dem vorrangigen Betriebsprofil in der küstennahen Fahrt entspricht (s. Abb. 3).

Aufgrund des geringen Leistungsbedarfes bei Schleichfahrt kann die Brennstoffzelle, welche eine elektrische Nennleistung von etwa 100 kW haben wird, in Kombination mit der Batterie für viele Messkampagnen und in weiteren Betriebszuständen (z. B. Liegezeiten) der Coriolis verwendet werden, ohne dass ein Dieselmotor zugeschaltet werden muss. Zusätzlich zur Propulsion müssen noch die elektrischen Verbraucher an Bord versorgt werden, welche jedoch nur einen Bruchteil der benötigten Antriebsenergie beanspruchen.

Benötigte Propulsionsleistung in Abhängigkeit von der Schiffsgeschwindigkeit

Metallhydridtanks

Die im Folgenden genannten Eigenschaften machen aus Sicht von Hereon die MH-Tanks für eine Reihe von Anwendungen im maritimen Bereich attraktiv:

  • Moderate Beladedrücke von deutlich unter 100 bar bei Betriebstemperaturen von unter 100 °C
  • Kaltstart eines MH-Tanks prinzipiell auch bei Temperaturen unter 0 °C möglich (Hereon EP 3 843 190)
  • Durch die chemische Bindung des Wasserstoffs ist prinzipbedingt keine plötzliche Freisetzung von großen Wasserstoffmengen möglich, was einen signifikanten Sicherheitsgewinn an Bord bedeutet.
  • Die wegen der niedrigen Beladedrücke erlaubte flexible Bauform ermöglicht eine leichte Anpassung an die Schiffsform à eingesparter Bauraum. Insbesondere für kleine Schiffe nehmen heutige Druckwasserstofftanks sehr viel Platz ein, der dem Schiff als wertvoller Ladungsraum verloren geht.
  • Hohes Gewicht kann in bestimmten Anwendungsfällen sogar vorteilhaft sein, z. B. bei Segelschiffen statt des sonst notwendigen „toten“ Ballasts zur Lagestabilisierung.

Forschung im Wasserstoffsystemlabor (H2SL)

Hereon und DLR untersuchen gemeinsam, für welche Schiffstypen die Kombination aus Niedertemperatur-Brennstoffzelle und Metallhydridtank eine sinnvolle Lösung für das Antriebssystem darstellt. Ziel der beiden Forschungsinstitute ist es, ein Leitkonzept zu erstellen, welches eine leichte Adaption und Integration des Konzeptes des Coriolis-Energiesystems auch in andere Schiffe und Schiffstypen ermöglicht.

Zusätzlich zur Option, das Schiff emissionsfrei zu betreiben, bietet das H2SL noch viele weitere Möglichkeiten, innovative Forschungsansätze zu verfolgen. Hereon und DLR planen intensive Forschungsarbeiten anhand des Antriebssystems. Durch den Betrieb des H2SL in realer maritimer Umgebung, die Möglichkeit des Online-Fernzugriffs auf die Betriebsdaten und der sofortigen Anpassung von Steuerungsparametern und damit durch das Studium der Auswirkungen dieser Änderungen erwarten die beiden Einrichtungen wertvolle Erkenntnisse und Echtzeitdaten zu relevanten Forschungsfragen.

Aufsetzend auf den Betriebsdaten wird das DLR einen digitalen Zwilling des Wasserstoffenergiesystems entwickeln, um den Zustand des Systems jederzeit zu erfassen, die Systemsteuerung zu optimieren und Rückkopplungen für den Betrieb abzuleiten.

Darüber hinaus sollen anhand der Daten Betriebsstrategien für das hybride Energiesystem der Coriolis entwickelt werden. Durch die Variation aus verschiedenen Energiequellen (Batterie, Brennstoffzelle und Verbrennungsmotor) gibt es viel Flexibilität hinsichtlich des Betriebes bei verschiedensten Energieverbrauchsszenarios. Ziel ist es, für unterschiedlichste Fahrt- und Lastzustände ein Optimum in Bezug auf Kraftstoffverbrauch und Betriebskosten durch eine intelligente Lastaufteilung zu erreichen.

Der Vorteil einer solchen Untersuchung auf einem Forschungsschiff ist unter anderem, dass die in der Theorie entwickelten Strategien im nächsten Schritt direkt in das Energiemanagementsystem überführt und auf diese Weise zeitnah im Betrieb validiert werden können.

Hybride Energiesysteme finden immer häufiger Einzug auf Schiffen. Die Erkenntnisse aus dem Betrieb der Coriolis werden zukünftig wertvolle Hinweise liefern, die auch auf andere Schiffstypen übertragen werden können und somit einen Beitrag zur Emissionsreduktion des maritimen Sektors leisten.

H2-Herstellung aus Meerwasser ist möglich

H2-Herstellung aus Meerwasser ist möglich

Kooperation im Interesse der Wissenschaft

Wasserstoff ist das Element, das im Universum am häufigsten vorkommt. Es verwundert also nicht, dass das Interesse an praktikablen Methoden für eine gesteigerte Produktion, insbesondere von grünem Wasserstoff, groß ist. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der H2-Gewinnung aus Meerwasser. Hier gibt es einige neue Entwicklungsfortschritte.

Wissenschaftler stellen immer wieder fest, dass sie nennenswertere Fortschritte vor allem dann machen, wenn sie mit anderen Experten, die sich mit demselben Thema beschäftigen, zusammenarbeiten. Solch ein Kooperationsprinzip verfolgt ein Projekt, an dem mehrere Institutionen beteiligt sind und dessen Ziel es ist, einen Prototyp zu schaffen, mit dem Wasserstoff aus minderwertigen Flüssigkeiten wie Meer- und Abwasser erzeugt werden kann.

