Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

27. Januar 2025

Titelbild: Michelle Lujan Grisham

Bildquelle: Office of Governer Grisham

Je sauberer, desto mehr Unterstützung

Interview mit Michelle Lujan Grisham, Gouverneurin von New Mexico

Die USA investieren viel Geld in erneuerbare Energien und auch Wasserstoff. Die Biden-Regierung hat mit dem Inflation Reduction Act (IRA – Inflationsminderungs-Gesetz) große Geldsummen freigesetzt, um nachhaltige Technologien zu fördern. Auch wenn unter einer neuen Trump-Regierung zumindest ein Teil davon wieder rückgängig gemacht werden dürfte, haben sich etliche Bundesstaaten auf den Weg gemacht und setzen – so wie New Mexico – auf Wasserstoff. HZwei-Herausgeber Sven Geitmann sprach darüber bereits im Sommer 2024 während des World Hydrogen Summits in Rotterdam mit Gouverneurin Michelle Lujan Grisham.

HZwei: Frau Gouverneurin, es ist mir eine Ehre, heute hier mit Ihnen sprechen zu können. Was hat Sie bewogen, hier nach Europa zu kommen?

Grisham: Wir haben 2,2 Mio. Einwohnende, die wir vertreten. Um das machen zu können, müssen wir wissen, was auf der Welt passiert und uns selbst einen eigenen Eindruck davon machen. Diese spezielle Konferenz ist wichtig für uns aus zwei Gründen: Erstens gibt es ausländische Investoren, die in New Mexico Wasserstoff-Campus aufbauen wollen. Für sie sind wir hier unterwegs, um New Mexico als interessanten Standort mit all seinen Assets vorzustellen. Und zweitens haben unsere weltweiten Partner die Überzeugung, dass Wasserstoff einen Kraftstoff für den Transformationsprozess des Energiesektors darstellt.

Das Bewusstsein über Klimagerechtigkeit in den Niederlanden sowie in Europa ist ein kraftvolles Vorbild für die Vereinigten Staaten sowie einige Gouverneure, um – wie soll ich sagen – die eigenen Klimaziele zu erreichen. Wir müssen Teil einer sehr viel größeren internationalen Bewegung werden, um Net-Zero wie geplant zu erreichen und den Temperaturanstieg aufzuhalten. Außerdem müssen wir uns um die Lebensbedingungen insbesondere der unterprivilegierten Bevölkerungsgruppen kümmern – New Mexico ist ein armer Bundesstaat –, die vielen Emissionen ausgesetzt sind oder in Regionen wohnen, in denen fossile Energieträger dominieren.

Hier wird all das thematisiert, deswegen sind wir hier.

Um was für Unternehmen geht es dabei?

Bei uns sind bereits etliche Wasserstoffunternehmen angesiedelt. Gleichzeitig sind wir der zweitgrößte Öl- und Gasproduzent in den Vereinigten Staaten. Diese Unternehmen, so wie beispielsweise Exxon Mobile, müssen ihre Emissionen in unserem Bundesstaat reduzieren. Aber natürlich auch hier, schließlich sind sie der größte US-Arbeitgeber in den Niederlanden. Sie haben damit eine große Verantwortung. Wir wollen sie gerne im Land halten und gleichzeitig bei ihren Bemühungen zur Emissionsreduzierung unterstützen, indem wir den Übergang zu saubereren Kraftstoffen – wie Wasserstoff – erleichtern.

Bei den von Ihnen erwähnten H2-Campus – geht es dabei um Forschung und Entwicklung, um Produktion oder worum?

Um alles. Wir haben Fläche (fünftgrößter US-Bundesstaat). Und wir haben zwei der insgesamt fünf nationalen US-Forschungszentren, wir haben unglaublich ergiebige Böden, wir haben die größte Windfarm der USA, wobei noch weitere kommen, und wir haben sehr viel investiert in neue Stromtrassen. Wir können also grüne Elektronen ins Stromnetz bringen. Deswegen wollen wir alles: Brennstoffzellen, Wasserstoff als Kraftstoff, Produktion, Wärme- und Kälteerzeugung – in jeglicher Größenordnung.

