von Stefan Garche | Feb. 25, 2025 | 2025, Elektromobilität, Energiewirtschaft, Entwicklung, News, Wasserstoffwirtschaft
RH2INE – Aufbau eines wasserstoffbetriebenen Binnenschiffnetzes
Wer im internationalen Schiffsverkehr unterwegs ist, weiß: Ohne den richtigen Kurs zu setzen und zu halten, sind Ziele kaum erreichbar. Diese Erkenntnis treibt auch Binnenschifffahrtsakteure diesseits und jenseits der deutsch-holländischen Grenze an und motiviert sie, das Ziel der Klimaneutralität aktiv und entschlossen voranzutreiben. Bei dieser komplexen Herausforderung unterstützt sie die länderübergreifende Initiative RH₂INE (Rhine Hydrogen Integration Network of Excellence). Zu den ersten Etappenzielen gehört der Aufbau einer schnellen und unkomplizierten Lösung zur Betankung der Binnenschiffe mit Wasserstoff.
RH₂INE startete 2019 auf Initiative der Provinz Zuid-Holland (PZH) und des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums und wird seit 2021 auf deutscher Seite durch die Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate koordiniert. Das Ziel der beiden Rhein-Regionen: eine nachhaltige Alternative zu fossilen Brennstoffen für den Gütertransport auf dem Rhein zu schaffen. Schnell waren sich alle Beteiligten einig, dass auf schnell fließenden Wasserwegen wie dem Rhein einzig und allein Wasserstoff als zukunftsfähiger Energieträger für Binnenschiffe infrage kommt.
Mittlerweile hat sich RH₂INE zu einem internationalen Netzwerk aus öffentlichen und privaten Akteuren entwickelt. Ausgehend vom Nukleus entlang des Rheins wollen die Partner gemeinsam bis 2030 einen emissionsfreien Nordsee-Rhein-Mittelmeer-Korridor schaffen. Voraussetzung dafür sind geeignete Rahmenbedingungen und Infrastrukturen für den Einsatz von Wasserstoff in der Binnentransportkette.
Schlauchbetankung keine Lösung
„Ein Schiff muss bei einem Bunkervorgang, also der Energieaufnahme, mindestens zwei Tonnen Wasserstoff tanken. Mit einem Schlauch würde das zwölf Stunden oder länger dauern, und in dieser Zeit könnte aus Sicherheitsgründen nicht geladen oder gelöscht werden”, erläuterte Robert Graf-Potthoff, technischer Inspektor beim globalen Logistikdienstleister Rhenus Schiffsmanagement, kürzlich im RH2INE magazine.
H2-Betankung als zentrale Herausforderung Eine der wesentlichen Herausforderungen besteht darin, die Schiffe mit Wasserstoff zu betanken. Für die Schiffsbetreiber war deshalb von Anfang an klar: Der Wasserstoff muss in Wechselbehältern aufs Binnenschiff kommen. Denn der Austausch leerer gegen volle Tanks dauert im Hafen nur etwa dreißig Minuten und unterbricht dabei nicht die parallel stattfindenden Abläufe an Bord.
Eine Lösung fand sich in einem standardisierten Wechselbehälter für Wasserstoff – einem sogenannten Multiple-Element Gas Container (MEGC), auch „TankTainer“ genannt. Verschiedene Akteure wie Air Liquide oder Argo Anleg entwickeln verschiedene Formate für die unterschiedlichen Schiffstypen.
Standardisierung der Energieversorgung Bisher waren TankTainer nur als individuelle Komponente für ein einzelnes Schiff zulassungsfähig. Das machte ein Pooling unmöglich. Denn jedes Schiff bräuchte – unter immensen Investitionskosten – jeweils drei TankTainer-Sätze, um den kontinuierlichen Tankprozess zu gewährleisten.
Um Abhilfe zu schaffen, treiben verschiedene europäische Regierungsbehörden zusammen die Standardisierung dieser Technologie voran. Ihr Ziel: Die TankTainer sollen nicht nur europaweiter Standard für die Binnenschifffahrt werden, sondern auch für weitere Zwecke als Energiespeicher nutzbar sein. Dazu fassen sie die technischen Vorgaben bewusst breit. Schützenhilfe erhalten sie von RH₂INE-Partnern wie dem Port of Rotterdam, Air Liquide oder Argo Anleg. Mit einer Veröffentlichung des Standards ist im ersten Halbjahr 2025 zu rechnen.
Standardisierung der H2TankTainer bei CESNI / ES-TRIN
Druckstufen: max. 300, 500, 700 bar
Container: ISO 10”, 20”, 30” und 40”
Transportmöglichkeiten: Schiff, Lkw, Zug (Verordnungen: ADN, ADR, RID, Es-Trin, IMO)
Datenkommunikation: in jedem Abschnitt Druck, Temperatur, Auslegungsdruck
Kommunikationsprotokoll: J2799
Weitere RH₂INE-Pilotprojekte Neben der Einführung der H2TankTainer konnte RH₂INE weitere bemerkenswerte Erfolge in der Binnenschifffahrt erzielen. So wurden im Rahmen der Initiative sowohl Schiffe mit H2-fähigen Dualverbrennungsmotoren als auch mit Wasserstoff-/ Brennstoffzellenantrieb entwickelt. Das „Flaggschiff“ dieser Entwicklung ist die MS Letitia, ein Binnenschiff der HTS-Group, das unter intensiver Begleitung durch das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) in Duisburg konzipiert wurde.
Verschiedene Förderungen ermöglichten die Finanzierung der Brennstoffzellen, eines ersten Satzes von TankTainern sowie einer EU-Begleitforschung (greenH2shipping). Letztere soll für die ersten 1.000 Betriebsstunden einen Zuverlässigkeits- und Wirtschaftlichkeitsnachweis erbringen. Dieser ist die Voraussetzung dafür, dass bei zukünftigen Förderaufrufen weitere Mittel für emissionsarme Binnenschiffe und deren Infrastruktur akquiriert werden können.
