H2Global als Fundament für den Markthochlauf

H2Global als Fundament für den Markthochlauf

Gastartikel von Jorgo Chatzimarkakis, CEO von Hydrogen Europe

Mit dem Ziel, den weltweiten Markthochlauf für Wasserstoff voranzubringen, wurde im Juni 2021 die H2Global-Stiftung gegründet. Die Kernidee dahinter ist das sogenannte „Doppelauktionsmodell“: Dabei wird die Differenz zwischen den aktuell noch hohen Weltmarktpreisen für Wasserstoff und den niedrigeren Preisen, zu denen Wasserstoff zum Beispiel in Deutschland weiterverkauft sowie wirtschaftlich genutzt werden kann, erstattet. Dadurch soll die Industrie ermutigt werden, Wasserstoff zu importieren und in Anlagen für die Wasserstoffnutzung zu investieren. Für dieses Förderkonzept stellt die Bundesregierung rund 900 Mio. Euro zur Verfügung. Im Dezember 2021 gab die EU-Kommission der H2Global-Stiftung mit der beihilferechtlichen Genehmigung grünes Licht. Über zwei Jahre später zeigt sich, dass H2Global ein wertvolles Fundament für weitere Mechanismen geschaffen hat, die in der Lage sind, nicht nur den internationalen Wasserstoff-Markthochlauf voranzutreiben – eine (kritische) Bestandsaufnahme.

H2Global ist eine der besten Erfindungen, seit es Wasserstoff gibt. Die Idee, das Risiko für die Produktion, aber auch den Import von Wasserstoff zu senken und dabei Klimaverträge einzusetzen, ist bahnbrechend. H2Global hat dafür Maßstäbe gesetzt. Viele Politiker haben erst durch dieses Förderkonzept einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten erhalten, die mit Wasserstoff einhergehen. Gleichwohl müssen wir heute eine ehrliche Bestandsaufnahme machen und uns fragen, warum H2Global nicht automatisch zu einem wichtigen Element innerhalb der Europäischen Wasserstoffbank geworden ist.

H2Global-Elemente innerhalb der Europäischen Wasserstoffbank

Die gute Nachricht ist: Seit dem Start der ersten Auktion der EU-Kommission für die Produktion von Wasserstoff Ende November 2023 steht die Europäische Wasserstoffbank in den Startlöchern. Diese hat, wie H2Global, unter anderem das Ziel, Investitionen in die erneuerbare Wasserstofferzeugung zu unterstützen. Die Bank soll also einen Beitrag zu den europäischen Wasserstoffkapazitäten für Im- und Exporte leisten.

800 Mio. Euro sind in dieser ersten Auktion in einer Pilot-Ausschreibung angeboten worden. So möchten die Verantwortlichen der EU-Kommission und der Europäischen Wasserstoffbank testen, wie reaktiv die europäische Industrie bei der Frage der erneuerbaren Wasserstofferzeugung ist. Neben der ersten Auktion war zudem wichtig, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sich dafür stark machte, drei Mrd. Euro für diesen neuen Hebel – die Europäische Wasserstoffbank – zur Verfügung zu stellen. Dieser Betrag soll bis Frühjahr 2024 fließen, tangiert aber nur die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff. Was ist jedoch mit der Nachfrageseite und der daraus resultierenden H2-Importstrategie für die europäische Industrie?

Hier müssen wir jetzt Elemente, wie sie aus H2Global bekannt sind, in die Europäische Wasserstoffbank integrieren. Während die Produktionsausschreibungen für erneuerbare Wasserstofferzeugung durch die Wasserstoffbank mit festen Prämien einhergehen, sollten die Nachfragemechanismen – also H2-Importe – durch einen Klimavertrag im Rahmen von Differenzverträgen unterstützt werden. Der Bezugspunkt für die Differenz könnte der CO₂-Preis sein.

Dabei sind die Erfahrungswerte aus dem H2Global-Modell sehr wichtig. Das Modell wird in Zukunft allerdings zu einem Marktmechanismus umfunktioniert. Widergespiegelt wird also die tatsächliche H2-Nachfrage. Vor diesem Hintergrund wäre es am besten, wenn Teile der nationalen Öl- und Gasreserven obligatorisch um H2-Reserven oder dessen Derivate ergänzt würden. Dann hätte die Wasserstoffnachfrageseite eine konkrete Quote zu erfüllen. Der Grund: Durch etwaige Wasserstoffreserven wäre eine Abnahmesicherheit gegeben. Dafür eignen sich die Elemente von H2Global, die imstande sind, einen sehr raschen H2-Markthochlauf zu gewährleisten. Bis dahin ist es ein weiter Weg, der aber bestritten werden muss.

Grundsätzlich sollte sich die Europäische Wasserstoffbank auf folgende fünf Grundprinzipien konzentrieren: Einfachheit, Umfang, Schnelligkeit, Stabilität und Nachhaltigkeit.

Eine grüne Kapitalmarktunion

H2Global und die Europäische Wasserstoffbank bilden die Speerspitze für den H2-Markthochlauf. Die Gründung einer Green Capital Market Union (CMU) hingegen bildet nicht nur für Wasserstoffprojekte ein weiteres Fundament, sondern für die gesamte europäische Cleantech-Industrie. Die Idee einer grünen Kapitalmarktunion – zusammen mit neu ausgegebenen grünen Anleihen – stammt von EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

Es handelt sich dabei um einen mutigen Ansatz, um langfristige Sicherheit für Investitionen in Cleantech sicherzustellen. Damit sollte eine Risikoteilung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor einhergehen: Ein öffentlicher Sektor, der von der Privatwirtschaft angeführt wird. Das wäre die richtige Antwort auf die Investitionslücke und die täglich sinkende Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.

Die Idee einer grünen Kapitalmarktunion zeigt auch: Der Hauptantrieb ist Dekarbonisierung und nicht die Konzentration auf einige wenige Technologien. Die richtige Taxonomie, die sämtliche Cleantech-Technologien beachtet, die zu einer schnellen und nachhaltigen Dekarbonisierung führen, wird entscheidend sein. Frei nach dem Prinzip „Zeit bis zur Markteinführung“ im Rahmen von Innovationen sollte hier die „Zeit bis zur Dekarbonisierung“ das Leitprinzip sein. Dies führt uns zu einem reichhaltigen und komplementären Mix an sauberen Technologien.

