Uni Stuttgart ordert BZ-Kraftwerk

Uni Stuttgart ordert BZ-Kraftwerk

Die Universität Stuttgart hat ein Brennstoffzellenkraftwerk beim bayerischen Hersteller Proton Motor Fuel Cell bestellt. Die sogenannte HyShelter-Anlage verfügt über eine Leistung von bis zu 240 kW. Die stationäre und netzautarke H2-Brennstoffzelle soll in ein industrielles Forschungsgelände integriert werden und dort ab dem zweiten Quartal 2024 Strom erzeugen und ins Netz einspeisen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte die Universität Stuttgart beauftragt, eine H2-basierte Industrieforschungsplattform aufzubauen. Insgesamt 36 Mio. Euro fließen über drei Jahre in diese Plattform. Ziel des sogenannten WAVE-H2-Projektes ist es, die Reduzierung von CO2-Emissionen im Industriesektor zu forcieren. Zur Universität gehört der Bereich „Energietechnik der Zukunft“, bei dem das Potenzial von Wasserstoff zur durchgängigen Dekarbonisierung einen Schwerpunkt bildet.

Das Container-Kraftwerk kann mobile Betankungseinheiten für Lastwagen mit Strom versorgen. Typische Einsatzbereiche für die HyShelter-Anlage sind netzunabhängige oder auch netzgebundene Installationen, um eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten, bei denen keine oder nur eine unzureichende elektrische Infrastruktur vorhanden ist oder Leistungsentnahme aus dem Netz reduziert werden soll.

H2 aus Meerwasser

H2 aus Meerwasser

In Australien ist es Forschern gelungen, Wasserstoff direkt aus Meerwasser herzustellen. Dafür verwendeten sie ein neues Katalysatormaterial, das sehr viel beständiger gegen Salzwasser ist als herkömmlich verwendete Medien. Die WissenschaftlerInnen der Universitäten Adelaide, Tianjin (Nankai) sowie der Kent State University überzogen die aus Kobaltoxid bestehenden Elektroden mit kostengünstiger Lewis-Säure, wodurch diese den Angriffen des aggressiven Salzes über ausreichend lange Zeit standhielten. Statt Eisen(III)-chlorid, Bortrifluorid und CO2 entschieden sie sich jedoch für Chrom(III)-oxid (Cr2O3) – einem weitverbreiteten Beschichtungsmaterial für Anwendungen insbesondere in der Druck- und Papierindustrie, der Pumpen- und Textilwirtschaft sowie für mechanische Dichtungssysteme.

Shizhang Qiao, Chemieingenieur an der University of Adelaide, erklärte: „Wir haben mithilfe eines solchen Katalysators in einem kommerziellen Elektrolyseur Meerwasser mit einer Effizienz von fast 100 Prozent in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten.“ Wird im Vergleich dazu in konventionellen Elektrolyseuren mit ihren weitaus teureren Katalysatoren aus Platin und Iridium Süßwasser eingesetzt, werde kaum weniger Wasserstoff erzeugt, erläuterte Yao Zheng, Assistenzprofessor für Materialwissenschaften.

Chance für grünen Treibstoff

Chance für grünen Treibstoff

Der Schweizer Energiekonzern Axpo hat Wasserstoff als strategisches Wachstumsfeld definiert. Die Wasserstoffanlage beim Kraftwerk Reichenau ist eine von mehreren Anlagen bei Flusswasserkraftwerken, die Axpo in den nächsten Jahren plant. Denn die Schweiz strebt bis 2050 die Klimaneutralität an. Grüner Wasserstoff spielt dabei eine zentrale Rolle – insbesondere, um den Schwerverkehr zu dekarbonisieren.

