von Monika Rößiger | Jan. 30, 2025 | 2025, Energiewirtschaft, Entwicklung, International, Markt, Meldungen, News, USA, Wasserstoffwirtschaft
Interview mit Bryan Glover, CTO bei Honeywell
Nach mehr als 50 Jahren Erfahrung mit Wasserstoff setzt Honeywell mit dem Unternehmen Energy and Sustainability Solutions (ESS) auch auf grünen Wasserstoff. Dabei nimmt der US-Mischkonzern gleich die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick: Von effizienterer PEM-Elektrolyse bis hin zur Transportinfrastruktur.
HZwei: Honeywell fokussiert sich stark auf eine Zukunft mit grünem Wasserstoff. Warum?
Glover: Honeywell ist sich der enormen Bedeutung bewusst, die grüner Wasserstoff bei der Energiewende spielen wird. Wegen seiner Energiedichte eignet sich Wasserstoff gut als Alternative zu fossilen Treibstoffen. Deshalb ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff in den kommenden Jahren erheblich steigen wird. Ein Bericht von Wood Mackenzie zeigt, dass kohlenstoffarmer Wasserstoff bis 2050 sieben Prozent des weltweiten Energiebedarfs ausmachen wird, was 211 Millionen Tonnen entspricht.
Globale Unterstützung und Investitionen in grünen Wasserstoff bestätigen das, da Regierungen weltweit Strategien beschließen, um dessen Einsatz zu fördern. So zielt unter anderem die nationale Wasserstoffstrategie Deutschlands darauf ab, ihre Klimaschutzziele mithilfe von grünem Wasserstoff zu erreichen. Ferner haben die Europäische Investitionsbank und Deutschland Ende 2023 den Fonds für Grünen Wasserstoff aufgestockt, um die globale Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln.
Ihr Unternehmen sieht sich als Pionier in der Entwicklung von innovativen Lösungen in Bezug auf grünen Wasserstoff. Welche sind das zum Beispiel?
Honeywell blickt auf mehr als 50 Jahre Erfahrung zurück, um Innovationen bei der Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff voranzutreiben. Wir bieten Lösungen, welche die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette abdecken – von der Produktion über die Umwandlung, Transport, Speicherung und Verteilung.
Seit 1966, als die erste industrielle Anwendung unserer PSA-Technologie (Pressure Swing Adsorption, Anm. d. Verf.) in Betrieb genommen wurde, führt Honeywell auf dem Gebiet der Wasserstoffaufbereitung. Bis heute haben wir weltweit mehr als 1.000 PSA-Anlagen geliefert, die etwa 25 Millionen Normkubikmeter reinen Wasserstoff pro Stunde produzieren, was eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Produktionseffizienz und Skalierbarkeit spielt.
Ein weiteres Beispiel sind Honeywells katalysatorbeschichtete Membranen (CCM, Anm. d. Verf.), mit denen Kunden eine größere Menge grünen Wasserstoffs zu niedrigeren Gesamtkosten produzieren können. Führende Elektrolyseurhersteller haben nachgewiesen, dass diese Membranen 30 Prozent mehr Wasserstoff produzieren können als die derzeit handelsüblichen CCM und die Kosten der Nicht-CCM-Stack-Komponenten um 29 Prozent senken.
Auf welche Weise kann Honeywell dazu beitragen, die Effizienz bei der Herstellung von grünem Wasserstoff entscheidend zu verbessern?
Wir investieren kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um eine noch breitere Produktion mit noch höherer End-to-End-Effizienz und Kosteneinsparungen zu ermöglichen. Neben der CCM-Technologie von Honeywell unterstützen wir auch die Entwicklung und Skalierung von Elektrolyseur-Technologien der nächsten Generation über Honeywell Ventures. Dieser Teil des Unternehmens investiert in der Frühphase in wachstumsstarke Unternehmen, die über bahnbrechende Technologien verfügen. Unsere strategische Investition in die Series-B-Finanzierungsrunde von Electric Hydrogen trug zu einer Summe von insgesamt 198 Millionen US-Dollar bei. Dieses Geld unterstützt Electric Hydrogen bei der Entwicklung von Elektrolyseuren mit hohem Durchsatz, um Kosten zu senken und die Effizienz für großangelegte Industrie- und Infrastrukturprojekte zu steigern.
Welche Lösung bietet Honeywell für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, zum Beispiel, was Speicherung und Transport angeht?
Im Jahr 2023 stellte Honeywell seine LOHC-Lösung (Liquid Organic Hydrogen Carrier, Anm. d. Verf.) vor. Diese innovative Technologie ermöglicht den Transport von Wasserstoff über die bestehende Öl- und Gasinfrastruktur. Das ist eine sicherere und kostengünstigere Lösung im Vergleich zu anderen derzeit auf dem Markt befindlichen Transportmethoden. Bei der LOHC-Technologie von Honeywell wird Wasserstoffgas chemisch an den flüssigen Trägerstoff Methylcyclohexan (MCH, Anm. d. Verf.) gebunden. Das MCH kann am Zielort wieder in Wasserstoff umgewandelt werden.
Der Wasserstoffrat prognostiziert, dass bis zum Jahr 2050 rund 400 Millionen Tonnen Wasserstoff und Derivate transportiert werden müssen. Da die Herstellung von grünem Wasserstoff wasserintensiv ist, werden ihn viele Länder weltweit importieren müssen. Unsere LOHC-Lösung kann die Wasserstoffproduktion um etwa zehn Prozent steigern und hat das Potenzial, zwischen 3.000 und 100.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr zu produzieren.
Wie sieht es mit dem Verbrauch von Ressourcen einschließlich Wasser für die Elektrolyse aus?
Der Verbrauch von Ressourcen, einschließlich Wasser, ist ein entscheidender Faktor bei der Wasserstofferzeugung per Elektrolyse. Unsere Lösungen für grünen Wasserstoff sind speziell darauf ausgerichtet, die Ressourceneffizienz zu verbessern. Die katalysatorbeschichteten Membranen von Honeywell optimieren den Prozess, indem sie die Menge an Wasser und anderen Betriebsmitteln für die Elektrolyse signifikant senken. Das reduziert auch die Gesamtkosten.
Was ist das „Revolutionäre“ an Honeywells Entwicklungen?
Die Internationale Energieagentur (IEA, Anm. d. Verf.) hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die bestehenden Industriehäfen und die Infrastruktur zu nutzen, um Drehscheiben für kostengünstigen, kohlenstoffarmen Wasserstoff zu schaffen. Die LOHC-Lösung von Honeywell ist ein Beispiel für diesen Ansatz, weil sie die bestehende Infrastruktur für fossile Brennstoffe nutzt, um Wasserstoff zu transportieren, was die Kosten erheblich senkt und die Skalierbarkeit verbessert. Unsere Technologie trägt nicht nur zur Energiewende bei, sondern stärkt auch das Vertrauen der Investoren in die Wasserstoffwirtschaft.