Blick in die europäische H2– und Cleantech-Zukunft

Steigende Zinssätze sowie hohe Preise für Rohstoffe erschweren es Unternehmen aktuell, Projekte im Bereich der sauberen Energien, wie Wasserstoff, umzusetzen und Finanzmittel zu beschaffen. Entwickler warten daher mit dem Bau von Großprojekten. Sie hoffen auf sinkende Zinssätze. Die bereits knappen Fremdmittel sind noch schwieriger zu beschaffen. Außerdem verursachen diese Mittel aktuell höhere Kreditkosten. Trotz eines starken Anstiegs der Investitionen von Risikofonds in Wasserstoff zwischen 2019 und 2022 bewegt sich die Mittelbeschaffung im ersten Quartal 2023 nur auf einem Drittel des Niveaus vom ersten Quartal 2022.

Zudem sind China und die USA im Cleantech-Bereich auf dem Vormarsch. Das Engagement der Volksrepublik bei der Solartechnik und der damit einhergehenden Kostenrevolution ist bemerkenswert. Diese Tatsache hat zu einer weltweiten Abhängigkeit von chinesischen Solarpanels geführt. Der Windsektor entwickelt sich in gleicher Weise. Und das chinesische Engagement im Bereich von Wasserstoff? 2021 hatte China einen Anteil von bis zu zehn Prozent an der weltweiten Elektrolysekapazität. Heute sind es bereits 50 Prozent.

Mit H2Global, der Europäischen Wasserstoffbank und einer möglichen grünen Kapitalmarktunion haben wir Werkzeuge für eine klimaneutrale europäische Revolution in der Hand. Europa muss noch einen pragmatischen und technologieübergreifenden Ansatz akzeptieren. Dann haben wir noch immer die Chance, mit den schnellen globalen Entwicklungen Schritt zu halten – und so unabhängig wie möglich zu bleiben.


Wasserstoffverbrauch nach EU-Ländern – Balkendiagramm

Autor:
Jorgo Chatzimarkakis
Hydrogen Europe, Brüssel

 

Erprobung von BZ-Bussen und ihren H2-Tankstellen

Erprobung von BZ-Bussen und ihren H2-Tankstellen

Zwischenbilanz zur Analyse der Leistungsfähigkeit
Elektromobilität

Brennstoffzellenbusse (BZ-Busse) werden seit rund 20 Jahren erprobt. Mit europäischer Förderung laufen derzeit Demonstrationsprojekte mit rund 300 dieser Fahrzeuge. Die Leistungsfähigkeit der Busse und ihrer Wasserstofftankstellen wird auf der Basis von Betriebsdaten analysiert. Dieser Artikel möchte anhand ausgewählter Indikatoren eine Zwischenbilanz ziehen, inklusive Vergleichen mit den Ergebnissen bereits abgeschlossener Projekte. Insgesamt zeigen die Busse ein positiveres Bild als die Tankstellen.

Im Rahmen der Projekte JIVE und JIVE 2 (2017 bis 2024 bzw. 2018 bis 2025) sind die Busse an 16 Standorten in sechs Ländern im Einsatz (s. Abb. 2). Die örtlichen Flotten umfassen fünf bis 54 BZ-Busse. Zum Einsatz kommen einstöckige 12-m-Solobusse, Doppeldecker (in Großbritannien) sowie an einem Standort straßenbahnähnliche 18-m-Gelenkbusse. Die Wasserstofftankstellen wurden zum Teil aus einem weiteren Projekt namens MEHRLIN gefördert (Projektende: 30. Juni 2023).

Standorte der Projekte JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN (Aberdeen, Auxerre, Barcelona, Birmingham, Bozen, Brighton, Emmen, Gelderland, Groningen, Region Köln, London, Pau, Südholland, Toulouse, Wiesbaden und Wuppertal) sowie Länder mit Beobachter-Regionen. Wegen einer Neuausrichtung beim Busbetreiber ist der Standort Wiesbaden nicht mehr aktiv.

Zu den Aktivitäten im Arbeitspaket „Monitoring and Analysis“ gehören neben dem hier auszugsweise vorgestellten „Performance Assessment“ auch ein Umwelt- und Kostenvergleich zwischen BZ- und Batteriebussen [1] und die Dokumentation von „Best Practice“ [2].
Aus Gründen der Vertraulichkeit wurden die Ergebnisse so aggregiert, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Standorte möglich sind, soweit die Informationen nicht ohnehin bereits öffentlich zugänglich sind.

Stand Mitte 2023
Bis Ende Juni 2023 (Stand der Datenbasis im Folgenden) legten die Busse rund 13 Millionen Kilometer zurück. In über 63.000 Tankvorgängen wurden mehr als 1 Million Kilogramm Wasserstoff abgegeben.

Verfügbarkeit der Brennstoffzellenbusse


Verfügbarkeit der Busse in JIVE/JIVE 2 im Vergleich mit früheren Projekten

Abbildung 3 zeigt einen Vergleich der Verfügbarkeit in den größeren Projekten zur Erprobung von Brennstoffzellenbussen seit 2001. Die Kastengrafiken zeigen jeweils die Maximal- und Minimalwerte, die beiden mittleren Quartile und, als waagrechte Linie innerhalb des Kastens, den Median.

Die BZ-Busse bis 2009 in den Projekten CUTE und HyFLEET:CUTE waren noch nicht hybridisiert, das heißt, es gab keine Batterie zur Unterstützung der Brennstoffzelle und keine Möglichkeit zur Rückgewinnung von Bremsenergie. Da pro Standort stets zwei Monteure der Hersteller anwesend waren, um Probleme zu beheben, war die Verfügbarkeit der Fahrzeuge vergleichsweise hoch.

Kastengrafiken (Box-Plots) sind ein Werkzeug zur aggregierten grafischen Darstellung von Daten, die mehr Information vermitteln können als zum Beispiel Mittelwerte und Standardabweichungen. Der Median ist der zentrale Wert einer auf- oder absteigend sortierten Liste von Daten. Bei Werten von beispielsweise 90 % – 90 % – 85 % – 80 % – 60 % – 40 % – 10 % beträgt der Median 80 %, der Mittelwert dagegen 65 %. Die beiden mittleren Quartile umfassen das Viertel aller Werte über und unter dem Median und sind somit ein Indikator dafür, wie stark die zentrale Hälfte aller Werte um den Median streut.

Ein signifikanter Vergleich ist daher vor allem zwischen dem Projekt CHIC mit der ersten Generation hybridisierter BZ-Busflotten (2010 bis 2016) und JIVE/JIVE 2 (seit 2017/18) möglich. Abbildung 3 zeigt eine deutliche Verbesserung der Bus-Verfügbarkeit in den aktuellen Projekten. Einzelne Standorte erreichen mehr als 99 Prozent, während nicht alle an das Ziel von über 90 Prozent herankommen.