Zu den RH₂INE-Pionierprojekten zählt auch der Schüttgutfrachter MS Antonie, der unter der Leitung des europaweit tätigen Befrachters NPRC entwickelt wurde. Mit einem hybriden Antriebssystem kann er sowohl emissionsfrei als auch mit konventionellen Energiequellen betrieben werden. Dies erhöht die Flexibilität bei der Energieversorgung.
Auch die niederländische Reederei Future Proof Shipping (FPS) entwickelte zwei Schiffe, die H2-Barge 1 und 2. Bei ihnen wird die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie mit Batteriesystemen kombiniert, um eine vollständig emissionsfreie Fahrt zu ermöglichen. Bisher wurden mit den beiden Schiffen bereits etwa 20.000 Container von Delfzijl nach Rotterdam transportiert.
Rhenus Logistics setzt auf den Koppelverband „Mannheim I+II“, dessen Antrieb ebenfalls aus Brennstoffzellen, Batterien und bei Bedarf dieselelektrischen Generatoren besteht. Er wird regelmäßig Container zwischen Antwerpen bzw. Rotterdam und Mannheim, Ludwigshafen, Wörth sowie Karlsruhe transportieren. Wie die MS Letitia ist auch dieses Schiff mit bis zu drei Schubleichtern niedrigwasserangepasst.
MS Antonie
Größe: 135 x 11 m
Energieversorgung: 400 kW H2/FC / 1 MWh Batterie
Kapazität: 3.700 t Salztransport Delfzijl – Rotterdam (ersetzt 120 Lkw)
Einsparung: 880 t/a CO2 sowie 8 t/a NOx

Abb. 2: MS Antonie, Besuch des niederländischen Königs (Mitte) in Duisburg Ende 2023.
MS_ANTONIE_Foto_Robin Alysha Clemens.jpg, Quelle: Robin Alysha Clemens
H2-Barge 1+2
Größe: 110 x 11 m, retrofit
Energieversorgung: 3 x 275 kW Brennstoffzelle / 274 kWh Batterien
Route: Rotterdam – BCTN Terminal Meerhout (BE)
Einsparung: 2.000 t/a CO2 pro Schiff

Abb. 3: H2-Barge 2 FPS-H2BARGE2-Drone-HighRes-13.jpg Quelle: FutureProofShipping
MS Letitia
Größe: 135 x 17 m
Baujahr: 2023
Einsparung: 2.800 t/a CO2 (ersetzt 250 Lkw)
Route: Rotterdam – Duisburg dauert 20h und zurück 14h
Antriebsleistung: 1,2 MW (sechs 200-kW-Brennstoffzellen von Ballard in Containern), zusätzlich Batterien sowie Backup-Dieselelektrik mit gleicher Leistung
Im Schiff befinden sich 52 m Elektrikschaltschränke sowie 20 km Kabel.

Abb. 4: In der Mitte der MS Letitia sind mit zwei Trennwänden vier Containerflächen abgetrennt, auf denen insgesamt 16 Energiecontainer für die Brennstoffzellen, die Batterien und die Tankcontainer stehen können Letitia-2.jpg Quelle: RensenDriessen Shipbuilding, Photo Maritime Filming Group
Rhenus Mannheim I+II
Größe: Koppelverbund 193 x 11 m (mit drei Schubleichtern 193 x 22m)
Einsparung: Schiff und 1 Schubleichter: 72 % weniger CO2 und NOX
Route: Rotterdam/Antwerpen – Mannheim/Wörth
Antriebsleistung: 400 kW Brennstoffzellen, zusätzlich 840 kWh Batterien sowie Backup-Dieselelektrik
Erweiterung des Netzwerks Seit seiner Gründung hat RH₂INE eine beachtliche Entwicklung vom bilateralen Projekt zum breit aufgestellten EU-weiten Netzwerk vollzogen. Zu den Partnern gehören heute mehr als 45 Akteure aus öffentlicher Hand und Wirtschaft, darunter die bedeutenden Häfen Rotterdam, Duisburg, Basel und Antwerpen-Brügge. Neben den Niederlanden und Deutschland haben sich mittlerweile auch Akteure aus Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz der Initiative angeschlossen. Dies erweitert die Reichweite des Projektes erheblich.
Seit 2025 wird die Initiative vom belgischen Cluster WaterstofNet koordiniert. Dieses übernimmt das neu gegründete Programmbüro, dessen Arbeitsplan verschiedene englischsprachige Arbeitsgruppen vorsieht, die die unterschiedlichsten Themen wie Standardisierung, Finanzierungs- und Fördermechanismen, notwendige Hafeninfrastruktur sowie TankTainer-Logistik bearbeiten. WaterstofNet war schon einmal stark in diese Themen involviert, insbesondere durch die Mitarbeit in CONDOR, einem niederländischen Projekt im Zuge der Initiative RH₂INE mit Fokus auf niederländische Wasserwege. Diese Erfahrung prädestiniert das Cluster für seine Aufgaben als RH₂INE-Koordinator.
Finanzielle und politische Unterstützung für RH₂INE Seit 2019 kann die Initiative umfangreiche Fördermittel aus EU-Programmen wie Connecting Europe Facility (CEF) oder Horizon Europe sowie von nationalen und regionalen Regierungen akquirieren. Diese verwendet sie, um Forschung und Entwicklung, den Bau von Infrastruktur und die Umstellung auf Wasserstofftechnologien voranzutreiben und das Netzwerk auszubauen.
Auch bei der Unterstützung der Politik sowie bei der Harmonisierung von Leitlinien mit europäischen und regionalen Institutionen spielt RH₂INE eine entscheidende Rolle. So hat die Initiative in der Vergangenheit mit ihren Vorschlägen aktiv die schnellere Regulierung der Wasserstoffnutzung in der Binnenschifffahrt vorangetrieben. Auch auf die politischen Dekarbonisierungspläne für den Verkehrssektor, insbesondere in NRW und den Niederlanden, konnte sie Einfluss nehmen.