Axpo ist der größte Ökostromerzeuger in der Schweiz. Bis 2030 will der Energiekonzern allein im Heimatmarkt Windkraftanlagen mit 3 GW und Solarkraftwerke mit 10 GW installieren. Der Versorger möchte aber auch die Zukunft des grünen Wasserstoffs in der Schweiz und in Europa mitgestalten. Denn derzeit hat die Alpenrepublik einen H2-Gesamtverbrauch von 430 GWh oder umgerechnet 130.000 Tonnen. Zum Vergleich: Das entspricht 0,2 Prozent des EU-Bedarfs. 85 Prozent des Verbrauchs entfällt dabei allein auf die Schweizer Erdöl-Raffinerie Cressier.

Erste H2-Produktion Ende 2023 in Graubünden

Schon gibt es erste sichtbare Ergebnisse im neuen Strategiefeld. Axpo und Rhiienergie haben am Wasserkraftwerk Reichenau in Domat/Ems eine H2-Produktionsanlage mit einer Leistung von 2,5 MW installiert. Ende 2023 soll die Anlage den Betrieb aufnehmen. Beide Unternehmen haben zusammen mehr als umgerechnet 8,35 Mio. Euro investiert. Die im Kanton Graubünden angesiedelte Produktionsanlage wird direkt ans Wasserkraftwerk Reichenau, an dem Axpo eine Mehrheitsbeteiligung besitzt, angeschlossen.

An diesem Standort sollen mithilfe von Wasserkraft jährlich bis zu 350 Tonnen grüner Wasserstoff erzeugt werden. Zum Vergleich: Das entspricht rund 1,3 Millionen Liter Dieseltreibstoff. Der grüne Wasserstoff wird von der Produktionsanlage direkt an Tankstellen geliefert. Alternativ kann der grüne Wasserstoff auch helfen, die Energieversorgung von Industriebetrieben ökologischer zu machen.

Bisher ist Wasserstoff auch in der Schweiz noch nicht als Treibstoff verbreitet. Ein Tankstellennetz befindet sich erst langsam im Aufbau, immerhin sind bereits erste H2-Lkw auf den Straßen unterwegs. Die H2-Mobilität bleibt jedoch vorerst eine Nische. Dennoch bieten die derzeit 53.000 schweren Fahrzeuge in der Schweiz ein großes Wachstumspotenzial für einen künftigen Wasserstoffmarkt in den nächsten Jahren. Ein Bedarf von etwa 5 t H2 pro Lkw und Jahr sind hier durchaus realistisch. 30 Prozent der Fahrzeuge würde dann 80.000 t H2 benötigen. Bei 5.000 Arbeitsstunden würde das eine Elektrolysekapazität von 1.000 MW voraussetzen.

Umwelt- und Heimatschutz verhindern Ausbau

Nicht immer können die innovativen Projekte am Ende erfolgreich umgesetzt werden: Der Widerstand von einigen Eidgenossen aus dem Umwelt- und Heimatschutz ist mancherorts einfach zu stark. Ein Beispiel ist die Windenergie: Die Planungszeit für Projekte ist enorm langwierig, immer wieder kommen sie nicht zustande. Resultat: In der gesamten Schweiz laufen erst 41 Windkraftanlagen. Axpo betreibt nur eine einzige davon über ihre Tochterfirma CKW.

Aber auf Windkraft allein bleibt der Protest nicht beschränkt: Anfang des Jahres wurde ein H2-Projekt an der deutsch-schweizerischen Grenze wegen privater Beschwerden von Anwohnern gestoppt (s. HZwei-Heft Apr. 2023). „Die H2-Produktionsanlage beim Wasserkraftwerk Eglisau-Glattfelden ist damit begraben“, bestätigt Axpo-CEO Christoph Brand. Drei Privatpersonen hatten geklagt. Sie wollten nicht, dass ein Lkw einmal pro Tag durch ihre Wohnsiedlung fährt und den Wasserstoff abholt, erklärt Brand. Zusätzlich hätte allerdings auch ein Kraftwerksgebäude außerhalb der geplanten Bauzone abgerissen und ersetzt werden müssen, wofür das Gericht eine Ausnahmegenehmigung verweigerte. Die H2-Anlage sollte ebenfalls 2,5 MW Leistung haben und jährlich rund 350 Tonnen grünen Wasserstoff erzeugen. Das ist nun Geschichte. Das grüne Gas muss woanders herkommen – unter anderem aus Nordeuropa.