Ausfallzeiten werden zumeist nicht von Komponenten verursacht, die dem Brennstoffzellenantrieb zuzuordnen sind, sondern Auslöser sind häufig konventionelle Bauteile. Längere Ausfallzeiten entstanden zum Beispiel dadurch, dass ein Hersteller unter anderem die Halterungen für die Wasserstofftanks verstärken musste, da die Vibrationen in Bussen ohne Dieselmotor unterschätzt worden waren. Bei einem anderen Fabrikat mussten die Klimaanlagen getauscht werden.

Laufleistung
Die Busse haben gezeigt, dass 500 Kilometer pro Tag beziehungsweise ohne Zwischenbetankung zurückgelegt werden können. Geringere Laufleistungen resultieren aus den örtlichen Einsatzbedingungen, also nicht aus Beschränkungen, die sich aus dem Wasserstoff-/Brennstoffzellenantrieb ergeben. Ein Standort setzt die Fahrzeuge zum Beispiel als Vorfeldbusse auf dem Flughafen ein, wo kurze Wege zurückzulegen sind. Insgesamt erfüllen die Fahrzeuge die Erwartungen der Betreiber.

Spezifischer Kraftstoffbedarf


Entwicklung des spezifischen Kraftstoffbedarfs von Projekt zu Projekt. Seit CHIC sind die Antriebe hybridisiert.

Abbildung 4 zeigt, wie sich der Kraftstoffbedarf pro 100 Kilometer Laufleistung entwickelt hat. Von CUTE zu HyFLEET:CUTE wurde zunächst der nicht-hybridisierte Antrieb optimiert. Ein Effizienzsprung ergab sich durch die Hybridisierung im Projekt CHIC. Im Rahmen von JIVE/JIVE 2 werden noch einmal deutlich geringere Werte von bis zu 6,5 kg/100 km erreicht. Damit wird das Projektziel von 9 kg/100 km für Solobusse in der Regel deutlich unterboten, selbst von den Doppeldeckern. Auch die 18-m-Fahrzeuge unterschreiten das Ziel von 14 kg/100 km klar.

Der saisonale Einfluss der Umgebungstemperatur beziehungsweise der Einfluss des Heizenergiebedarfs auf den Kraftstoffverbrauch konnte bespielhaft für zwei Standorte ermittelt werden, deren Fahrzeuge keine Klimaanlage besitzen, die also ohne Energiebedarf für Kühlung im Sommer auskommen. Hier variiert der Kraftstoffverbrauch über das Kalenderjahr um ca. ± 1 bis 2 kg/100 km bzw. ± 15 bis 20 %.

Zwischenfazit
Aufgrund der positiven Erfahrungen mit den BZ-Bussen haben sich einige Standorte entschlossen, weitere Fahrzeuge dieses Typs zu beschaffen. Hervorzuheben ist hier der Regionalverkehr Köln, der über die 50 in JIVE beziehungsweise JIVE 2 geförderten Busse hinaus bereits Verträge für bis zu 100 weitere Einheiten geschlossen hat. Andererseits wurde die Erweiterung der Flotte an einem anderen Standort zurückgestellt, weil es erhebliche Probleme mit der Wasserstofftankstelle gab; mehr dazu im Folgenden.

Vertankte Wasserstoffmengen


Vertankte Wasserstoffmengen pro Quartal als Summe aller Standorte

Bis Mitte 2023 wurden an 18 Tankstellen mehr als 1 Million Kilogramm Wasserstoff abgegeben. Die zeitliche Entwicklung ist in Abbildung 5 dargestellt. Die Quartalswerte für 2020 sind gering, da – bedingt durch die Corona-Pandemie – erst wenige Fahrzeuge in Betrieb waren beziehungsweise gingen und die Laufleistungen häufig geringer waren als sonst üblich. 2021 begann ein deutlicher Anstieg, unterbrochen von einem Rückgang im ersten Quartal 2022. Letzterer war bedingt durch:

–    Probleme mit den Bussen an mehreren Standorten, insbesondere bedingt durch Nachrüstungen wegen der unerwartet starken Vibrationen

–    Probleme an mehreren Tankstellen, die in einigen Fällen den Busbetrieb länger zum Erliegen brachten

–    Steigende Energie- bzw. Wasserstoffpreise nach dem Angriff auf die Ukraine, weshalb einige Betreiber den Einsatz ihrer BZ-Busse reduzierten

Seit dem zweiten Quartal 2022 steigen die Werte wieder nahezu stetig, auch bedingt durch die Inbetriebnahme weiterer Busse. Die Tankstellen stoßen in der Regel nicht an ihre Kapazitätsgrenzen: Durch den unerwartet niedrigen spezifischen Kraftstoffbedarf der Busse und die zeitweise geringeren Laufleistungen als geplant sind einige der Tankstellen zeitweise erheblich unterausgelastet.

Verfügbarkeit der Wasserstofftankstellen


Verfügbarkeit der Tankstellen in JIVE/JIVE 2/MEHRLIN im Vergleich mit früheren Projekten

Das Mindestziel für die Verfügbarkeit der Wasserstofftankstellen in JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN ist größer 98 Prozent, wobei 99 Prozent angestrebt werden. Dabei bleiben Zeiten der Nichtverfügbarkeit für planmäßige Wartung unberücksichtigt. Abbildung 6 zeigt, dass dieses Mindestziel von weniger als der Hälfte der Standorte erreicht wird (der Median liegt unter 98 %). Im Projekt CHIC waren die Tankstellen durchschnittlich deutlich verfügbarer, bei einem Zielwert von ebenfalls über 98 Prozent.

Die Ursachen für geringe Verfügbarkeiten lassen sich, aus der Perspektive der Betankungseinheit, in zwei Bereiche aufgliedern:

–    Externe Gründe bedeuten, dass die Wasserstofferzeugung vor Ort ausgefallen ist oder die Anlieferung von Wasserstoff nicht rechtzeitig erfolgt ist oder beides, so dass keine Betankungen möglich sind. Dies ist an zahlreichen Tankstellen zeitweise eingetreten.

–    Interne Gründe bedeuten, dass wegen technischer Probleme keine Betankungen möglich sind. Davon sind alle Tankstellen betroffen, wenn auch in deutlich unterschiedlichem Maße.