Der Erfolg der Dekarbonisierung der Binnenschifffahrt zeigt sich in der vom MUNV (Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen) initiierten gemeinsamen Absichtserklärung „Perspektive nachhaltige Rheinschifffahrt 2030“ von 80 Partnern aus Deutschland, Belgien, Schweiz und den Niederlanden auf der Länderkonferenz Rhein 2024. Darin wird die Rheinschifffahrt als unverzichtbar für eine nachhaltige Logistik eingestuft.
Darüber hinaus trägt auch der Beschluss der deutschen Verkehrsministerkonferenz vom Oktober 2024 die Handschrift der Initiative: Er betont die Binnenschifffahrt als Verkehrsträger der Zukunft für Deutschland. Neue Maßnahmen für eine leistungsfähige Binnenschifffahrt sollen in der Strategie „Neue Märkte für die Binnenschifffahrt“ gebündelt werden.
Die Nationale Hafenstrategie des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr trägt ebenfalls der Transformation der Binnenschifffahrt Rechnung. Demnach soll diese bundesweit harmonisiert als „landesweit bedeutsam“ eingeordnet und entsprechend in die Landesplanung übernommen werden, um Hafengebiete für eine hafenaffine Nutzung zu sichern.
Und schließlich adressiert auch der Nationale Aktionsplan klimafreundliche Schifffahrt (NAPS) – in Ergänzung zur Nationalen Hafenstrategie – die Binnenschifffahrt, und zwar mit Maßnahmen, die auch RH₂INE umsetzt. Dazu gehören unter anderem standardisierte containerisierte Energiespeicher. Daneben fordert der Aktionsplan auch eine Verlängerung des Förderprogramms BordstromTech sowie zinsvergünstigte KfW-Kredite oder Absicherungen mit Bürgschaften.
Herausforderungen der Dekarbonisierung Trotz all dieser Erfolge steht die Dekarbonisierung der Schifffahrt noch am Anfang: Aktuell fahren auf dem Rhein rund 10.000 Schiffe mit einer Lebenszeit von jeweils bis zu 100 Jahren. Diese gilt es zukünftig klimaneutral zu betreiben. Eine Herausforderung stellt dabei vor allem die Wirtschaftlichkeit des Wasserstoffbetriebs dar. Derzeit sind entsprechende Schiffe in Anschaffung und Betrieb teurer als herkömmliche Dieselschiffe. Die Rentabilität der neuen Technologie hängt gleich von mehreren Faktoren ab, zu denen Anschubsubventionen genauso gehören wie sinkende Wasserstoffpreise und die Bereitschaft der Kunden, höhere Transportkosten zu tragen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bedarf es durchdachter Geschäftsmodelle.
Auch die Harmonisierung von Vorschriften auf europäischer Ebene bleibt eine komplexe Aufgabe. Insbesondere bei Lagerung und Transport von Wasserstoff bestehen noch Unsicherheiten, die die Einführung bremsen. Die technologische Entwicklung muss ebenfalls mit den Herausforderungen Schritt halten. Aktuell ist der Zugang zu grünem Wasserstoff begrenzt, er weitet sich jedoch sukzessive aus.
Und nicht zuletzt erfordert der Aufbau einer umfassenden Betankungsinfrastruktur, zunächst entlang des Rheins, erhebliche Investitionen und eine gezielte Koordination. Insbesondere das Befüllen der TankTainer sollte aufgrund der benötigten Wasserstoffmengen an größeren Hubs erfolgen.
Pläne von RH₂INE Auf all diese Herausforderungen reagiert RH₂INE mit einer Reihe ambitionierter Pläne. Diese zielen auf eine breite Akzeptanz und Skalierung der Technologie sowie auf die Nachrüstung der bestehenden Flotte ab.
So wollen die Akteure bis 2030 mindestens 50 wasserstoffbetriebene Schiffe im Einsatz haben. In puncto TankTainer soll ein Pool für H2-Wechselcontainer geschaffen werden, der allen Reedereien und weiteren Akteuren offensteht. Den hohen Anschaffungskosten muss dabei eine maximale Nutzungszeit gegenübergestellt werden. Dazu wird voraussichtlich in Zukunft ein Leasingunternehmen gegründet oder beauftragt.
Auch neue Partner – Regionen und Stakeholder – will das Netzwerk weiter einbinden, um eine flächendeckende Infrastruktur und Zusammenarbeit zu gewährleisten. Durch die Stärkung seiner Lobbyarbeit wird sich RH₂INE künftig verstärkt für eine zukunftsweisende Regulierung und finanzielle Unterstützung auf EU-Ebene einsetzen. In den Niederlanden konnte die Initiative bereits eine starke finanzielle Verpflichtung der Regierung durch einen „Climatfonds” für erneuerbare Schiffsantriebe erreichen. Mehr als 200 Millionen Euro für bis zu 150 Schiffe und deren Infrastruktur stehen bis 2030 bereit.
Fazit Auch die Binnenschifffahrt muss zur Erreichung der Verkehrsklimaziele Europas dekarbonisiert werden. RH₂INE beweist eindrucksvoll, wie internationale Zusammenarbeit in Kombination mit technischen Innovationen den Übergang zu einer emissionsfreien Binnenschifffahrt ermöglichen kann. Und die Initiative ist mit ihrem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit, Innovation und Zusammenarbeit ein Vorbild für ähnliche Aktivitäten weltweit.
