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Beitrag von Friederike Lassen

6. März 2025

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Wasserstoffhochlauf jetzt entschlossen gestalten

Gastbeitrag von Friederike Lassen, Vorständin des DWV

Deutschland steht am Scheideweg: Wird Wasserstoff die tragende Säule unserer klimaneutralen Energieversorgung oder bleibt er ein großes, teures Versprechen? Die politischen Weichenstellungen der kommenden Monate entscheiden darüber, ob wir einen global wettbewerbsfähigen Wasserstoffmarkt schaffen – oder ob Deutschland den Anschluss an die internationale Entwicklung verliert. Das treibt uns gemeinsam mit unseren Mitgliedern beim Deutschen Wasserstoff-Verband um. Wir haben daher zur Bundestagswahl unter dem Titel „H2Five: Fünf vor 2030“ Empfehlungen für die anstehende Wahlperiode formuliert und veröffentlicht.

Die Bundesregierung hat sich ambitionierte Ziele gesetzt: Bis 2030 sollen 10 GW Elektrolysekapazität im Inland aufgebaut werden. Die Realität sieht düster aus: Ende 2024 lagen finale Investitionsentscheidungen für gerade einmal 1 GW vor. Das sind nur zehn Prozent des angestrebten Ziels – ein eklatanter Rückstand, der auf eine Vielzahl von Problemen zurückzuführen ist: überbordende Bürokratie, unklare regulatorische Vorgaben und hohe Kosten. Kapitalgeber und Industrieakteure zögern, langfristige Liefer- und Abnahmeverträge abzuschließen. Ihnen fehlt die Sicherheit, dass sich Wasserstoffprojekte wirtschaftlich rechnen. Ohne Skaleneffekte bleiben die Produktionskosten hoch und die Wettbewerbsfähigkeit gering.

Die neue Bundesregierung muss jetzt handeln und Investoren klare Signale senden. Neben der Senkung der Stromkosten – einer der größten Kostenfaktoren für Wasserstoff – muss die Aufschiebung der EU-Vorgaben zur Zusätzlichkeit, Lokalität und zeitlichen Korrelation erwirkt werden, um den Hochlauf nicht unnötig zu verzögern. Die Europäische Kommission hat strenge Vorgaben für die Klassifizierung von grünem Wasserstoff festgelegt, doch in der Praxis bremsen diese die Entwicklung, statt sie zu fördern. Nur wenn Wasserstoff bezahlbar wird, kann er fossile Alternativen verdrängen. Zusätzlich braucht es die Möglichkeit, Netzstrom auf Basis stündlicher Emissionswerte für die Produktion von kohlenstoffarmem Wasserstoff zu nutzen, der die Anforderungen an grünen Wasserstoff nicht erfüllt.

Bürokratische Hürden blockieren den Hochlauf
Klar ist aber: Die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Wasserstoffmarkt sind derzeit eine der größten Hürden für Investitionen. Neben einer Anpassung der EU-Kriterien braucht es dringend eine Umsetzung der europäischen Herkunftsnachweissysteme für Wasserstoff in Deutschland, im Sinne eines Book-&-Claim-Systems. Nur so kann Wasserstoff – ähnlich wie Strom – bilanziell gehandelt und grenzüberschreitend genutzt werden.

Genehmigungsverfahren müssen zudem massiv beschleunigt werden. Derzeit gibt es keinen einheitlichen gesetzlichen Rahmen für Elektrolyseure, Pipelines und Wasserstoffinfrastrukturen. Während Wind- und Solarparks bereits regulatorische Privilegien genießen, gelten für Elektrolyseure nach wie vor komplizierte Genehmigungsauflagen. Die kommende Bundesregierung muss aus unserer Sicht die Arbeiten am Wasserstoffbeschleunigungsgesetz wieder aufnehmen und verbindliche Verwaltungsfristen für Genehmigungsverfahren einführen.

Industrie und Mobilität brauchen verlässliche Abnahmemärkte
Ohne eine stabile Nachfrage wird der Wasserstoffmarkt nicht in Gang kommen. Die Industrie ist einer der größten potenziellen Abnehmer, doch bisher fehlt es an konkreten Anreizen. Die Umsetzung der RED-III-Industriequote muss mit Augenmaß erfolgen, um eine verlässliche Nachfrage zu sichern. Das Aussitzen der schlechten wirtschaftlichen Lage ist keine Option, denn in China und den USA schläft die Konkurrenz nicht.

Auch im Mobilitätssektor bleibt Wasserstoff essenziell. Die Einführung einer verbindlichen Unterquote für erneuerbaren Wasserstoff im Verkehr bis 2030 muss aus unserer Sicht eine stabile Mindestnachfrage schaffen. Gleichzeitig braucht es finanzielle Anreize, um die Wirtschaftlichkeit wasserstoffbetriebener Fahrzeuge zu verbessern – etwa durch die Beibehaltung der Mautbefreiung für emissionsfreie Nutzfahrzeuge oder eine Anpassung der Besteuerung von Wasserstoff im Vergleich zu Diesel. Die Errichtung und der Ausbau von Wasserstofftankstellen entlang des TEN-T-Netzes müssen ambitionierter vorangetrieben werden, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen.