Dabei haben sich die wesentlichen Ursachen für Ausfälle von Wasserstofftankstellen für Busse aus internen Gründen in den letzten 20 Jahren kaum verändert. Sie umfassen insbesondere Probleme mit

–    Wasserstoffkompressoren

–    den Komponenten zur Betankung, insbesondere den Füllkupplungen mit ihren empfindlichen Infrarot-Sensoren zur Datenübertragung vom Bus an die Tankstelle

–    der Qualität bzw. Schnelligkeit des Hersteller-Services, d. h. Ausfälle wären teilweise vermeidbar gewesen oder dauern unnötig lange.

Hinzu kommen, nach dem Wechsel zu Typ-4-Tanks auf den meisten Bussen der aktuellen Generation, Herausforderungen bei der Vorkühlung des Wasserstoffs zur Gewährleistung einer hinreichend schnellen und vollständigen Befüllung, bedingt durch Softwareprobleme und fehlende anerkannte Betankungsprotokolle.

Die Partner des JIVE/JIVE 2/MEHRLIN-Konsortiums sehen die Gefahr, dass die breite Einführung von BZ-Bussen an einem Mangel an verlässlicher Betankungsinfrastruktur scheitern könnte.

Zusammenfassung

Die Erprobung der BZ-Busse und Wasserstofftankstellen in den Projekten JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN wurde beziehungsweise wird durch eine Reihe externer Faktoren negativ beeinflusst. Dazu gehören die Corona-Pandemie, gestiegene Wasserstoffpreise und Probleme mit der Wasserstoffbelieferung.

Positiv ist festzuhalten, dass einige Standorte sich aufgrund guter Erfahrungen bereits vor Projektabschluss entschieden haben, ihre BZ-Bus-Flotte zu erweitern.

Die Busse zeigen insgesamt eine bessere Leistungsfähigkeit als die Fahrzeuge der Vorgängergeneration, auch wenn bislang nicht an allen Standorten die Zielwerte, wie eine Verfügbarkeit von mindestens 90 Prozent, erreicht werden. Insbesondere ist die in JIVE/JIVE 2 deutlich verbesserte Effizienz der Busse hervorzuheben.

Bei der Verfügbarkeit der Wasserstofftankstellen ist bisher keine generell positive Entwicklung zu erkennen. Ausfälle der Tankstellen wegen interner technischer Probleme haben im Einzelfall zu einem längeren Stillstand der lokalen BZ-Bus-Flotte geführt. Es ist bemerkenswert, dass auch nach rund 20 Jahren Erfahrung mit Tankstellen auf 350-bar-Druckniveau die Probleme mit einigen ihrer Komponenten nicht gelöst werden konnten.

Danksagung

Die Projekte JIVE und JIVE 2 werden von Clean Hydrogen Partnership (vormals Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking) im Rahmen der Zuwendungsvereinbarungen Nr. 735582 bzw. 779563 gefördert. Clean Hydrogen Partnership erhält Unterstützung aus dem Horizon-2020-Programm der Europäischen Union für Forschung und Innovation sowie von Hydrogen Europe und Hydrogen Europe Research. Das Projekt MEHRLIN wurde aus Mitteln der Connecting Europe Facility der Europäischen Union kofinanziert.

Die Ergebnisse wurden erstmals auf der Zero Emission Bus Conference 2023 vorgestellt.

Literatur

[1]        A. Zimmerer, S. Eckert und V. Roderer, Environmental Impacts and External Cost Benefits of Fuel Cell Buses. Comparison of Fuel Cell Buses with Battery Electric Buses, 2023. https://fuelcellbuses.eu/publications.

[2]        K. Buss, K. Stolzenburg, N. Whitehouse and S. Whitehouse, JIVE Third Best Practice and Commercialisation Report / JIVE 2 Second Best Practice Information Bank Report, 2022. https://fuelcellbuses.eu/publications.

AutorInnen:
Klaus Stolzenburg
Ingenieurbüro PLANET GbR, Oldenburg
k.stolzenburg@planet-energie.de
Katharina Buss
Ingenieurbüro PLANET GbR, Oldenburg
k.buss@planet-energie.de
Vanessa Roderer
Sphera Solutions GmbH, Leinfelden-Echterdingen
VRoderer@sphera.com
Stefan Eckert
Sphera Solutions GmbH, Leinfelden-Echterdingen
SEckert@sphera.com

 

Axel Funke kommt zu Apex

Axel Funke kommt zu Apex

Die Apex Group vergrößert ihr Führungs-Team von fünf auf sechs Personen. Axel Funke ist seit dem neuen Jahr als Chief Technology Officer tätig und wird die Bereiche Projektabwicklung und Engineering verantworten. Der 58-jährige Maschinenbau-Ingenieur ist seit 30 Jahren im Anlagenbau aktiv und hat bislang für Unternehmen wie Bilfinger, thyssenkrupp Industrial Solutions und Linde gearbeitet. Er leitete unter anderem internationale Großprojekte im Energiesektor und war beispielsweise bei thyssenkrupp Industrial Solutions an der Planung des Projekts HyLIOS beteiligt, in dessen Rahmen ein 2,2-GW-Elektrolyseur an Neom, Saudi-Arabien, geliefert wurde.

Apex gehört seit einem Jahr zur Exceet Group. Roland Lienau, Chairman von Exceet, sagte: „Nach der jüngst erfolgten Berufung von Bert Althaus als CFO ist das Management nun über alle Bereiche mit Spitzenpersonal besetzt. Auch auf der operativen Seite hat Apex seit der Übernahme durch Exceet im Januar 2023 mehr als 20 Ingenieure eingestellt. Wir sind also für die Realisierung der Wachstumsstrategie gerüstet.“

Was nu?

Was nu?

Liebe Leserinnen und Leser!

Die momentane Lage der Bundesregierung erscheint desolat: Das Bundesverfassungsgericht hat nicht wie erhofft mitgespielt – wenn auch mit denkbar knapper Entscheidung – und der Ampel eine 60 Mrd.-Euro-Lücke im Haushalt beschert.

Daraus könnte auch für die Energiewirtschaft eine desolate Lage erwachsen, denn viele Vorhaben, die über den geplanten Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanziert werden sollten, werden jetzt infrage gestellt, egal ob berechtigt oder nicht. Die Unsicherheit ist groß.

Dabei war die Situation schon vorher angespannt: Entscheidungen aus Brüssel lassen beispielsweise sehr lange auf sich warten. Dies betraf die RED II, die RED III und auch die IPCEI-Vorhaben – auch wenn die RED III am 31. Oktober 2023 veröffentlicht wurde. Wenn es gut läuft, könnte Ende des Jahres immerhin noch die 37. BImSchV auf den Weg gebracht werden – nach zwölf Jahren.