Die kommenden Jahre werden jedoch entscheidend sein: Kann die Anfangsvision von einem grünen Rheinkorridor als einem zentraleuropäischen Ansatz Wirklichkeit werden? Die Botschaft bleibt auf diesem Weg jedenfalls immer klar: Die Zukunft der Binnenschifffahrt liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Auf der Hannover Messe im NRW-Pavillon, Halle 13,
Autor: Stefan Garche, Wasserstoffleitstelle H2.NRW des Landes Nordrhein-Westfalen bei NRW.Energy4Climate, Düsseldorf
stefan.garche@energy4climate.nrw
von Carsten Beyer | Feb. 17, 2025 | 2025, Allgemein, Anzeige, Deutschland, Elektromobilität, Energiespeicherung, Entwicklung, News, Wasserstoffwirtschaft
H₂-Hubs als Schlüssel für eine nachhaltige und effiziente Wasserstoffmobilität
Die Verkehrswende ist ein zentraler Baustein der deutschen Klimaschutzstrategie. Wasserstoff gilt dabei als entscheidender Energieträger, vor allem im Schwerlastverkehr. Doch wie können Wasserstofftankstellen (Hydrogen Refueling Stations – HRS) effizient, nachhaltig und wirtschaftlich mit Wasserstoff versorgt werden? Eine gemeinsame Studie der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW GmbH) und der Deutschen Energie-Agentur (dena) untersucht vier Versorgungsoptionen über ein zukünftiges H₂-Pipelinenetz. H₂-Hubs als Verbindungselementen zwischen dem entstehenden H₂-Netz und den HRS kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Der Wasserstoffbedarf im Straßengüterverkehr in Deutschland wird bis 2045 auf bis zu zwei Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt. In diesem Szenario erfordert eine flächendeckende Versorgung die Errichtung von mehr als 2.000 H2-Tankstellen. Das geplante H₂-Kernnetz, das bis 2037 eine Gesamtlänge von 9.700 Kilometern erreichen soll, kann dabei eine zentrale Rolle spielen. Es besteht zu 60 Prozent aus umgenutzten Erdgasleitungen und soll Schritt für Schritt durch Verteilnetze ergänzt werden, um auch Regionen abseits der Haupttrassen zu erschließen. Das Netzwerk wird nicht nur Industrie und Kraftwerke, sondern auch andere Sektoren, wie z. B. den Mobilitätssektor, bedienen können, wodurch eine flexible und belastbare Wasserstoffinfrastruktur entsteht.
Die Rolle der H₂-Hubs
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Eine ökonomisch attraktive und technisch machbare Versorgung der HRS über das H₂-Pipelinenetz ist möglich. Die techno-ökonomische Analyse der vier Versorgungsoptionen zeigt, dass ein H₂-Hub, der als zentrale Versorgungsstelle für eine Reihe von weiteren HRS fungiert und an das H₂-Kernnetz angeschlossen wird, die attraktivste Option darstellt.

HRS-Versorgung per Trailer von einem H₂-Hub, der an das H₂-Kernnetz angeschlossen ist. Dies ist die in der Studie präferierte Anbindungsoption an das H₂-Pipeline-Netz.
Die H₂-Hubs fungieren dabei als Bindeglieder zwischen dem H₂-Kernnetz und den regionalen Tankstellen und sind über eine Stichleitung direkt verbunden. Sie übernehmen zentrale Prozesse wie die Aufreinigung, Komprimierung und Speicherung des Wasserstoffs. Dadurch werden Skaleneffekte erzielt, die nicht nur Kosten reduzieren, sondern auch die technischen Anforderungen an den Betrieb der Tankstellen reduzieren. Der Wasserstoff wird anschließend per Trailer in unterschiedlichen Druckstufen an die umliegenden Tankstellen verteilt – die Studie unterstellt einen Radius von 50 Kilometern. Je nach Auslastung ist auch die Belieferung von Kunden denkbar, die nicht aus dem Mobilitätssektor kommen, aber ähnliche Anforderungen an die Wasserstoff-Qualität stellen.
H₂-Hubs bieten zudem Flexibilität bei der Einbindung unterschiedlicher Wasserstoffquellen. So können sie über Pipelines aus dem Kernnetz (Gegenstand der Studie), durch lokale Elektrolyse oder mittels anderer Transportmittel wie Zügen und Schiffen versorgt werden (dies wurde in der Studie nicht untersucht). Das macht sie zu einem Schlüsselbaustein für die effiziente und nachhaltige Wasserstoffmobilität in Deutschland.

Spezifische Transport- und Aufbereitungskosten für H₂-Versorgung per Trailer von einem H₂-Hub mit Anschluss an das H₂-Kernnetz: Kostenbestandteile in zwei unterschiedlichen Szenarien der präferierten Anbindungsoption für 2030.
Technische und regulatorische Herausforderungen
Die Sicherstellung der Wasserstoffqualität für den Einsatz in Brennstoffzellenfahrzeugen ist eine der entscheidenden Herausforderungen, vor denen die H₂-Hubs stehen. Der aus der Pipeline bezogene Wasserstoff muss entsprechend den Reinheitsanforderungen der DIN EN 17124 aufbereitet werden, was zusätzliche Investitionen in innovative Technologien erfordert. Ebenso wichtig ist die zeitnahe Festlegung von Netzentgelten und Netzanschlussgebühren, um Planungssicherheit für Investoren zu schaffen.
Transportdistanzen stellen einen wesentlichen Kostentreiber dar. Die Positionierung der H₂-Hubs in der Nähe von Regionen mit hohem Wasserstoffbedarf und hoher Tankstellendichte ist daher entscheidend. Gleichzeitig müssen regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine reibungslose Integration der H₂-Hubs in die bestehende Infrastruktur ermöglichen.
Handlungsempfehlungen für den Aufbau
Die Studie formuliert neun konkrete Handlungsempfehlungen, um eine effiziente Versorgung von Wasserstofftankstellen über ein H₂-Pipelinenetz zu schaffen:
- Integration der Planungen: H₂-Netze und Tankstelleninfrastruktur müssen in der Entwicklung eng verzahnt werden, um Synergien zu nutzen.
- Bedarfserfassung: Der Aufbau einer zentralen Plattform zur Erfassung des Wasserstoffbedarfs erleichtert die Planung und Identifikation geeigneter H₂-Hub-Standorte.
- Standortkriterien: Die Entwicklung transparenter Kriterien für die Standortwahl von H₂-Hubs fördert eine zielgerichtete Planung.
- Ermittlung von möglichen H₂-Hub-Betreibermodellen, in die auch lokale Akteure aktiv eingebunden werden sollten, um regionale Wertschöpfungsketten zu stärken.
- Pilotierung: Ein erster H₂-Hub sollte bis 2030 pilotiert werden, um praktische Erfahrungen zu sammeln und Optimierungspotenziale zu identifizieren.
