HyCentA wird zum COMET-K1-Kompetenzzentrum

HyCentA wird zum COMET-K1-Kompetenzzentrum

Österreich setzt auf H2-Spitzenforschung

Schon seit 2005 existiert Österreichs erstes und führendes Wasserstoffforschungszentrum HyCentA. Nach einem Aufstieg im COMET-Förderprogramm (Competence Centers for Excellent Technologies) setzt es seine Forschung am Campus der TU Graz nun als K1-Kompetenzzentrum fort.

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Das HyCentA, Hydrogen Research Center Austria, an der TU Graz ist Österreichs führendes Forschungszentrum für Wasserstofftechnologien. Seit der Gründung im Jahr 2005 ist HyCentA darauf spezialisiert, neuartige technologische Lösungen für Elektrolyse, H2-Speicherung und Brennstoffzellen zu entwickeln, Innovationen gemeinsam mit Partnern umzusetzen und Technologien von der Idee bis zur Marktreife zu begleiten.

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Alexander Trattner, wissenschaftlicher Leiter des HyCentA, erklärt: „Wir wollen die nachhaltige Wasserstoffgesellschaft wesentlich voranbringen, denn wir sind überzeugt davon, dass grüner Wasserstoff Teil der Lösung für ein klimaneutrales Energiesystem sein muss. Die Genehmigung des COMET-K1-Zentrums ermöglicht uns die umfassende Erforschung der besonders zukunftsrelevanten Wasserstofftechnologien Elektrolyseure, Speichersysteme und Brennstoffzellen. Wir können uns damit auch verstärkt der gesamthaften Betrachtung von Wasserstoff in den Bereichen Elektrizität, Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie widmen. Basierend auf der jahrzehntelangen Erfahrung in der Forschung und Entwicklung sowie Hunderten von erfolgreich durchgeführten Projekten ermöglicht das COMET-K1-Programm langfristig orientierte Forschung am HyCentA.“

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COMET-Netzwerk
COMET baut Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft. Es ist das österreichische Flaggschiff-Programm von Wirtschaft und Wissenschaft zur Förderung von Spitzenforschung. Es fördert den Aufbau von Kompetenzzentren für exzellente Technologien – den COMET-Zentren.

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Das etwa 80-köpfige Team des HyCentA arbeitet in vier Areas organisiert. Angestrebt wird eine Kostensenkung der Technologien, die Verringerung der Degradation und eine Erhöhung der Effizienz elektrochemischer Zellen. Zudem sollen die ideale Kombination der Schlüsseltechnologien und Optimierungspotenziale durch die Kopplung der Sektoren Energiewirtschaft, Industrie und Mobilität identifiziert werden. Letztendlich wird dadurch ein höherer Eigenversorgungsgrad mit erneuerbarer Energie, eine Steigerung der Resilienz des Energiesystems und die Standortsicherung durch die Schaffung heimischer Wertschöpfung angestrebt. Insgesamt forschen rund 40 führende nationale und internationale wissenschaftliche Partner und Unternehmen zusammen mit dem HyCentA im COMET-Programm an H2-Technologien.

Area 1: Elektrolyse und Power-to-X

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Die Area 1 deckt alle Technologien ab, die der nachhaltigen und emissionsfreien Herstellung von Wasserstoff und Chemikalien zur Speicherung von Wasserstoff dienen. Die wichtigsten Technologien im Bereich der H2-Erzeugung mittels Elektrolyse sind die bereits ausgereifteren AEL und PEMEL, Anwendungen im mittleren Technology-readiness-level (AEMEL und SOEL) und vielversprechende Ansätze mit niedrigem TRL (PCCEL). Ergänzend werden Ansätze für die Wasserspaltung durch Solarenergie (Photoelektrolyse) und die elektrochemische Herstellung von Chemikalien wie Wasserstoffperoxid und Ammoniak erforscht.

