Plug Power – Noch keine Kaufempfehlung

Plug Power – Noch keine Kaufempfehlung

Plug Power berichtet über eine Vielzahl an Projekten rund um Wasserstoff, dessen Produktion, den Einsatz und die zukünftigen Märkte, in denen man aktiv ist und sich als Frontrunner empfindet. Da sprechen Unternehmensvertreter von einer H2-Produktionsstätte in Georgia, die die größte ihrer Art in den USA sei. Man sei überall aktiv – bei den Stacks, den Kryo-Technologien (Verflüssigung), den Elektrolyseuren und wasserstoffbasierten Fahrzeugen.

Die Zahlen sprechen indes noch eine ganz andere Sprache: Der Umsatz zog zwar um beachtliche 70 Prozent auf über 260 Mio. US-$ im zweiten Quartal an. Nur stieg der Quartalsverlust ebenfalls um 58 Prozent auf minus 236,4 Mio. US-$ bzw. minus 0,40 US-$ pro Aktie (minus 0,26 US-$/Aktie war die Erwartung für das zweite Quartal). Die Liquidität nahm spürbar auf nur noch circa 1 Mrd. US-$ ab, wobei der CFO erwartet, dass Plug in den kommenden 12 bis 18 Monaten zwischen 1 und 1,5 Mrd. US-$ an neuer Liquidität benötigt.

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Kommt da demnächst ein Offering (Aktienplatzierung) oder wird ein Kredit im Rahmen des IRA durch das Department of Energy (DoE) in Höhe von über 1 Mrd. US-$ aufgenommen? Am besten würde sich eine Wandelanleihe im Volumen von 1 bis 2 Mrd. US-$ anbieten, da große Fonds vor allem auf „grüne Anleihen“ setzen, die dem Thema Nachhaltigkeit entsprechen sollen und auch das Kapital ausreichend vorhanden ist. Die Börse ist indes skeptisch aufgestellt und ließ den Aktienkurs einbrechen.

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„Bis Ende 2023 wollen wir 1,4 Mrd. US-$ Umsatz erzielen, mehr als 200 Tonnen flüssigen grünen Wasserstoff in Betrieb nehmen und der größte Global Player werden, mehr als 400 Mio. US-$ an Elektrolyseurverkäufen überschreiten, 30 Megawatt an stationären Stromerzeugungsprodukten in Betrieb nehmen, die als substanzielle Quelle für wiederkehrende Einnahmen für Plug dienen werden, und schließlich den Weg der Rentabilität für alle unsere Investoren klar aufzeigen.“

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Plug-Quartalsbericht

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Für mich alles Worthülsen – aber realistisch? Die Prognosen werden aufrechterhalten: 1,2 bis 1,4 Mrd. US-$ Umsatz gelten als Ziel für das Gesamtjahr 2023. Die Pläne sind gewaltig. Allein im Unternehmensfeld Elektrolyse wird eine Leistung von 7,5 GW erwartet. Die aktuellen Zahlen (Auftragsbuch mit einem Gegenwert von circa 224 Mio. US-$ für Elektrolyse) sprechen eine andere Sprache. Die Zielgrößen entsprechen einem Umsatzpotenzial von bis zu 5 Mrd. US-$. Realistisch? Wann?

Es gibt viele neue Standorte in der Welt für den Einsatz von Wasserstoff in Gabelstaplern, wie dies ja die Geschäftsgrundlage mit Kunden wie Amazon und Walmart ist. Nur müsste Plug den verflüssigten Wasserstoff selbst produzieren und daran Geld verdienen, statt diesen sogar mit Verlust von Dritten einzukaufen, so meine Einschätzung. Jeder Neukunde bringt dann ein Verlustgeschäft mit, so meine subjektive Sichtweise.

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Plug kalkuliert den Preis für Wasserstoff basierend auf 0,03 US-$ pro kWh in den USA mit 2,75 US-$ pro kg. In Europa aufgrund von Auflagen und dem Strompreis circa 0,75 US-$ pro kg höher. Bezieht man indes Kosten wie die Verflüssigung und den Transport mit ein, dann gelten 4,50 bis 5 US-$ pro kg als realistische Grundlage. Hier wird dann der Zuschuss via IRA in Höhe von 3 US-$ pro kg seinen positiven Einfluss haben (Gewinnmarge).

Fazit: Plug Power wird noch länger brauchen, bis die Aktie zum Kauf empfohlen werden kann. Nach der Platzierung einer Wandelanleihe (Erwartung/Vision) und dann ausreichender Liquidität für all die ehrgeizigen Pläne muss neu nachgedacht werden. Das Unternehmen hat sehr gutes Potenzial, ein Top-Player in Sachen Wasserstoff zu werden. Kritisch sollte man aber noch sein, da Plug an sehr vielen Projekten (Aufbau von Kapazitäten) parallel arbeitet, sich eventuell zu breit aufstellt und dies an vielen unterschiedlichen Baustellen zur selben Zeit und dann auch noch international unterwegs ist. Weniger ist mehr, würde ich da sagen. Das Unternehmen ist für mich – nach Studium des 10-Q (Quartalsbericht) – zu wenig transparent. Ab 7 US-$ setze ich auf den Einstieg.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

 

 

Point Twelve gewinnt Start-up-Pitch

Point Twelve gewinnt Start-up-Pitch

Start-ups stehen für Innovation – für JungunternehmerInnen, die mit disruptiven Ideen neue Produkte oder Dienstleistungen in die Welt bringen. Ihnen gemein ist, dass sie Geld für die Gründungs- und Markthochlaufphase benötigen. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Investoren sind da nicht nur hilfreich, sondern geradezu notwendig, um Ideen realisieren zu können. Damit Start-ups und Investoren zueinander finden, gibt es verschiedene Akteure und unterschiedliche Veranstaltungsformate, so wie H2UP, die am 20. Juni 2023 in Essen die Hydroverse Convention veranstaltet haben.

Die Location war kolossal: das Colosseum Theater im Essener Westviertel – eine ehemalige Industriehalle der Friedrich Krupp AG. Abgesehen von der angekündigten nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur waren über 350 InvestorInnen, EntwicklerInnen und EntscheiderInnen aus der europäischen Wasserstoffwirtschaft erschienen.