- Weitere Untersuchung des Schlüsselaspekts „Wasserstoffqualität“: Wie und zu welchen Kosten kann die Aufreinigung des aus der Pipeline entnommenen Wasserstoffs gewährleistet werden (bei schwankender Qualität / unterschiedlichen Verunreinigungen)?
- Technologieentwicklung: Weiterentwicklungen in der Wasserstoffaufbereitung und -verdichtung sind essenziell, um Skaleneffekte zu erzielen.
- Netzentgelte: Frühzeitige Festlegungen von Netzentgelten und Anschlussgebühren schaffen Investitionssicherheit.
- Ganzheitliche Analysen: Die Untersuchung der Auswirkungen der Pipeline-Versorgung über das H2-Netz sollte auch auf andere Bereiche (ökologisch, sozial etc.) ausgeweitet werden.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Wasserstofftankstellen in Zukunft effizient, nachhaltig und wirtschaftlich über ein H₂-Pipelinenetz mit Wasserstoff versorgt werden können. H₂-Hubs kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Mit der Umsetzung der vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen könnten sie zu einem Schlüsselbaustein einer nachhaltigen Wasserstoffinfrastruktur werden.
Langfristig ist das Ziel, eine flächendeckende Wasserstoffversorgung zu gewährleisten, die nicht nur den Verkehrssektor, sondern alle Anwendungen integriert. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, um die technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit solch einer nachhaltigen Wasserstoffinfrastruktur zu gewährleisten. H₂-Hubs bieten hierbei eine flexible und skalierbare Lösung, die es erlaubt, die Infrastruktur schrittweise an den steigenden Bedarf anzupassen.
Literatur:
NOW GmbH & dena: „Versorgung der H₂-Tankstelleninfrastruktur in Deutschland über ein H₂-Pipeline-Netz“, 2024.
von Sven Geitmann | Jan. 6, 2025 | 2025, Deutschland, Meldungen, Politik
Interview mit Dagmar Fehler, NOW-Geschäftsführerin
Seit September 2024 hat die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) GmbH mit Dagmar Fehler eine neue Sprecherin der Geschäftsführung. Relativ unvermittelt musste ihr Vorgänger, Kurt-Christoph von Knobelsdorff, seinen Hut nehmen. Bis Sommer 2025 soll die NOW jetzt auch komplett neue Strukturen erhalten. Zwei gute Gründe für HZwei, um mit Dagmar Fehler persönlich zu reden.
HZwei: Sehr geehrte Frau Fehler, von außen betrachtet wirkte es, als wenn Sie recht unverhofft zu Ihrem neuen Posten gekommen sind. Kam diese „Beförderung“ für Sie im vergangenen Herbst überraschend?
Fehler: Das mag von außen so gewirkt haben, ich habe die Herausforderung aber sehr gerne angenommen. Die NOW ist ein einzigartiger Thinktank mit tollen Kolleginnen und Kollegen. Hier sind alle hochmotiviert, dabei zu helfen, den Verkehrssektor insgesamt klimafreundlicher zu machen. Und ich bin es auch.
Wie gestaltete sich denn die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Geschäftsführer Kurt-Christoph von Knobelsdorff? Kamen Sie gut mit ihm klar?
Wir haben sehr gut miteinander gearbeitet und auch gemeinsame Erfolge erzielt. Ich schätze sein Engagement für die Sache.
Einige vermuten ja hinter seinem plötzlichen Abgang eine Verbindung zur „Bonhoff-Affäre“, in deren Rahmen ja auch mal der Name von Knobelsdorff gefallen ist. Gibt es da einen Zusammenhang?
Ich wüsste von keinem. Vielmehr ist es so, dass aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klima-Transformations-Fonds (KTF) vom November 2023 Fördermittel gekürzt wurden, was ganz erhebliche Auswirkungen auf die Aufgaben der NOW GmbH hatte. Da wir als Programmgesellschaft gegründet wurden, mussten organisatorische Anpassungen entwickelt werden. Eine davon war, dass die NOW ihr Profil schärft. Der personelle Wechsel an der Spitze ist ein sichtbares Zeichen dieses Prozesses.
Verstehe, bitte schildern Sie uns doch mal kurz, was Sie bisher bei der NOW gemacht haben.
Ich war Co-Leiterin der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur und habe diese mitaufgebaut. Ich bringe über 20 Jahre Erfahrung in der Geschäftsprozess- und Organisationsentwicklung mit, gepaart mit dem Thema Digitalisierung, Daten und Informationen.
Wir arbeiten in der NOW an vielen Mobilitätsthemen und wir arbeiten sehr gut teamübergreifend zusammen. Darum sind mir auch die Themen Wasserstoff und Brennstoffzelle nicht fremd. Und wenn ich Detailfragen habe, so gibt es viele ausgezeichnete Expertinnen und Experten um mich herum, die mir kritisch und unabhängig weiterhelfen.
Was für einen Bezug haben Sie denn zu den Themen Wasserstoff und Brennstoffzellen?
Wasserstoff und Brennstoffzellen sind für mich ein Baustein, um die Klimaziele im Verkehr, aber auch in anderen Sektoren erreichen zu können. Ohne diesen Baustein wird das nicht funktionieren.
Noch heißt Ihr Arbeitgeber Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Ursprünglich war die NOW nur für das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie zuständig. Über die Jahre kamen viele andere Themenbereiche hinzu: Elektromobilität, Ladeinfrastruktur, Kraftstoffstrategie usw. Wie sehen Sie inzwischen die Gewichtung? Wie viel Anteil hatte zuletzt der H2– und BZ-Sektor?
Die Gewichtung der einzelnen Bereiche hat sich im Laufe der Zeit geändert, weil sie unterschiedlich stark gewachsen sind. Das war abhängig von den gesellschaftlichen und politischen Prioritäten sowie den Zielen beziehungsweise den Möglichkeiten der Bundesregierung. Auch in diesem Zusammenhang spielt das KTF-Urteil 2023 eine Rolle. Der Wasserstoff- und Brennstoffzellensektor bleibt ein zentraler Bestandteil der Arbeit der NOW GmbH, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der nationalen Wasserstoffstrategie im Verkehr, den Aufbau einer Wasserstoffbetankungsinfrastruktur und die Entwicklung einer starken Zulieferlandschaft in Deutschland.