Das Ziel besteht in der Weiterentwicklung der Technologien, beginnend bei den Materialien über Zelle und Stack bis hin zum System. Obwohl die allgemeinen Ziele – Erhöhung der Lebensdauer und der Effizienz sowie Senkung der Kosten – für alle Technologien gelten, unterscheiden sich die spezifischen Forschungsansätze. In Bezug auf Effizienzsteigerung sind Design und Betriebsstrategien zu optimieren. In Anbetracht der langen Lebensdauer von Elektrolyseuren wird ein Schwerpunkt auf beschleunigte Alterungstests gelegt. Im Hinblick auf die Fertigungsprozesse wird auf eine stärkere Automatisierung der Herstellungs- und Montageprozesse fokussiert.

Area 2: Green Energy and Industry

Die Area 2 konzentriert sich auf Schlüsseltechnologien, die für H2-Anwendungen im Energie- und Industriesektor unerlässlich sind. Es werden stationäre und transportable Speichertechnologien auf der Basis von gasförmigen Druckspeichern, Metallhydridspeichern und der flüssigen Speicherung betrachtet. Synergien aus dem Zusammenspiel von stationären und On-board-Anwendungen werden durch die Entwicklung eines intelligenten Zusammenspiels von Verteilungs- und Logistiksystemen mit stationären Infrastrukturen genutzt. Geforscht wird unter anderem auch an elektrochemischer Kompression und Aufreinigung sowie an der Verstromung mittels stationärer Brennstoffzellen. Neben der Effizienz der betrachteten Technologien stehen ebenso die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Anlagen im Mittelpunkt der Forschung.

Area 3: Green Mobility

Den Schwerpunkt der Area 3 bilden Arbeiten an BZ- und H2-Speichersystemen, insbesondere für die Mobilitätsanwendungen. Dazu gehören PEM- und neue AEM-Zellen, Stacks und Systeme sowie optimierte bestehende und alternative Speichersysteme. Die Forschungsarbeiten zielen auf die Generierung eines tieferen Verständnisses der Mechanismen von Brennstoffzellen und Speichersystemen ab, um die Probleme in Bezug auf Leistung, Degradation, Kosten und Industrialisierung zu verstehen und durch geeignete Gegenmaßnahmen zu lösen.

Relevante Ergebnisse für die Schnittstellendefinition auf Ebene der Fahrzeugintegration und der Betankungsinfrastruktur werden genutzt, um die bestmögliche Basis für zukünftige Entwicklungen zu schaffen. Wesentliche Erkenntnisse werden für eine optimierte Produktion und Fertigung genutzt, um eine schnelle Marktreife und Wirtschaftlichkeit zu erreichen.

Area 4: Circularity and System Optimization

In Area 4 werden lückenlose Tool-Chains entwickelt, um resiliente, sektorübergreifende Energiesysteme auf Basis von erneuerbarer Primärenergie sowie Wasserstoff zu untersuchen und zu optimieren. Mit diesen Simulationswerkzeugen können Betriebsstrategien für PtX-Anlagen entwickelt und Business Cases gestaltet werden.

Neuartige Test- und Messinstrumente für Brennstoffzellen und Elektrolyse sowie zugrundeliegende Mess- und Diagnosemethoden werden entwickelt, um Erkenntnisse über Degradationseffekte, Gesundheitszustand und vorausschauende Wartung zu gewinnen. Effiziente und kostengünstige Messwerkzeuge und -systeme werden für Anwendungen in der gesamten H2-Wertschöpfungskette umgesetzt, und ein umfassendes Wissen über die Eignung und Kompatibilität von Werkstoffen in Verbindung mit H2-Anwendungen wird aufgebaut.

Zur Gestaltung einer Kreislaufwirtschaft werden Analysen und Konzeptentwicklungen zu systemischen und ökonomischen Marktmodellen und Recyclingpotenzialen synoptisch übergeführt. Darüber hinaus werden zukünftige Potenziale von Prozessen und Technologien zum Recycling bewertet und im repräsentativen Small Scale evaluiert. Ein Ökobilanzmodell für Recyclingszenarien wird entwickelt, das neue und recycelte Materialien und Komponenten methodisch gegenüberstellt.