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Im Mittelpunkt standen die insgesamt 20 anwesenden Start-ups, von denen sich zwölf an einem Wettbewerb beteiligten, bei dem sie ihre Ideen in kurzen Pitches präsentierten und Fragen einer Jury beantworteten. Vom Ein-Mann-Unternehmen bis zum europäischen Bushersteller waren unterschiedlichste Akteure vertreten.

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Als Sieger aus diesem männerdominierten Pitch ging die einzige Frau hervor: Flore de Durfort (s. Foto). Als CEO und Mitgründerin von Point Twelve präsentierte sie souverän und charmant, wie sie mit ihren PartnerInnen dazu beitragen kann, möglichst zügig und einfach Wasserstoffprodukte weitestgehend automatisch zertifizieren zu lassen. De Durfort erläuterte gegenüber HZwei: „Die IoT- und SaaS-Plattform von Point Twelve ermöglicht es Herstellern energieintensiver Güter, ihre Produktion einfach und kontinuierlich als grün zu zertifizieren und zu monetarisieren. Durch die Automatisierung alter, manueller, intransparenter und nicht skalierbarer Zertifizierungs- und Verifizierungsprozesse sparen wir bis zu 90 Prozent Zeit im Prozess und schaffen Vertrauen in grüne Produkte.“

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Weiter erklärte sie: „Der anfängliche Schwerpunkt liegt auf der Zertifizierung von nachhaltigen Gasen und Kraftstoffen, insbesondere aus grünem, erneuerbarem Strom und Wasserstoff. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, mit der Wasserstoffzertifizierung zu beginnen – einem Kernstück der industriellen Dekarbonisierung, bei dem die Probleme rund um die Zertifizierung und die Bereitschaft zum Outsourcing am größten sind.“

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Organisiert wurde die Hydroverse Convention von der H2UP GmbH, einem Essener Acht-Personen-Unternehmen, das sich insbesondere der Verknüpfung von Firmen, Hochschulen, Forschungsinstituten und Investoren verschrieben hat. Unterstützt wird es vom Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen sowie den inzwischen vier Anteilseignern OGE, RAG Stiftung, TÜV Süd und DLR.

 

Grünes H2 für Musik-Festivals

Grünes H2 für Musik-Festivals

Immer mehr Festivals setzen auf Nachhaltigkeit. Nicht nur in Wacken, das in diesem Jahr – mal wieder – durch die dortige Schlammschlacht Schlagzeilen machte, wird nicht nur Ökostrom, sondern auch Wasserstoff eingesetzt. Auch in Lingen wurden beim diesjährigen Lautfeuer-Festival am 7. und 8. Juli die Bühne, die Beleuchtung sowie weitere Technik nahezu komplett mit grünem Strom aus Wasserstoffgeneratoren versorgt.

Seit 1981 findet in Lingen ein Abifestival statt, das alljährlich bis zu 20.000 Gäste anzieht unter dem Motto „Umsonst & Draußen“. In Zusammenarbeit mit der H2-Region Emsland und mit Unterstützung seitens der Stadt Lingen sowie des Landkreises wurde bereits im vergangenen Jahr ein Energiekonzept entwickelt, bei dem statt der konventionellen Dieselgeneratoren eine Brennstoffzelle eingesetzt wird. „Für diesen neuartigen Ansatz erhielt das Lautfeuer den Innovationspreis der deutschen Veranstaltungsbranche“, teilte Ines Fischer, Vorsitzende des Vereins Abifestival seit 1981 e.V., mit. In diesem Jahr kam noch eine zweite Brennstoffzelle dazu, so dass fast eine Komplettversorgung möglich war.

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GP Joule unterstützt bereits seit 2018 das Wacken Open Air und versorgt das norddeutsche Metal-Festival mit Strom aus grünem Wasserstoff. Das selbst produzierte H2-Gas wird in zwei H₂Genset-Modulen von SFC Energy in Strom umgewandelt. Der gewonnene Strom aus erneuerbarer Energie wird dann von der Eröffnung am Montag, 31. Juli bis zum Ende des Festivals eingesetzt. Zusätzlich setzte GP Joule einen seiner eFarm-Wasserstoffbusse als Shuttle für die Gäste ein.

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CEO Ove Petersen erklärte: „Grün und schwarz, das passt im Norden zusammen – das beweisen das Wacken Open Air und GP Joule.“ Peter Podesser, CEO von SFC Energy, ergänzte: „Brennstoffzellen auf Basis von grünem Wasserstoff sind eine perfekte Lösung für die sichere, mobile Energieversorgung von Open-Air-Veranstaltungen.“

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Auch im H2-Sektor herrscht Fachkräftemangel

Auch im H2-Sektor herrscht Fachkräftemangel

Riesiger Fortbildungsbedarf

Allerorts ist derzeit die Rede vom Fachkräftemangel – auch im Energiesektor, insbesondere im Wasserstoffbereich. Während in anderen Industriezweigen immerhin ein bereits existierendes Aus- und Weiterbildungssystem etabliert ist, geht es im H2– und BZ-Sektor jetzt erst so richtig los. Da noch kein Markt für Elektrolyseure oder Brennstoffzellenanwendungen existiert, müssen zunächst Fachkräfte ausgebildet werden, die diese neuen Produkte bauen sowie dann auch installieren, warten und reparieren können. Dafür bedarf es aber erst einmal entsprechender Ausbildungswege sowie fachkundiger Personen, die den zukünftigen TechnikerInnen etwas beibringen können. Die gute Nachricht ist, dass sich in den vergangenen Monaten mannigfaltige Akteure dieser verantwortungsvollen Aufgabe angenommen haben. Deutschlandweit sprießen derzeit H2-Akademien und BZ-Seminare aus dem Boden.

Vor Jahren gab es bereits zaghafte Versuche, das Thema Aus- und Weiterbildung im H2– und BZ-Sektor zu bespielen. Einige der damaligen Akteure sind allerdings auf der Strecke geblieben oder haben sich aus diesem Bereich wieder zurückgezogen, weil es bislang immer nur kurzzeitige Hypes um Wasserstoff gab, aber keinen Markt.