Luka Cuderman, der als Energiemanager bei Axpo an der strategischen Ausrichtung des künftigen H2-Geschäfts arbeitet, fasste die generellen Anforderungen an einen H2-Produktionsstandort nochmal zusammen. So braucht das Kraftwerk selbst ausreichend Platz und Anschlussleistung. Außerhalb der Bauzone müssen seinen Ausführungen zufolge außerdem bestimmte Auflagen erfüllt sein (Zonenkonformität), um bauen zu dürfen. Ebenso wichtig sei die Nähe zu Endverbrauchern sowie eine gute Verkehrsanbindung. „Ein Zusatznutzen wie anfallende Abwärme ist ein weiteres Plus“, betonte Cuderman.

Der Strompreis ist dabei der bestimmende Faktor für die H2-Kosten. Der macht mehr als die Hälfte der Gesamtkosten aus. Die Investitionskosten (Capex) der Anlage wiederum sind direkt mit der Anzahl der Betriebsstunden verbunden. Eine Steigerung dieser Einsatzzeiten ist jedoch nur bedingt sinnvoll, weil der Betrieb bei hohen Stromkosten unwirtschaftlich wird. „In einem Beispiel für einen Elektrolyseur mit 2,5 MW gehen wir von 5.500 Betriebsstunden aus“, erklärte Cuderman. Die Kosten für den Betrieb der Anlage (Opex) verursachen demnach zwölf Prozent der H2-Kosten pro Kilogramm. Netzkosten fallen für den Betrieb nicht an, wenn die H2-Anlage direkt an die Stromquelle angeschlossen ist. Das ist aber nicht immer das Fall.

Fazit: Je mehr Stunden der Elektrolyseur ausgelastet werden kann, desto mehr fallen die Stromkosten auch ins Gewicht. Nah an der Vollauslastung machen die Stromkosten dann bis zu 80 Prozent der Kosten aus.

2.000 t H2 pro Jahr aus Aargau

Axpo will das Thema Wasserstoff in der Heimat weiter forcieren: Am Industriestandort Wildischachen im Kanton Aargau in der Nordschweiz soll bald eine noch größere Anlage entstehen. Die installierte Leistung ist auf bis zu 15 MW ausgelegt. Jährlich sollen rund 2.000 t Wasserstoff bereitgestellt werden können. Der für die Produktion benötigte Strom stammt vollständig aus dem nahegelegenen Flusskraftwerk Wildegg-Brugg. Mit der direkten Anbindung ans Wasserkraftwerk von Axpo wird die klimaneutrale Produktion von Wasserstoff gesichert.

Der produzierte H2 wird dann teils über eine Pipeline zur nahegelegenen Tankstelle der Firma Voegtlin-Meyer sowie teils zu weiteren Tankstellen in der Region geliefert. Der grüne Wasserstoff soll einerseits privaten Nutzern zur Verfügung stehen, andererseits sollen im Auftrag des Unternehmens PostAuto H2-Busse eingesetzt werden. Mit der produzierten H2-Menge können immerhin rund 300 Lastwagen, Postautos oder Busse pro Jahr betrieben werden.