Ohne Speicher und Infrastruktur bleibt Wasserstoff ineffizient
Der Ausbau von Speicherkapazitäten ist essenziell, um eine sichere Wasserstoffversorgung zu gewährleisten. Bestehende Erdgasspeicher können zwar umgerüstet werden, doch das reicht nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken. Es braucht eine klare und verbindliche Speicherstrategie, die den Übergang von der Erdgas- zur Wasserstoffwirtschaft definiert. Parallel dazu müssen Genehmigungsverfahren für Neubauten und Umrüstungen drastisch beschleunigt werden.

Auch der Ausbau der H2-Infrastruktur darf nicht ins Stocken geraten. Mit dem genehmigten H2-Kernnetz sind erste Erfolge erzielt worden, doch es fehlt eine Strategie zur Anbindung von Industrie und Gewerbe. Viele Unternehmen stehen vor der Frage, ob sie in Wasserstofftechnologien investieren sollen – ohne Klarheit über die Infrastruktur bleiben diese Investitionen aus. Besonders für dezentrale Produktionsanlagen, die nicht an das Kernnetz angeschlossen werden, müssen alternative Transportlösungen erarbeitet werden.

Deutschland muss seine Importstrategie neu aufstellen
Deutschland wird seinen Wasserstoffbedarf nicht allein durch heimische Produktion decken können. Der Import über Pipelines und Schiffstransporte wird essenziell sein. Doch die deutsche Hafeninfrastruktur ist unzureichend auf Wasserstoffimporte vorbereitet. Die Bundesregierung muss daher finanzielle Unterstützung für den Ausbau von H2-Importterminals und Hafeninfrastrukturen bereitstellen.

Gleichzeitig sollten bestehende Erdgaspipelines für den Transport wachsender Mengen erneuerbaren Wasserstoffs ertüchtigt werden. Innerhalb Europas ist eine enge Synchronisation des Netzausbaus mit dem europäischen Wasserstoffnetz notwendig, um eine zuverlässige Versorgung sicherzustellen.

Finanzierungsinstrumente verbessern, Investitionen erleichtern
Ein funktionierender Wasserstoffmarkt braucht stabile Finanzierungsinstrumente. Die Praxis zeigt, dass viele fortgeschrittene Projekte derzeit nicht bis zur finalen Investitionsentscheidung kommen. Baukostensteigerungen, Fachkräftemangel und regulatorische Unsicherheiten hemmen den Fortschritt. Eine verstärkte Nutzung der European Hydrogen Bank sowie eine bessere Verzahnung mit bestehenden Förderprogrammen könnten strukturelle Nachteile für deutsche Unternehmen beseitigen.

Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ist entscheidend für die Zukunft des Industriestandorts Deutschland. Doch bislang fehlt es an entschlossener Umsetzung. An vielen Stellen ist die Politik zögerlich, übervorsichtig und zu langsam. Die Richtung ist klar: Kosten müssen gesenkt, Bürokratie abgebaut, Speicher und Infrastruktur ausgebaut und eine stabile Nachfrage gesichert werden. Nur dann kann Wasserstoff zu einer echten Alternative zu fossilen Energieträgern werden – und Deutschland eine führende Rolle in der globalen Wasserstoffwirtschaft übernehmen.

Eine starke Stimme für die Wasserstoffwirtschaft
Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft erfordert eine starke und geeinte Stimme, die die Interessen der Branche wirkungsvoll in die politische Debatte einbringt. Der Deutsche Wasserstoff-Verband e. V. (DWV) übernimmt genau diese Aufgabe: Als Vertreter der gesamten Wertschöpfungskette – von der Erzeugung über den Transport bis zur Nutzung – setzt er sich dafür ein, dass die richtigen Weichen für eine erfolgreiche Wasserstoffzukunft gestellt werden. Der DWV sorgt dafür, dass die Forderungen der Branche in der Politik gehört werden, und bringt Unternehmen, Forschungseinrichtungen und politische Entscheider an einen Tisch. Nur mit einer klaren Strategie, abgestimmten Maßnahmen und einer gemeinsamen Stimme kann Deutschland im globalen Wettbewerb um die Wasserstoffmärkte der Zukunft bestehen – wir beim DWV haben uns dazu verpflichtet, auf dieses Ziel hinzuwirken.

Friederike Lassen hat am 30. Oktober 2024 die Nachfolge von Werner Diwald angetreten, der den DWV seit 2014 geführt und nachhaltig geprägt hat. Diwald entwickelte den Verband von einem Verein idealistischer H2-Freunde zu einem Industrielobby-Verband, der sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene gehört wird. Jetzt befindet sich der DWV in einer Phase der Umstrukturierung und Neufindung.

Autorin: Friederike Lassen, Deutscher Wasserstoff-Verband, Berlin

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