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Dies ist heute anders: Nach einhelliger Meinung ist der derzeitige Boom rund um Wasserstoff kein Kurzzeitphänomen, sondern der Anfang einer Zeitenwende im Energiesektor. Dementsprechend groß ist die Nachfrage nach Personal, das sich mit H2– und BZ-Technik auskennt. Doch dies ist Mangelware. In den vergangenen Jahren existierten kaum adäquate Studiengänge oder auch Lehrberufe.

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Vor 15 Jahren gab es einige zaghafte Bemühungen, im Rahmen des NIP-Leuchtturms Callux entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen für das Handwerk einzurichten, aber davon ist heute nichts mehr übrig. Auch das OTTI gibt es nicht mehr. Das Ostbayerische Technologie-Transfer-Institut e. V., das Fachveranstaltungen auch für H2-Technik angeboten hatte, hat 2017 seinen Betrieb nach vier Jahrzehnten eingestellt.

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Immerhin hat das ehemalige Weiterbildungszentrum Brennstoffzelle Ulm (WBZU) trotz vieler magerer Jahre durchgehalten und mit Hilfe der Handwerkskammer Ulm überdauert. Seit vielen Jahren heißt es inzwischen Weiterbildungszentrum für innovative Energietechnologien. In den vergangenen Monaten war es damit beschäftigt, die alte Expertise im H2-Sektor wieder neu aufzubauen. So ist mittlerweile auf der Website ein neues Bildungsangebot für den Umgang mit Wasserstoff zu finden.

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Andere Anbieter sind da schon deutlich weiter: Sowohl die verschiedenen Schwesterunternehmen des TÜV als auch der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) haben die Zeichen der Zeit erkannt und bieten seit geraumer Zeit Seminare rund um die rege nachgefragte H2-Technik an.

Verbandsebene

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Ein entscheidender Akteur ist der Deutsche Verband des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Der technisch-wissenschaftliche Verein mit Sitz in Bonn ist seit zig Jahren in der Normierung, Zertifizierung und Standardisierung im Erdgassektor tätig. Seit einigen Jahren hat er sich nun den grünen Gasen angenommen. Mit sehr viel Vehemenz versucht der Verband sowohl seine Mitglieder als auch die Politik sowie die gesamte Energiewirtschaft davon zu überzeugen, dass es zukünftig nicht nur Elektronen bedarf, sondern auch Moleküle – am besten grüner Moleküle.

Dementsprechend bietet der DVGW inzwischen bereits ein umfangreiches Programm an Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen an: Praxis-Workshops, Zertifikats- und Sachkundigenlehrgänge sowie Schulungen und E-Learning-Module rund um Wasserstoff.

Diesen Wandel von der fossilen zur nachhaltigen Energieversorgung nimmt ihm noch nicht jeder ab, deswegen scheint sich der DVGW umso stärker für eine grüne Wasserstoffwirtschaft einzusetzen, wobei allerdings ausdrücklich auch der Weg über blauen Wasserstoff befürwortet wird. Dass der DVGW weiterhin eine wichtige Rolle im Gassektor spielen wird, liegt in der Natur der Sache, da seine Mitglieder über millionenschwere Assets verfügen, die möglichst lange weiter genutzt werden sollen. Eine Stilllegung des gesamten Gasversorgungssystems erscheint gerade in der jetzigen Situation wenig sinnvoll, da es vergleichsweise einfach auf Wasserstoff umgerüstet werden kann.

Hochschulebene

Im Hochschulsektor bleibt das Angebot nach wie vor recht dünn. Lediglich in Dresden gibt es Bemühungen, einen Masterstudiengang für Wasserstoff zu etablieren. Die Teilnehmerzahlen sind allerdings bislang sehr überschaubar. Einer der Vorreiter war hier Prof. Hans Quack, der bereits 2008 einen Masterstudiengang Wasserstofftechnik an der Dresden International University (DIU) initiierte.

Der ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Kälte- und Kryotechnik der TUD konnte damals das Who-is-who (z. B. Dr. Johannes Töpler sowie Dr. Ulrich Schmidtchen vom DWV, Prof. Dr. Jürgen Garche vom WBZU Ulm, Prof. Dr. Ulrich Bünger vom LBST und Arno A. Evers) als Dozenten gewinnen. Auch ich durfte einmal über „H2 in den Medien“ referieren. Das Studium zum Master of Science in Hydrogen Technology umfasste 600 Präsenzstunden, die auf jeweils drei Wochen pro Semester innerhalb von zwei Jahren verteilt wurden (s. HZwei Oktober-Heft 2008). Heutige Lehrstuhlinhaberin an der TU Dresden ist seit September 2022 Prof. Christiane Thomas.

Schon damals stand Christoph Haberstroh an der Seite von Prof. Quack, der offiziell 2008 emeritierte, aber noch bis 2010 weiter lehrte. Seitdem kümmert sich Prof. Haberstroh als Gruppenleiter um die Kryogentechnik am Institut für Energietechnik in Dresden. Unter anderem arbeitete er mit seinem Team an der Entwicklung von Kryogenpumpen sowie den LH2-Tanks für die Brennstoffzellen-Trucks von Daimler und Volvo. Ein Ziel ist hierbei, das spezifische Tankgewicht deutlich zu reduzieren. Wogen herkömmliche Kryogenspeicherbehälter noch 17 kg pro Kilogramm Wasserstoff, liegt dieser Wert derzeit bei 11 bis 12 kg/kgH2. Mit Hilfe leichter Verbundwerkstoffe werden jedoch 1 kg/kgH2 angepeilt.

Derartige Entwicklungen spiegeln wider, dass momentan im gesamten Kryogensektor seit einigen Monaten eine merkliche Themenverschiebung von flüssigem Helium zu Wasserstoff festzustellen ist. Wie die Doktoranden Henrik-Gerd Bischoff, Thomas Just und Maximilian Grabowski (s. Abb. 1) gegenüber HZwei mitteilten und wie auch Prof. Haberstroh bestätigte, werden derzeit „klassische Kernthemen von flüssigem Wasserstoff an den Rand gedrängt“. Insbesondere in den USA steht LH2 stark im Fokus, auch weil dort infolge der Raumfahrttechnik bereits umfassende Erfahrungen beim Umgang mit flüssigem Wasserstoff vorliegen.


