Die Suche nach dem idealen H2-Speicher

Die Suche nach dem idealen H2-Speicher

Interview mit Thomas Korn, CEO von water stuff & sun

Das Start-up water stuff & sun hat eine neue Technologie entwickelt, die eine sichere und einfache Speicherung von Wasserstoff ermöglichen soll. Kernkomponente ist dabei ein Mikroventilsystem. Ein Druckregler steuert die Wasserstoffabgabe schrittweise von 1.000 bis hinunter zu wenigen bar. Über die Funktionsweise und die Herausforderungen hat HZwei mit Thomas Korn, dem CEO von water stuff & sun, gesprochen.

HZwei: Herr Korn, das Speichern und Betanken von Wasserstoff ist ein anspruchsvolles Thema. Wie lösen Sie das Problem?

Korn: Die Speicherung von Wasserstoff in konventionellen Druckgasspeichern ist heute kompliziert und teuer. Es gibt einen Zielkonflikt zwischen Performance, Sicherheit und Kosten. Wir lösen den Zielkonflikt auf eine überraschende Weise: Anstelle weniger, großer und zylindrischer Behälter sind wir mit unserer Technologie in der Lage, die identische Wasserstoffmenge in vielen, tennisballgroßen, runden Druckbehältern aus Kohlefaser zu speichern. Durch das Mikroventilsystem aus Silizium, das in jeder Druckspeicherkugel verbaut ist, agieren alle identisch und zeitgleich, wie ein großer Tank. Der Aufwand für die Sicherheit von Wasserstoffspeichern kann signifikant reduziert werden, wenn die Energiemenge in vielen kleinen Behältern aufgeteilt ist. So sparen wir im Verhältnis zu einem Standarddrucktank fast die Hälfte des Kohlefasermaterials ein. Diese kugelförmigen Hochdruckspeicher nennen wir Sfeers.

So werden Wasserstoffzellen beliebig skalierbar und in Wasserstoffbatterien flexibler Bauform integriert. Grüner Wasserstoff wird so für eine Vielzahl von mobilen und stationären Anwendungen wie Lkw, Drohnen und Flugzeugen nutzbar. Die nächste Generation dieser Energiespeicher wird im Vergleich zur Lithium-Ionen-Batterie um 95 Prozent leichter und bis zu 30-mal günstiger sein – und das bei gleicher Energiemenge, die transportiert werden kann.


Eine runde Sache: eine Sfeer-Kugel auf der EES-Fachmesse in München

Wie funktioniert die Wasserstoffbatterie?

Wasserstoffbatterien sind Niederdruck-Wasserstoffspeicher, in denen die mit bis zu 1.000 bar befüllten Sfeers integriert sind. Die Gehäuse der Wasserstoffbatterien sind für niedrige Drücke ausgelegt und können somit ideal auf vorhandene Bauräume unterschiedlichster Mobilitätsprodukte angepasst werden. Bei Wasserstoffentnahme sinkt der Druck im Gehäuse der Wasserstoffbatterie ab und aktiviert das Mikroventilsystem aller Sfeers, nachdem ein mechanisch programmierter Umgebungsdruckbereich unterschritten wird. Diese geben nun Wasserstoff frei und stellen zusammen die benötige Energiemenge eines Wasserstoffmotors oder einer Brennstoffzelle bereit.

Der Druck in der Wasserstoffbatterie steigt wieder über den Aktivierungsdrucklevel an, der durch den Fertigungsprozess der mikromechanischen Komponenten festgelegt wird. Nach dem Erreichen des Drucklevels schließen alle Mikroventile. Der Druck in der Batterie bleib konstant oder reduziert sich wieder, falls der Verbraucher weiterhin Wasserstoff entnimmt. Der Aktivierungsdruck ist auf den Versorgungsdruck der Verbraucher eingestellt. Die Wasserstoffbatterie ist quasi ein Niederdruckspeicher, jedoch mit der Kapazität eines Hochdruckspeichers.

Das Konzept erhöht die Sicherheit und reduziert gleichzeitig den Materialaufwand. Nachdem vorhandene Bauräume durch die Freiformfähigkeit ideal genutzt werden, übertreffen Wasserstoffbatterien konventionell Drucktanks hinsichtlich volumetrischer und gravimetrischer Energiespeicherdichte.

Die Mikroventiltechnik kommt aus der Satellitentechnik. Wie werden diese hergestellt?

Satelliten haben einen Gasantrieb, der die Position im Kommunikationsfenster sicherstellt. Aufgrund des wirtschaftlichen Drucks, Satelliten zunehmend kleiner und leichter zu bauen, hat man in der Industrie bereits in frühen Jahren Mikrosystemtechnik zur Steuerung von Gasen zum Einsatz gebracht. Unsere Innovation liegt in der Entwicklung von mikromechanischen Schaltelementen, die keine elektrische Energie zur Steuerung benötigen, sondern passiv durch den Umgebungsdruck gesteuert werden. Wie in der Halbleitertechnik werden hochindustrialisierte Fertigungsprozesse genutzt, die auf großen Silizium-Wafern Tausende identische Bauteile hervorbringen können. Ventile, Gaskanäle und der fünfstufige Druckregler werden in vier Schichten Silizium hergestellt und zusammengefügt. Alle Bauteile des Chips werden in eine Größe von 4 x 4 x 2,5 mm integriert.

Wie sind Sie auf die Idee der kugelförmigen Hochdruckbehälter gekommen?

Die Erfindung der Technologie stammt von Prof. Lars Stenmark, der im Ångström Labaratory der Universität Uppsala Mikrosystemtechnik unterrichtet hat und bereits frühere Erfindungen in der Luft- und Weltraumindustrie zur Anwendung brachte. Als er mir von seiner Erfindung zur Wasserstoffspeicherung erzählte, war ich Feuer und Flamme. Ein physikalischer Wasserstoffspeicher, der zwei vorhandene Technologien kombiniert und den Zielkonflikt zwischen Sicherheit, Kosten und Performance von Wasserstoffspeichern löst – da konnten wir nicht widerstehen und haben im Januar 2017 die Firma water stuff & sun gegründet.


Ein Blick ins Labor zeigt den Testaufbau zur Evaluierung des Mikrochips

Gibt es schon einen Prototyp?