Das Unternehmen IBB plant die Pipeline, die von der H2-Produktionsanlage bis zur Tankstelle in Wildischachen führt. Dabei soll die aus dem Elektrolyseverfahren resultierende Abwärme im Wärmenetz von benachbarten Industriebetrieben genutzt werden. Der Standort der Anlage ist somit ideal ausgewählt, da er sich unmittelbar in der Nähe des Axpo-Kraftwerks in Wildegg-Brugg und der Tankstelle von Voegtlin-Meyer befindet. Der Bau und die Inbetriebnahme der H2-Anlage ist im Verlauf des Jahres 2024 geplant. Dann soll auch die Flotte von PostAuto mit grünem Wasserstoff beliefert werden. Die Nische für grünen Treibstoff beginnt also auch in der Schweiz zu wachsen.

Wasserstoff in der Metropolregion Nürnberg

Wasserstoff in der Metropolregion Nürnberg

Region kann Innovationszentrum für H2-Technologien werden

Die Stadt Nürnberg verfolgt das Ziel, sich als Standort für grüne Wasserstofftechnologie aufzustellen. Mit der Studie „Wasserstoff in der Metropolregion Nürnberg – Analyse der Kompetenzen, Chancen und Herausforderungen“, welche vom Referat für Wirtschaft und Wissenschaft der Stadt beauftragt wurde, sollten Handlungsempfehlungen für regionale Akteure gegeben werden, die dann als Leitfaden dienen sollen.

Wasserstoff in verschiedenen Formen wird bei der zukünftigen Energieversorgung eine wesentliche Rolle spielen. Grüner, aus erneuerbarer elektrischer Energie erzeugter, Wasserstoff bietet in zahlreichen Anwendungsfällen Vorteile gegenüber einer direkten Nutzung von elektrischer Energie. Hinzu kommt, dass Wasserstoff in vielen verfahrenstechnischen Prozessen entweder direkt oder in weiterverarbeiteter Form fossile Stoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas ersetzen wird. Wasserstoff stellt daher eine wichtige komplementäre Technologiekomponente dar, die zur Realisierung einer nachhaltigen Energiewende erforderlich ist.

Da auch die Europäische Metropolregion Nürnberg (EMN) von diesem grundlegenden Wandel betroffen sein wird, geht es den Franken darum, für die aufstrebende Wasserstoffwirtschaft möglichst gut vorbereitet zu sein, um sowohl nachhaltige als auch wirtschaftliche Ziele zu erreichen.

Wasserstoff-Potenzial der EMN

Die beauftragte Studie wurde vom Energie Campus Nürnberg in Zusammenarbeit mit weiteren Projektpartnern, wie zum Beispiel der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Technischen Hochschule Nürnberg, durchgeführt. Es geht darin ausschließlich um grünen Wasserstoff. Die Autoren verfolgten dabei drei wesentliche Ziele: Es sollte ermittelt werden, welche Potenziale und welche Wertschöpfungsketten in der Region vorhanden sind. Eine weitere Frage war, welche Geschäftsmodelle geschaffen werden können. Auch ein Vergleich mit anderen Metropolregionen sollte durchgeführt werden. Gefragt werden sollte zudem, woher grüner Wasserstoff kommen und wo er eingesetzt werden könnte.

EMN als Technologie-Export-Region

Dr. Sebastian Kolb, Arbeitsgruppenleiter der Forschungsgruppe Energiesysteme und Energiewirtschaft am Lehrstuhl für Energie- und Verfahrenstechnik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, erklärte: „In der Region gibt es eine breite Basis von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Industrieunternehmen. Viele von ihnen sind bereits heute aktiv in der Wasserstoffwirtschaft tätig. Andere bringen Kompetenzen mit, die sehr gut in die Domäne Wasserstoff eingebracht werden können. Außerdem verfügt die EMN über eine starke, wasserstoffaffine Industrie- und Grundlagenforschung. Auch Netzwerkstrukturen sind vorhanden. Die zentrale Chance für die Region besteht somit eher nicht in der Rolle als Erzeuger oder Anwender, sondern im Export von Wasserstoffschlüsseltechnologien.“

Eine wesentliche Herausforderung bestehe in der Tatsache, dass Wasserstoff in der Metropolregion als Energieträger bislang nicht sehr präsent sei. Es gebe dort wenig Anwendungspotenzial sowie wenig industrielle Großverbraucher von Wasserstoff, heißt es.