Sind Ihre Entwicklungen bereits in der Praxis einsetzbar und skalierbar?
Ja. Ein Beispiel dafür ist unsere Zusammenarbeit mit ENEOS, einem führenden Energieunternehmen in Japan. ENEOS wird die LOHC-Technologie von Honeywell an mehreren Standorten einsetzen, um das weltweit erste kommerzielle Projekt für flüssige organische Wasserstoffträger zu entwickeln. Das ENEOS-Projekt zeigt, wie unsere Technologie in bestehende Verkehrsnetze integriert werden kann. Diese strategische Partnerschaft mit ENEOS ist eines von mehreren Projekten im Bereich des Wasserstofftransports, bei denen wir mit diesem Unternehmen kooperieren.
Wie trägt Honeywell grundsätzlich zu einer nachhaltigen Entwicklung in der industriellen Produktion bei?
Unsere heutige Welt basiert auf schwer zu defossilisierenden Industriezweigen wie der Erdölraffination, Gasverarbeitung, petrochemischen Produktion sowie der Zement- und Stahlherstellung. Der Übergang zu saubereren Energielösungen wird hier einige Zeit in Anspruch nehmen. Daher entwickelt Honeywell auch Lösungen, um die Emissionen der Schwerindustrie heute zu reduzieren. Ein Beispiel ist Honeywells Technologie zur Abscheidung von Kohlendioxid (CO₂, Anm. d. Verf.). ExxonMobil plant den Einsatz unserer Technologie zur CO₂-Abscheidung und Wasserstoffreinigung in einer Anlage zur Herstellung von kohlenstoffärmerem Wasserstoff in den USA. Es wird erwartet, dass mit Honeywells Technologie jährlich etwa sieben Millionen Tonnen Kohlendioxid aus dieser Anlage abgeschieden werden, was etwa dem Ausstoß von 1,5 Millionen Autos pro Jahr entspricht.
von Sven Geitmann | Jan. 27, 2025 | 2024, 2025, Energiewirtschaft, International, Markt, News, Politik, USA, Wasserstoffwirtschaft
Interview mit Michelle Lujan Grisham, Gouverneurin von New Mexico
Die USA investieren viel Geld in erneuerbare Energien und auch Wasserstoff. Die Biden-Regierung hat mit dem Inflation Reduction Act (IRA – Inflationsminderungs-Gesetz) große Geldsummen freigesetzt, um nachhaltige Technologien zu fördern. Auch wenn unter einer neuen Trump-Regierung zumindest ein Teil davon wieder rückgängig gemacht werden dürfte, haben sich etliche Bundesstaaten auf den Weg gemacht und setzen – so wie New Mexico – auf Wasserstoff. HZwei-Herausgeber Sven Geitmann sprach darüber bereits im Sommer 2024 während des World Hydrogen Summits in Rotterdam mit Gouverneurin Michelle Lujan Grisham.
HZwei: Frau Gouverneurin, es ist mir eine Ehre, heute hier mit Ihnen sprechen zu können. Was hat Sie bewogen, hier nach Europa zu kommen?
Grisham: Wir haben 2,2 Mio. Einwohnende, die wir vertreten. Um das machen zu können, müssen wir wissen, was auf der Welt passiert und uns selbst einen eigenen Eindruck davon machen. Diese spezielle Konferenz ist wichtig für uns aus zwei Gründen: Erstens gibt es ausländische Investoren, die in New Mexico Wasserstoff-Campus aufbauen wollen. Für sie sind wir hier unterwegs, um New Mexico als interessanten Standort mit all seinen Assets vorzustellen. Und zweitens haben unsere weltweiten Partner die Überzeugung, dass Wasserstoff einen Kraftstoff für den Transformationsprozess des Energiesektors darstellt.
Das Bewusstsein über Klimagerechtigkeit in den Niederlanden sowie in Europa ist ein kraftvolles Vorbild für die Vereinigten Staaten sowie einige Gouverneure, um – wie soll ich sagen – die eigenen Klimaziele zu erreichen. Wir müssen Teil einer sehr viel größeren internationalen Bewegung werden, um Net-Zero wie geplant zu erreichen und den Temperaturanstieg aufzuhalten. Außerdem müssen wir uns um die Lebensbedingungen insbesondere der unterprivilegierten Bevölkerungsgruppen kümmern – New Mexico ist ein armer Bundesstaat –, die vielen Emissionen ausgesetzt sind oder in Regionen wohnen, in denen fossile Energieträger dominieren.
Hier wird all das thematisiert, deswegen sind wir hier.
Um was für Unternehmen geht es dabei?
Bei uns sind bereits etliche Wasserstoffunternehmen angesiedelt. Gleichzeitig sind wir der zweitgrößte Öl- und Gasproduzent in den Vereinigten Staaten. Diese Unternehmen, so wie beispielsweise Exxon Mobile, müssen ihre Emissionen in unserem Bundesstaat reduzieren. Aber natürlich auch hier, schließlich sind sie der größte US-Arbeitgeber in den Niederlanden. Sie haben damit eine große Verantwortung. Wir wollen sie gerne im Land halten und gleichzeitig bei ihren Bemühungen zur Emissionsreduzierung unterstützen, indem wir den Übergang zu saubereren Kraftstoffen – wie Wasserstoff – erleichtern.
Bei den von Ihnen erwähnten H2-Campus – geht es dabei um Forschung und Entwicklung, um Produktion oder worum?
Um alles. Wir haben Fläche (fünftgrößter US-Bundesstaat). Und wir haben zwei der insgesamt fünf nationalen US-Forschungszentren, wir haben unglaublich ergiebige Böden, wir haben die größte Windfarm der USA, wobei noch weitere kommen, und wir haben sehr viel investiert in neue Stromtrassen. Wir können also grüne Elektronen ins Stromnetz bringen. Deswegen wollen wir alles: Brennstoffzellen, Wasserstoff als Kraftstoff, Produktion, Wärme- und Kälteerzeugung – in jeglicher Größenordnung.
Dabei haben wir natürlich interessante Herausforderungen beim Wasser: Wir haben Wüste und Dürre, bedingt durch die Klimakrise. Diese Wüstengeologie ist zwar gut für fossile Energievorkommen, aber wir haben vornehmlich Brackwasser. Im Förderprozess von Öl und Gas entsteht zudem Prozesswasser. Beides, Brack- und Prozesswasser, lässt sich mit moderner Technologie nutzbar machen, wie wir auf der COP in Dubai vom dortigen Umweltminister gelernt haben. So können auch wir unser Wasser reinigen bzw. entsalzen, um es für Wasserstoff einsetzen zu können, ohne unsere Trinkwasservorkommen zu reduzieren.