Im Clean Room im Ångström-Labor in Uppsala haben wir bereits Prototypen von Schaltventilen und das Kernelement des Ventilsystems, den Druckregler, hergestellt und getestet. Wir haben ebenfalls einen Sfeers-Protoyp aus Kohlefaser in einem Berstversuch untersucht und unser Simulationsmodell mit den Ergebnissen validiert. Aktuell bauen wir den ersten Systemprototyp einer Wasserstoffbatterie mit drei Sfeer-Zellen auf. Mit dem Prototyp und dessen Einsatz in einer Mikro-Mobility-Anwendung werden wir im ersten Halbjahr 2024 den technischen Reifegrad 5 erreichen. Ab diesem Zeitpunkt beginnen wir mit mehreren Herstellern, Wasserstoffbatterien für spezifische Mobilitätsprodukte zu entwickeln und im nächsten Schritt zu industrialisieren. Das Interesse in der Industrie ist groß. So konnten wir bereits mit einem Flugzeughersteller und dem DLR ein gemeinsames Förderprojekt einreichen. Gemeinsam mit dem Partnerunternehmen Keyou entwickeln wir Wasserstoffbatterien zur Um- und Nachrüstung von Lkw und Bussen. Auch das Interesse eines Minenmaschinenherstellers und eines Lkw-OEM konnten wir bereits erregen.

Nochmals zurück zum Tankvorgang. Sie planen, die Speicher auszutauschen?

Wasserstoffbatterien müssen nicht im Fahrzeug betankt werden, sie werden an Wechselstationen oder bei kleinen Anwendungen auch mit der Hand getauscht. Entsprechend schnell und kosteneffizient kann so die Betankung stattfinden. Die leeren Wasserstoffbatterien werden an zentralen Kompressorstationen wiederbefüllt und zurück an die Wechselstationen gebracht. Das einfache Handling wird durch den niedrigen Betriebsdruck und die begrenzte Menge von H2 im Gehäuse der Wasserstoffbatterie ermöglicht. Im Vergleich zu konventionellen Hochdruck- oder Flüssigwasserstofftankstellen ist der Aufwand und die Komplexität deutlich reduziert, was die Investitions- und Betriebskosten verringert und somit auch den Wasserstoffpreis. Beispielsweise bei schweren Nutzfahrzeugen müssen einige Hundert Liter Kraftsoff-Energieäquivalent mit Wasserstoff komprimiert, gekühlt und transferiert werden. Der Vorgang kann mit der Wasserstoffbatterie mit einem einfachen Tausch innerhalb von wenigen Minuten erledigt werden.

Sie müssen einiges finanzieren. Wie sehen die nächsten Schritte für Ihre Firma aus?

Der Kapitalbedarf ist bei einem Tech-Start-up immer ein Thema, das ist ein kontinuierlicher Prozess. Gerade haben wir eine neue Finanzierungsrunde gestartet, in der unsere bereits investierenden Partner wie die Kapitalgesellschaft der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, kurz ES Kapital, das Family Office Besto der Unternehmerfamilien Beyer und Stoll oder die Maschinen- und Werkzeugfabrik Nagel Interesse angemeldet haben. Ich würde von relativ bodenständigen Investoren mit regionalem Bezug sprechen, die schon seit einer frühen Phase mit dabei sind. Das frische Geld soll unter anderem in die schon angesprochene Entwicklung eines Prototyps in der mobilen Anwendung fließen. Die Rohstoffe für die Produktion wie Halbleiterchips sind alle erschwinglich. Kohlefaser und Silizium sind gut auf dem Markt zu bekommen. Das ist ein Vorteil bei der weiteren Skalierung. Wenn alles funktioniert, sehen wir bis 2025 die erste unserer Batterien in einem Fahrzeug oder Flugzeug.


Die H2-Batterie soll im Lkw einfach und schnell getauscht werden

Wann und wie wird sich der Markt für Ihre Lösung entwickeln?

Die Transformation der Energiesysteme ist im vollen Gange. Infrastruktur für erdgas- und ölbasierte Kraftstoffe und Brennstoffe wird durch Wasserstoff und flüssige Wasserstoffderivate wie Ammoniak, Methanol oder synthetische Kraftstoffe ersetzt. Der Wettlauf um die Technologieführerschaft und letztendlich Energieführerschaft hat längst begonnen. In China und den USA werden aktuell viele Milliarden Euro in Wasserstofftechnologien und deren Infrastruktur investiert, wir Europäer versuchen mit dem Green Deal dagegenzuhalten. Wasserstoffprojekte schießen wie Pilze aus dem Boden. Für uns hat der Markt bereits begonnen, wir schließen aktuell Kooperationsverträge mit ersten Herstellern von Fahrzeugen und Maschinen.

Wo sehen Sie den ersten Markt, der sich entwickeln könnte?

Wir müssen da mehrgleisig fahren und schauen deshalb auch in die USA und in den arabischen Raum. Das Land, das durch Investition die niedrigsten Wasserstoffpreise ermöglichen kann, wird viele Unternehmen und Investments anziehen. Ich hoffe, dass wir in der EU und in Deutschland mit der Greenhouse Gas Quota ein Instrument erhalten, das wettbewerbsfähig ist.

Sie haben eine Auszeichnung bei den World CleanTech StartUPs Awards, kurz WCSA 2023, gewonnen. Was hat die Jury besonders überzeugt?

Erst einmal ist der Award als Plattform ein sehr interessantes Netzwerk. Der WCSA 2023 wurde unter anderem von ACWA Power in strategischer Partnerschaft mit Dii Desert Energy und dem französischen Institut für Solarenergie CEA-INES ausgeschrieben. Die Jury hat das transformative Potenzial der Wasserstoffbatterie gesehen. Die Innovation könnte eine effiziente und flexible Infrastruktur für H2 aufbauen. Die Stromkosten zur Wasserstofferzeugung aus erneuerbaren Energien sind in Dubai sehr gering. Auch deshalb hat uns ACWA nun Ende des Jahres 2023 noch mal eingeladen, unsere Lösung vor Ort zu präsentieren. Das wird sehr spannend.

Im November wurden wir zudem bei den Global EnergyTech Awards gleich zweimal ausgezeichnet: mit dem „Best CleanTech Solution for Energy“ und zusätzlich dem Sonderpreis „Best Stand Out Performer“. Wir waren die einzigen Gewinner aus Deutschland. Das hilft.

