Großvolumige Wasserstoffspeicherung im Etzeler Salzstock
Seit den 1970er-Jahren wird im ostfriesischen Etzel Rohöl und seit den 1990er-Jahren Erdgas in untertägigen Salzkavernen gespeichert. Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprojektes H2CAST Etzel mit dem DLR als wissenschaftlichem Projektbeteiligten erfolgte im Jahr 2024 nun erstmals das Einbringen von größeren Mengen Wasserstoff am niedersächsischen Standort. Das Novum: Die Nachbildung eines realitätsnahen Kavernenbetriebs, ungeachtet der bislang ausstehenden Wasserstoffkernnetzinfrastruktur.
Die STORAG ETZEL GmbH ist Betreiber eines der größten Untertagespeicher für Rohöl und Erdgas in Europa. In die künstlich in den Salzstock eingebrachten Hohlräume in Etzel können bis zu 3,9 Mrd. Kubikmeter Erdgas eingespeichert werden. Dies macht etwa ein Sechstel des gesamtdeutschen Gas-Speichervermögens aus.
Für die Energiewirtschaft haben diese Speicher eine besondere Kernfunktion inne, da sie angesichts starker Schwankungen durch die Divergenz von Stromproduktion, -import und -nachfrage die Aufrechterhaltung der Liefersicherheit gewährleisten. Dies ist besonders wichtig bei der Umsetzung einer vollständigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien. Engpässe in Zeiten saisonaler Bedarfsunterschiede oder Dunkelflauten, bei denen Windstille und wenig Sonnenlicht die Produktion von Solar- und Windstrom stark einschränken, lassen sich effizient durch flexible und schnell regelbare Gaskraftwerke überbrücken.
Gleichzeitig werden überschüssige, nicht vom Stromnetz kompensierbare Strommengen durch die Herstellung des chemischen Energieträgers Wasserstoff im großen Maßstab speicherbar. Genau dann werden die großvolumigen, flexibel einsetzbaren Speicher zu „Möglichmachern der Energiewende“.
Paralleler Aufbau einer Speicherinfrastruktur
Mit der Genehmigung des H2-Kernnetzes durch die Bundesnetzagentur im Oktober 2024 wurde ein wichtiger Baustein für den Markthochlauf der deutschen H2-Wirtschaft gelegt. Doch neben dem Aufbau eines umfangreichen Transportnetzes für Wasserstoff zur Dekarbonisierung des deutschen Energiesektors werden auch H2-Speichermöglichkeiten benötigt. „Unsere Simulationen zeigen, wie essenziell es ist, dass parallel zur Wasserstoffinfrastruktur auch die Speichermöglichkeiten im großen Maßstab ausgebaut werden, da Wasserstoffdefizite bzw. -überschüsse nicht allein über die Netzatmung (Speicherung des Wasserstoffs in bestimmten Netzabschnitten durch Variation des Leitungsdrucks) der Gasleitungen ausgeglichen werden können“, sagt Dr. Hendrik Langnickel, Experte für Gastechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Abb. 2: Kapazität versus Flexibilität verschiedener Speichertechnologien
Der notwendige Bedarf an H2-Kavernenspeichern bis zum Betrieb des Kernnetzes im Jahr 2032 ist jedoch durch den alleinigen Neubau kaum zu erreichen. Mit einer Möglichkeit zur Deckung des Speicherbedarfs beschäftigt sich das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Land Niedersachsen geförderte Forschungsprojekt H2 Cavern Storage Transition Etzel (H2CAST Etzel). STORAG ETZEL, DEEP.KBB, Gasunie, die Technische Universität Clausthal, SOCON, Hartmann Valves und das Institut für Vernetzte Energiesysteme des DLR beschäftigen sich mit dem Nachweis der Machbarkeit einer Adaption und Umrüstung bestehender Gaskavernen und relevanter Obertageeinrichtungen für die unterirdische Speicherung von Wasserstoff.
Dabei wird das Konsortium vor eine Vielfalt an Herausforderungen gestellt. Welche Werkstoffe in den Kavernenbohrungen und der dazugehörigen Obertageanlage verwendet werden sollen und ob der Wasserstoff sehr effizient gespeichert werden kann, ist nur ein Teil der Fragestellungen des Vorhabens. Die Umrüstung von bereits bestehenden Kavernen für die Speicherung von Wasserstoff ist im Vergleich zu einem Neubau in kürzerer Zeit möglich und auch ökonomisch und ökologisch vorteilhaft. Hierdurch könnte zudem die prognostizierte Lücke von Speichernachfrage und Verfügbarkeit geschlossen werden, um Erzeugung von und Bedarf an Wasserstoff durch Zwischenlagerung zeitlich zu entkoppeln.
H2 und Erdgas zeigen unterschiedliche Verhaltensweisen
Durch die hohe Volatilität der erneuerbaren Energien über das gesamte Jahr ist davon auszugehen, dass in der H2-Speicherung ganzjährig Ein- und Ausspeicher-Anforderungen zu erwarten sind, die darüber hinaus einer großen Dynamik unterliegen [Bekebrok et al.]. Längere Perioden von mehreren Wochen ohne Einspeicherung, wie es bei Erdgas vorkommt, sind im Wasserstoffbetrieb nicht zu erwarten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Volumenströme zur Einspeicherung im H2-Betrieb höhere Werte annehmen, da Wasserstoff nur etwa ein Drittel der Energiedichte von Erdgas besitzt [Nationaler Wasserstoffrat].