Bild: Präzisionsprüfstand von Sebastian Eisenhuth zur Ermittlung des Konzentrationsverhältnisses von Ortho- und Para-Wasserstoff

Wie Prof. Hans Müller-Steinhagen in den Räumlichkeiten der DIU gegenüber HZwei berichtete, starteten im Herbst 2022 zwölf Teilnehmer mit dem komplett neu gestalteten H2-Studiengang der DIU. Müller-Steinhagen war nach langjähriger Tätigkeit beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) von 2010 bis 2020 Rektor der TU Dresden und anschließend bis September 2022 Präsident der DIU. Inzwischen ist er im Ruhestand, ist aber noch wissenschaftlicher Leiter für den Studiengang Wasserstofftechnologie und -wirtschaft (M.Sc.).

Seinen Ausführungen zufolge sei es mit diesem Studiengang gelungen, ein attraktives Angebot für Fachleute zu schaffen, die berufsbegleitend Weiterbildung im Wasserstoffsektor anstreben. „Wir wollen Generalisten ausbilden, die das Thema aus mittlerer Flughöhe kennen und beurteilen können – keine Wissenschaftler“, so der Maschinenbau-Ingenieur. Häufig sei es so, dass die Betriebe die nicht ganz unerheblichen Weiterbildungskosten zumindest zum Teil übernehmen oder Mitarbeitende von der Arbeitszeit freistellen. Erklärtes Ziel sei, dieses Mal die Studierendenzahl bis auf 15 Personen zu erhöhen und zukünftig weiter auszubauen.

Auch für Dr. Johannes Töpler, der bei diesem Studiengang das Modul Mobilität leitet, ist die Aus- und Weiterbildung ein Herzensthema. Der Physiker war einer der H2-Pioniere bei Daimler und lange Jahre Vorsitzender des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands e. V. Obwohl er längst im Ruhestand ist, treibt er insbesondere im DWV Bildungsthemen unermüdlich voran, lehrte unter anderem durchgehend jahrelang seit 2004 an der Technischen Akademie Esslingen (TAE) sowie für das Haus der Technik (HdT) in Zusammenarbeit mit dem DWV und hat wesentlich am Zustandekommen dieses Studienganges mitgewirkt.

Studiengang „Wasserstofftechnologie und -wirtschaft (M.Sc.)“

Der neue Studiengang aus dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften, der von der Dresden International University (DIU) auch in Kooperation mit der Technischen Akademie Esslingen angeboten wird, ist in Deutschland einzigartig. Er verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Studierende berufsbegleitend sowohl die Fach- als auch die Managementkompetenz auf dem Gebiet von wasserstoffbasierten Energiesystemen erlangen. Er richtet sich an IngenieurInnen, NaturwissenschaftlerInnen sowie AbsolventInnen anderer techniknaher und wirtschaftlicher Studiengänge, die in der beruflichen Praxis tätig sind und ihre Kompetenzen im Hinblick auf die Gestaltung dieses Zukunftsfeldes erweitern wollen.

Die im Jahr 2003 gegründete DIU beschäftigt rund 40 Mitarbeitende, die wiederum 1.400 Studierende aus unterschiedlichen Bereichen (z. B. Gesundheitswesen, Medizin, Ingenieurwesen, Recht) betreuen. Insgesamt sind über 300 DozentInnen aus Wissenschaft und Wirtschaft über Werksverträge eingebunden.

An der DIU in Dresden und der TAE in Ostfildern kann nach drei Semestern und dem Erwerb von 60 ECTS-Punkten als Abschluss der Master of Science erlangt werden. In Dresden wird zusätzlich zum Master (895 € pro Monat) auch das CAS (Certificate of Advanced Studies – Small: 4.500 € und Advanced: 6.500 €) angeboten. Nächster Starttermin in Dresden und Esslingen ist nicht wie ursprünglich geplant das Wintersemester 2023, sondern das Sommersemester 2024.


Bild: Prof. Hans Müller-Steinhagen

Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) und der Leibniz Universität Hannover bietet die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg eine berufsbegleitende Weiterbildung für Fach- und Führungskräfte an. Diese praxisnahe Maßnahme mit Teamarbeiten und Exkursionen ist für ein Semester konzipiert und kostet 6.000 Euro.

In ähnlicher Weise offeriert auch das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik (IST) vierteljährig einen Zertifikatkurs an, um Unternehmen fit für das Wasserstoffzeitalter zu machen. In Präsenz auf dem Wasserstoff-Campus Salzgitter bei der Robert Bosch Elektronik GmbH sowie mit Online-Kursen kann die gesamte Wertschöpfungskette der H2-Wirtschaft kennengelernt und ein Personenzertifikat als „Fachkundige*r Wasserstoff mit TÜV Rheinland geprüfter Qualifikation“ erworben werden – Teilnahmegebühren: ca. 5.700 Euro.

Akademieebene

Die Hydrogen Academy ist ein neuer Player im Weiterbildungssektor. Sie wurde im Sommer 2022 von Lifte H2 und TesTneT gegründet und verfügt inzwischen über rund 20 Personen, die sich um praxisorientierte, kundenspezifische Schulungen kümmern. Tom Elliger, der früher beim TÜV Süd arbeitete und im Sommer 2021 zu Lifte H2 wechselte, erklärte gegenüber HZwei: „Das Interesse ist riesig.“

Nach eigener Aussage ist die Hydrogen Academy das „derzeit einzige Trainingszentrum, das sich rein auf Wasserstoff spezialisiert“. Die Kurse werden teils online und teils bei TesTneT nahe München, bei Lifte H2 in Berlin oder beim Kunden durchgeführt.

Ein weiterer Akteur ist seit einigen Monaten die Heinze Akademie. Gemeinsam mit der Handwerkskammer Hamburg und anderen Partnern bietet diese norddeutsche Einrichtung ein Expertentraining in Vollzeit sowie eine berufsbegleitende Weiterbildung für Fachkräfte rund um Wasserstoffsysteme an.