Interviewer: Niels Hendrik Petersen


Thomas Korn

Thomas Korn arbeitet bereits seit 1998 an dem Thema Wasserstoff. Der Ingenieur hat unter anderem bei BMW an der Entwicklung der Brennstoffzelle gearbeitet. 2015 war er Mitgründer des Wasserstoff- Start-ups Keyou in München. Das Start-up water stuff & sun wurde 2017 im oberbayerischen Unterschleißheim gegründet. Die junge Firma hat derzeit 15 MitarbeiterInnen sowie eine Zweigstelle in Uppsala, Schweden.

Frustration über anhaltende Unsicherheiten

Frustration über anhaltende Unsicherheiten

HZwei: Herr Chatzimarkakis, zum Glück hat es bei der Verabschiedung der RED III nicht ganz so lange gedauert wie bei der RED II. Was sagen Sie zu dem Ergebnis?

HE: Die Verabschiedung der RED III ist ein positiver Schritt für die Wasserstoffindustrie in Europa. Sie schafft Klarheit und die Grundlage für die Förderung sowie Entwicklung von Wasserstoffprojekten und -anwendungen. Es ist jedoch wichtig, dass die Umsetzung zügig erfolgt, damit die Branche die notwendige Planungssicherheit hat, um Investitionsentscheidungen zu treffen.

HZwei: Überaus große Bauchschmerzen bereitet der H2-Industrie gerade das extrem langwierige Prozedere bei den IPCEI-Vorhaben. Angeblich soll jetzt etwas in Bewegung kommen. Können Sie das bestätigen und etwas Licht ins Dunkel bringen?

HE: Ja, die Verzögerungen bei den IPCEI-Vorhaben aufgrund manchmal europäischer und manchmal nationaler Bürokratie haben die Branche besorgt. In der Summe hat es zur Konsequenz, dass Fördermittelempfänger zu lange warten müssen und entsprechend abspringen. Das birgt die Gefahr, dass Projekte zum Beispiel in den USA verwirklicht werden könnten. Wir dürfen hier also keine Zeit verlieren. Denn der schleichende De-Industrialisierungsprozess beschleunigt sich durch solche unnötigen Verzögerungen. Um dem entgegenzuwirken, konnte ich bei dem einen oder anderen Prozess Bewegung bringen. Die IPCEI-Initiativen sind entscheidend für die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft und die Förderung von Innovationen. Es ist wichtig, dass die bürokratischen Hürden überwunden werden, damit diese Projekte vorankommen.

HZwei: Was melden Ihnen Ihre Mitglieder zurück? Bedauern sie, sich überhaupt beworben zu haben?

HE: Einige unserer Mitglieder haben Bedenken hinsichtlich der langen Verzögerungen bei den IPCEI-Projekten geäußert. Sie haben erhebliche Ressourcen in die Bewerbungen investiert und warten nun auf grünes Licht, um mit ihren Projekten voranzukommen. Es ist verständlich, dass sie über die anhaltenden Unsicherheiten frustriert sind.

HZwei: Wie lautet Ihre Empfehlung: Lieber auf Fördergelder verzichten und selber zügig starten oder weiter abwarten?

HE: Die Entscheidung, auf Fördergelder zu verzichten und eigenständig zu starten oder weiter abzuwarten, hängt von den individuellen Umständen jedes Unternehmens ab. Es ist jedoch wichtig, dass die Fördermittel so schnell, wie möglich, fließen, um die dringend benötigten Wasserstoffprojekte zu unterstützen und die Markteinführung zu beschleunigen.
Leider ist die Produktion von grünem Wasserstoff noch mit hohen Investitionskosten und wirtschaftlichen Risiken verbunden. Trotz der Fördermittel lohnt sich oft ein dauerhafter Betrieb der Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab wirtschaftlich nicht.
Daher brauchen wir auch noch alternative Wasserstoffproduktionswege, welche wettbewerbsfähiger produzieren können.

HZwei: Schauen wir jetzt mal nach Deutschland: Auf die 37. BImSchV warten viele schon seit etlichen Jahren. Wann wird es Ihres Wissens nach eine neue Verordnung geben und was wird sie Ihres Wissens nach enthalten?

HE: Es ist bedauerlich, dass die Überarbeitung der 37. BImSchV so lange dauert. Leider habe ich keine genauen Informationen darüber, wann eine neue Verordnung erwartet wird oder was sie genau enthalten wird. Es ist jedoch entscheidend, dass die Verordnung die Bedürfnisse der Wasserstoffindustrie und die Anforderungen für eine sichere sowie effiziente Wasserstoffproduktion berücksichtigt.

HZwei: Erlauben Sie jetzt noch zwei drei Fragen zu dem offenen Brief, den Hydrogen Europe kürzlich zugeschickt bekommen hat (liegt der HZwei-Redaktion vor). Darin fordern verschiedene hochrangige BranchenvertreterInnen aus dem Projektkonsortium von JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN eine „Verbesserung der Wasserstoffbetankungsinfrastruktur für BZ-Busse“. Ist dieser Brief bei Ihnen angekommen?

HE: Ja, der offene Brief ist bei uns angekommen. Wir nehmen die Anliegen der Branchenvertreter sehr ernst. Die Verbesserung der Wasserstoffbetankungsinfrastruktur für Brennstoffzellenbusse ist von entscheidender Bedeutung, um die Verbreitung dieser umweltfreundlichen Verkehrsmittel zu unterstützen. Hier könnte insbesondere Waste-to-Hydrogen ein Teil des Puzzles sein. Denn die Gestehungskosten, beispielweise aus Biogas, liegen bei 2-3€/kg. Zusammen mit der THG-Quote wird das schnell wirtschaftlich.

HZwei: Darin heißt es unter anderem: „Die Mitglieder des Konsortiums sind davon überzeugt, dass BZ-Busse eine praktikable Option für den öffentlichen Verkehr in ganz Europa darstellen können. Sie haben sich als zuverlässig erwiesen und werden sowohl von den Fahrgästen als auch von den Busfahrern sehr gut angenommen. Das Konsortium ist jedoch der Meinung, dass die technische Reife und die Fähigkeiten der Wasserstofftankstellen (HRS) deutlich unter den Anforderungen für den Betrieb einer BZ-Busflotte liegen. Das Konsortium ist der Ansicht, dass dies ein großes Hindernis und eine Einschränkung für die Kommerzialisierung und Verbreitung von BZ-Bussen darstellt und in der Tat eine Herausforderung für BZ-Fahrzeuge in ganz Europa und vielleicht sogar weltweit darstellen könnte.“ Sie werden in diesem Schreiben aufgefordert, die Bedeutung dieses Problems anzuerkennen und so schnell wie möglich Gespräche mit der Industrie über mögliche Lösungen zu führen. Was sagen Sie dazu?

