Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

26. Januar 2024

Titelbild:

Bildquelle: Arthus Bus, JIVE / JIVE 2 / MEHRLIN

Erprobung von BZ-Bussen und ihren H2-Tankstellen

Zwischenbilanz zur Analyse der Leistungsfähigkeit
Elektromobilität

Brennstoffzellenbusse (BZ-Busse) werden seit rund 20 Jahren erprobt. Mit europäischer Förderung laufen derzeit Demonstrationsprojekte mit rund 300 dieser Fahrzeuge. Die Leistungsfähigkeit der Busse und ihrer Wasserstofftankstellen wird auf der Basis von Betriebsdaten analysiert. Dieser Artikel möchte anhand ausgewählter Indikatoren eine Zwischenbilanz ziehen, inklusive Vergleichen mit den Ergebnissen bereits abgeschlossener Projekte. Insgesamt zeigen die Busse ein positiveres Bild als die Tankstellen.

Im Rahmen der Projekte JIVE und JIVE 2 (2017 bis 2024 bzw. 2018 bis 2025) sind die Busse an 16 Standorten in sechs Ländern im Einsatz (s. Abb. 2). Die örtlichen Flotten umfassen fünf bis 54 BZ-Busse. Zum Einsatz kommen einstöckige 12-m-Solobusse, Doppeldecker (in Großbritannien) sowie an einem Standort straßenbahnähnliche 18-m-Gelenkbusse. Die Wasserstofftankstellen wurden zum Teil aus einem weiteren Projekt namens MEHRLIN gefördert (Projektende: 30. Juni 2023).

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Standorte der Projekte JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN (Aberdeen, Auxerre, Barcelona, Birmingham, Bozen, Brighton, Emmen, Gelderland, Groningen, Region Köln, London, Pau, Südholland, Toulouse, Wiesbaden und Wuppertal) sowie Länder mit Beobachter-Regionen. Wegen einer Neuausrichtung beim Busbetreiber ist der Standort Wiesbaden nicht mehr aktiv.

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Zu den Aktivitäten im Arbeitspaket „Monitoring and Analysis“ gehören neben dem hier auszugsweise vorgestellten „Performance Assessment“ auch ein Umwelt- und Kostenvergleich zwischen BZ- und Batteriebussen [1] und die Dokumentation von „Best Practice“ [2].
Aus Gründen der Vertraulichkeit wurden die Ergebnisse so aggregiert, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Standorte möglich sind, soweit die Informationen nicht ohnehin bereits öffentlich zugänglich sind.

Stand Mitte 2023
Bis Ende Juni 2023 (Stand der Datenbasis im Folgenden) legten die Busse rund 13 Millionen Kilometer zurück. In über 63.000 Tankvorgängen wurden mehr als 1 Million Kilogramm Wasserstoff abgegeben.

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Verfügbarkeit der Brennstoffzellenbusse

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Verfügbarkeit der Busse in JIVE/JIVE 2 im Vergleich mit früheren Projekten

Abbildung 3 zeigt einen Vergleich der Verfügbarkeit in den größeren Projekten zur Erprobung von Brennstoffzellenbussen seit 2001. Die Kastengrafiken zeigen jeweils die Maximal- und Minimalwerte, die beiden mittleren Quartile und, als waagrechte Linie innerhalb des Kastens, den Median.

Die BZ-Busse bis 2009 in den Projekten CUTE und HyFLEET:CUTE waren noch nicht hybridisiert, das heißt, es gab keine Batterie zur Unterstützung der Brennstoffzelle und keine Möglichkeit zur Rückgewinnung von Bremsenergie. Da pro Standort stets zwei Monteure der Hersteller anwesend waren, um Probleme zu beheben, war die Verfügbarkeit der Fahrzeuge vergleichsweise hoch.