Da der Transformationsprozess von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern so komplex ist, wollen wir all diese Technologien nutzen und laden Investoren und Wirtschaftsunternehmen ein, sich bei uns anzusiedeln. So wie beispielsweise ein australisches Unternehmen, das kürzlich angekündigt hat, 100 Mio. US-Dollar in einen Produktions- und Forschungs-Campus zu investieren.
Wo sehen Sie da die Herausforderungen beziehungsweise Chancen?
Dieser Transformationsprozess ist kostenintensiv. Gleichzeitig ergeben sich da tolle Gelegenheiten zum Gestalten – nicht zuletzt durch den Inflation Reduction Act. Unser Bundesstaat hat da noch weitere Steuervergünstigungen draufgesetzt, und es gibt ja noch weitere wirtschaftliche Entwicklungsinstrumente, so dass wirklich gute Voraussetzungen herrschen. Dadurch ergeben sich bei der Mitgestaltung dieses neuen Marktes gute Konditionen mit hohen Gewinnmargen. Auf diese Weise bekommen wir einen Fuß in die Tür, bevor der Wettbewerb beginnt.
Wir haben dafür die geeigneten Standorte. Wenn es um Ansiedlungen geht, geht’s um Standortvorteile – die haben wir. Unsere Geologie, unsere Anbindungen an die Häfen an der Golfküste sowie in Los Angeles. Oder einfach die Anbindung per Truck sowie Bahn nach Kalifornien sowie Mexiko.
Was für zusätzliche Instrumente, ergänzend zum IRA. haben Sie in New Mexico?
In der Tat haben wir weitere Fördermaßnahmen, so wie beispielsweise seit März 2024 den Advanced Energy Equipment Tax Credit (Steuergutschrift für moderne Energieanlagen). Diese Gutschrift gleicht bis zu 20 Prozent der Herstellungskosten für Komponenten der erneuerbaren Energien aus – bis zu einem Höchstbetrag von 25 Millionen US-Dollar pro Projekt.
Wie beurteilen Sie den IRA?
Das war von Präsident Biden nicht nur produktiv, sondern auch strategisch ein wichtiger Schritt für die Transition, die wir alle wollen. Wir merken immer häufiger, dass wir diesen Übergang brauchen, andernfalls können wir gleich aufhören, den Planeten zu retten. Deswegen muss man einiges an Geld investieren, das ist richtig, weil die USA ein großer Energieverbraucher und ein großer Öl- und Gasproduzent sind. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen und nicht anderen Menschen sagen, was sie tun sollen.
Zurück zu Ihrem Bundesstaat: Wie wollen Sie den Spagat zwischen der fossilen und einer nachhaltigen Energiewirtschaft hinbekommen?
Auf jeden Fall muss die Kohlenstoffintensität verringert werden in allen Bereichen – inklusive Öl und Gas. Die Fabriken müssen die Net-Zero-Ziele erreichen. Wir müssen jetzt den Mobilitätssektor dekarbonisieren und in Richtung Wasserstoff gehen. Dafür benötigen wir Arbeitskräfte und müssen schauen, wo wir die herbekommen. Ein großer Teil davon wird ganz offensichtlich – weltweit – aus dem Öl- und Gassektor kommen in den kommenden 25 bis 35 Jahren. Ich kann Ihnen genau sagen, wie viele Arbeitskräfte das sind, wo die herkommen, was die verdienen, wie deren familiäres Umfeld ist.
Wir haben 150.000 Menschen, die in der Öl- und Gasindustrie arbeiten und die einen möglichst einfachen Übergang in eine zukünftige Energieversorgung benötigen. Aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen brauchen sie alle vergleichsweise wenig Training für andere Sektoren. Wir haben bereits mit einem Energy Transition Act bewiesen, dass wir das hinbekommen, indem wir über 800 Nawaho-Mitarbeitern eines Kohlekraftwerks neue Beschäftigungsverhältnisse besorgt haben.
New Mexico ist da in vielen Belangen führend in den Vereinigten Staaten. Die Öl- und Gasfirmen werden zu Energieunternehmen, die kohlenstoffarme Lösungen entwickeln, um Wasserstoff von einer Idee in die Realität zu bringen. Wir unterstützen diese Unternehmen auf ihrem Weg. Und selbst wenn die Firmen den freiwerdenden Mitarbeitern nicht helfen, helfen wir diesen Arbeitern.
Wie sieht es mit Wasserstoff aus? Auf welche Herstellungspfade konzentrieren Sie sich?
Wir machen uns nicht so viele Gedanken um die Farben. Ich sorge mich eher um die Kohlenstoffintensität. Ihr Wasserstoff kann grün-plus oder weiß sein oder was auch immer. Es kommt doch darauf an, wo die Ursprünge liegen. Die steuerlichen Vergünstigungen sind dafür da, um Ihren Aufwand zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu ersetzen. All die Firmen, die hier sind und ihre Produkte präsentieren, wollen doch dasselbe – und wir wollen sie unterstützen.
Die Leute da draußen verstehen doch die ganze Diskussion um die verschiedenen Wasserstofffarben gar nicht, denn es dreht sich doch alles um dieselben Moleküle. Und wir wollen grün – oder besser grüner – werden. Grüner Wasserstoff wird jedoch inzwischen mit einem größeren Wasserbedarf assoziiert. Deswegen müssen wir dahin kommen, dass wir letztendlich möglichst viele grüne Elektronen in die Stromleitung bekommen.
Dafür ist ein Übergangsszenario notwendig, allerdings dürfte es schwierig werden, mit grauem Wasserstoff wirtschaftlich agieren zu können. Denn Sie bekommen umso mehr Unterstützung von uns, je sauberer Sie sind. Wir sind technologieoffen, aber sicher hinsichtlich der Kohlenstoffintensität.
Wovon gehen Sie aus, wie kann dieser Wasserstoff dann am sinnvollsten transportiert werden? Per Pipeline? Gebunden in Ammoniak oder Methanol? Oder in LOHC?
Ja, alle von ihnen. Ammoniak scheint eine gute Lösung für den Überseetransport zu sein. Es gibt nicht genügend Pipelines rund um den Globus, also müssen es alle diese Formate sein.
Was erwarten Sie von der US-Wahl? Wird es grundlegende Veränderungen auch beim IRA geben, sollte Trump gewählt werden?
Selbst republikanische Staaten mögen es nicht, wenn Washington DC uns sagt, was wir zu tun haben. Man kann beispielsweise einen Staat nicht führen, wenn man nicht die richtige Infrastruktur hat. Trump wird sehr aggressiv sein mit seinen Äußerungen, kein Geld auszugeben, aber im Kongress dürfte es wieder eng werden. Präsidenten haben in der Regel nur begrenzte Möglichkeiten, Dinge zu tun oder zu lassen. Ich bin daher nicht wirklich besorgt.