HE: Die Bedenken des Konsortiums sind berechtigt. Wir unterstützen die Bemühungen, die Wasserstoffbetankungsinfrastruktur für Brennstoffzellenbusse zu verbessern. So sind wir und unsere Mitgliedsunternehmen aktiv in der Normung zu diesem Thema – zum Beispiel bei ISO und UNECE. Es ist wichtig, dass die Industrie und die politischen Entscheidungsträger zusammenarbeiten, um Lösungen für diese Herausforderung zu finden und sicherzustellen, dass Brennstoffzellenbusse ihr volles Potenzial entfalten können.
Zudem: Ein sehr positiver Effekt zum Hochlauf der Betankung wird sicherlich von der AFIR ausgehen. Dieser verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, Wasserstofftankstellen auf den zentralen europäischen Achsen sowie in städtischen Knotenpunkt zu errichten. Wir haben errechnet, dass bis 2030 insgesamt bis zu 600 Tankstellen innerhalb der EU entstehen müssen. Das wird einen deutlichen Impuls für die Nutzer von Brennstoffzellenbussen geben.

HZwei: Heißt das, dass Sie sich dieser Problematik – auch im Interesse Ihrer eigenen Verbandsmitglieder – annehmen werden?

HE: Ja, Hydrogen Europe nimmt sich aktiv dieser Problematik an und setzt sich für die Verbesserung der Wasserstoffbetankungsinfrastruktur ein. Wir sind bestrebt, die Interessen unserer Verbandsmitglieder zu vertreten und die Entwicklung der gesamten Wasserstoffwirtschaft in Europa voranzutreiben.

Interviewer: Sven Geitmann

Auszüge aus dem offenen Brief

„Wenn es etwas gibt, was der kommerzielle Betrieb von Bussen in öffentlichen Verkehrssystemen braucht, dann ist es ein HRS, das für den Betrieb verfügbar und zuverlässig ist. Dieser grundlegende Standard wird bei den derzeitigen Betankungseinheiten häufig nicht erfüllt. An fast allen Standorten der Projekte JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN kam es zu erheblichen Ausfallzeiten der Betankungseinheit, so dass die Fahrzeuge nicht einsatzfähig waren.“

„Es hat viele Monate gedauert, um einen zuverlässigen und robusten Tankvorgang zu erreichen, wobei zahlreiche Störungen während des Tankvorgangs auftraten, die der Lieferant nur langsam beheben konnte – und das trotz der inhärenten Redundanz der Station.“

„Die Mitglieder des Konsortiums berichten über Probleme mit einer Reihe recht grundlegender Geräte zur Wasserstoffförderung. Angesichts der umfangreichen Erfahrungen der Industrie mit der Handhabung von Wasserstoff sind diese Probleme überraschend.“

„Darüber hinaus ähneln die Probleme und Kommentare denen, die bei zahlreichen Projekten aus den frühen 2000er Jahren berichtet wurden. Es ist bemerkenswert und sehr enttäuschend, dass die Leistung der Kompressoren für die Betankung von BZ-Bussen offenbar noch nicht das für den kommerziellen Flottenbetrieb erforderliche Niveau erreicht hat.“

„Die Projektstandorte haben berichtet, dass die Datenübertragung häufig unterbrochen wird, was zum Abbruch der Betankung oder zu einer längeren Betankungszeit als erforderlich führt. Der Sensor in der Düse ist nicht robust. Wenn er kaputtgeht, muss die gesamte Zapfpistole ersetzt werden, was ca. 10.000 € kostet.“

„Bei der Umstellung von Tanks des Typs 3 auf Tanks des Typs 4 in den Bussen traten erhebliche Probleme auf. Zumindest teilweise scheint dies darauf zurückzuführen zu sein, dass die Informationen von den Busherstellern nicht an die HRS-OEMs übermittelt wurden.“

„Zwar wurden Ziele wie eine HRS-Verfügbarkeit von mehr als 98 % bereits erreicht, z. B. von einigen Standorten des CHIC-Projekts, doch war eine Leistung auf diesem Niveau nur mit einem erheblichen Einsatz von Personal und finanziellen Mitteln, d. h. mit höheren Kosten, zu erreichen.“

„Gewerbliche Betreiber verlangen, dass ihre Fahrzeuge verfügbar sind, wann und wo sie gebraucht werden (und zu vertretbaren Betriebskosten). Dies ist vielleicht die wichtigste Variable, auf die die Betreiber achten, wenn sie Investitionen in neue oder zusätzliche Fahrzeuge in Erwägung ziehen. Wenn sie nicht sicher sein können, dass die Fahrzeuge bei Bedarf betankt werden können, werden alle Pläne für eine Flottenerweiterung von BZ-Bussen nicht umgesetzt werden.“

„Wir sind der Meinung, dass die anhaltenden Probleme mit der Betankung gelöst werden müssen, wenn die 407 Millionen Euro, die in den letzten 20 Jahren aus öffentlichen EU-Mitteln und den entsprechenden Mitteln von Industrie, Busbetreibern, KMU und Forschungspartnern in BZ-Busse investiert wurden, zu einer nachhaltigen Kommerzialisierung der Busse führen sollen. Wir sind davon überzeugt, dass sie kurzfristig gelöst werden können, wenn man ihnen die nötige Aufmerksamkeit und die erforderlichen Ressourcen zukommen lässt.“

„Wenn es jemals ein Momentum für Wasserstoff gab, dann jetzt“

„Wenn es jemals ein Momentum für Wasserstoff gab, dann jetzt“

Interview mit Dr. Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender Deutsche Messe

„Wir bringen Leute zusammen.“ Mit diesen Worten beschrieb Dr. Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe, den Anspruch der Hannover Messe, auch 2024 wieder die Anlaufstelle im Real Life für AusstellerInnen und BesucherInnen im Industriesektor zu sein. Noch stärker als schon 2023 soll dabei in diesem Jahr Wasserstoff in den Fokus rücken. Köckler betonte die Notwendigkeit von mehr Gemeinsamkeit, indem er sagte, der Aufbau einer H2-Wirtschaft werde „nur gelingen, wenn Politik und Wirtschaft zusammen funktionieren“.