Die Projektteilnehmenden arbeiten dabei mit Experten zusammen, die sich bestens mit Elektrolyseuren und Membranen auskennen. Bezüglich des auf vier Jahre angelegten Projekts erhoffen sich die Wissenschaftler, Membranen zu finden, die günstige und ausreichend vorhandene Metalle wie Nickel und Eisen nutzen. Zudem möchten sie Alternativen zu umweltverschmutzenden oder dauerhaft schädlichen Verfahren finden und die Recyclingquote verbessern. Die Forschenden hoffen, die Weiterentwicklung ihres Prototyps beschleunigen zu können, sobald sie mögliche Optionen ermittelt haben. Federführende Institution des Projekts ist die University of Galway in Irland. Außerdem sind Organisationen aus Israel, Spanien und Deutschland beteiligt.

Das Projekt gehört zu einem größeren Unterfangen der Europäischen Kommission, praktikable Möglichkeiten zu finden, um die Produktion von grünem Wasserstoff zu steigern. So hat zum Beispiel die Europäische Wasserstoffbank kürzlich das Ziel angekündigt, zehn Mio. Tonnen grünen Wasserstoff bis 2030 selbst zu erzeugen. Weitere zehn Mio. Tonnen sollen importiert werden.

Sollten diese Bemühungen erfolgreich sein und saubere, umweltfreundliche Beförderungsmöglichkeiten gefunden werden, könnten fossile Brennstoffe in großer Dimension durch Wasserstoff ersetzt werden. Zudem könnte die Chemieindustrie durch eine einfachere Wasserstoffproduktion mit einem nachhaltigeren Rohstoff für die Produktion von Düngemitteln, Stahl und weiteren Erzeugnissen versorgt werden.

Ein neu entwickelter Elektrokatalysator

In den USA arbeitet das Team vom Texas Center for Superconductivity an der University of Houston an einem Elektrokatalysator auf Nickel- und Eisenbasis, der während der Meerwasserelektrolyse mit Kupfer-Kobalt interagiert. Mit dieser Kombination ließen sich bekannte Hürden, die mit der Wasserstoffgewinnung aus Meerwasser verbunden sind, überwinden. Zum Beispiel sind aktuelle Elektrokatalysatoren, die bislang verwendet werden, um eine Sauerstoff-Entwicklungs-Reaktion (OER) zu erzielen, unerschwinglich teuer.

Die US-amerikanischen Forschenden stellten nun fest, dass die von ihnen hergestellten OER-Elektrokatalysatoren von allen potenziellen Multimetall-Elektrokatalysatoren zu den leistungsstärksten zählten. Eine weitere spannende Erkenntnis ist, dass die Wasserstoffproduktion durch die neue Technologie und die optimierten Prozesse erschwinglicher werden könnte.

Laut dem leitenden Wissenschaftler Zhifeng Ren benötigt man für die Produktion eines Kilogramms Wasserstoff zurzeit rund 50 Kilowattstunden Strom. Liegt der Preis für Netzstrom bei 10 Cent pro Kilowattstunde, fallen allein 5 US-Dollar pro Kilogramm Wasserstoff nur für den Strom an. Das ist deutlich zu teuer, um diese Methode attraktiv zu machen.

Eine praktikable Vorgehensweise, die während dieser Studie entwickelt wurde, ist die Nutzung des Stromüberschusses von Windkraftanlagen oder Solarmodulen. Bei diesem Ansatz würden die Stromkosten weniger als 1 Cent pro Kilowattstunde betragen. Ren erklärt, dass diese Option nur umsetzbar sei, wenn Methoden zur Wasserstofferzeugung entwickelt würden, die ausschließlich grüne Energie nutzten.

Wissenschaftler erzielen Verbesserungen

Besonders attraktiv an der Wasserstoffgewinnung aus Meerwasser ist dessen reichliche und einfache Verfügbarkeit. Ein Team der Penn State hat im Rahmen einer Machbarkeitsstudie einen Meerwasserelektrolyseur entwickelt, der auf einer dünnen, halbdurchlässigen Membran basiert, die ursprünglich verwendet wurde, um Wasser über Umkehrosmose zu reinigen.

Die Wissenschaftler hatten mit zwei handelsüblichen Umkehrosmose-Membranen experimentiert und die benötigte Energie, den Qualitätsverlust der Membran sowie ihre Beständigkeit gegenüber dem Ionenaustausch gemessen. Dabei stellten sie fest, dass eine der Membranen durchaus gut für Meerwasser geeignet ist, weshalb weitere Nachforschungen anvisiert werden.

In einem weiteren Fall hat eine Gruppe an der University of Central Florida eine nanostrukturierte Dünnschicht hergestellt. Die Nanostrukturen enthielten Nickelselenid mit zugefügtem Phosphor und Eisen. Vorherige Bemühungen hatten aufgrund von Konkurrenzreaktionen nur eine begrenzte Wirksamkeit gezeigt.

Die Wissenschaftler bestätigten nun, dass die neue Herangehensweise vielversprechende Resultate liefere und eine zuverlässige, kosteneffiziente Lösung sei. Versuche zeigten, dass die Innovation für mehr als 200 Stunden höchst effizient und stabil war. Zukünftige Untersuchungen werden sich darauf konzentrieren, die neu entwickelten Materialien elektrisch effizienter zu machen und neue Optionen zu suchen, um diese Entwicklungen zu kommerzialisieren und zu finanzieren.

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