IST-Zustand, Potenzial, Chancen

Wesentliche Inhalte der Studie sind die Beschreibung des Ist-Zustands, eine Analyse des Potenzials, unter anderem hinsichtlich Anwendung und Erzeugung, Simulationen und die Nutzung der Chancen. Ein Anwendungspotenzial von grünem Wasserstoff in der EMN sehen die Autoren der Studie in der Papier- und Glasindustrie, der Eisengießerei und Nichteisengießerei sowie im Bereich der Mobilität.

Im Klimaschutzfahrplan Nürnberg wird für den Sektor Mobilität und Logistik im Jahr 2030 ein Wert von 18 Prozent am Gesamtenergieverbrauch prognostiziert. In der Studie werden vor allem schwere Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellen als Anwendung für Wasserstoff im Sektor Mobilität und Logistik betrachtet. Die Szenarien gehen ausschließlich vom Bedarf für diese Verkehrsmittel aus, schließen aber die deutlich kleineren Bedarfe anderer Verkehrsmittel ein. Das Ergebnis dabei war, dass schwere Nutzfahrzeuge das größte Potenzial für die Anwendung von wasserstoffbasierten Antriebssystemen in der Europäischen Metropolregion Nürnberg haben. Bis 2030 könnten zehn Prozent aller schweren Nutzfahrzeuge einen Wasserstoffantrieb haben. Dieser Anteil könnte bis 2050 auf 20 Prozent steigen. Im Bereich Bahn- und Flugverkehr sowie in der Schifffahrt spielt die H2-Technologie in der EMN, so das Ergebnis der Studie, hingegen kaum eine Rolle.

Ergebnisse und Handlungsempfehlungen

Die Studie gibt am Ende Handlungsempfehlungen, welche in drei Kategorien eingeteilt sind:

  1. Es gilt den Aufbau der erneuerbaren Energien massiv zu beschleunigen, zum Beispiel durch eine Photovoltaik-Pflicht auf Gebäuden oder die Förderung von Bürger-Windenergieanlagen.
  2. Bei den H2-Schlüsseltechnologien muss die sektorübergreifende Forschung unterstützt werden. So sollen die Vernetzung und die Kontaktstellen für Wasserstoff verbessert werden. Zudem ist eine Cluster-Förderung notwendig.
  3. Es sollte eine geeignete Versorgungsstruktur – trotz bislang geringer Erzeugung und Nachfrage – geschaffen werden. Koordiniert werden könnte sie beispielsweise durch eine zentrale Anlaufstelle für Versorger und Abnehmer. „Hier muss weiter konkretisiert werden: Wo wird Bedarf nach Wasserstoff entstehen? In welcher Form wird er benötigt? Wo soll der Wasserstoff in der EMN produziert werden?“, sagt Kolb.

Und weiter: „Was die künftige Rolle von Wasserstoff in der Region anbelangt, so sind Anwendung und Erzeugung dort untergeordnet. Der Schwerpunkt der geringen Anwendungspotenziale liegt auf der Prozesswärmebereitstellung.“ Eine Erzeugung empfehle sich da, wo bereits Infrastruktur vorhanden sei, beispielsweise in der Nähe von Windkraftparks oder bei Kraftwerken direkt vor Ort.

„Die Metropolregion Nürnberg wird keine Export- oder Großverbraucher-Region für Wasserstoff, aber sie kann zentrales Know-how und Schlüsseltechnologien für die Wasserstoffwirtschaft zur Verfügung stellen. Dennoch wird es auch in der EMN Verbraucher geben, welche auf Wasserstoff angewiesen sind – insbesondere zur Prozesswärmeerzeugung. Für diese wird eine geeignete Versorgungsstruktur in der Region benötigt“, so Kolb.