Kastengrafiken (Box-Plots) sind ein Werkzeug zur aggregierten grafischen Darstellung von Daten, die mehr Information vermitteln können als zum Beispiel Mittelwerte und Standardabweichungen. Der Median ist der zentrale Wert einer auf- oder absteigend sortierten Liste von Daten. Bei Werten von beispielsweise 90 % – 90 % – 85 % – 80 % – 60 % – 40 % – 10 % beträgt der Median 80 %, der Mittelwert dagegen 65 %. Die beiden mittleren Quartile umfassen das Viertel aller Werte über und unter dem Median und sind somit ein Indikator dafür, wie stark die zentrale Hälfte aller Werte um den Median streut.

Ein signifikanter Vergleich ist daher vor allem zwischen dem Projekt CHIC mit der ersten Generation hybridisierter BZ-Busflotten (2010 bis 2016) und JIVE/JIVE 2 (seit 2017/18) möglich. Abbildung 3 zeigt eine deutliche Verbesserung der Bus-Verfügbarkeit in den aktuellen Projekten. Einzelne Standorte erreichen mehr als 99 Prozent, während nicht alle an das Ziel von über 90 Prozent herankommen.

Ausfallzeiten werden zumeist nicht von Komponenten verursacht, die dem Brennstoffzellenantrieb zuzuordnen sind, sondern Auslöser sind häufig konventionelle Bauteile. Längere Ausfallzeiten entstanden zum Beispiel dadurch, dass ein Hersteller unter anderem die Halterungen für die Wasserstofftanks verstärken musste, da die Vibrationen in Bussen ohne Dieselmotor unterschätzt worden waren. Bei einem anderen Fabrikat mussten die Klimaanlagen getauscht werden.

Laufleistung
Die Busse haben gezeigt, dass 500 Kilometer pro Tag beziehungsweise ohne Zwischenbetankung zurückgelegt werden können. Geringere Laufleistungen resultieren aus den örtlichen Einsatzbedingungen, also nicht aus Beschränkungen, die sich aus dem Wasserstoff-/Brennstoffzellenantrieb ergeben. Ein Standort setzt die Fahrzeuge zum Beispiel als Vorfeldbusse auf dem Flughafen ein, wo kurze Wege zurückzulegen sind. Insgesamt erfüllen die Fahrzeuge die Erwartungen der Betreiber.

Spezifischer Kraftstoffbedarf

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Entwicklung des spezifischen Kraftstoffbedarfs von Projekt zu Projekt. Seit CHIC sind die Antriebe hybridisiert.

Abbildung 4 zeigt, wie sich der Kraftstoffbedarf pro 100 Kilometer Laufleistung entwickelt hat. Von CUTE zu HyFLEET:CUTE wurde zunächst der nicht-hybridisierte Antrieb optimiert. Ein Effizienzsprung ergab sich durch die Hybridisierung im Projekt CHIC. Im Rahmen von JIVE/JIVE 2 werden noch einmal deutlich geringere Werte von bis zu 6,5 kg/100 km erreicht. Damit wird das Projektziel von 9 kg/100 km für Solobusse in der Regel deutlich unterboten, selbst von den Doppeldeckern. Auch die 18-m-Fahrzeuge unterschreiten das Ziel von 14 kg/100 km klar.

Der saisonale Einfluss der Umgebungstemperatur beziehungsweise der Einfluss des Heizenergiebedarfs auf den Kraftstoffverbrauch konnte bespielhaft für zwei Standorte ermittelt werden, deren Fahrzeuge keine Klimaanlage besitzen, die also ohne Energiebedarf für Kühlung im Sommer auskommen. Hier variiert der Kraftstoffverbrauch über das Kalenderjahr um ca. ± 1 bis 2 kg/100 km bzw. ± 15 bis 20 %.