Etwas internationaler geht es bei der Renewables Academy (RENAC) AG zu. Diese in Berlin ansässige Institution hat ein zertifiziertes 120-stündiges E-Learning-Programm zu Green Hydrogen and Renewable Power-to-X Professional (PtX) entwickelt, das asynchron (24/7) in Eigenregie durchgeführt werden kann und die wichtigen technischen und wirtschaftlichen Aspekte von PtX-Anwendungen wie Wasserstoff, Wärmepumpen und Elektromobilität abdeckt. Das nächste Semester startet im Oktober 2023 – Teilnahmegebühren: 1.710 Euro.

Im November beginnt dann auch die nächste Runde der HySchool, allerdings auf sehr viel einfacherem Niveau. Dieses Weiterbildungsangebot wird von dem Ferngasnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) sowie der RWTH Business School organisiert. Wahlweise kann das H2-Kick-Starter- zum Einstieg in die Materie oder das H2-Deep-Diver-Programm für einen vertieften Einblick belegt werden. Die Teilnehmenden erhalten dann an zwei Tagen das erforderliche Wissen, um die H2-Strategie in ihrem Unternehmen vorantreiben zu können – Teilnahmegebühren: 1.450 Euro.

Sollten dann auch irgendwann die Gelder für die Innovations- und Technologiezentren für Wasserstoff bewilligt werden, könnte auch in Duisburg unter Beteiligung des Zentrums für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) ein großer Komplex für die Aus- und Weiterbildung entstehen (s. HZwei-Heft Jan. 2023). Dort wird beispielsweise bereits daran gearbeitet, dass der Sicherheitsleitfaden für Berufsfeuerwehren erneuert wird. Aber solange noch keine Freigabe vom Bund erfolgt ist (s. HZwei-Heft April 2023), darf noch nicht wie gewünscht losgelegt werden.

Derweil wird in Nordrhein-Westfalen ein „europaweit einzigartiges Schulungszentrum“ aufgebaut. Wie Open Grid Europe vermeldete, erfolgte am 7. August 2023 in Werne der erste Spatenstich durch Ministerpräsident Hendrik Wüst für eine H2-Trainingsstrecke, wo der Fernleitungsnetzbetreiber ab 2024 sein Personal zu Experten im praktischen Umgang mit Wasserstoff im Ferngasnetz schulen will.

www.di-uni.de, www.dvgw-veranstaltungen.de, www.heinze-akademie.de, www.hydrogen-academy.net, www.hyschool.eu, www.renac.de, www.tu-dresden.de, www.uol.de, www.tae-studium.de

Autor: Sven Geitmann

 

Runter vom Gas

Runter vom Gas

Seit Mitte Mai 2023 tun 21 Brennstoffzellenstapler in der Werksflotte von Linde Material Handling (MH) in Aschaffenburg ihren Dienst. Rund 2,8 Mio. Euro flossen in die Planung und Errichtung der innovativen H2-Infrastruktur vor Ort. Die Produktionsanlage entstand in einer Bauzeit von nur elf Monaten auf 280 m2 im Fertigungs- und Montagewerk. Die dezentrale Wasserstoffinfrastruktur auf dem Gelände des Konzerns soll künftig als Anschauungsbeispiel für interessierte Kunden dienen, denn die Logistikbranche muss dringend von ihren CO2-Emissionen runter.

„Wir zeigen, wie die Nutzung regenerativer Energiequellen in der Praxis funktionieren kann“, sagt Stefan Prokosch, Manager bei Linde Material Handling. Neben der Klimaneutralität (nur mit grünem H2) sei vor allem das schnelle Betanken der Flurförderzeuge mit Wasserstoff bei intensiven Mehrschichteinsätzen ein großer Vorteil. „Eine dreiminütige Betankungszeit entspricht einer vergleichbaren Ladeleistung von rund 480 kW“, freut sich Prokosch.

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Die Millioneninvestition wird vom Bundesverkehrsministerium gefördert und vom Projektträger Jülich umgesetzt. Ziel ist es, Erfahrungen zu sammeln und Expertenwissen aufzubauen. So können Kunden künftig beim Einsatz von Wasserstoff in Materialflussprozessen umfassend beraten werden. Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie GmbH (NOW), bezeichnet das Projekt in Aschaffenburg als „Leuchtturmprojekt für den weiteren Hochlauf der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“. Projektplanung und Anlagenbau haben insgesamt gut drei Jahre gedauert.

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Wo liegen die Herausforderungen?

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Mit Wasserstoff betriebene Flurförderzeuge bieten Synergieeffekte mit der H2-Nutzung in der Distributionslogistik oder der Industrieproduktion, wodurch insgesamt die Wirtschaftlichkeit verbessert wird. Die Intralogistik kann hier als Einstieg genutzt werden. So setzt das BMW-Werk in Leipzig bereits seit Jahren auf BZ-Gabelstapler und nutzt zudem seit September 2022 in der Lackiererei einen flexiblen Wasserstoffbrenner (s. Kasten).

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Eine der größten Herausforderungen liegt gerade in der Infrastruktur: Wasserstoff ist noch nicht flächendeckend verfügbar. Und nur grünes H2-Gas leistet einen Beitrag, um die Klimaziele zu erreichen. Skaleneffekte sind dabei wichtig, um die Kosten der H2-Herstellung zu senken. Wirkungsgrad und Effizienz müssen sowohl bei der Erzeugung als auch bei der Rückumwandlung weiter verbessert werden. Linde MH und der Mutterkonzern KION Group haben bereits mehrere Millionen Euro in die Entwicklung und Produktion der Brennstoffzellensysteme sowie die Errichtung der Wasserstoffinfrastruktur mit Betankungsanlage investiert.

Nachdem aktuell das erste eigene 24-Volt-System für Lagertechnikgeräte auf den Markt gekommen ist, steht als Nächstes die Entwicklung eines 48-Volt-Brennstoffzellensystems auf der Agenda. Ein Förderbescheid dafür liegt bereits vor. Als Hersteller von eigenen Brennstoffzellensystemen und Lithium-Ionen-Batterien hat man beispielsweise die Chance, eigene Brennstoffzellensysteme zu konzipieren, die eine größere Flexibilität bei der Fahrzeugkonstruktion erlauben.