Da erscheint es verständlich, dass sich die NOW neu strukturiert und vielleicht auch umbenennt – auch wenn das viele Akteure der H2– und BZ-Community ungerne eingestehen. Geben Sie uns doch bitte mal einen Einblick, auf was wir uns gefasst machen dürfen.
Wir bleiben weiterhin eine zentrale Anlaufstelle auf Bundesebene für den Klimaschutz in der Mobilität. Die politische Priorität liegt zukünftig jedoch stärker auf batterieelektrischer Mobilität und vor allem auf dem Ausbau der Ladeinfrastruktur. Unser Gesellschafter wünscht sich dennoch, dass wir weitere Technologien für Klimaschutz im Verkehr bei allen Verkehrsträgern in ihrer Entwicklung begleiten. Wir verstehen uns als Dienstleister der Bundesregierung und wollen diese bestmöglich in ihren mobilitätsorientierten Vorhaben unterstützen. Dies wollen wir digital und datengetrieben machen, um noch verlässlichere Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen. Wir werden weiterhin mit unserer Expertise zur Verfügung stehen und unterstützen.
Heißt das, dass die Bedeutung von Wasserstoff und Brennstoffzellen heruntergeschraubt wird?
Ich stelle die Technologien nicht gegeneinander. Es wird nicht ohne Wasserstoff und erneuerbare Kraftstoffe gehen.
Was bedeutet das konkret? Seit Monaten verstärkt sich der Eindruck, dass Elektromobilität und Ladeinfrastruktur auch finanziell immer stärker gefördert werden, Wasserstoffmobilität hingegen kaum bis gar keine Unterstützung mehr bekommt.
Auch bei der Elektromobilität und sämtlichen anderen Bereichen, die für den Verkehr relevant sind, gab es schmerzhafte Kürzungen. Das betrifft keinesfalls allein die Wasserstoffmobilität.
Der derzeit noch im Amt befindliche Bundesverkehrsminister Volker Wissing machte ja keinen Hehl daraus, dass er Wasserstoff lediglich als Hilfsmittel für E-Fuels ansieht, ansonsten davon aber nicht viel hält. Was erhoffen Sie sich von einem neuen Verkehrsminister, egal welcher Partei dieser dann angehört?
Die Einschätzung, dass Bundesminister Wissing von Wasserstoff nichts hält, teile ich nicht. Im Rahmen der Technologieoffenheit hat die Industrie für sich technologische Prioritäten gesetzt. Basis dafür sind die Produktionspläne für Pkw und Lkw, die uns dank der Cleanroom-Gespräche bekannt sind. Die kommende Leitung des Bundesverkehrsministeriums muss dafür den notwendigen Hochlauf der Infrastrukturen sicherstellen und auch den Fahrzeughochlauf im Blick haben. Heißt: an die erfolgreichen Vorarbeiten des BMDV anknüpfen und die Beschleunigung fortsetzen.
In welcher Art sollte denn Ihrer Meinung nach die NOW umstrukturiert werden? Bis zum Sommer 2025 sollte sie ja – so die ursprüngliche Planung – einen neuen Namen sowie ein neues Konzept bekommen. Halten Sie an diesem Zeitplan trotz der vorgezogenen Bundestagswahl fest?
Wir halten daran fest – auch weil wir unseren Kolleginnen und Kollegen sowie all unseren Stakeholdern Sicherheit und Verlässlichkeit schuldig sind.
Werden Sie dann noch weiter dabei bleiben oder besetzen Sie den Posten jetzt nur kommissarisch? Wie man hört, soll es eine Ausschreibung geben. Werden Sie sich dann dafür auch bewerben?
Ich arbeite sehr gerne für die NOW. Die Sache erfordert, dass auch schwierige Entscheidungen getroffen werden müssen, aber ich kann diese mit dem Leitungsteam und unserem Betriebsrat gemeinsam gestalten. Das möchte ich sehr gerne weiter so machen.
Was ist denn Ihre Hoffnung, bis wann es mehr Klarheit geben könnte, wie es mit der ehemaligen NOW weitergeht?
Warum denn ehemaligen? Wir sind bis Ende 2026 mit allen Themenfeldern weiterbauftragt. Der Gesellschafter möchte uns einen neuen Namen geben, der der Gleichwertigkeit der Technologien stärker Rechnung trägt. Eine Entscheidung dazu erwarten wir in den nächsten Monaten.
HZwei: Herzlichen Dank für Ihre Zeit.
Interviewer: Sven Geitmann
von Sven Geitmann | Nov. 13, 2024 | 2024, Elektromobilität, Entwicklung, Meldungen, News
Große Pläne und professionelles Marketing – das Auftreten der Firma HH2E war regelrecht beeindruckend, doch am 8. November 2024 beantragte das Hamburger Start-up Insolvenz in Eigenregie. Anlass dafür dürfte sein, dass der britische Mehrheitseigner Foresight Group das geplante H2-Projekt in Mecklenburg-Vorpommern doch nicht finanzieren wollte.
Geplant war unter anderem, sowohl bei Leipzig als auch in Lubmin Elektrolyseure zu errichten. An der Ostsee war die Rede vom Bau einer 100-MW-Anlage (bis 2030 1.000 MW) auf dem Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks und Investitionen über 45 Mio. Euro. Die Planung dafür gehe zwar zunächst weiter, aber es fehlt ein Investor, heißt es aktuell.
Gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung sagte HH2E-Firmenchef Alexander Voigt: „Wir bleiben dem Ziel verpflichtet, Kontinuität und Stabilität in unseren Abläufen aufrechtzuerhalten, während wir an einer langfristigen Lösung arbeiten. Ich bin überzeugt, dass wir bald einen strategischen Partner finden werden, der unsere Leidenschaft für grüne Energie teilt und die Vision der HH2E AG unterstützen kann.“ Voigt gründete 1996 das Solarunternehmen Solon und gilt als Pionier der erneuerbaren Energien.