Zwischenfazit
Aufgrund der positiven Erfahrungen mit den BZ-Bussen haben sich einige Standorte entschlossen, weitere Fahrzeuge dieses Typs zu beschaffen. Hervorzuheben ist hier der Regionalverkehr Köln, der über die 50 in JIVE beziehungsweise JIVE 2 geförderten Busse hinaus bereits Verträge für bis zu 100 weitere Einheiten geschlossen hat. Andererseits wurde die Erweiterung der Flotte an einem anderen Standort zurückgestellt, weil es erhebliche Probleme mit der Wasserstofftankstelle gab; mehr dazu im Folgenden.

Vertankte Wasserstoffmengen

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Vertankte Wasserstoffmengen pro Quartal als Summe aller Standorte

Bis Mitte 2023 wurden an 18 Tankstellen mehr als 1 Million Kilogramm Wasserstoff abgegeben. Die zeitliche Entwicklung ist in Abbildung 5 dargestellt. Die Quartalswerte für 2020 sind gering, da – bedingt durch die Corona-Pandemie – erst wenige Fahrzeuge in Betrieb waren beziehungsweise gingen und die Laufleistungen häufig geringer waren als sonst üblich. 2021 begann ein deutlicher Anstieg, unterbrochen von einem Rückgang im ersten Quartal 2022. Letzterer war bedingt durch:

–    Probleme mit den Bussen an mehreren Standorten, insbesondere bedingt durch Nachrüstungen wegen der unerwartet starken Vibrationen

–    Probleme an mehreren Tankstellen, die in einigen Fällen den Busbetrieb länger zum Erliegen brachten

–    Steigende Energie- bzw. Wasserstoffpreise nach dem Angriff auf die Ukraine, weshalb einige Betreiber den Einsatz ihrer BZ-Busse reduzierten

Seit dem zweiten Quartal 2022 steigen die Werte wieder nahezu stetig, auch bedingt durch die Inbetriebnahme weiterer Busse. Die Tankstellen stoßen in der Regel nicht an ihre Kapazitätsgrenzen: Durch den unerwartet niedrigen spezifischen Kraftstoffbedarf der Busse und die zeitweise geringeren Laufleistungen als geplant sind einige der Tankstellen zeitweise erheblich unterausgelastet.

Verfügbarkeit der Wasserstofftankstellen

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Verfügbarkeit der Tankstellen in JIVE/JIVE 2/MEHRLIN im Vergleich mit früheren Projekten

Das Mindestziel für die Verfügbarkeit der Wasserstofftankstellen in JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN ist größer 98 Prozent, wobei 99 Prozent angestrebt werden. Dabei bleiben Zeiten der Nichtverfügbarkeit für planmäßige Wartung unberücksichtigt. Abbildung 6 zeigt, dass dieses Mindestziel von weniger als der Hälfte der Standorte erreicht wird (der Median liegt unter 98 %). Im Projekt CHIC waren die Tankstellen durchschnittlich deutlich verfügbarer, bei einem Zielwert von ebenfalls über 98 Prozent.

Die Ursachen für geringe Verfügbarkeiten lassen sich, aus der Perspektive der Betankungseinheit, in zwei Bereiche aufgliedern:

–    Externe Gründe bedeuten, dass die Wasserstofferzeugung vor Ort ausgefallen ist oder die Anlieferung von Wasserstoff nicht rechtzeitig erfolgt ist oder beides, so dass keine Betankungen möglich sind. Dies ist an zahlreichen Tankstellen zeitweise eingetreten.

–    Interne Gründe bedeuten, dass wegen technischer Probleme keine Betankungen möglich sind. Davon sind alle Tankstellen betroffen, wenn auch in deutlich unterschiedlichem Maße.

Dabei haben sich die wesentlichen Ursachen für Ausfälle von Wasserstofftankstellen für Busse aus internen Gründen in den letzten 20 Jahren kaum verändert. Sie umfassen insbesondere Probleme mit

–    Wasserstoffkompressoren

–    den Komponenten zur Betankung, insbesondere den Füllkupplungen mit ihren empfindlichen Infrarot-Sensoren zur Datenübertragung vom Bus an die Tankstelle

–    der Qualität bzw. Schnelligkeit des Hersteller-Services, d. h. Ausfälle wären teilweise vermeidbar gewesen oder dauern unnötig lange.