Diese Warterei hat zahlreiche Investoren nicht gerade ermutigt, ihr Geld für Zukunftsprojekte zur Verfügung zu stellen. Die FID, die „Final Investment Decision“, steht insbesondere bei zahlreichen Elektrolysevorhaben noch aus, weil die Rahmenbedingungen für nicht ausreichend sicher erachtet werden.

Nicht ohne Grund haben sich zahlreiche Unternehmen an der Ausschreibung der Important Projects of Common European Interest (IPCEI – wichtige Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse) beteiligt. Sie setzen damit auf Staatsgelder, die ihr eigenes finanzielles Risiko schmälern sollen.

Der Preis, den sie für diese „geschenkten“ Staatsgelder bezahlen müssen, ist, dass sie sich an die Regeln des Geldgebers halten müssen. Dazu gehört auch, dass sie dann in Kauf nehmen müssen, wenn es in Brüssel mal wieder länger dauert.

Das laute Lamentieren hat somit durchaus etwas Scheinheiliges, denn schließlich hat sie niemand gezwungen, sich bei IPCEI zu bewerben. Sie hätten alle bereits viel früher anfangen können, aber eben auf eigenes Risiko. Jetzt aber sitzen einige von ihnen da und monieren, dass sich ihr ursprünglich geplantes IPCEI-Vorhaben in der beantragten Form gar nicht mehr rechne, dabei waren sie es selbst, die sich für diesen Weg entschieden haben.

Immer wieder wird in diesem Zusammenhang davor gewarnt, in Deutschland angesiedelte Firmen könnten ins Ausland abwandern, dorthin, wo angeblich die Rahmenbedingungen besser sind. Vielleicht mag es einzelne Unternehmen geben, die diese Entscheidung tatsächlich treffen. Was dann genau deren Beweggründe sind, werden wir wahrscheinlich nie erfahren, doch es dürfte klar sein, dass solch ein Entschluss nicht allein von der Bearbeitungszeit in Brüssel abhängt, sondern multifaktoriell ist.

Und ja, das ein oder andere Projekt wird wahrscheinlich nie realisiert werden – aus welchen Gründen auch immer. Westküste100 ist solch ein Vorhaben. Als Reallabor habe es zwar wertvolle Arbeit geleistet, aber die „H2 Westküste GmbH wird keine positive Investitionsentscheidung für den geplanten Elektrolyseur treffen“, ist auf ihrer Homepage zu lesen. „Grund dafür sind insbesondere die gestiegenen Investitionskosten.“

Das mag den einen oder die andere schmerzen, denn eventuell droht solch ein Szenario auch noch weiteren Projekten. Aber ist es nicht besser, ein erkennbar unwirtschaftliches Vorhaben rechtzeitig zu stoppen als händeringend daran festzuhalten und es wider besseres Wissen durchzuziehen? Ist es nicht besser, die durch mittlerweile zwei Kriege und eine zwischenzeitliche Energienotlage veränderten Rahmenbedingungen anzuerkennen und neu zu kalkulieren?

Nur weil Westküste100 nicht weitergeführt wird, heißt es ja nicht, dass die Energiewende abgesagt wurde, dass wir jetzt doch nicht auf erneuerbare Energien und Wasserstoff umschwenken. Nur weil vereinzelt Firmen zukünftig woanders produzieren, bedeutet das ja nicht, dass hierzulande keine Wertschöpfung mehr stattfinden wird.

Die Bekenntnisse seitens der Politik sind da: Sowohl Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als auch zahlreiche Ministerpräsidenten der Länder hoben kürzlich nochmals die enorme Bedeutung insbesondere der H2-Projekte hervor. Zudem hat sich inzwischen in der Bundesrepublik eine Start-up-Szene breit gemacht, die mit neuen, innovativen Ideen auf den Markt drängt (s. S. 10). Hier sind Investoren gefragt, die deren Potentiale erkennen und jetzt auf eigenes Risiko – ohne Fördergelder – in Vorleistung gehen.

Ich möchte nicht schon wieder auf den US-amerikanischen E-Auto-Hersteller verweisen, aber es gibt sie – auch in Europa –, die Akteure, die mit etwas Fingerspitzengefühl oder viel Geld zum richtigen Zeitpunkt neue Technologien marktfähig machen können.

Die Energiewende ist eine Riesenherausforderung – für alle. Wer, wenn nicht Deutschland, könnte hier besser exemplarisch Wege aufzeigen und entsprechende Produkte anbieten. Statt aber die enormen Potentiale zu sehen, die in dieser weltweiten Umwälzung liegen, verharren viele hierzulande in der „German Angst“. Schlimm genug, dass dieser Begriff (laut Wikipedia „typisch deutsche Zögerlichkeit“) mittlerweile weltweit geläufig ist.

Die Devise sollte deswegen lauten: Potentiale erkennen und heben, um gemeinsam eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.

Herzlichst
Sven Geitmann
HZwei-Herausgeber

 

Deutsche H2-Strategie im Mobilitätssektor ist ein Trauerspiel

Deutsche H2-Strategie im Mobilitätssektor ist ein Trauerspiel

Interview mit Jorgo Chatzimarkakis, CEO von Hydrogen Europe

Jorgo Chatzimarkakis ist seit Jahren das Gesicht der europäischen Wasserstoffwirtschaft. Als CEO des Wasserstoff-Verbands Hydrogen Europe ist er auf zahlreichen Veranstaltungen präsent und agiert in Brüssel als Sprecher für die H2-Industrie. Unser HZwei-Analyst Sven Jösting hatte die Gelegenheit, ihm ein paar Fragen stellen zu können.

HZwei: Wie würden Sie Ihre Rolle bezeichnen und sich selbst als CEO von Hydrogen Europe beschreiben?

Chatzimarkakis: Als ich vor mehr als sieben Jahren die Aufgabe eines Generalsekretärs, mittlerweile umgewandelt in die Rolle eines CEOs, übernahm, da war ich der erste Angestellte des damals noch sehr kleinen Verbands. Mittlerweile arbeiten 50 Mitarbeitende in der Brüsseler Geschäftsstelle.

Unsere Mitgliedschaft ist mittlerweile europaweit auf fast 500 angewachsen. Hieran erkennt man sehr leicht, dass es neben der reinen Verbandsarbeit vor allem um den Aufbau eines neuen Industriesektors geht: Den des Wasserstoffsektors, den es bislang nicht gab. Es geht hier um die Produktion, den Transport und die Nutzung von Wasserstoff in den verschiedenen Bereichen Energie, Industrie, Mobilität und Wärmemarkt.