HZwei: Herr Dr. Köckler, 2023 zählte Wasserstoff bereits zu den fünf Kernthemen, die Sie während der Hannover Messe bespielt haben. Wird 2024 die Präsenz der H2-Technologie nochmals zunehmen?

Köckler: Wir gehen davon aus, dass wir im Bereich Wasserstoff einen deutlichen Anstieg erleben werden. Sowohl auf der Hydrogen + Fuel Cells Europe als auch in den anderen Ausstellungsbereichen der Hannover Messe stehen die Zeichen auf Wachstum.

HZwei: Was werden Sie vonseiten der Deutsche Messe unternehmen, um die große Bedeutung des Themas Wasserstoff herauszustellen?

Köckler: Mit dem diesjährigen Partnerland Norwegen rücken wir das Thema Energie in den Fokus, und damit insbesondere das Thema Wasserstoff. Deutschland und Norwegen haben bereits im Januar 2023 eine Energiekooperation vereinbart. In der gemeinsamen Erklärung zum Thema Wasserstoff bekräftigten die beiden Länder ihre Absicht, bis 2030 eine großflächige Versorgung mit Wasserstoff inklusive der dafür notwendigen Infrastruktur aufzubauen. Norwegen wird sich daher mit seinem Gemeinschaftsstand im Energiebereich der Hannover Messe positionieren.

HZwei: Mit der Hydrogen + Fuel Cells Europe ist eine der wichtigsten H2-Messen Europas Teil Ihrer Industrieschau. Was können die BesucherInnen dort erwarten?

Köckler: Die Hydrogen + Fuel Cells Europe ist seit rund 30 Jahren der Treffpunkt der internationalen Community. Dort trifft sie sich, dort diskutiert sie in zwei Foren alle relevanten Themen. Im Public Forum geht es um aktuelle Themen, wie zum Beispiel die Frage, welchen Beitrag Wasserstoff zur CO2-Reduktion leisten kann. Im Technical Forum werden neue Produkte und Lösungen präsentiert. BesucherInnen, die sich mit dem Thema Wasserstoff beschäftigen, erhalten dort einen umfassenden Überblick über technische Neuerungen, aber auch über unterschiedliche Anwendungsfelder.

Aber H2-Lösungen werden nicht nur auf der Hydrogen + Fuel Cells Europe in Halle 13 gezeigt, sondern auch in anderen Bereichen der Hannover Messe. Wir freuen uns, dass immer mehr Aussteller mit wasserstoff- und brennstoffzellenrelevanten Produkten vertreten sind. Insgesamt erwarten wir mehr als 500 Unternehmen in Hannover. Damit geben wir der Wasserstoffwirtschaft einen ordentlichen Schub. Die Salzgitter AG informiert zum Beispiel in Halle 13 über klimaneutrale Herstellung von grünem Stahl aus grünem Wasserstoff.

HZwei: Waren Sie auf der Hydrogen Technology Expo in Bremen? Beeindruckt es Sie, wie schnell diese Messe gewachsen ist und wie professionell sie aufgezogen wurde?

Köckler: Wenn ein Thema an Bedeutung gewinnt, dann entstehen natürlich auch neue Möglichkeiten für Messen, das ist normal. Unser Vorteil ist, dass wir das Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen bereits seit Jahrzehnten besetzen und in all dieser Zeit eine einzigartige Community etabliert haben. Diese weiß die Einbindung der Hydrogen + Fuel Cells Europe in die Hannover Messe zu schätzen, da sie hier direkten Zugang zur Industrie, zur Energiewirtschaft und zur Politik hat. Das gibt es weltweit auf keiner anderen Messe.

HZwei: Wie ist Ihre Sicht auf den deutschen Veranstaltungssektor? Welches sind die Vorteile der Hannover Messe gegenüber mittlerweile großen europäischen H2-Fachmessen wie beispielsweise in Rotterdam oder Paris?

Köckler: Die Hannover Messe ist eine horizontale Messe, auf der sich alljährlich VertreterInnen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft austauschen. Sie befruchten sich gegenseitig und treiben im Schulterschluss Entwicklungen voran. In der Halle 2 zeigen zum Beispiel WissenschaftlerInnen von führenden Forschungsinstituten, an welchen Produkten und Lösungen geforscht wird. In den anderen Hallen der Hannover Messe geht es um konkrete Anwendungen. Die Politik wird in diesem Jahr noch stärker vertreten sein als in den Vorjahren, da neben dem Bundeskanzler Olaf Scholz sowie dem Wirtschaftsminister Robert Habeck auch Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, erwartet wird.

Die EU wird insgesamt stark vertreten sein. Am ersten Messetag findet die EU-Konferenz „EU as Home of the Decarbonised Industry” im Convention Center auf dem Messegelände in Hannover statt. Auf der Veranstaltung können sich Industrievertreter mit hochrangigen EU-Politikern austauschen, um über relevante Themen wie den Green Deal zu diskutieren. Diese Möglichkeiten bietet nur die Hannover Messe. Insbesondere im Energiebereich ist der Kontakt zur Politik wichtig, da alle politischen Entscheidungen in dem Bereich Auswirkungen auf die Unternehmen haben.

Interviewer: Sven Geitmann

Interview mit dem Wasserstoff-Experten Dr. Johannes Töpler

Interview mit dem Wasserstoff-Experten Dr. Johannes Töpler

HZwei: Dr. Töpler, wie würden Sie sich und Ihr Tätigkeitsfeld in Bezug auf den Themenkomplex Wasserstoff und Ihre Fachkompetenz beschreiben?
Meine berufliche Beschäftigung mit dem Wasserstoff begann 1977 bei DaimlerBenz mit der Aufgabe, für eine geplante Wasserstoffflotte in Kundenhand die Metall-Hydrid-Speicher zu bauen. Die Flotte war von 1984 bis 1988 in Berlin im Einsatz. 1989 habe ich mit Vorlesungen über „Erneuerbare Energien und Wasserstoff“ an der Hochschule Esslingen meine akademische Lehrtätigkeit begonnen, die bis heute andauert.
Von 2002 bis 2023 war ich im Vorstand/Präsidium des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes (2003-2014 Vorstandsvorsitzender) mit der Aufgabe, den Wassersstoff in Wirtschaft und Politik voranzutreiben.
Zurzeit fokussiere ich mich auf die Bildungsarbeit für den Wasserstoff, zum Beispiel mit dem Aufbau eines berufsbegleitenden Master-Studienganges an der Dresden International University (DIU) und der Technischen Akademie Esslingen.