Hinzu kommen, nach dem Wechsel zu Typ-4-Tanks auf den meisten Bussen der aktuellen Generation, Herausforderungen bei der Vorkühlung des Wasserstoffs zur Gewährleistung einer hinreichend schnellen und vollständigen Befüllung, bedingt durch Softwareprobleme und fehlende anerkannte Betankungsprotokolle.

Die Partner des JIVE/JIVE 2/MEHRLIN-Konsortiums sehen die Gefahr, dass die breite Einführung von BZ-Bussen an einem Mangel an verlässlicher Betankungsinfrastruktur scheitern könnte.

Zusammenfassung

Die Erprobung der BZ-Busse und Wasserstofftankstellen in den Projekten JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN wurde beziehungsweise wird durch eine Reihe externer Faktoren negativ beeinflusst. Dazu gehören die Corona-Pandemie, gestiegene Wasserstoffpreise und Probleme mit der Wasserstoffbelieferung.

Positiv ist festzuhalten, dass einige Standorte sich aufgrund guter Erfahrungen bereits vor Projektabschluss entschieden haben, ihre BZ-Bus-Flotte zu erweitern.

Die Busse zeigen insgesamt eine bessere Leistungsfähigkeit als die Fahrzeuge der Vorgängergeneration, auch wenn bislang nicht an allen Standorten die Zielwerte, wie eine Verfügbarkeit von mindestens 90 Prozent, erreicht werden. Insbesondere ist die in JIVE/JIVE 2 deutlich verbesserte Effizienz der Busse hervorzuheben.

Bei der Verfügbarkeit der Wasserstofftankstellen ist bisher keine generell positive Entwicklung zu erkennen. Ausfälle der Tankstellen wegen interner technischer Probleme haben im Einzelfall zu einem längeren Stillstand der lokalen BZ-Bus-Flotte geführt. Es ist bemerkenswert, dass auch nach rund 20 Jahren Erfahrung mit Tankstellen auf 350-bar-Druckniveau die Probleme mit einigen ihrer Komponenten nicht gelöst werden konnten.

Danksagung

Die Projekte JIVE und JIVE 2 werden von Clean Hydrogen Partnership (vormals Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking) im Rahmen der Zuwendungsvereinbarungen Nr. 735582 bzw. 779563 gefördert. Clean Hydrogen Partnership erhält Unterstützung aus dem Horizon-2020-Programm der Europäischen Union für Forschung und Innovation sowie von Hydrogen Europe und Hydrogen Europe Research. Das Projekt MEHRLIN wurde aus Mitteln der Connecting Europe Facility der Europäischen Union kofinanziert.

Die Ergebnisse wurden erstmals auf der Zero Emission Bus Conference 2023 vorgestellt.

Literatur

[1]        A. Zimmerer, S. Eckert und V. Roderer, Environmental Impacts and External Cost Benefits of Fuel Cell Buses. Comparison of Fuel Cell Buses with Battery Electric Buses, 2023. https://fuelcellbuses.eu/publications.

[2]        K. Buss, K. Stolzenburg, N. Whitehouse and S. Whitehouse, JIVE Third Best Practice and Commercialisation Report / JIVE 2 Second Best Practice Information Bank Report, 2022. https://fuelcellbuses.eu/publications.

AutorInnen:
Klaus Stolzenburg
Ingenieurbüro PLANET GbR, Oldenburg
k.stolzenburg@planet-energie.de
Katharina Buss
Ingenieurbüro PLANET GbR, Oldenburg
k.buss@planet-energie.de
Vanessa Roderer
Sphera Solutions GmbH, Leinfelden-Echterdingen
VRoderer@sphera.com
Stefan Eckert
Sphera Solutions GmbH, Leinfelden-Echterdingen
SEckert@sphera.com

 

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