Was das Anwendungspotenzial anbelangt, so sei eine Ansiedlung von Gewerbe mit hohem Wasserstoffbedarf nicht sehr wahrscheinlich, da der Wasserstoff aufwändig über eine entsprechende Infrastruktur importiert werden muss. Wasserstoff kann in der Metropolregion zudem zur Langzeitspeicherung von Strom verwendet werden.

Die EMN könne zu einem Innovationszentrum für die Entwicklung, Herstellung, den Vertrieb und Export von spezifischen Wasserstoffschlüsseltechnologien werden. Im Vergleich mit den anderen Metropolregionen zeige sich, dass die EMN eine hohe Unternehmensansiedlung von wasserstofftechnologieassoziierten Unternehmen hat.

Ein Wasserstoffsystem für jedermann

Ein Wasserstoffsystem für jedermann

Das polnische Virtud

Vor rund 20 Jahren weckte das Sonnenenergie- und Passivhauskonzept die Begeisterung des Ehepaares Napierała. Die beiden fuhren damals regelmäßig nach Freiburg und lernten dort die Pioniere der Photovoltaiktechnologie kennen. „Ich habe dort sehr viele Ideen mitbekommen. Es war eine Zeit des Aufbruchs. Bei den Messen kamen wir zusammen und haben unsere Visionen und Gedanken ausgetauscht. Es war eine fantastische Stimmung“, schwärmt Piotr Napierała. Insbesondere die Passivhausidee hat ihn bis heute geprägt. Sein Augenmerk liegt stets auf den Vorteilen effizienter Mikronetze und energetischer Insellösungen. „Das ist einfach das, was mich begeistert. Bei meinen Besuchen in Freiburg habe ich mich gern mit den Lösungen von Hydrogenics beschäftigt und mit Leuten dort darüber diskutiert. Ich mag kleine, geschlossene Strukturen, die ich optimieren kann“, erzählt der gelernte Physiker.

Dorota und Piotr Napierała haben ihr Ziel klar vor Augen: Mit dem Wasserstoffhaus von Virtud sollen dessen jährlichen Energiekosten bei nicht mehr als 500 zl liegen, was ungefähr 123 Euro entspricht. Piotr hält nichts von Großprojekten und ist auch nicht von den überdimensionierten Wasserstoffplänen vieler prominenter Großunternehmen überzeugt. Er glaubt, dass sich in vielen kleinen Schritten und mit passgenauen Maßnahmen vor Ort, insbesondere mit Wasserstoff, viel erreichen lässt.

Großes Potential in der polnischen PV-Branche

Ehepaar Napierała empfängt seine Geschäftspartner und Interessenten in einem schönen, weißen Neubau in einem Vorort von Poznań auf dem Firmengelände von Virtud. Die beiden Inhaber eines Photovoltaikinstallationsbetriebs besaßen in der Vergangenheit schon mehrere Unternehmen in der Erneuerbare-Energien-Branche. Seit 2015 sind sie auf PV-Technik spezialisiert. Die Entwicklung des Virtud-Wasserstoffsystems verstehen die Eheleute als logische Weiterentwicklung zur Verbreitung erneuerbarer Energien in der ganzen Welt – speziell in Polen, wo die Photovoltaikbranche gerade boomt.

Ende Januar dieses Jahres betrug die Gesamtleistung installierter PV-Anlagen bei dem östlichen Nachbarn Deutschlands insgesamt über 12,5 GW. Im Jahr davor lag sie noch bei 7,6 GW. Damit hat sich die Photovoltaikleistung in Polen binnen eines Jahres fast verdoppelt. Auf Sonnenenergie entfällt damit gut 54 Prozent der gesamten Erneuerbare-Energien-Leistung in Polen.