Interview: Sven Geitmann
von Sven Jösting | Dez. 19, 2023 | Börse, Europa, USA, Wasserstoffwirtschaft
Interview mit Jorgo Chatzimarkakis, CEO von Hydrogen Europe
Jorgo Chatzimarkakis ist seit Jahren das Gesicht der europäischen Wasserstoffwirtschaft. Als CEO des Wasserstoff-Verbands Hydrogen Europe ist er auf zahlreichen Veranstaltungen präsent und agiert in Brüssel als Sprecher für die H2-Industrie. Unser HZwei-Analyst Sven Jösting hatte die Gelegenheit, ihm ein paar Fragen stellen zu können.
HZwei: Wie würden Sie Ihre Rolle bezeichnen und sich selbst als CEO von Hydrogen Europe beschreiben?
Chatzimarkakis: Als ich vor mehr als sieben Jahren die Aufgabe eines Generalsekretärs, mittlerweile umgewandelt in die Rolle eines CEOs, übernahm, da war ich der erste Angestellte des damals noch sehr kleinen Verbands. Mittlerweile arbeiten 50 Mitarbeitende in der Brüsseler Geschäftsstelle.
Unsere Mitgliedschaft ist mittlerweile europaweit auf fast 500 angewachsen. Hieran erkennt man sehr leicht, dass es neben der reinen Verbandsarbeit vor allem um den Aufbau eines neuen Industriesektors geht: Den des Wasserstoffsektors, den es bislang nicht gab. Es geht hier um die Produktion, den Transport und die Nutzung von Wasserstoff in den verschiedenen Bereichen Energie, Industrie, Mobilität und Wärmemarkt.
Meine Aufgabe ist es, verschiedene Interessen miteinander zu vereinbaren und politische Positionen nach außen konsolidiert in den politischen Prozess einzubringen. Dabei geht es elementar auch um Zusammenhalt. Das ist anspruchsvoll, aber enorm spannend. Und dass jeden Tag aufs Neue!
HZwei: Die USA haben mit dem IRA einen pragmatischen Weg der Förderung des Themenkomplexes Wasserstoff auf den Weg gebracht. In Indien gibt es seit Januar dieses Jahres die Nationale Wasserstoffstrategie, die unbürokratisch den Wasserstoffhochlauf fördern will und u.a. die Transitgebühren im Gasnetz für Wasserstoff (18 % H2-Anteil im Gasnetz sind genehmigt) von Staatsseite aus übernimmt. China hat bislang zwar keine ganzheitliche Wasserstoffstrategie oder ein Förderprogramm benannt (einzelne Provinzen setzen indes sehr engagiert ihr eigenes Wasserstoffprogramm um). Wenn dort allerdings etwas kommt, wird es denen der USA und Indien sicherlich nicht nachstehen. Sehr engagiert sind auch Südkorea und Japan, die enormes Potential im Wasserstoff sehen und wie wir Europäer auf den Import großer H2-Mengen setzen. Wie verhält es sich im Vergleich mit dem Europäischen Wasserstoffprogramm? Ist es den anderen überlegen oder unterlegen und warum? Was müsste besser/anders gemacht werden?
Chatzimarkakis: Europa gehörte zu den Wirtschaftsstandorten, die als allererstes eine Wasserstoffstrategie verabschiedet haben. Unmittelbar nach dem Ausbruch der Pandemie sah sich die EU-Kommission gezwungen, neue Wege zu gehen, um den europäischen Green Deal trotz der veränderten Weltlage zu realisieren. Im Juli 2020 wurde dann eine umfassende Strategie präsentiert, die mittlerweile in Bezug auf die Ambition massiv verstärkt wurde, ausgelöst durch die russische Invasion in der Ukraine. Gleichzeitig wurde ein Gesetzgebungsverfahren unter dem Namen Fit for 55 in Gang gesetzt, das mit über 3.000 Seiten und 1.000 Erwähnungen von Wasserstoff sehr ambitioniert ist und in der Welt Maßstäbe gesetzt hat.
Parallel dazu wurden Fördermaßnahmen entwickelt, die unter der Überschrift „Wasserstoffbank“ zusammengefasst und institutionalisiert wurden. Gleichwohl bleibt festzustellen, dass die Europäer sich zu sehr auf ideologische Grabenkämpfe konzentriert haben, insbesondere in Bezug auf die Farbenlehre des Wasserstoffs, also die verschiedenen Erzeugungsarten von Wasserstoff.
Andere Wirtschaftsregionen gehen hier viel pragmatischer vor. Auch die europäische Förderpolitik ist vorhanden, aber viel zu niedrig und viel zu unübersichtlich. Ich vergleiche das gerne mit einem großen Werkzeugkasten, den die Europäer prinzipiell zur Verfügung haben, der aber noch immer zu unsortiert und chaotisch ist.
Im Kontrast dazu steht der US-Wirtschaft eine Art Schweizer Messer zur Verfügung, das auf einen Blick alle möglichen Anwendungen aufzeigt.
Wir sind also in Europa zwar gut aufgestellt, drohen aber absolut gesehen ins Hintertreffen zu geraten.
HZwei: Die Nachfrage nach Wasserstoff (grün, blau, gelb) wird von bestimmten Industrien wie dem Stahl- und dem Chemiesektor u.a. kommen. Bei der Mobilität wird die H2-Nachfrage vor allem bei Nutzfahrzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen, Luftfahrt u.a. gesehen. Wie schätzen Sie es ein: Werden in wenigen Jahren auch verstärkt Pkw H2-ready sein, auch als Hybrid mit kleiner Batterie?
Chatzimarkakis: Die deutsche Strategie zum Thema Wasserstoff in der Mobilität ist in der Tat ein Trauerspiel. Viel zu spät wurden die Potenziale erkannt, viel zu sehr war man nach dem Dieselskandal mit einer raschen und einseitigen Umstellung auf Batterietechnik beschäftigt. Hier hat sich ein großer Teil der Industrie tatsächlich vom politischen Mainstream treiben lassen, ohne die Möglichkeiten des eigenen Standorts in Betracht zu ziehen.
Noch ist es aber nicht zu spät, gegenzusteuern. Noch kann insbesondere über die gesetzliche Grundlage der AFIR (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) mit einem Mindestmaß an rund 700 Tankstellen in ganz Europa eine Trendwende erreicht werden.
Die Europäer setzen insbesondere auf den Schwerlastverkehr und die leichteren Nutzfahrzeuge. Ersteres wird vor allem in Deutschland und Schweden, letzteres in Frankreich ins Auge gefasst. Sobald die Infrastruktur nachweislich in ganz Europa da ist, wie sie ja bereits in Deutschland sich ganz gut entwickelt hat, werden auch Pkw automatisch folgen.