Eine zunehmende Orientierung des Anlagenbetreibers hin zu redundanten Systemen und einer verbesserten Regelbarkeit der Obertageanlage zur Abdeckung größerer Spannbreiten bei den Ein- und Ausspeicher-Vorgängen ist die Folge. Die dadurch bedingten signifikanten Auswirkungen auf den Betrieb der Kavernen, die Gasaufbereitung sowie die Wartung und Instandhaltung stehen im Fokus der Untersuchungen des Projektes.
Abb. 3: Gegenüberstellung der Simulationsergebnisse für Einspeicher-Volumenströme von Erdgas- und H2-Betrieb
Quelle: Bekebrok et al.
H2CAST – ein innovatives Projekt
Nach Umrüstung der Pilotkavernen und erfolgreichen Dichtheitstests unter maximalem Gasdruck im vergangenen Jahr hat die STORAG ETZEL aktuell mit der Einspeicherung von Wasserstoff in Etzel begonnen. Insgesamt 90 Tonnen Wasserstoff werden für das Forschungsprojekt in den Untergrund eingebracht. Bis zum Sommer 2025 sollen hierfür 200 Trailer-Lieferungen mit einem Druck von 300 bar eintreffen, denn aufgrund des noch ausstehenden Kernnetzes erfolgt die Versorgung mit Wasserstoff derzeit per Lkw.
Bedeutet eine fehlende Anbindung an das H2-Kernnetz, dass Forschungsfragen in Bezug auf den Kavernenbetrieb offenbleiben müssen? „Mitnichten“, antwortet Carsten Reekers (STORAG ETZEL), Projektleiter des Forschungs- und Entwicklungsprojektes. „Wir arbeiten aus diesem Grund mit insgesamt zwei Kavernen, die über die lokale Obertagetestanlage (Gasaufbereitung, Messungen, Verdichtung) miteinander verbunden sind. Das heißt, der Wasserstoff soll zwischen den beiden Kavernen gependelt werden, ohne dass dafür eine Pipelineanbindung notwendig ist. So wird es uns ermöglicht, mit einer der Kavernen die Wasserstoffproduktion und den -verbrauch realitätsnah abzubilden.“
Synergien aus Simulation und Realbetrieb nutzen
Eine wissenschaftliche Grundlage dafür, wie der zukünftige Betrieb einer Wasserstoffkaverne im H2-Transportnetz aussehen könnte, liefert ein umfassendes technisches Simulationsmodell des DLR. Das Modell beinhaltet eine numerische Simulation einer Kaverne sowie eine vereinfachte Betrachtung einer Obertageanlage, die der Verdichtung, Entspannung und Reinigung von Wasserstoff dient. Diese Modellkomponenten fließen in eine realitätsnahe Simulation einer komplexen Wasserstoffinfrastruktur ein.
Für das Projekt H2CAST wird zunächst der Bereich Nordwestdeutschland inklusive des entstehenden H2-Kernnetzes simulativ im dynamischen Betrieb abgebildet. Perspektivisch wird aber eine Ausweitung auf Gesamtdeutschland und den anliegenden europäischen Raum angestrebt. Die Ergebnisse können anschließend mithilfe von Pilotversuchen in Etzel validiert werden. Die Synergie aus Simulation und Überprüfung im Realfeld wappnet den Kavernenbetreiber für eine Vielzahl möglicher Szenarien. Darüber hinaus verfügt das Institut für Vernetzte Energiesysteme auch über hochpräzise Analytik, mit der der ausgespeicherte Wasserstoff auf Veränderungen hin untersucht wird.
Mit H2CAST wurde ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen, das als Blaupause für die Umrüstung weiterer Kavernen zur Wasserstoffspeicherung in Deutschland wesentliche Erkenntnisse liefert. Der Standort Etzel zeichnet sich als besonderer Knotennetzpunkt mit umfassender Anbindung an das europäische Erdgasnetz aus. Außerdem liegt Etzel in unmittelbarer Nähe des einzigen deutschen Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven mit entsprechender H2-ready Rohrleitungsanbindung, der zukünftig auch für den Wasserstoffimport eine signifikante Rolle spielen wird. Die Erweiterungsmöglichkeiten für das Vorhaben sind dementsprechend vielfältig. Eines steht fest: für Projektleiter Reekers fest: Die Untergrundspeicherung von Wasserstoff in Kavernen in großem Maßstab funktioniert. „Wir sind startklar, wenn der H2-Markt es ist.“
Literatur:
Bekebrok, H.-J.; Zobel, M.; Dyck, A. (2023): Analyse von Anforderungen an Verdichtersysteme für zukünftige Wasserstoff-Kavernenspeicher. In: KÖTTER Consulting Engineers GmbH & Co. KG (Hg.): 25. Workshop Kolbenverdichter 2023 (Tagungsband 25. Workshop Kolbenverdichter 2023), S. 125–140.
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2024): Speicher für die Energiewende. Bedeutung, Handlungsfelder und Maßnahmen für Strom-, Wärme- und Wasserstoffspeicher.
Nationaler Wasserstoffrat (2021): Die Rolle der Untergrund-Gasspeicher zur Entwicklung eines Wasserstoffmarktes in Deutschland. Berlin.
Peterse, J.; Kühnen, L.; Lönnberg, H. (2024): The role of underground hydrogen storage in Europe. H2eart for Europe. Hg. v. Guidehouse France.
Autoren:
Dr. Hendrik Langnickel, DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme, Oldenburg
sk-gas-ve@dlr.de
Carsten Reekers, STORAG ETZEL GmbH, Friedeburg
Claudia Käding, Wiebke Germer, Armin Garbe, Alexander Dyck
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