Das in Sachsen geplante HH2E-Projekt Thierbach in Borna mit einem weiteren 100-MW-Elektrolyseur auf dem Areal des abgerissenen Braunkohlekraftwerks ist zunächst nur indirekt betroffen, da die HH2E-Thierbach-GmbH zwar eine hundertprozentige Tochter der 2021 gegründeten Hamburger Gesellschaft ist, selbst aber weiterhin zahlungsfähig ist. Im Rahmen dieses Projekts Net-Zero-LEJ sollte der Airport Leipzig/Halle zusammen mit DHL mit grünem Treibstoff versorgt werden.
Götz Ahmelmann, der Leiter des Flughafen Leipzig/Halle, erklärte: „Als Unternehmen sind wir überzeugt von der umwelt- und wirtschaftspolitischen Bedeutung einer industriellen Produktion von Sustainable Aviation Fuel (SAF).“ Seiner Meinung nach bleiben die Voraussetzungen für die Herstellung nachhaltiger Flugkraftstoffe im industriellen Maßstab aber „weiterhin hervorragend“. „Mit starken Partnern und ausgedehnten Flächen, unterstützt durch einen wichtigen Kunden wie DHL, der sich dem klimaneutralen Fliegen verpflichtet hat, sind wir bestens aufgestellt.“
Bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung kann die Firmenleitung die Geschäfte fortführen, wenn berechtigte Hoffnungen bestehen, das Unternehmen sanieren zu können. Ein vom Gericht ernannter Sachwalter überwacht dabei begleitend den Prozess.
von Eva Augsten | Nov. 4, 2024 | 2024, Deutschland, Entwicklung, Europa, Meldungen, News, Wasserstoffwirtschaft
Praxistest im Container-Terminal
An einem Container-Terminal in Hamburg entsteht ein Testfeld für Schwerlastfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. Die erste Zugmaschine ist mittlerweile im Einsatz.
Regen platscht auf die Tische, die geladenen Gäste drängen sich unter den Sonnenschirmen, an denen der Wind rüttelt. Im Container-Terminal Tollerort im Hamburger Hafen soll es heute etwas zu sehen geben. Eine gelbe Zugmaschine fährt vor, kommt auf einem leuchtend blauen Streifen vor einer Tanksäule zum Stehen. Ein Mitarbeiter steht schon bereit, hakt den Dispenser in die Tanköffnung und drückt auf den Startknopf. Der Vorgang ist recht unspektakulär. Lediglich eine Anzeige an der Zapfsäule zeigt, wie der Druck im Tank langsam steigt.
Herausforderung Retrofit
Dass so viele Menschen zum Terminal gekommen sind, liegt nicht allein an der Wasserstofftankstelle. Vielmehr ist es das Gesamtprojekt, das so viele Menschen, darunter Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard, Christian Maaß vom BMWK und Antje Roß von der NOW, den Weg nach Tollerort hat auf sich nehmen lassen. Tanksäule und Zugmaschine sind die ersten Elemente eines sogenannten H2-Testfeldes, an dem das Cluster Clean Port & Logistics arbeitet. Testfeld und Cluster wurden beide im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) gefördert, in Summe mit drei Millionen Euro.
Die Hamburger Hafen und Logistik (HHLA) will in diesem Projekt herausfinden, wie sich das Terminal klimafit machen lässt. „Vieles hier auf dem Terminal funktioniert bereits elektrisch. Den Wasserstoff wollen wir im Schwerlastbereich dort einsetzen, wo Batterien nicht reichen“, sagt Karin Debacher, Head of Hydrogen Projects bei der HHLA, die das Terminal Tollerort betreibt. Dabei geht es nicht nur um große Lasten und Leistungen, sondern auch um „Grenzen betrieblicher Art“, wie HHLA-CEO Angela Titzrath es formuliert.
Das Containerterminal Tollerort wirkt mit seinen 600.000 Quadratmetern Fläche riesig und ist dennoch das kleinste Containerterminal der HHLA. Es liegt im Stadtteil Steinwerder auf einer Art Flussinsel, von der es den größten Teil einnimmt. Daneben passen noch die städtische Kläranlage und einige kleinere Firmen – Platz für Erweiterungen ist dort nicht. Gebaut wurde es schon in den späten 1970er Jahren, automatisiert ist nur wenig.

vlnr Karin Debacher, Leiterin Wasserstoffprojekte der HHLA; Dr. Lucien Robroek, President Technology; Solutions Division bei Hyster-Yale Materials Handling; Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation; Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der HHLA; Christian Maaß, Leiter Wärme, Wasserstoff & Effizienz im BMWK, Antje Roß, Managerin Hafennetzwerke und -anwendungen bei der NOW GmbH
In Feierstimmung trotz Regenwetters (von links) Karin Debacher, Leiterin Wasserstoffprojekte der HHLA, Dr. Lucien Robroek, President Technology Solutions Division bei Hyster-Yale Materials Handling, Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation, Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der HHLA, Christian Maaß, Leiter Wärme, Wasserstoff & Effizienz im BMWK, Antje Roß, Managerin Hafennetzwerke und -anwendungen bei der NOW GmbH
Im Reich der Giganten
Um die Massen von ankommenden und zu verladenden Containern zu bewältigen, sausen insgesamt 59 sogenannte Van Carrier über das Terminal. Sie erinnern an die AT-AT Walker aus Starwars, sind aber auf Rädern unterwegs. Ihre Beine sind so lang, dass sie über Container hinwegfahren können, um einen weiteren Container darauf zu platzieren oder hinunterzuheben. Bis zu 60 Tonnen bewegen sie dabei. „Einige der Van Carrier in Tollerort fahren mit dieselelektrischem Antrieb, aber ein reiner Batteriebetrieb kommt nicht infrage“, sagt HHLA-Pressesprecherin Karolin Hamann. Daneben gibt es noch sogenannte Reachstacker, die zum größten Teil aus einem langen, starken Arm bestehen. Bis zu sechs Container können sie aufeinanderstapeln.