Wasserstoff wird sehr emotional diskutiert. Auf Erdgas basierend ist dieser schon immer in großen Mengen im täglichen Einsatz. Ich denke da beispielsweise an die Chemieindustrie – aber eben mit CO2-Abdruck. Nun geht es um den regenerativ erzeugten, den grünen, aber auch den gelben (mit Biogas) und die Nutzung von Überschussstrom aus Kohle- und Kernkraftwerken für schwarzen bzw. roten/türkisen Wasserstoff sowie die Vermeidung von CO2-Emissionen (Dekarbonisierung). Wie sieht Ihr Zukunftsszenario aus? Von wo wird der Wasserstoff zu uns kommen? Können wir diesen selbst in ausreichender Menge produzieren, wie mancher Politiker dies so sieht?
Die emotionale Diskussion kommt häufig daher, dass von einem singulären Standpunkt aus argumentiert wird – sei es zum Beispiel von einem Vorurteil bezüglich der Wasserstoff-Sicherheit, dem Energiebedarf bei der Wasserstoff-Produktion oder einem kurzfristigen Profitstreben. Im Sinne der Bedeutung des Wasserstoffs für eine nachhaltige Energieversorgung ist es zielführender, den Wasserstoff in seiner ganzheitlichen Bedeutung zu betrachten. Diese liegt wesentlich in seiner Fähigkeit, sehr große Energiemengen im Bereich von mehreren Terrawattstunden zu speichern und damit die Fluktuationen des Angebotes der erneuerbaren Primärenergien auszugleichen. Das ist das Fundament der Versorgungssicherheit und damit von zentraler volkswirtschaftlicher Bedeutung. Dazu kommt langfristig nur CO2-freier Wasserstoff oder CO2-neutraler Wasserstoff aus Biomasse in Frage. Eventuell ist auch Wasserstoff aus Pyrolyse von organischen Abfällen und Kunststoffen denkbar, wenn das Recycling des Kohlenstoffs und anderer Reststoffe gelingt.
In der Übergangsphase, wenn eventuell noch nicht genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, um die Marktpotenziale der Wasserstoff-Technologien schnellstmöglich hochzufahren, wird auch Wasserstoff aus anderen Quellen erforderlich sein; aber bitte nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich.

Die Infrastruktur für den Transport steht auf der einen Seite – Beimischung (Blending) in Gasnetzen. Parallel soll es ausschließlich Wasserstoff transportierende Pipelines geben. Wie sehen Sie da die zukünftige Entwicklung? Auch bezogen auf andere Netze wie die Stromnetze.
Die Zumischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz ist eine erste Möglichkeit, ihn in Netzen zu verteilen. Allerdings ist dieses Verfahren nicht neu. Bereits in früheren Stadtgasnetzen mit Synthesegas war ein H2-Gehalt von circa 50 % üblich. Beispielseise wurde die erste Flotte von Wasserstoff-Fahrzeugen in Kundenhand 1984 bis 1988 in West-Berlin mit Wasserstoff betrieben, der mit einer Reinheit von 5.0 mittels eines dreistufigen PSA-Verfahren (Pressure-Swing-Adsorption) aus dem Berliner Stadtgas gewonnen wurde.
Heute laufen die ersten Versuche der H2-Zumischung im Erdgasnetz mit einem Anteil von bis zu 30 % mit gutem Erfolg inclusive der begleitenden Sicherheitsuntersuchungen zum Beispiel der Zündgrenzen des Gemisches. Eine direkte Nutzung des Gasgemisches ist allerdings nur thermisch möglich. Für eine bessere exergetische Nutzung des Wasserstoffs – zum Beispiel über die Brennstoffzelle – ist eine Abtrennung erforderlich. Daher wird die Zumischung wahrscheinlich nur in einer Übergangsphase stattfinden mit dem Ziel, am Ende ein vollständiges Wasserstoffnetz zu haben.
Zusätzlich zum Bedarf der H2-Speicherung innerhalb Deutschlands ist auch zu berücksichtigen, dass der erforderliche Import erneuerbarer Energien insbesondere bei interkontinentalem Transport nur über den Wasserstoff geht, so dass auch für dessen Verteilung ein H2-Netz erforderlich sein wird.

Wie sehen Sie die Entwicklung in der Elektromobilität bezogen auf den Einsatz der Batterie und der Brennstoffzelle in der Welt und in den verschiedenen Einsatzfeldern? Ergänzen sich beide Varianten oder stehen diese im Wettbewerb? Welche Variante hat für Sie das größte Potential? Worin könnten Hürden liegen, die mancher Entwicklung im Weg steht?
Ich bin überzeugt, dass der Brennstoffzellen-Pkw weltweit kommen wird. Er steht meines Erachtens auch nicht in Konkurrenz zum Batterie-Pkw, sondern beide ergänzen sich. Batterie-Fahrzeuge werden direkt über das elektrische Netz beladen, was bezüglich des Wirkungsgrades der Energiekette optimal ist. Das gilt aber nur, wenn das elektrische Netz ausreichend stabil ist und die Energie nicht mit Wasserstoff zwischenzeitlich gespeichert werden musste (z. B. bei Dunkelflaute). Dann wäre die direkte Nutzung des Wasserstoffs in einem H2/BZ-Fahrzeug sinnvoller. Ein H2/BZ-Fahrzeug bezieht seine Energie immer aus den Speichern und nie direkt aus dem Stromnetz und trägt damit zur Stabilisierung des elektrischen Netzes in Zeiten eines schwachen Primärenergie-Angebotes bei.
Je nach dem Fahrprofil eines Autos und der vorrangig zur Verfügung stehenden Energiequelle (z. Z. PV-Anlage mit Batteriespeicher im eigenen Haus) kann ein Batterie- oder BZ-Fahrzeug Vorteile haben. Auch die Kombination beider Technologien in einem Fahrzeug (Batterie für die täglichen kurzen Strecken – die Brennstoffzelle für die längeren Fahrten) wie beim Daimler GLC kann sinnvoll sein, weil dann Wirkungsgrad und Versorgungssicherheit gut kombinierbar sind.
Die Hürden sind aus meiner Sicht beim Batterie-Fahrzeug die CO2-Emissionen bei der Batterie-Produktion und die noch nicht gelösten Probleme des Recycling und beim H2/BZ-Fahrzeug die noch unzureichende Infrastruktur und Verfügbarkeit des grünen Wasserstoffs.