Meine Aufgabe ist es, verschiedene Interessen miteinander zu vereinbaren und politische Positionen nach außen konsolidiert in den politischen Prozess einzubringen. Dabei geht es elementar auch um Zusammenhalt. Das ist anspruchsvoll, aber enorm spannend. Und dass jeden Tag aufs Neue!

HZwei: Die USA haben mit dem IRA einen pragmatischen Weg der Förderung des Themenkomplexes Wasserstoff auf den Weg gebracht. In Indien gibt es seit Januar dieses Jahres die Nationale Wasserstoffstrategie, die unbürokratisch den Wasserstoffhochlauf fördern will und u.a. die Transitgebühren im Gasnetz für Wasserstoff (18 % H2-Anteil im Gasnetz sind genehmigt) von Staatsseite aus übernimmt. China hat bislang zwar keine ganzheitliche Wasserstoffstrategie oder ein Förderprogramm benannt (einzelne Provinzen setzen indes sehr engagiert ihr eigenes Wasserstoffprogramm um). Wenn dort allerdings etwas kommt, wird es denen der USA und Indien sicherlich nicht nachstehen. Sehr engagiert sind auch Südkorea und Japan, die enormes Potential im Wasserstoff sehen und wie wir Europäer auf den Import großer H2-Mengen setzen. Wie verhält es sich im Vergleich mit dem Europäischen Wasserstoffprogramm? Ist es den anderen überlegen oder unterlegen und warum? Was müsste besser/anders gemacht werden?

Chatzimarkakis: Europa gehörte zu den Wirtschaftsstandorten, die als allererstes eine Wasserstoffstrategie verabschiedet haben. Unmittelbar nach dem Ausbruch der Pandemie sah sich die EU-Kommission gezwungen, neue Wege zu gehen, um den europäischen Green Deal trotz der veränderten Weltlage zu realisieren. Im Juli 2020 wurde dann eine umfassende Strategie präsentiert, die mittlerweile in Bezug auf die Ambition massiv verstärkt wurde, ausgelöst durch die russische Invasion in der Ukraine. Gleichzeitig wurde ein Gesetzgebungsverfahren unter dem Namen Fit for 55 in Gang gesetzt, das mit über 3.000 Seiten und 1.000 Erwähnungen von Wasserstoff sehr ambitioniert ist und in der Welt Maßstäbe gesetzt hat.

Parallel dazu wurden Fördermaßnahmen entwickelt, die unter der Überschrift „Wasserstoffbank“ zusammengefasst und institutionalisiert wurden. Gleichwohl bleibt festzustellen, dass die Europäer sich zu sehr auf ideologische Grabenkämpfe konzentriert haben, insbesondere in Bezug auf die Farbenlehre des Wasserstoffs, also die verschiedenen Erzeugungsarten von Wasserstoff.

Andere Wirtschaftsregionen gehen hier viel pragmatischer vor. Auch die europäische Förderpolitik ist vorhanden, aber viel zu niedrig und viel zu unübersichtlich. Ich vergleiche das gerne mit einem großen Werkzeugkasten, den die Europäer prinzipiell zur Verfügung haben, der aber noch immer zu unsortiert und chaotisch ist.

Im Kontrast dazu steht der US-Wirtschaft eine Art Schweizer Messer zur Verfügung, das auf einen Blick alle möglichen Anwendungen aufzeigt.

Wir sind also in Europa zwar gut aufgestellt, drohen aber absolut gesehen ins Hintertreffen zu geraten.

HZwei: Die Nachfrage nach Wasserstoff (grün, blau, gelb) wird von bestimmten Industrien wie dem Stahl- und dem Chemiesektor u.a. kommen. Bei der Mobilität wird die H2-Nachfrage vor allem bei Nutzfahrzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen, Luftfahrt u.a. gesehen. Wie schätzen Sie es ein: Werden in wenigen Jahren auch verstärkt Pkw H2-ready sein, auch als Hybrid mit kleiner Batterie?

Chatzimarkakis: Die deutsche Strategie zum Thema Wasserstoff in der Mobilität ist in der Tat ein Trauerspiel. Viel zu spät wurden die Potenziale erkannt, viel zu sehr war man nach dem Dieselskandal mit einer raschen und einseitigen Umstellung auf Batterietechnik beschäftigt. Hier hat sich ein großer Teil der Industrie tatsächlich vom politischen Mainstream treiben lassen, ohne die Möglichkeiten des eigenen Standorts in Betracht zu ziehen.

Noch ist es aber nicht zu spät, gegenzusteuern. Noch kann insbesondere über die gesetzliche Grundlage der AFIR (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) mit einem Mindestmaß an rund 700 Tankstellen in ganz Europa eine Trendwende erreicht werden.

Die Europäer setzen insbesondere auf den Schwerlastverkehr und die leichteren Nutzfahrzeuge. Ersteres wird vor allem in Deutschland und Schweden, letzteres in Frankreich ins Auge gefasst. Sobald die Infrastruktur nachweislich in ganz Europa da ist, wie sie ja bereits in Deutschland sich ganz gut entwickelt hat, werden auch Pkw automatisch folgen.

Glücklicherweise gibt es ja auch mit BMW einen deutschen Hersteller, der ganz klar auf Wasserstoff und Brennstoffzelle setzt. Ich würde dennoch auch das Thema Wasserstoff und Verbrennung nicht ganz von der Tagesordnung streichen, nicht nur im Schwerlastverkehr.

HZwei: Toyota ist ein Frontrunner im Pkw-Sektor, aber wir hören, dass da aus China und Südkorea auch Impulse kommen und gar ein Top-Manager von Reliance aus Indien auf einem Kongress meinte, dass man den Pkw-Markt bezogen auf Wasserstoff auch sehr ernst nehme. Passt das mit der Einseitigkeit der deutschen/europäischen Autoindustrie zusammen, die bei der Elektromobilität – gefühlt – vor allem die Batterie sieht bzw. recht einseitig auf diese setzt?

Chatzimarkakis: Leider gibt es in Deutschland interessierte Kreise, die Wasserstoff künstlich kleinreden und auf „All-Electrive“ setzen. Dabei wird mitunter auch mit alten und überholten Begriffen der Energieeffizienz argumentiert, welche die dringend erforderliche Systemeffizienz völlig außer Acht lassen.