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PEM-Elektrolyseur erzeugt 50 kg H2 pro Tag

Die Anlagenteile für die neue H2-Produktion in Aschaffenburg verteilen sich auf mehrere Module. Das Herzstück ist ein PEM-Elektrolyseur, der auf eine Produktionsmenge von 50 Kilogramm H2 pro Tag eingestellt ist. Hier wird gereinigtes und deionisiertes Trinkwasser mithilfe von grünem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. In einem weiteren Container wird der Wasserstoff stufenweise auf 450 bar komprimiert. Anschließend gelangt das grüne Gas über Rohrleitungen und Ventile in die Hochdruckspeicher. Ein gesteuertes Ventilsystem regelt die Zuleitung zur Ausgabe an die Zapfsäule. Mitarbeiter schließen die Fahrzeuge hier an, und innerhalb kurzer Zeit ist der Tankvorgang abgeschlossen. Der Hochdruckspeicher ist so ausgelegt, dass er bei 450 bar bis zu 120 kg H2 speichern kann, so können auch die Tankspitzen beim Schichtwechsel gedeckt werden.

Insgesamt sind nun 21 Gegengewichtsstapler mit BZ-Hybridsystem bei Linde im Einsatz. Darunter zwölf des Modells E50 mit fünf Tonnen Tragfähigkeit sowie neun des E35 mit 3,5 Tonnen Tragfähigkeit. Sie alle ersetzen Modelle mit Verbrennungsmotor. Als Teil der Werksflotte übernehmen sie unter anderem das Be- und Entladen von Lkw und die Versorgung der Montagebänder mit großen und schweren Komponenten, wie beispielsweise Gegengewichten, vormontierten Rahmen oder Fahrerkabinen. Im BZ-System reagieren der Wasserstoff und der Sauerstoff der Umgebungsluft. Die erzeugte elektrische Energie lädt so eine Lithium-Ionen-Batterie auf, die den Stapler antreibt. Ein Energiemanager steuert und plant den Energiebedarf am gesamten Standort, vermeidet Lastspitzen und dient der Kostenoptimierung.

Wo wird das BZ-System eingesetzt?

Das BZ-System HyPower 24V mit 7 kW Leistung ist auf die eigenen Flurförderzeuge zugeschnitten und wurde speziell für Einsätze im innerbetrieblichen Materialfluss entwickelt. Durch die Abstimmung mit der leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterie des Hybridsystems werden die BZ-Stacks geschont, was die Lebensdauer verlängert. Auch der Geräuschpegel wurde optimiert. Das System ist vernetzt und kann so Daten über den Zustand und die Nutzung über die Cloud austauschen.

Linde MH nutzt bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten einen Prototyp mit BZ-Antrieb. Seit 2010 sind die BZ-Stapler in die Serienproduktion integriert. Bereits heute können 80 Prozent der Gegengewichtsstapler, Schlepper und Hochhubwagen mit H2-Antrieb bestellt werden. In Studien und Projekten zeigte Linde MH, unter welchen Voraussetzungen die Fahrzeuge mit BZ heute schon wirtschaftlich sind: nämlich wenn vor Ort bereits eine Wasserstoffinfrastruktur vorhanden ist oder hochreiner Wasserstoff als Abfallprodukt im betrieblichen Prozess anfällt. „Ab zwanzig Geräten im Mehrschichtbetrieb mit hohen jährlichen Betriebsstunden kann die Umstellung aktuell schon wirtschaftlich lohnend sein“, sagt Sebastian Stoll. Er arbeitet als Programmmanager im Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) bei der NOW.

In den USA sind 50.000 BZ-Flurförderzeuge im Einsatz

Der Markt für BZ-Flurförderzeuge in der EU birgt ein großes Potenzial. Jährlich werden in Europa im Segment der Gegengewichtsstapler rund 70.000 Geräte mit Verbrennungsmotor (Klasse 4/5) abgesetzt, die durch elektrische Antriebe ersetzt werden könnten. Zusätzlich werden jährlich etwa 60.000 bis 80.000 Klasse-1-Flurförderfahrzeuge mit Blei-Säure-Batterien (BSB) durch Neugeräte ersetzt. Beide stellen zusammen das theoretische Potenzial für dieses Segment dar, berichtet Stoll. „Leitmarkt für BZ-Flurförderzeuge sind derzeit ganz klar die USA, wo Stand Mitte 2022 über 50.000 Flurförderzeuge mit BZ im Einsatz sind – mit stark wachsender Tendenz.“

Um Aussagen über zukünftige Marktpotenziale in der EU treffen zu können, sei es nötig, die Megatrends und Treiber in der Intralogistik zu erkennen, erläutert Stoll. Der wachsende Anteil des Online-Handels mit immer kürzeren Bearbeitungszeiten, Digitalisierung und Outsourcing geht einher mit mehr Kostendruck und Wettbewerb. Auf der anderen Seite muss auch diese Branche dekarbonisiert werden. Andere Luftschadstoffe und Lärmemissionen müssen ebenfalls verringert werden.

Dem wachsenden Interesse kommen die Hersteller von BZ-Gabelstaplern nach: Beispielsweise hat der US-Marktführer Plug Power im Duisburger Hafen sein europäisches Entwicklungszentrum angesiedelt. Deutsche Brennstoffzellen für die Intralogistik kommen von Globe Fuel Cell Systems, FES Fahrzeug Entwicklung Sachsen oder eben von Linde MH. Die drei Unternehmen sind auch Mitglied im Clean Intralogistics Net (CIN). Bei diesem Netzwerk handelt es sich um einen vom Bundesverkehrsministerium unterstützten Zusammenschluss von insgesamt zwölf Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, der das Ziel verfolgt, der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in der Intralogistik in Deutschland und Europa zum Durchbruch zu verhelfen.