Dabei haben wir natürlich interessante Herausforderungen beim Wasser: Wir haben Wüste und Dürre, bedingt durch die Klimakrise. Diese Wüstengeologie ist zwar gut für fossile Energievorkommen, aber wir haben vornehmlich Brackwasser. Im Förderprozess von Öl und Gas entsteht zudem Prozesswasser. Beides, Brack- und Prozesswasser, lässt sich mit moderner Technologie nutzbar machen, wie wir auf der COP in Dubai vom dortigen Umweltminister gelernt haben. So können auch wir unser Wasser reinigen bzw. entsalzen, um es für Wasserstoff einsetzen zu können, ohne unsere Trinkwasservorkommen zu reduzieren.

Da der Transformationsprozess von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern so komplex ist, wollen wir all diese Technologien nutzen und laden Investoren und Wirtschaftsunternehmen ein, sich bei uns anzusiedeln. So wie beispielsweise ein australisches Unternehmen, das kürzlich angekündigt hat, 100 Mio. US-Dollar in einen Produktions- und Forschungs-Campus zu investieren.

Wo sehen Sie da die Herausforderungen beziehungsweise Chancen?

Dieser Transformationsprozess ist kostenintensiv. Gleichzeitig ergeben sich da tolle Gelegenheiten zum Gestalten – nicht zuletzt durch den Inflation Reduction Act. Unser Bundesstaat hat da noch weitere Steuervergünstigungen draufgesetzt, und es gibt ja noch weitere wirtschaftliche Entwicklungsinstrumente, so dass wirklich gute Voraussetzungen herrschen. Dadurch ergeben sich bei der Mitgestaltung dieses neuen Marktes gute Konditionen mit hohen Gewinnmargen. Auf diese Weise bekommen wir einen Fuß in die Tür, bevor der Wettbewerb beginnt.

Wir haben dafür die geeigneten Standorte. Wenn es um Ansiedlungen geht, geht’s um Standortvorteile – die haben wir. Unsere Geologie, unsere Anbindungen an die Häfen an der Golfküste sowie in Los Angeles. Oder einfach die Anbindung per Truck sowie Bahn nach Kalifornien sowie Mexiko.

Was für zusätzliche Instrumente, ergänzend zum IRA. haben Sie in New Mexico?

In der Tat haben wir weitere Fördermaßnahmen, so wie beispielsweise seit März 2024 den Advanced Energy Equipment Tax Credit (Steuergutschrift für moderne Energieanlagen). Diese Gutschrift gleicht bis zu 20 Prozent der Herstellungskosten für Komponenten der erneuerbaren Energien aus – bis zu einem Höchstbetrag von 25 Millionen US-Dollar pro Projekt.

Wie beurteilen Sie den IRA?

Das war von Präsident Biden nicht nur produktiv, sondern auch strategisch ein wichtiger Schritt für die Transition, die wir alle wollen. Wir merken immer häufiger, dass wir diesen Übergang brauchen, andernfalls können wir gleich aufhören, den Planeten zu retten. Deswegen muss man einiges an Geld investieren, das ist richtig, weil die USA ein großer Energieverbraucher und ein großer Öl- und Gasproduzent sind. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen und nicht anderen Menschen sagen, was sie tun sollen.

Zurück zu Ihrem Bundesstaat: Wie wollen Sie den Spagat zwischen der fossilen und einer nachhaltigen Energiewirtschaft hinbekommen?