Der Schwerlast-Fuhrpark des Hafens ist so exotisch, dass man eine Hafensafari mit dem Namen „Tour der Giganten“ buchen kann. Gemeinsam ist den Giganten, dass sie jederzeit leistungsfähig sein müssen. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Zeit um Akkus aufzuladen ist da nicht. Auch einfach mehr Fahrzeuge anzuschaffen und diese nach dem Laden auszuwechseln ist keine Alternative. Die wären nicht nur teuer, sondern es gibt auch gar keinen Platz dafür. Während das neueste Terminal der HHLA im weiter südlich gelegenen Altenwerder schon vollelektrisch und -automatisch läuft, sucht das Hafenunternehmen noch nach einer Lösung für das Bestandsterminal Tollerort. Wasserstoff soll den Durchbruch bringen.
Wenige Fahrzeuge erhältlich
Und obwohl der Wasserstoff bei den Hochleistungsfahrzeugen in der Hafen-Logistik so dringend benötigt wird, kommt er hier längst nicht so häufig zum Einsatz wie im Straßenverkehr. Um das zu ändern, haben sich die HHLA und rund 40 weitere Unternehmen aus aller Welt im Oktober 2022 im Cluster Clean Port & Logistics zusammengeschlossen. Zum Cluster gehört auch Hyster-Yales. Das Unternehmen stellt unter anderem Zugmaschinen und Leercontainerstapler her – Fahrzeuge, die im Vergleich zu den Hafengiganten schon fast alltäglich wirken. Doch ganz einfach scheint es dennoch nicht zu sein:
Eigentlich wollte Hyster-Yales schon 2022 die erste Zugmaschine für Tests zur Verfügung stellen, 2023 sollte ein Leercontainerstapler folgen. Nun ist die Zugmaschine endlich da – und wurde in Hamburg kräftig beklatscht. Angetrieben wird sie von einer Brennstoffzelle von Nuvera. Lucien Robroek, President Technology Solutions Division von Hyster-Yale Materials Handling, ist persönlich zur Eröffnung angereist. „Ganz über den Berg sind wir mit der Technologie noch nicht. Aber wir werden es schaffen“, sagte Robroek bei der Feier. Der angekündigte Leerstapler soll Ende 2024 oder Anfang 2025 folgen. Er ähnelt im Aufbau einem Gabelstapler, hat vorne aber statt der Gabel eine Art Lastenaufzug für Container, was ihn zu einem regelrechten Hochstapler macht – bis zu sechs Container aufeinander sind möglich.
Mehr Tempo beim Tanken
Doch was ist nun das Besondere am Tanken von Wasserstoff im Terminal? Allein in Deutschland gibt es fast 100 Wasserstofftankstellen. Der Unterschied zu diesen öffentlichen Standorten: Im Hafen kostet jede Minute viel Geld. Deshalb muss jedes Detail bekannt sein und jeder Handgriff sitzen. Für die ersten Inbetriebnahme-Tests haben Clusterpartner ihre Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. Das kommunale Busunternehmen VWG Oldenburg schickte einen seiner Wasserstoffbusse zum Probetanken, das Logistikunternehmen CMB.Tech aus Antwerpen einen Lkw. Nun weiß man schon mal: Im Prinzip funktioniert das Tankstellendesign.
Das sieht so aus: Der Wasserstoff wird von Lhyfe in einem Speicher angeliefert, der in einen 20-Fuß-Container integriert ist. Bei den 380 bar finden darin 450 kg Wasserstoff Platz. Lokal wird ein Teil des Wasserstoffs bis auf 550 bar nachverdichtet und in einem Mitteldruckspeicher gelagert. Die Fahrzeuge kommen zur Tankstelle, wenn ihr Druck auf etwa 30 bar abgesunken ist. Sie werden dann zunächst aus dem Trailer betankt. Und wenn dieser Druck nicht mehr reicht, schaltet die Tankstelle automatisch auf den Mitteldruckspeicher um. Wie in der neumodischen Gastronomie für Wasser hat die Tankstelle zwei Zapfhähne: einen für gekühlten und einen für ungekühlten Wasserstoff. So will die HHLA herausfinden, ob das Tanken sich mit dem vorgekühlten Wasserstoff nennenswert beschleunigen lässt. Auch Details sollen die Tests klären: Wie lange dauert ein Tankvorgang in der Sommerhitze, wie lange im Eisregen? Tankt man am besten bei Schichtwechsel oder einfach dann, wenn es nötig ist? Tankt der Fahrer selbst – oder geht es mit einem Tankwart schneller?
Was rauskommt
Nach und nach will HHLA auch seine Schwerlast-Giganten testweise mit Wasserstoff betreiben. Neben Hyster-Yale gehören auch die Hersteller Konecranes, Kalmar und Gaussin zum Cluster Clean Port & Logistics. Einen Zeitplan für die Lieferung erster Fahrzeuge gibt es aber noch nicht.
In Zukunft will die HHLA ihre H2-Tankstelle auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellen, die Fahrzeuge mit 350 bar betanken wollen. Ganz unkompliziert ist das allerdings nicht. Man muss sich über eine App registrieren und eine Sicherheitseinweisung absolvieren. Der HHLA-Sicherheitsdienst begleitet zudem die Tankwilligen bis zur Zapfsäule und zurück. Da es in Hamburg bereits vier verkehrsgünstig gelegene öffentliche Wasserstofftankstellen in verschiedenen Himmelsrichtungen gibt, dürfte der Kundenkreis der Tankstelle im Containerterminal also überschaubar sein.
Für das Gesamtprojekt ist das allerdings eine Nebenbaustelle. Vor allem warten die Cluster-Mitglieder – darunter Forschungseinrichtungen, Fahrzeughersteller, Wasserstoffspezialisten und weitere Hafengesellschaften – auf Ergebnisse, die sie in ihren eigenen Entwicklungen weiterbringen. Der Schwerpunkt der Partner liegt in Deutschland, zum Beispiel sind die Häfen von Kiel und Lübeck in dem Projekt organisiert. Allerdings sind auch der Port of Los Angeles and Neltume Ports, ein Betreiber von 17 Häfen in Chile, Argentinien, Brasilien, Uruguay und den USA, an Bord. Die Erkenntnisse aus Hamburg könnten also weltweit Schule machen.