BMW nutzt flexiblen H2-Brenner im Werk in Leipzig

Das Werk der BMW Group in Leipzig pilotiert nach eigenen Angaben als erste Autoproduktion in der Lackiererei mit der innovativen Brennertechnologie. Diese kann Wasserstoff und Methan (CH4) sowohl allein als auch im Gemisch verbrennen. Der Einsatz des Doppelbrenners erfolgt zunächst im Pilotbetrieb. Derzeit hat das Werk in Leipzig über 130 BZ-betriebene Flurförderfahrzeuge in seiner Flotte. Fünf H2-Tankstellen befinden sich auf dem Werksgelände. Die jüngste davon ermöglicht erstmals sogar vollautomatisierte Tankvorgänge.

Auch in der Logistik jenseits der Werkstore erprobt die BMW Group gemeinsam mit Partnern den Einsatz von Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Transportlogistik und engagiert sich in zwei Forschungsprojekten. Bei H2Haul geht es um die Entwicklung und Pilotierung von 16 Brennstoffzellen-Lkw in Belgien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Beim Projekt HyCET treibt BMW als Konsortialführer die Entwicklung von H2-LKW mit Verbrennungsmotor in der Transportlogistik voran.

Autor: Niels Hendrik Petersen

Das Havelland will noch grüner werden

Das Havelland will noch grüner werden

Regionen-Serie: HyExpert Havelland

Grüner Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Mit seiner Hilfe kann regenerative Energie gespeichert und bedarfsgerecht in verschiedensten Sektoren genutzt werden. Doch wie bringt man Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Wasserstoff zusammen? Eine Antwort auf diese Frage will im Havelland das Projekt H2VL liefern: Verschiedene lokale Akteure werden entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Wasserstoffes identifiziert, vernetzt und bei der Umsetzung ihrer Projekte unterstützt – von der Erzeugung über die Verteilung bis hin zur Nutzung. Dafür wird das Havelland als eine der 15 HyExpert-Gewinnerregionen im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP2) durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit knapp 400.000 Euro gefördert.

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Im H2VL-Netzwerk sind fast 140 Stakeholder aus 75 verschiedenen Organisationen vertreten – von Unternehmen und Kommunen bis hin zu zivilgesellschaftlichen Gruppen und Forschungseinrichtungen. Das Umweltamt des Landkreises leitet das Projekt und unterstützt von politischer Seite her die H2-Entwicklungen. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und vom Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt.

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„Mit dem Wasserstoff, der vor Ort mit erneuerbaren Energien erzeugt und dann direkt im hiesigen Mobilitätssektor genutzt wird, kann ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz im Havelland geleistet werden.“

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Nico Merkert, Amtsleiter im Umweltamt Havelland

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Das Projekt wird ein Jahr lang von einem Konsortium aus Wasserstoff- und MobilitätsexpertInnen begleitet. Das Reiner Lemoine Institut (RLI) leitet das Projekt auf Auftragnehmerseite und wird durch die IAV Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr, Consulting4Drive und das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) unterstützt. Am Ende des Projekts werden die Erkenntnisse in einer regionalen Machbarkeitsstudie zusammengefasst.

Umsetzungsnähe ist wichtig

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Einer der wichtigsten Bausteine des H2VL-Projekts ist die Zusammenarbeit mit den H2-Akteuren vor Ort. Konkret wurde in vielfältigen Formaten zusammengearbeitet: Am Anfang stand das Kennenlernen in bilateralen Gesprächen und Vor-Ort-Terminen im Vordergrund. Systematisch wurden in einer Umfrage Daten von allen Stakeholdern abgefragt. In acht Workshops wurden die Teilnehmenden miteinander vernetzt und konnten Projekte innerhalb und außerhalb des Havellandes kennenlernen. Das hat dazu geführt, dass die Akteure sich mittlerweile gut untereinander kennen und darüber hinaus gemeinsame Projekte vorantreiben.

Das Projekt wurde in fünf Paketen bearbeitet. Neben dem zuvor beschriebenen Projekt- und Stakeholdermanagement wurde die gesamte Wertschöpfungskette einer grünen Wasserstoffwirtschaft betrachtet (s. Abb. 1).

Wasserstofferzeugung

Wird der Wasserstoff lokal aus erneuerbaren Energien (EE) erzeugt und später genutzt, bietet das den Vorteil einer regionalen Wertschöpfung. Wichtig ist, dass BürgerInnen und Kommunen von der EE- und H2-Erzeugung in ihrer Umgebung direkt und indirekt profitieren. Deshalb wird im Projekt ein Fokus auf regional verankerte Stakeholder gesetzt. Das Havelland hat enorme Erzeugungspotenziale für erneuerbare Energien. Etwa 1 GW Photovoltaik und 2,5 GW Wind wären technisch möglich.

Auch wenn nur ein geringer Teil dieser Potenzialflächen genutzt würde: Damit könnten große EE-Mengen erzeugt und unter anderem für die Wasserstoffproduktion genutzt werden. Wie viel und zu welchem Preis Wasserstoff produziert werden kann, hängt vom Strompreis, von den Volllaststunden des Elektrolyseurs sowie vom Verhältnis der installierten EE- und der Elektrolyseurleistung ab (s. Abb. 2). Je nach Betreibermodell sind im Havelland Gestehungskosten zwischen 7,80 und 9,70 Euro pro Kilogramm Wasserstoff wahrscheinlich.

„Wir sehen, dass es im Havelland große Potenziale zur Erzeugung von erneuerbaren Energien und damit auch für grünen Wasserstoff gibt. Um diese Potenziale zu heben, ist es wichtig, dass die Menschen im Havelland vom Aufbau der Wasserstoffwirtschaft profitieren. Deshalb legen wir im Projekt Wert auf regionale Wertschöpfungsketten und die Einbindung kommunaler Unternehmen.“

Anne Wasike-Schalling, Reiner Lemoine Institut

H2-Gestehungskosten in Abhängigkeit von der installierten EE-Leistung, Quelle: Reiner Lemoine Institut

Neben der Wasserstofferzeugung aus erneuerbaren Energien plant das Unternehmen Neue Energien Premnitz auch die H2-Erzeugung aus Reststoffen. Konkret heißt dies, dass die nicht-recycelbaren Reststoffe aus der Firma Richter Recycling für ein thermisches Recycling genutzt werden sollen (s. HZwei-Heft Oktober 2021). Die Flächen für die Anlage sind bereits gesichert, und das Verfahren für die BImSchG-Genehmigung läuft.