Auf jeden Fall muss die Kohlenstoffintensität verringert werden in allen Bereichen – inklusive Öl und Gas. Die Fabriken müssen die Net-Zero-Ziele erreichen. Wir müssen jetzt den Mobilitätssektor dekarbonisieren und in Richtung Wasserstoff gehen. Dafür benötigen wir Arbeitskräfte und müssen schauen, wo wir die herbekommen. Ein großer Teil davon wird ganz offensichtlich – weltweit – aus dem Öl- und Gassektor kommen in den kommenden 25 bis 35 Jahren. Ich kann Ihnen genau sagen, wie viele Arbeitskräfte das sind, wo die herkommen, was die verdienen, wie deren familiäres Umfeld ist.

Wir haben 150.000 Menschen, die in der Öl- und Gasindustrie arbeiten und die einen möglichst einfachen Übergang in eine zukünftige Energieversorgung benötigen. Aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen brauchen sie alle vergleichsweise wenig Training für andere Sektoren. Wir haben bereits mit einem Energy Transition Act bewiesen, dass wir das hinbekommen, indem wir über 800 Nawaho-Mitarbeitern eines Kohlekraftwerks neue Beschäftigungsverhältnisse besorgt haben.

New Mexico ist da in vielen Belangen führend in den Vereinigten Staaten. Die Öl- und Gasfirmen werden zu Energieunternehmen, die kohlenstoffarme Lösungen entwickeln, um Wasserstoff von einer Idee in die Realität zu bringen. Wir unterstützen diese Unternehmen auf ihrem Weg. Und selbst wenn die Firmen den freiwerdenden Mitarbeitern nicht helfen, helfen wir diesen Arbeitern.

Wie sieht es mit Wasserstoff aus? Auf welche Herstellungspfade konzentrieren Sie sich?

Wir machen uns nicht so viele Gedanken um die Farben. Ich sorge mich eher um die Kohlenstoffintensität. Ihr Wasserstoff kann grün-plus oder weiß sein oder was auch immer. Es kommt doch darauf an, wo die Ursprünge liegen. Die steuerlichen Vergünstigungen sind dafür da, um Ihren Aufwand zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu ersetzen. All die Firmen, die hier sind und ihre Produkte präsentieren, wollen doch dasselbe – und wir wollen sie unterstützen.

Die Leute da draußen verstehen doch die ganze Diskussion um die verschiedenen Wasserstofffarben gar nicht, denn es dreht sich doch alles um dieselben Moleküle. Und wir wollen grün – oder besser grüner – werden. Grüner Wasserstoff wird jedoch inzwischen mit einem größeren Wasserbedarf assoziiert. Deswegen müssen wir dahin kommen, dass wir letztendlich möglichst viele grüne Elektronen in die Stromleitung bekommen.

Dafür ist ein Übergangsszenario notwendig, allerdings dürfte es schwierig werden, mit grauem Wasserstoff wirtschaftlich agieren zu können. Denn Sie bekommen umso mehr Unterstützung von uns, je sauberer Sie sind. Wir sind technologieoffen, aber sicher hinsichtlich der Kohlenstoffintensität.

Wovon gehen Sie aus, wie kann dieser Wasserstoff dann am sinnvollsten transportiert werden? Per Pipeline? Gebunden in Ammoniak oder Methanol? Oder in LOHC?

Ja, alle von ihnen. Ammoniak scheint eine gute Lösung für den Überseetransport zu sein. Es gibt nicht genügend Pipelines rund um den Globus, also müssen es alle diese Formate sein.

Was erwarten Sie von der US-Wahl? Wird es grundlegende Veränderungen auch beim IRA geben, sollte Trump gewählt werden?

Selbst republikanische Staaten mögen es nicht, wenn Washington DC uns sagt, was wir zu tun haben. Man kann beispielsweise einen Staat nicht führen, wenn man nicht die richtige Infrastruktur hat. Trump wird sehr aggressiv sein mit seinen Äußerungen, kein Geld auszugeben, aber im Kongress dürfte es wieder eng werden. Präsidenten haben in der Regel nur begrenzte Möglichkeiten, Dinge zu tun oder zu lassen. Ich bin daher nicht wirklich besorgt.

Interview: Sven Geitmann

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