Glücklicherweise gibt es ja auch mit BMW einen deutschen Hersteller, der ganz klar auf Wasserstoff und Brennstoffzelle setzt. Ich würde dennoch auch das Thema Wasserstoff und Verbrennung nicht ganz von der Tagesordnung streichen, nicht nur im Schwerlastverkehr.
HZwei: Toyota ist ein Frontrunner im Pkw-Sektor, aber wir hören, dass da aus China und Südkorea auch Impulse kommen und gar ein Top-Manager von Reliance aus Indien auf einem Kongress meinte, dass man den Pkw-Markt bezogen auf Wasserstoff auch sehr ernst nehme. Passt das mit der Einseitigkeit der deutschen/europäischen Autoindustrie zusammen, die bei der Elektromobilität – gefühlt – vor allem die Batterie sieht bzw. recht einseitig auf diese setzt?
Chatzimarkakis: Leider gibt es in Deutschland interessierte Kreise, die Wasserstoff künstlich kleinreden und auf „All-Electrive“ setzen. Dabei wird mitunter auch mit alten und überholten Begriffen der Energieeffizienz argumentiert, welche die dringend erforderliche Systemeffizienz völlig außer Acht lassen.
Dass auch Elektromobilität ungelöste Fragen mit sich bringt, wird ebenfalls unter den Teppich gekehrt. Man hat einen enormen Bedarf an kritischen Rohstoffen, nicht nur für batteriebetriebene Elektroautos, sondern auch für den Aufbau der Ladeinfrastruktur. Brennstoffzellenautos benötigen nur zehn Prozent dieser Rohstoffe für das Fahrzeug und fünf Prozent für die Ladeinfrastruktur. Hinzu kommt, dass es sich gerade bei Lkw nicht lohnt, mit Batterien zusätzlich Fracht zu transportieren. Batterien und Brennstoffzellen ergänzen sich und sollten nicht gegeneinander antreten. Sie dienen einem gemeinsamen Zweck, nämlich der Verringerung der Emissionen auf unserem Planeten.
HZwei: Können sie einen Wunschkatalog benennen, was Europa im Themenkomplex Wasserstoff und seiner enormen Potentiale (Umwelt/Klima, Wirtschaft, Technologien, Geschäftsmodelle, Arbeitsplätze, Ausbildung u.a.) unbedingt machen sollte?
Chatzimarkakis: Zunächst einmal müssen all die Gesetze, die jetzt auf den Weg gebracht wurden, auch förmlich verabschiedet werden. Das ist für den Winter dieses Jahres definitiv geplant. Dann setze ich sehr stark auf die koordinierende Wirkung der europäischen Wasserstoffbank.
Sie muss gleichsam ein Leuchtturmprojekt sein, das trotz der unübersichtlichen Fördersituation in Europa ein Kompass auch für kleine und mittlere Unternehmen sein kann. Und drittens dürfen wir die Infrastruktur nicht vergessen.
Mir macht große Sorge, dass so genannte Thinktanks darüber nachdenken, die Gasinfrastruktur zurückzubauen. Das macht in einer Zeit, wo wir Wasserstoff in Europa produzieren und auch von außerhalb importieren werden, keinen Sinn. Hierfür brauchen wir Speicher und Transportpotenzial. Unser dichtes und für den Wasserstoff geeignetes Gasnetz kommt nicht nur in Deutschland hierfür hervorragend infrage. Daher sind derartige Forderungen, die oftmals Interessen gesteuert sind, völlig abwegig.
Interviewer: Sven Jösting
von Sven Geitmann | Okt. 31, 2023 | 2023, Allgemein, Deutschland, Entwicklung, Europa, Meldungen, News, USA
Interview mit Tassilo Gast von Emerson
Wenn Wasserstoff die Welt verändern soll, müssen die entsprechenden Industrien ihre Kapazitäten in wenigen Jahren massiv ausbauen. Das geht nur, wenn man auf vorhandenes Wissen aufbaut. Was beim Skalieren und Automatisieren wichtig ist, erklärt Tassilo Gast vom Automatisierungsspezialisten Emerson im HZwei-Interview.
HZwei: In den kommenden Jahren wird die H2-Wirtschaft sehr schnell wachsen müssen. Worauf müssen Unternehmen, zum Beispiel Hersteller von Elektrolyseuren, dabei besonders achten?
Gast: Bei den Elektrolyseprojekten, die in den Nachrichten angekündigt werden, geht es um Größenordnungen von 100 Megawatt bis hin zu 1 Gigawatt. Bisher installierte Elektrolyseure haben meistens elektrische Leistungen von 2 oder 5 MW. Das ist ein Wachstum um ein Vielfaches und damit eine große Herausforderung für die Hersteller.
Elektrolyseure sind in aller Regel modular aufgebaut. Bei der Skalierung bleibt dieses Prinzip größtenteils bestehen, schon allein, weil die Größe der Stacks physikalisch und elektrochemisch begrenzt ist. Gängig sind heutzutage Stacks mit etwa 2,5 MW elektrischer Leistung. Selbst wenn ein Stack in Zukunft zehn Megawatt hätte, bräuchte man für einen 100-MW-Elektrolyseur zehn davon, für ein Gigawatt-Projekt Hunderte. Wenn ich also zehn Module einfach nebeneinanderstelle, nach dem Prinzip „scale up by numbering up“, habe ich zehnmal so viele Schnittstellen, zehnmal so viele Kabelkanäle und so weiter. Das alles zu verkabeln, zu balancieren und zu steuern, ist sehr komplex. Man muss folglich die Systemarchitektur überdenken.
Nehmen wir eine große Elektrolyseanlage – wie würde eine gelungene Skalierung mit angepasster Systemarchitektur aussehen?
Wichtig ist, dass sich jemand frühzeitig das Gesamtsystem anschaut. Im Falle von Emerson haben wir dafür eine eigene Business Unit für Systeme. Theoretisch könnten die Hersteller das auch selbst machen, aber sie haben in der Wachstumsphase oft gar nicht die Kapazität, selbst diesen Schritt zu gehen beziehungsweise zurückzutreten und das große Ganze in den Blick zu nehmen.
Je nach Skalierungsfaktor kann es dann zunächst um kleinere Schritte gehen, zum Beispiel das Zusammenfassen von Bilanzkreisen. Ab einer bestimmten Größe, spätestens bei einigen Hundert Megawatt, wird man aber ganz anders bauen müssen. Dann kann man die Module nicht mehr in einzelnen Containern installieren, wie man es bei den kleineren Anlagen macht – schon allein, weil die Container in Summe zu teuer würden. Stattdessen baut man eine Anlage mit den Stacks in einem Bereich und den dazugehörigen umgebenden Anlagenteilen, zum Beispiel der Wasseraufbereitung, wie bei Greenfield-Projekten. Der Elektrolyseur würde also ähnlich geplant wie eine klassische Chemieanlage, auf offenem Feld – oder überdacht – mit getrennten Prozess- und Anlagenteilen. Wenn wir an so einem Prozess beteiligt sind, ist eine enge Zusammenarbeit sehr wichtig. Man muss sehr tief gemeinsam in den Prozess hineinschauen, damit es wirklich gelingt, Effizienzpotenziale zu heben und die Markteinführung zu verkürzen.