Autoakkus als Solarstromspeicher

Mit der massiven Steigerung der Stromproduktion aus Photovoltaik kommen aber auch große Herausforderungen auf die Branche zu. Es geht vor allem um die Energiespeicherung in den Nachtstunden und während der sonnenarmen Jahreszeiten Herbst und Winter.

Virtud hat diese Probleme auf eine interessante Art gelöst. Statt horrende Summen für Energiespeicher auszugeben, hat das Unternehmen für eine relativ kleine Summe große Mengen an gebrauchten Batterien aus dem in Polen beliebten Nissan Leaf ersteigert. Die Batterien werden zu Blöcken zusammengefügt, die die tagsüber produzierte Solarenergie speichern und in den Nachtstunden wieder abgeben können. Der Unternehmer rechnet vor, dass der Preis der Lösung mit den E-Autobatterien lediglich einem Zwölftel des Preises für einen neuen Energiespeicher entspricht.

Wenn man aber die Schwankungen zwischen den Sommer- und Wintermonaten überwinden will, reichen die Batterien nicht aus. In diesem Fall ist Wasserstoff gefragt. „Mithilfe von Sonne und Wind produzieren wir grünen Wasserstoff, der in den Zeiten des Jahres, in denen der Bedarf am größten ist, als Energieträger dienen wird”, erklärt Piotr Napierała.

Weiterentwicklung der Energiebranche

Dass sich die erneuerbaren Energien stetig weiterentwickeln und der Wasserstoff nur ein logischer Schritt ist, davon sind die Napierałas überzeugt. Als Unternehmer haben sie in Polen schon mehrere Etappen der Entwicklung der Erneuerbaren mitgemacht und immer wieder festgestellt, wie dynamisch dieser Prozess abgelaufen ist. Das gilt auch für die bürokratischen und rechtlichen Aspekte, wie Dorota Napierała ausführt. Sie ist für alle Genehmigungen und Anträge im Unternehmen verantwortlich. „Beim Wasserstoff liegt ein langer Weg des Lernens vor uns“, sagt sie.

In Polen wurden in den letzten Jahrzehnten viele sehr komplexe Gesetze zu erneuerbaren Energien erlassen. Im Jahr 2014 wurde die Einspeisung des Stroms ins Netz möglich gemacht. Für die Buchhaltung und Verwaltung war das eine ganz neue Welt. Frau Napierała hat viel Zeit mit Gesprächen und Telefonaten mit den zuständigen Behörden verbracht, bis beide Seiten die neuen Gesetze verinnerlicht hatten. „Es ist immer ein Lernprozess. Wir lernen voneinander. Beim Wasserstoff wird es ähnlich sein. Die Behörden sind heute viel offener geworden. Bei Fragen und Unklarheiten rufen sie sogar an, und man geht die Formulare nochmals durch. Wir sind seit Jahren in einem beidseitigen Lern- und Kommunikationsprozess. Das macht alles leichter”, erklärt die Mitinhaberin von Virtud.

Ein Modell für die Zukunft

In dem 200-m2-Haus, das die Napierałas energetisch durchoptimieren und als Modellhaus präsentieren, fallen nicht nur die Nutzung der Sonnenenergie und eine Wärmepumpe auf, sondern auch der große Raum rechts des Eingangs. Hier steht ein 2,4-kW-Elektrolyseur des deutschen Herstellers Enapter, das erste von Piotr Napierała eingebaute Gerät. „Es sollen noch viele, viele weitere folgen“, sagt der Mittvierziger. Im Modulschrank sind noch weitere Geräte installiert, die unter anderem das Wasser reinigen. Es ist aber noch ausreichend Platz für weitere Elektrolyseure da.

Aus dem Vorführraum wird gerade ein Zugang zum H2-Speicher gelegt. Der Tank ist schon bestellt. Dann wird es möglich sein, Fahrzeuge mit Wasserstoff zu betanken. Das ist der nächste Schritt, an dem Piotr Napierała arbeitet.

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