Aus China ist zu hören, dass da führende Kfz-Hersteller Prototypen für BZ-Fahrzeuge entwickelt haben. Toyota und Hyundai geben sich technologieoffen und setzen neben der Batterie auf wasserstoffbetriebene Kfz aller Art, vom Pkw (Mirai, Nexo) bis hin zu Bussen und Nfz. Was beziehungsweise welchen Weg würden Sie der deutschen Autoindustrie empfehlen? VW und andere – außer BMW – sehen die Elektromobilität ausschließlich auf die batterieelektrische bezogen. Die Brennstoffzelle und Wasserstoff finden da nicht statt. Wo stehen wir da in 10 bis 20 Jahren – in Deutschland, der EU und in der Welt?
Die Japaner (Toyota, Honda), Koreaner (Hyundai) und auch chinesische Hersteller haben angekündigt, Weltmarktführer in dieser Branche werden zu wollen. Sie fahren ihre Produktionsmöglichkeiten entsprechend hoch. Toyota und Hyundai haben die ersten Fahrzeuge auch auf dem europäischen Markt, Hyundai auch mit einer großen Lkw-Flotte in der Schweiz. Auch Daimler und VW hatten marktreife BZ-Pkw in Kalifornien im Einsatz und Daimler hat 2011 mit der Weltumrundung von drei H2/BZ-Fahrzeugen der B-Klasse die Marktreife demonstriert.
Zurzeit sind die Batterie-Fahrzeuge natürlich weit voraus. Das liegt nach Aussage der Herstellerfirmen daran, dass die strengen Klimaziele wesentlich schneller mit Batterie-Fahrzeugen zu erreichen sind, weil die Fertigungstiefen und damit auch der Personalaufwand deutlich niedriger ist. Hinzu kommt, dass die Batterieentwicklung bezüglich. Betankungsdauer, Zyklisierungsstabilität und Reichweite deutliche Fortschritte gemacht hat.
Bei Lkw, großen Arbeitsfahrzeugen (z. B. Müllsammler) und Bussen werden allerdings die Batterien so schwer oder die Ladezeiten so lang, dass H2/BZ-Antriebe deutliche Vorteile haben. Daher fokussieren die meisten deutschen Hersteller ihre Entwicklungen darauf. Es ist zu hoffen, dass diese Entwicklungen so schnell in den Markt kommen, dass wir unsere Klimaziele noch erreichen.

Wasserstoff in den Wärmemärkten (Gasheizung) wird sehr zurückhaltend betrachtet oder sogar gar von mancher politischer Seite als nicht zielführend beschrieben. Wo sehen Sie da das Potential? Firmen wie Viessmann hatten hierbei große Pläne, Gasheizungen H2-ready zu machen. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein – auch in Konkurrenz zur strombasierten Wärmepumpe?
Zunächst einmal müssen wir beim „Wärmemarkt“ unterscheiden zwischen der Hochtemperatur-Wärme für industrielle Prozesse (z. B. für die Glasindustrie) und der Gebäudeheizung. Bei der Hochtemperatur-Wärme sehe ich nur den grünen Wasserstoff als CO2-freie Wärmequelle.
Zur Gebäudeheizung sind in Japan schon einige zig-tausend Brennstoffzellen-Heizgeräte im Markt, die gleichzeitig Strom und Wärme produzieren. Dabei entspricht das Verhältnis der Strom- und Wärmemenge etwa dem Bedarf eines typischen japanischen Haushalts. In Deutschland sind die Wohnungen deutlich größer und damit auch der Wärmebedarf. Folglich müsste bei einem BZ-Heizgerät noch ein zusätzlicher Brenner für den Spitzen-Wärmebedarf eingebaut werden. Das ist sicherlich sub-optimal, da der Exergieinhalt des Wasserstoffs zu schade ist, um diesen nur thermisch zu nutzen. Darüber hinaus sind kleine Anlagen (z. B. für Einfamilienhäuser) relativ teuer. Große Anlagen (Quartierlösungen) sind deutlich rentabler – im Wesentlichen aufgrund von Skalierungs-effekten.
Ob eine Wärmepumpe oder ein BZ-Heizgerät vorzuziehen ist, hängt vom Einzelfall ab und sollte genau geprüft werden, auch im Hinblick auf die Versorgungssicherheit bei der Stromversorgung und die Bedeutung des Wasserstoffs als Energiespeicher.