Gibt es neben der Redundanz von Komponenten und der räumlichen Anordnung noch weitere Probleme bei der Skalierung, die man mit entsprechender Planung vermeiden kann?
Ja, die gibt es, zum Beispiel in Bezug auf die Sicherheit. Wasserstoff ist ja ein explosives Gas. Und mit der Anlagengröße steigt auch die Menge des Gases und damit auch das Gefahrenpotenzial für umgebende Areale. Geräte und Armaturen müssen Sicherheits- und Abschaltrichtlinien entsprechen, im Störfall muss ein sicheres Herunterfahren möglich sein. Es gibt spezielle Software von AspenTech, die seit 2022 zu Emerson gehören, die dabei hilft, eine Anlage virtuell zu skalieren, und die auf absehbare Bottlenecks und Sicherheitsaspekte hinweist.
Welche Rolle kann ein digitaler Zwilling in so einer virtuellen Skalierung spielen?
Der Begriff „Digitaler Zwilling“ wird sehr unterschiedlich gebraucht. Im einfachsten Fall spricht man von einem virtuellen Abbild der Anlage. Der nächste Schritt ist, das digitale Abbild mit Daten aus dem laufenden Prozess zu speisen. So kann man abgleichen, ob die Simulation der Realität entspricht. Digitale Zwillinge von Emerson sind in der Lage, Daten aus der Simulation heraus mit Reaktionen von Feldinstrumenten und Steuerungselementen aus dem Feld abzugleichen und somit das Verhalten des Prozesses vorwegzunehmen. Das hilft zum Beispiel Elektrolyseherstellern oder EPCs ungemein, wenn es darum geht, die Skalierungseffekte von größer werdenden Anlagen vorab zu bewerten. Letztendlich ermöglicht das eine bessere Betriebsführung – mit höherer Effizienz, geringeren Kosten und einer höheren Lebensdauer der Komponenten.
Haben Sie denn schon eine solche Skalierung bei einem Elektrolyseurhersteller umgesetzt, so dass Sie von den Erfahrungen berichten können?
Erste Projekte in der Wasserstoffbranche haben wir global sehr viele. Zum Beispiel haben wir die weltgrößte PEM-Elektrolyseanlage mit Steuerung, Ventilen und Instrumenten ausgestattet. Sie steht bei Air Liquide in Bécancour, Kanada. Auch die Einbindung in den örtlichen Chemieprozess hat Emerson umgesetzt.
Wir können dabei auf unser Know-how aus anderen Branchen zurückgreifen. Ganz gleich, welche Elektrolysetechnologie – PEM, alkalische, AEM – zum Einsatz kommt, skalierte Elektrolyseure brauchen alle zum Beispiel sehr viel Wasser. Das Wasser muss demineralisiert und zum Elektrolyseur transportiert werden und dort mit der richtigen Temperatur und dem richtigen Druck ankommen. Wir kümmern uns darum, alle diese Größen zu messen, die passenden Ventile und Armaturen zu finden und den Prozess zu steuern – über den Elektrolyseur über die Gastrennung und -trocknung bis hin zur Gasanalytik am Ende, um zu prüfen, welcher Qualitätsstufe der Wasserstoff entspricht.
Die Stack-Produktion ist grundsätzlich schon weit automatisiert. Die Bipolarplatten werden zum Beispiel automatisch verschraubt. Auch dabei kommen teilweise Emerson-Komponenten zum Einsatz, zum Beispiel, um Bauteile mit Druckluft in eine bestimmte Position zu bringen.
Für welche Firmen in der Wasserstoffbranche ist die Automatisierung oder sonstige Optimierung zusammen mit Emerson denn außerdem interessant?
Wir sind in der gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette aktiv: In der H2-Erzeugung, im Transport und der Verteilung sowie bei den Endverbrauchern. Ein Endverbraucher von Wasserstoff kann ein großer Chemiekonzern, Stahlkonzern oder eine Raffinerie sein, aber auch ein Unternehmen aus den Branchen Papier, Life Science und Zement. Wir haben zum Beispiel bei einem unabhängigen Betreiber aus Südkorea ein System aus zahlreichen H2-Tankstellen installiert. Er sieht nun genau, wie viel Wasserstoff zu welcher Zeit an welchen Tankstellen benötigt wird, wie viele Tankvorgänge stattfinden, ob irgendwo Probleme auftreten und welche logistischen Maßnahmen er zu treffen hat, um seine Lieferlogistik an den Bedarf anzupassen. Solche übergeordneten Steuerungen und Systemarchitekturen zur Aufnahme von Daten und Signalen spielen auch in großen Projekten der Sektorenkopplung eine Rolle, bei denen von der Erzeugung von grünem Strom mit Wind oder Photovoltaik über die Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse bis hin zur Verteilung über Pipelines und Tankstellen oder an Brennstoffzellen alle Schritte überwacht und aufeinander abgestimmt werden können.
In einem anderen Fall haben wir eine komplette Mischstation für die Einspeisung von Wasserstoff ins Erdgasnetz geliefert. Dabei haben wir mit einem Partner aus dem Anlagenbau zusammengearbeitet. Für einen Hersteller von Wasserstoffanlagen und EPCs ist das von großem Vorteil. Er verfügt über einen zentralen Ansprechpartner für alle Aspekte der Automatisierung, der alles aus einer Hand liefert. Das ist nicht nur deutlich schneller, sondern bringt auch einen eindeutigen CAPEX-Vorteil auf Seiten des Herstellers.
Geht das alles schnell genug, um den Hochlauf einer Wasserstoffindustrie zu stemmen?
Damit der Hochlauf gelingt, müssen alle Teile der Industrie gemeinsam skalieren. Da hilft kein Silodenken für einzelne Anlagen oder Hersteller. Viele Elektrolyseurhersteller machen bei der Skalierung einfach bereits Bekanntes in mehr und größer. Aber wenn man die Systemarchitektur nicht anpasst, erhöhen sich CAPEX-Kosten, und es bestehen Ineffizienzen, die gar nicht sein müssten. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Gesamtkonzept Automatisierung, jenseits der Entwicklung neuer Membranen oder sonstiger Forschungsaufgaben, hat ein hohes Potenzial zur Kostensenkung. Um das zu heben, muss man frühzeitig vielerlei Ideen und Konzepte prüfen und benötigt einen Automatisierungspartner mit einem kompletten Portfolio. Alle müssen ihren Partnern gegenüber so weit wie möglich mit offenen Karten spielen, um gemeinsam Potenziale zu identifizieren.