Dass auch Elektromobilität ungelöste Fragen mit sich bringt, wird ebenfalls unter den Teppich gekehrt. Man hat einen enormen Bedarf an kritischen Rohstoffen, nicht nur für batteriebetriebene Elektroautos, sondern auch für den Aufbau der Ladeinfrastruktur. Brennstoffzellenautos benötigen nur zehn Prozent dieser Rohstoffe für das Fahrzeug und fünf Prozent für die Ladeinfrastruktur. Hinzu kommt, dass es sich gerade bei Lkw nicht lohnt, mit Batterien zusätzlich Fracht zu transportieren. Batterien und Brennstoffzellen ergänzen sich und sollten nicht gegeneinander antreten. Sie dienen einem gemeinsamen Zweck, nämlich der Verringerung der Emissionen auf unserem Planeten.

HZwei:  Können sie einen Wunschkatalog benennen, was Europa im Themenkomplex Wasserstoff und seiner enormen Potentiale (Umwelt/Klima, Wirtschaft, Technologien, Geschäftsmodelle, Arbeitsplätze, Ausbildung u.a.) unbedingt machen sollte?

Chatzimarkakis: Zunächst einmal müssen all die Gesetze, die jetzt auf den Weg gebracht wurden, auch förmlich verabschiedet werden. Das ist für den Winter dieses Jahres definitiv geplant. Dann setze ich sehr stark auf die koordinierende Wirkung der europäischen Wasserstoffbank.

Sie muss gleichsam ein Leuchtturmprojekt sein, das trotz der unübersichtlichen Fördersituation in Europa ein Kompass auch für kleine und mittlere Unternehmen sein kann. Und drittens dürfen wir die Infrastruktur nicht vergessen.

Mir macht große Sorge, dass so genannte Thinktanks darüber nachdenken, die Gasinfrastruktur zurückzubauen. Das macht in einer Zeit, wo wir Wasserstoff in Europa produzieren und auch von außerhalb importieren werden, keinen Sinn. Hierfür brauchen wir Speicher und Transportpotenzial. Unser dichtes und für den Wasserstoff geeignetes Gasnetz kommt nicht nur in Deutschland hierfür hervorragend infrage. Daher sind derartige Forderungen, die oftmals Interessen gesteuert sind, völlig abwegig.

Interviewer: Sven Jösting

Riesenpotenzial am Bosporus

Riesenpotenzial am Bosporus

Wie entwickelt sich die türkische Energiewirtschaft?

Manchmal reicht der Gang aufs Dach, um sich einen Überblick über die wesentlichen Anlagen für Energiewende und Klimaschutz zu verschaffen: Auf dem Technologiezentrum der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) stehen 26 Männer und Frauen, überwiegend Fachleute für erneuerbare Energien aus dem türkischen Izmir, zwischen Solarmodulen, roten Stahlflaschen mit Wasserstoff und einer Pilotanlage zur CO2-Aufnahme aus der Luft. Alles stößt auf lebhaftes Interesse und wird fotografiert, auch der Blick zum nahegelegenen Forschungswindpark. Die Delegation der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer (AHK) erfährt hier in Hamburg-Bergedorf, wie die Freiluft-Komponenten mit den Anlagen im Gebäude zusammenwirken – etwa mit dem Elektrolyseur und der Methanisierungsanlage – wie in einer Art Miniatur-Wunderland der Energiewende.

Nicht, dass es solche Anlagen nicht auch in der Türkei gäbe; zumal das Land seit Anfang diesen Jahres eine eigene Wasserstoffstrategie hat. Auch dort ist das Ziel, die heimische Industrie mit Hilfe des flüchtigen Elements zu defossilisieren. Aber die Systemintegration und Prozessoptimierung in Hamburg beeindrucken die Ingenieure aus Izmir sichtlich und so fragen sie beim Austausch mit HAW-Wissenschaftlern detailliert nach.

Die Informationsreise der Gäste aus der drittgrößten Stadt der Türkei zu den wichtigsten Erneuerbare-Energien-Projekten und -Unternehmen in der Metropolregion Hamburg dient neben dem fachlichen Austausch auch der Anbahnung von gemeinsamen Energiewende-Projekten. Die Region um Izmir will eine Drehscheibe für erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff werden. Ähnlich wie das hanseatische Pendant prägen Hafen, Industrie und Handel die an der Ägäis gelegene Stadt samt Umgebung. Weitere Städte und Regionen in der Türkei, die sich für Wasserstoff in Position bringen wollen, sind zum Beispiel Istanbul, Antalya und die südliche Marmara-Region.


Abb. 2: Energiecampus Hamburg: Wasserstoff. PV-Anlage. Windräder (Forschungswindpark Curslack)

Im Januar 2023 präsentierte das Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen der Türkei die Strategien für den Ausbau von Wasserstofftechnologien – mit Fokus auf grünem Wasserstoff. Bis zum Jahr 2030 soll eine Kapazität von zwei GW erreicht werden, bis 2035 sollen es fünf GW sein und 70 GW bis 2053. Das ist am Anfang ziemlich wenig. Wahrscheinlich werden die Ziele noch erhöht. Die Türkei will Wasserstoff nämlich nicht nur lokal herstellen, um die eigene Industrie zu dekarbonisieren, sondern: „Der Überschuss an grünem Wasserstoff soll exportiert werden.“ So teilte es die AHK auf Nachfrage mit.

Deutsch-türkische Zusammenarbeit

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der türkische Energieminister Fatih Dönmez unterzeichneten passend dazu bereits im Oktober 2022 in Berlin eine Absichtserklärung „zur vertieften Zusammenarbeit im Bereich grüner Wasserstoff“, wie ein Sprecher des BMWK erläutert. „Die Vereinbarung wurde anlässlich des vierten Deutsch-Türkischen Energieforums abgeschlossen, einer wichtigen Plattform für den Dialog zwischen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft beider Länder im Klima- und Energiebereich.“

Um die Türkei beim Klimaschutz zu unterstützen, stellt Deutschland über die KfW Kredite in Höhe von 200 Mio. Euro zur Verfügung, die „über türkische Partnerbanken dem Markt verfügbar gemacht werden sollen und insbesondere zur Förderung von EE und Energieeffizienz in der Türkei eingesetzt werden. Über die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI) werden weitere 20 Mio. Euro für verbesserte Finanzierungskonditionen besonders innovativer Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt“, so das BMWK.