Wenn Sie der Politik in Deutschland – der Ampel-Regierung, aber auch der nächsten Regierung – Empfehlungen geben würden, was die Energiewende, die Elektromobilität und auch die Wärmemärkte bezogen auf Wasserstoff angeht: Wie würden diese aussehen? Welche Maßnahmen müssten Ihrer Meinung nach getroffen werden? Wie ließe sich der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft beschleunigen? Ist der amerikanische IRA da Vorbild?
Das sind sehr viele Fragen auf einmal. Zur Strukturierung der Antworten möchte ich von der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Versorgungssicherheit ausgehen. Diese wird durch den Wasserstoff und seine Speicherfähigkeit großer Energiemengen (durch Moleküle) gewährleistet. Die erneuerbaren Primärenergien kommen vorrangig durch Elektronen in die Anwendung, und deren direkte Nutzung ermöglicht die besten Wirkungsgrade. Beides wird für eine nationale Energiestrategie gebraucht.
Hinzu kommt, dass für den notwendigen Import erneuerbarer Primärenergie Wasserstoff als Energieträger benötigt wird, insbesondere bei Importen aus Übersee. Wir sind in Deutschland in der glücklichen Situation, dass wir für die „Träger“ der Effizienz (Elektronen) und der Speicherfähigkeit (Moleküle) verfügbare Netze haben. Dabei sind elektrischen Netze noch auszubauen, die Erdgasnetze und Erdgasspeicher – soweit wie möglich auf Wasserstoff umzurüsten und gegebenenfalls neue H2-Speicher noch auszusolen.
Auf dieser Basis sollte eine nationale Energiestrategie der Regierung aufbauen, die die gesamte Wertschöpfungskette umfasst – von der Versorgungssicherheit der Rohstoffe bis hin zum Recycling aller eingesetzten Materialien. Bei der Mehrheit der Politiker, mit denen ich Kontakt hatte, war ich erfreut über den Sachverstand. Nur manchmal haben partei-ideologische Vorbehalte gegenüber dem Wasserstoff die Kommunikation erschwert. Insgesamt ist Deutschland und auch große Teile Europas auf einem guten Weg – nicht zuletzt auch durch die engagierte Arbeit des Nationalen Wasserstoff-Rates (NWR).
Es fehlen zurzeit noch Regelwerke für die Umsetzung der nationalen Wasserstoff-Strategien, so dass die Firmen noch keine ausreichende Planungssicherheit haben oder an kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Gewinn festhalten. Es ist zu hoffen, dass mit der Erstellung eines Rechtsrahmens für die Einführung des Wasserstoffs auch die Geschwindigkeit der Umsetzung zunimmt.
Aber: Die ersten Abschnitte des „European Hydrogen Backbone“ werden gebaut, und die Phantasien der all-elektrischen Welt mit der Forderung des Rückbaus der Gasnetze sind Geschichte.
Eine Förderung nach dem amerikanischen IRA-Vorbild halte ich bezüglich der Geldmenge in Deutschland für nicht realisierbar. Aber um zu verhindern, dass erfolgversprechende deutsche Entwicklungen wegen der IRA-Förderungen in die USA verlagert werden, wäre in Deutschland eine Fokussierung auf wirklich wichtige Projekte empfehlenswert. Die „ergebnisoffene“ Förderung war nicht immer zielführend.
Wenn nach einem ausländischen Vorbild für unsere Aktivitäten gesucht wird, fällt mir zuerst Japan ein, wo ein Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) nach anfänglichen umfassenden Voruntersuchungen eine Vorauswahl der zielführenden Optionen erstellt und darauf die weiteren Arbeiten konzentriert und massiv fördert.

Haben Sie Anmerkungen zum Themenkomplex, die unsere Leser interessieren sollten/dürften? Eine Vision? Ein Zukunftsszenario?
Ich habe als Vision oder Zukunftsszenario eigentlich nur das, was vermutlich jede(r) von uns hat: Dass wir es wirklich schaffen, den Klimawandel zu stoppen, damit unsere Erde auch für die kommenden Generationen bewohnbar bleibt.
Vielen Dank!

Interviewer: Sven Jösting

Hühnerfedern als BZ-Membranmaterial

Hühnerfedern als BZ-Membranmaterial

Federn von Hühnern oder anderem Federvieh könnten künftig als Membranmaterial helfen, Brennstoffzellen effektiver und billiger zu machen. ForscherInnen der ETH Zürich und der Technischen Universität in Singapur (NTU) haben aus Abfallfedern das natürliche Protein Keratin extrahiert, das als Eiweißbaustein wesentlicher Bestandteil von Haaren und damit ein Naturprodukt ist. Jährlich fallen davon weltweit 40 Mio. Tonnen an, die sonst meist verbrannt werden. Die ForscherInnen verarbeiten das Keratin zu feinsten Fasern, um daraus Membranen zu weben. Diese werden dann in den Brennstoffzellen als Elektrolyt eingesetzt.

In herkömmlichen Brennstoffzellen werden für solche Membranen bislang toxische Chemikalien verwendet. Die sind zudem teuer und nicht ökologisch abbaubar. Die neue Membran ist hingegen viel billiger. Die Herstellung im Labor senkt laut EHT die Kosten auf ein Drittel. Die Hühnerfedermembran könnte auch bei der H2-Gewinnung durch Elektrolyse nützlich sein: Denn die Membran ist protonendurchlässig und ermöglicht, die für die Wasserspaltung nötige Teilchenwanderung zwischen Anode und Kathode.

In einem nächsten Schritt werden die ForscherInnen nun untersuchen, wie stabil und langlebig die Keratinmembran ist. Das Team hat bereits ein Patent für die Membran angemeldet und sucht nun nach Investoren oder Firmen, die die Technologie weiterentwickeln und auf den Markt bringen wollen.

Autor: Niels Hendrik Petersen

H2-Herstellung per Photokatalyse

H2-Herstellung per Photokatalyse

Die direkte Erzeugung von Wasserstoff aus Sonnenlicht gilt schon lange als die eleganteste Lösung für die H2-Produktion, wenn sie denn skalierbar wäre. Bislang hapert es noch an geeigneten Materialien beziehungsweise großskaligen Systemlösungen. Forscher der britischen University of Cambridge haben jetzt einen Ansatz gefunden, wie aus Salz- oder Abwasser direkt mit Hilfe von Solarenergie Trinkwasser und Wasserstoff erzeugt werden kann.

Der Chemiker Chanon Pornrungroj hat dafür einen Solar-Dampf-Generator (solar vapour generator – SVG) mit einem Photokatalysator (PC) kombiniert. Normalerweise wird für die Photokatalyse reines Wasser benötigt. Um auch Schmutzwasser verwenden zu können, konstruierte er einen mit solarer Wärme betriebenen Wasserverdampfer, wodurch Verunreinigungen entfernt werden. Dieses kondensierte Wasser kann anschließend (nach Mineralienzugabe) zum Trinken und Kochen verwendet werden und auch für die nachfolgende H2-Produktion.

Dafür legte die Forschungsgruppe von Erwin Reisner einen Photokatalysator auf einem nanostrukturierten Kohlenstoffnetz, das sowohl Licht als auch Wärme absorbiert und Wasserdampf erzeugt, ab. Der Photokatalysator nutzt dann diesen Wasserdampf zur H2-Erzeugung. Insbesondere in Regionen ohne Zugang zu sauberem Wasser könnte dies ein wichtiger Schritt sein.

 

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