Können wir es mit einer guten Automatisierung in Deutschland und Europa schaffen, in der Wasserstofftechnik wettbewerbsfähig zu bleiben?
Wir haben in Europa eine unglaubliche Bandbreite an Firmen und Unternehmen aus der Wasserstoffwirtschaft, speziell in Deutschland. Die Technologien dieser Firmen haben einen sehr hohen technologischen Reifegrad – die Anlagen werden global exportiert. Es gibt viele Firmen mit viel Know-how. Selbst wenn die Personalkosten hier höher sind, fällt das gegenüber einem anderen Aspekt kaum ins Gewicht. Das Problem sind vielmehr die Regularien und die Politik. In den USA gibt es beispielsweise den Inflation Reduction Act, bei dem die Firmen sehr viel Unterstützung bekommen, wenn ihre Wertschöpfung in den USA liegt. Das zielt insbesondere auf Unternehmen aus den Bereichen Umwelt und Nachhaltigkeit, wie zum Beispiel Hersteller von Wasserstoffanlagen oder Teilbereiche der Wasserstoffwertschöpfungskette. Das ist wegweisend für die europäische Industrie, das heißt, hier muss Europa dringend nachsteuern.
Ein anderes Thema ist, dass die Genehmigungen für Projekte und Anlagen in Europa viel zu lange dauern und zu verschieden sind. Ein einheitliches Regelwerk würde vieles vereinfachen. Aber nicht nur bei den Genehmigungen, auch bei anderen politischen Zusagen, wie zum Beispiel Förderungen und Vorgaben oder Zielen, dauert es in Europa sehr lange. Ein Beispiel ist die RED-III-Richtlinie. Die EU hat nun höhere Gesamtziele verkündet und die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren fortgeschrieben. Trotzdem dauern die Verfahren noch zu lange. Wenn die Industrie der Wasserstoffwirtschaft in Europa und in Deutschland bleiben und weiter skalieren soll, muss hier also vieles schneller werden.
Zur Person:
Tassilo Gast ist Emerging Market Business Development Manager für die Region DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) bei Emerson. Das Unternehmen mit rund 70.000 Beschäftigten weltweit ist auf Automatisierungslösungen spezialisiert. Zu seinen Angeboten gehören Hardware wie Ventile und Messtechnik, Software für Simulation und Betriebsführung sowie Dienstleistungen wie Beratung und Planung. Im Mai 2022 erlangte Emerson eine Mehrheit an der Firma AspenTech, einem Spezialisten für Software zur Prozesssimulation. Emerson ist für Kunden verschiedener Branchen tätig, von der Brauerei bis zur Raffinerie. Auch in der Wasserstoffbranche hat Emerson viele Kunden. Der Hauptsitz des Unternehmens liegt in Saint Louis im US-Bundesstaat Missouri.
von Niels Hendrik Petersen | Aug. 16, 2023 | 2023, Allgemein, International, Meldungen, News, USA
Seit Mitte Mai 2023 tun 21 Brennstoffzellenstapler in der Werksflotte von Linde Material Handling (MH) in Aschaffenburg ihren Dienst. Rund 2,8 Mio. Euro flossen in die Planung und Errichtung der innovativen H2-Infrastruktur vor Ort. Die Produktionsanlage entstand in einer Bauzeit von nur elf Monaten auf 280 m2 im Fertigungs- und Montagewerk. Die dezentrale Wasserstoffinfrastruktur auf dem Gelände des Konzerns soll künftig als Anschauungsbeispiel für interessierte Kunden dienen, denn die Logistikbranche muss dringend von ihren CO2-Emissionen runter.
„Wir zeigen, wie die Nutzung regenerativer Energiequellen in der Praxis funktionieren kann“, sagt Stefan Prokosch, Manager bei Linde Material Handling. Neben der Klimaneutralität (nur mit grünem H2) sei vor allem das schnelle Betanken der Flurförderzeuge mit Wasserstoff bei intensiven Mehrschichteinsätzen ein großer Vorteil. „Eine dreiminütige Betankungszeit entspricht einer vergleichbaren Ladeleistung von rund 480 kW“, freut sich Prokosch.
Die Millioneninvestition wird vom Bundesverkehrsministerium gefördert und vom Projektträger Jülich umgesetzt. Ziel ist es, Erfahrungen zu sammeln und Expertenwissen aufzubauen. So können Kunden künftig beim Einsatz von Wasserstoff in Materialflussprozessen umfassend beraten werden. Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie GmbH (NOW), bezeichnet das Projekt in Aschaffenburg als „Leuchtturmprojekt für den weiteren Hochlauf der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“. Projektplanung und Anlagenbau haben insgesamt gut drei Jahre gedauert.
Wo liegen die Herausforderungen?
Mit Wasserstoff betriebene Flurförderzeuge bieten Synergieeffekte mit der H2-Nutzung in der Distributionslogistik oder der Industrieproduktion, wodurch insgesamt die Wirtschaftlichkeit verbessert wird. Die Intralogistik kann hier als Einstieg genutzt werden. So setzt das BMW-Werk in Leipzig bereits seit Jahren auf BZ-Gabelstapler und nutzt zudem seit September 2022 in der Lackiererei einen flexiblen Wasserstoffbrenner (s. Kasten).
Eine der größten Herausforderungen liegt gerade in der Infrastruktur: Wasserstoff ist noch nicht flächendeckend verfügbar. Und nur grünes H2-Gas leistet einen Beitrag, um die Klimaziele zu erreichen. Skaleneffekte sind dabei wichtig, um die Kosten der H2-Herstellung zu senken. Wirkungsgrad und Effizienz müssen sowohl bei der Erzeugung als auch bei der Rückumwandlung weiter verbessert werden. Linde MH und der Mutterkonzern KION Group haben bereits mehrere Millionen Euro in die Entwicklung und Produktion der Brennstoffzellensysteme sowie die Errichtung der Wasserstoffinfrastruktur mit Betankungsanlage investiert.
Nachdem aktuell das erste eigene 24-Volt-System für Lagertechnikgeräte auf den Markt gekommen ist, steht als Nächstes die Entwicklung eines 48-Volt-Brennstoffzellensystems auf der Agenda. Ein Förderbescheid dafür liegt bereits vor. Als Hersteller von eigenen Brennstoffzellensystemen und Lithium-Ionen-Batterien hat man beispielsweise die Chance, eigene Brennstoffzellensysteme zu konzipieren, die eine größere Flexibilität bei der Fahrzeugkonstruktion erlauben.