Abb. 3: Besichtigung des Elektrolyseurs im CC4E

Größtes Solarkraftwerk Europas

Und weil zur Herstellung von grünem Wasserstoff Ökostrom notwendig ist, will die Türkei ihre Windenergiekapazitäten auf knapp 30 GW bis 2035 erhöhen. Im Solarenergiebereich ist ein noch stärkerer Anstieg geplant: Von 9,4 GW (2022) auf rund 53 GW im Jahr 2035. Relativ unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit ging Anfang Mai in der zentraltürkischen Provinz Konya das größte Solarkraftwerk Europas (inklusive Kleinasiens) in Betrieb. Mit einer Leistung von 1,35 GW gehört es auch zu den größten weltweit. Rund drei Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr soll die Photovoltaik-Anlage in Karapınar liefern; genug für den Bedarf von zwei Millionen Menschen in der Türkei, teilt das Unternehmen Kalyon PV mit.

Mit Hilfe von Sonne, Wind, Wasser, Geothermie und Biomasse könnte das Land seinen Strombedarf in Zukunft komplett selbst decken, heißt es in einer Analyse der türkischen Wasserstoff-Gesellschaft (NHA). Zudem solle grüner Wasserstoff dazu beitragen, erst die eigene Industrie zu dekarbonisieren, insbesondere in den Bereichen Stahl, Zement und Düngemittelproduktion, um dann schließlich den weltweit begehrten Grundstoff und Energiespeicher auch exportieren zu können.

Deutsche Kooperationspartner gesucht

„Für deutsche Unternehmen bieten sich Potenziale in den Bereichen Know-how, Projektentwicklung und Technologielösungen“, so die AHK Türkei. Wie groß die Potenziale in dem südosteuropäischen Land tatsächlich sind, das immerhin mehr als doppelt so groß wie die Bundesrepublik ist, zeigt bereits ein Blick auf den derzeitigen Stand der erneuerbaren Energien: Denn trotz seiner Größe und trotz guter Windbedingungen ist die installierte Leistung an Windkraftanlagen mit 11,4 GW (im Jahr 2022) noch relativ gering. Eine Chance also für die deutsche Windenergieindustrie, um mit türkischen Partnern ins Geschäft zu kommen? Ja, heißt es aus der Delegation, und damit meinen die Teilnehmer nicht nur große Anlagenhersteller, sondern auch kleinere und mittelgroße Unternehmen, Zulieferer und Dienstleister.

„Mit der Ankündigung der Ausbauziele für Offshore-Wind gewinnt der türkische Windmarkt neue Dynamik und Bedeutung für den Export deutscher Technologie und Know-how“, bestätigt Jan Rispens, Geschäftsführer des Branchennetzwerks Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH), das rund 240 Unternehmen aus Norddeutschland zu seinen Mitgliedern zählt. „Seit vielen Jahren ist die Türkei ein wichtiger Windmarkt für deutsche und Hamburger Unternehmen.“ So seien beispielsweise Nordex, TÜV Nord und EnBW entweder durch eigene Niederlassungen oder Joint-Ventures mit türkischen Geschäftspartnern dort aktiv.

Doch die Umstellung von konventionellen auf erneuerbare Energien wird dauern. In den vergangenen Jahren hat das Land enorm viel Geld für die Einfuhr fossiler Rohstoffe ausgegeben, vor allem Erdgas und Öl. „Rund 97 Milliarden US-Dollar kostete der Import von Energie allein im letzten Jahr“, sagt Yıldız Onur, Handelsattaché im türkischen Generalkonsulat in Hamburg und Begleiterin der Izmir-Delegation. Damit seien die Kosten im Vergleich zum Vorjahr um beinahe 90 Prozent gestiegen. Schon aus wirtschaftlichen Gründen sei es daher sinnvoll, mehr auf Eigenproduktion von Energie zu setzen, um weniger abhängig von Importen zu sein.


Abb. 4: Methanisierungsanlage im CC4E

Nähe zu Russland

Dazu gehört für die Regierung Erdoğan bekanntlich auch Atomkraft. Ende April weihte der Staatspräsident das erste AKW des Landes ein, gebaut vom russischen Staatskonzern Rosatom, weshalb auch Kreml-Chef Wladimir Putin per Video an der Zeremonie teilnahm. Die fand übrigens am selben Tag statt, als in Deutschland und anderen Ländern die Wahllokale für die im Ausland lebenden Türken zur Stimmabgabe öffneten. Erdoğan hatte bei der AKW-Einweihung zugleich den Ausbau der Atomkraft angekündigt sowie die Ausbeutung neuer Gasvorkommen.

Das Oppositionsbündnis CHP war zwar nicht prinzipiell gegen Atomenergie, und auch nicht gegen die Suche nach neuen Gasfeldern im Schwarzen Meer. Allerdings kritisierte es die Abhängigkeit von Russland und wollte stattdessen auf „türkische Technologie“ setzen. Neue Kohlekraftwerke sollten jedoch nicht gebaut werden. Laut ihrem Programm setzte die CHP auf eine grüne Energiewende in allen Sektoren, auch in der Landwirtschaft.

Obwohl das Land am Bosporus mit der Wahl im Mai 2023 die alte Regierung bestätigt hat – am grünen Wasserstoff wird wohl trotzdem kein Weg vorbeiführen. Davon ist zumindest der Unternehmer Ali Köse überzeugt, nicht zuletzt wegen des Green Deal der Europäischen Union und dem Instrument des „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM), wodurch in Zukunft Ausgleichszahlungen für CO2-Emissionen fällig würden. Köse ist Gründungs- und Vorstandsmitglied im türkischen Wasserstoffverband H2DER und CEO der Firma H2Energy Solutions. Das erklärte Ziel seiner Firma lautet, die Türkei „fit“ für grünen Wasserstoff zu machen und diesen nach Deutschland zu exportieren. Beispielsweise arbeitet das Unternehmen an einem H2-Mobilitäts-Projekt in Istanbul.

Auch andere Unternehmer aus diesem Bereich sondieren den Markt in der Türkei, so Köses Beobachtung. Sie vernetzen sich und bauen Partnerschaften auf. Noch fehlen allerdings die Rahmenbedingungen, um Planungssicherheit für Investoren zu schaffen. Und noch hemme die Bürokratie sogar den Ausbau von Dachsolaranlagen. „In der Türkei sind weniger Dächer mit PV belegt als in Deutschland“, sagt Ali Köse, der regelmäßig zwischen beiden Ländern pendelt. „Dabei lässt sich hier aufgrund der Sonneneinstrahlung mit jedem Megawatt an installierter PV-Leistung ungefähr doppelt so viel Strom generieren wie in Deutschland.“

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