Wasserstoffbedarf

Wasserstoff ist in vielen Sektoren einsetzbar und kann stofflich genutzt werden oder fossile Energieträger ersetzen. Im Havelland wurden insbesondere der Verkehrs- und der Industriesektor untersucht. Bei den Industrieunternehmen im Havelland würde Wasserstoff zumeist bisher genutztes Erdgas ersetzen. Damit das wirtschaftlich darstellbar wäre, müsste der Preiskorridor für grünen Wasserstoff zwischen etwa 5 (Erdgas-Paritätspreis) und 10 Cent pro Kilowattstunde liegen (entspricht 1,67 bis 3,33 Euro pro kg Wasserstoff). Dies ist in den nächsten Jahren nicht absehbar. Ein stofflicher Wasserstoffeinsatz ist derzeit im Havelland nicht bekannt.

Im Verkehrssektor wurden unterschiedliche Verkehrsträger beleuchtet. Im Schienenpersonennahverkehr und im Rangierbetrieb ist der Einsatz von Wasserstoff vorstellbar, derzeit sind jedoch noch keine konkreten Bedarfsmengen absehbar. Im Straßenverkehr liegt der Fokus vor allem auf schweren Fahrzeugen oder solchen mit großen Reichweiten. Aufgrund der höheren Energiedichte von Wasserstoff im Vergleich zur Batterie können hier Vorteile erzielt werden.

Für die Umstellung von Diesel auf Wasserstoff wurden mit den Stakeholdern umfangreiche Kostenbetrachtungen über den gesamten Lebenszyklus durchgeführt (Total Cost of Ownership). Diese zeigen beispielsweise für den Betrieb einer ÖPNV-Busflotte: Kostet der grüne Wasserstoff zwischen 5,90 und 7,50 Euro pro Kilogramm, kann eine Kostenparität mit Dieselfahrzeugen erreicht werden. Hier zeigt sich eine Lücke zu den bisher wahrscheinlichen Wasserstoffgestehungskosten (siehe oben).

Um in der Hochlaufphase trotzdem Geschäftsmodelle zu ermöglichen, gibt es die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote). Diese führt dazu, dass durch das Inverkehrbringen grüner Kraftstoffe (z. B. Wasserstoff) ein Mehrerlös durch den Quotenverkauf erzielt werden kann.

Speicher und Verteilung

Wasserstoff kann auf unterschiedliche Arten gespeichert und transportiert werden. Mit den Stakeholdern und in der Machbarkeitsstudie wurden verschiedene Arten der Speicherung und des Transports diskutiert. Relevant für die Planungen der Stakeholder ist auch das geplante Brandenburger H2-Startnetz. Dieses wird gradaktuell ausgebaut. Nach und nach werden dadurch verschiedene Orte des Havellands Teil eines überregionalen Wasserstoffnetzes.

H2-Startnetz im Havelland, Quelle: Localiser

Die verschiedenen Wertschöpfungsteile einer Wasserstoffwirtschaft wurden im letzten Arbeitspaket praxisnah miteinander verknüpft. Denn um wirtschaftliche Geschäftsmodelle realisieren zu können, braucht es sowohl die Erzeugungs- als auch die Bedarfsseite. In zwei regionalen Clustern wurden gemeinsam mit den Stakeholdern mögliche Lieferketten skizziert, analysiert und weiterentwickelt.

Cluster Östliches Havelland

In diesem Cluster prüft das Konsortium derzeit mit der GASAG, ob und wie ihr geplanter Elektrolyseur in Ketzin wirtschaftlich errichtet und betrieben und der Wasserstoff dem regionalen Verkehrssektor zur Verfügung gestellt werden kann. Als potenzielle Abnehmer des Wasserstoffs böten sich aufgrund ausreichender theoretischer Mengen aus Sicht des Konsortiums derzeit am besten Teile von kommunalen Flotten im nahegelegenen Nauen an. Bei diesen besteht generelles Interesse an einer Teilumstellung auf H2-Antriebe. Derzeit wird separat die Wirtschaftlichkeit im Detail geprüft.

Erste überschlägige Berechnungen zeigen zudem, dass, wenn man die beiden Seiten zusammendenkt, eine regionale Wertschöpfungskette von Erzeugung über Verteilung und Tankstelle bis Verbrauch unter bestimmten Bedingungen (z. B. Förderungen) darstellbar sein könnte. Allerdings müssen noch mehrere Parameter geklärt werden. Auch die Akteure der Transportlogistik-Branche im Gebiet Wustermark-Brieselang werden in diesem Cluster mitgedacht, denn sie könnten weitere Ankerkunden darstellen.

Cluster Westliches Havelland

Von der Rathenower Wärmeversorgung wird ein Projekt zur Erzeugung von klimafreundlicher Wärme angestrebt. Dies soll durch die eigene Erzeugung erneuerbarer Energien in Kombination mit einer Power-to-Heat-Anlage geschehen. Der erneuerbare Strom wird dadurch direkt in Fernwärme umgewandelt. Um die Fluktuation der EE-Erzeugung optimal zu nutzen, ist darüber hinaus die Installation eines Elektrolyseurs in Überlegung. Dieser soll überschüssige Energiemengen nutzen, um grünen Wasserstoff zu produzieren. Ganz nebenbei kann dabei die Abwärme des Elektrolyseurs im Fernwärmenetz mitgenutzt werden. Der Wasser- und Abwasserverband Rathenow könnte mit seiner Flotte von Fäkalsaugfahrzeugen zu einem regionalen H2-Abnehmer werden.

Darüber hinaus sind die Stakeholder angehalten, sich selbstständig weiter zu vernetzen. Der digitale Wasserstoffmarktplatz ermöglicht die dezentrale Vernetzung aller Beteiligten und auch das gezielte Suchen nach bestimmten Akteuren der Wertschöpfungskette. Auch über das H2VL-Projekt hinaus können sich hier Stakeholder vernetzen.

 

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