PEM-Elektrolyseur erzeugt 50 kg H2 pro Tag
Die Anlagenteile für die neue H2-Produktion in Aschaffenburg verteilen sich auf mehrere Module. Das Herzstück ist ein PEM-Elektrolyseur, der auf eine Produktionsmenge von 50 Kilogramm H2 pro Tag eingestellt ist. Hier wird gereinigtes und deionisiertes Trinkwasser mithilfe von grünem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. In einem weiteren Container wird der Wasserstoff stufenweise auf 450 bar komprimiert. Anschließend gelangt das grüne Gas über Rohrleitungen und Ventile in die Hochdruckspeicher. Ein gesteuertes Ventilsystem regelt die Zuleitung zur Ausgabe an die Zapfsäule. Mitarbeiter schließen die Fahrzeuge hier an, und innerhalb kurzer Zeit ist der Tankvorgang abgeschlossen. Der Hochdruckspeicher ist so ausgelegt, dass er bei 450 bar bis zu 120 kg H2 speichern kann, so können auch die Tankspitzen beim Schichtwechsel gedeckt werden.
Insgesamt sind nun 21 Gegengewichtsstapler mit BZ-Hybridsystem bei Linde im Einsatz. Darunter zwölf des Modells E50 mit fünf Tonnen Tragfähigkeit sowie neun des E35 mit 3,5 Tonnen Tragfähigkeit. Sie alle ersetzen Modelle mit Verbrennungsmotor. Als Teil der Werksflotte übernehmen sie unter anderem das Be- und Entladen von Lkw und die Versorgung der Montagebänder mit großen und schweren Komponenten, wie beispielsweise Gegengewichten, vormontierten Rahmen oder Fahrerkabinen. Im BZ-System reagieren der Wasserstoff und der Sauerstoff der Umgebungsluft. Die erzeugte elektrische Energie lädt so eine Lithium-Ionen-Batterie auf, die den Stapler antreibt. Ein Energiemanager steuert und plant den Energiebedarf am gesamten Standort, vermeidet Lastspitzen und dient der Kostenoptimierung.
Wo wird das BZ-System eingesetzt?
Das BZ-System HyPower 24V mit 7 kW Leistung ist auf die eigenen Flurförderzeuge zugeschnitten und wurde speziell für Einsätze im innerbetrieblichen Materialfluss entwickelt. Durch die Abstimmung mit der leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterie des Hybridsystems werden die BZ-Stacks geschont, was die Lebensdauer verlängert. Auch der Geräuschpegel wurde optimiert. Das System ist vernetzt und kann so Daten über den Zustand und die Nutzung über die Cloud austauschen.
Linde MH nutzt bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten einen Prototyp mit BZ-Antrieb. Seit 2010 sind die BZ-Stapler in die Serienproduktion integriert. Bereits heute können 80 Prozent der Gegengewichtsstapler, Schlepper und Hochhubwagen mit H2-Antrieb bestellt werden. In Studien und Projekten zeigte Linde MH, unter welchen Voraussetzungen die Fahrzeuge mit BZ heute schon wirtschaftlich sind: nämlich wenn vor Ort bereits eine Wasserstoffinfrastruktur vorhanden ist oder hochreiner Wasserstoff als Abfallprodukt im betrieblichen Prozess anfällt. „Ab zwanzig Geräten im Mehrschichtbetrieb mit hohen jährlichen Betriebsstunden kann die Umstellung aktuell schon wirtschaftlich lohnend sein“, sagt Sebastian Stoll. Er arbeitet als Programmmanager im Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) bei der NOW.
In den USA sind 50.000 BZ-Flurförderzeuge im Einsatz
Der Markt für BZ-Flurförderzeuge in der EU birgt ein großes Potenzial. Jährlich werden in Europa im Segment der Gegengewichtsstapler rund 70.000 Geräte mit Verbrennungsmotor (Klasse 4/5) abgesetzt, die durch elektrische Antriebe ersetzt werden könnten. Zusätzlich werden jährlich etwa 60.000 bis 80.000 Klasse-1-Flurförderfahrzeuge mit Blei-Säure-Batterien (BSB) durch Neugeräte ersetzt. Beide stellen zusammen das theoretische Potenzial für dieses Segment dar, berichtet Stoll. „Leitmarkt für BZ-Flurförderzeuge sind derzeit ganz klar die USA, wo Stand Mitte 2022 über 50.000 Flurförderzeuge mit BZ im Einsatz sind – mit stark wachsender Tendenz.“
Um Aussagen über zukünftige Marktpotenziale in der EU treffen zu können, sei es nötig, die Megatrends und Treiber in der Intralogistik zu erkennen, erläutert Stoll. Der wachsende Anteil des Online-Handels mit immer kürzeren Bearbeitungszeiten, Digitalisierung und Outsourcing geht einher mit mehr Kostendruck und Wettbewerb. Auf der anderen Seite muss auch diese Branche dekarbonisiert werden. Andere Luftschadstoffe und Lärmemissionen müssen ebenfalls verringert werden.
Dem wachsenden Interesse kommen die Hersteller von BZ-Gabelstaplern nach: Beispielsweise hat der US-Marktführer Plug Power im Duisburger Hafen sein europäisches Entwicklungszentrum angesiedelt. Deutsche Brennstoffzellen für die Intralogistik kommen von Globe Fuel Cell Systems, FES Fahrzeug Entwicklung Sachsen oder eben von Linde MH. Die drei Unternehmen sind auch Mitglied im Clean Intralogistics Net (CIN). Bei diesem Netzwerk handelt es sich um einen vom Bundesverkehrsministerium unterstützten Zusammenschluss von insgesamt zwölf Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, der das Ziel verfolgt, der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in der Intralogistik in Deutschland und Europa zum Durchbruch zu verhelfen.

BMW nutzt flexiblen H2-Brenner im Werk in Leipzig
Das Werk der BMW Group in Leipzig pilotiert nach eigenen Angaben als erste Autoproduktion in der Lackiererei mit der innovativen Brennertechnologie. Diese kann Wasserstoff und Methan (CH4) sowohl allein als auch im Gemisch verbrennen. Der Einsatz des Doppelbrenners erfolgt zunächst im Pilotbetrieb. Derzeit hat das Werk in Leipzig über 130 BZ-betriebene Flurförderfahrzeuge in seiner Flotte. Fünf H2-Tankstellen befinden sich auf dem Werksgelände. Die jüngste davon ermöglicht erstmals sogar vollautomatisierte Tankvorgänge.
Auch in der Logistik jenseits der Werkstore erprobt die BMW Group gemeinsam mit Partnern den Einsatz von Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Transportlogistik und engagiert sich in zwei Forschungsprojekten. Bei H2Haul geht es um die Entwicklung und Pilotierung von 16 Brennstoffzellen-Lkw in Belgien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Beim Projekt HyCET treibt BMW als Konsortialführer die Entwicklung von H2-LKW mit Verbrennungsmotor in der Transportlogistik voran.
Autor: Niels Hendrik Petersen