Testcenter für H2, BZ, Elektrolyseure

Testing ist integraler Bestandteil des Forschungsportfolios des HyCentA. In den Laboren und Prüfständen am HyCentA werden Performance, Sicherheit, Degradationsverhalten und Zuverlässigkeit im Realbetrieb mit Wasserstoff geprüft und getestet. Hierfür stehen eine Fülle von Prüfständen und Laboren zur Verfügung, die den hohen und maßgeschneiderten Anforderungen von etablierten Test- und Prüfroutinen genauso entsprechen wie spezialisierten Kundenanforderungen.

Die verschiedenen Tests, die auf den Prüfständen und in den Laboren durchgeführt werden können, umfassen beispielhaft Qualitätsuntersuchungen, Kalibrierdienstleistungen, Leistungs- und Effizienztests, Sicherheitstests, Lebensdauertests und Tests unter realen Umweltbedingungen. Das 1.200 m² große Testcenter umfasst unter anderem zwei Einzelzellen-Elektrolyseteststände, zwei Short-Stack-Elektrolyseteststände, einen Hochdruckprüfstand bis 1.000 bar mit Klimakammer, zwei Multifunktionsprüfstände, einen BZ-Kathodensubsystemprüfstand, einen BZ-Systemprüfstand bis 160 kW mit Klimakammer, ein Gasanalyselabor, ein analytisches und elektrochemisches Labor, einen elektrochemischen Kompressionsteststand, eine 350- und 700-bar-H2-Tankstelle, eine Testzelle für H2-Permeation und einen Autoklav zur H2-Materialkompatibilitätsbestimmmung von Proben.

TU Graz und HyCentA

Das HyCentA ist ein gemeinwohlorientiertes Forschungszentrum. Die Forschenden arbeiten in enger Kooperation mit der TU Graz schwerpunktmäßig in der industriellen Forschung in den Bereichen Elektrolyse, Brennstoffzelle und H2-Infrastrukturen. Gesellschafter des HyCentA sind neben der TU Graz (50 Prozent Anteile) auch die Forschungsgesellschaft für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik, Magna und die OMV. Finanziert wird das COMET-Kompetenzzentrum vom Bund – konkret vom Klimaschutzministerium (BMK) und dem Wirtschaftsministerium (BMAW) – und den Bundesländern Steiermark, Oberösterreich, Tirol und Wien. Für das professionelle Programm-Management ist seit mehr als 20 Jahren die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) verantwortlich.

Die TU Graz ist die traditionsreichste technisch-naturwissenschaftliche Forschungs- und Bildungsinstitution in Österreich. Seit mehr als 50 Jahren forscht die TU Graz erfolgreich in den Bereichen Elektrochemie und Wasserstoff. Heute ist der TU-Graz-Campus mit 160 Köpfen in der H2-Forschung und einer einzigartigen Labor- und Forschungsinfrastruktur in der europäischen Spitzengruppe. Die TU Graz deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette der erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft von Erzeugung über Speicherung und Verteilung bis zur Anwendung ab und ist ein One-Stop-Shop der Wasserstoff-Technologieforschung, beginnend bei den Grundlagen bis hin zu angewandten Technologien und systemischen Aspekten.

Nikola Motors

Nikola Motors

Nikola – Den Gewitterwolken folgt der Sonnenschein

Die Aktie von Nikola Motors ist unter Druck geraten. Die Gründe dafür liegen – gefühlt – beim Abgang von Michael Lohscheller als CEO (Krankheitsfall in der Familie) sowie bei der Ankündigung, dass die Absatzziele für den batteriegetriebenen BEV-Tre (es sollten 350 bis 500 in 2023 werden) nicht erreicht werden. Außerdem wurde eine 5-Prozent-Wandelanleihe über nominal 325 Mio. US-$ angekündigt, und der Bereichsvorstand für den Wasserstoffbereich der Tochter HYLA hat das Unternehmen verlassen. Daneben geht es um die Untersuchung von zwei Ereignissen: Es gab einen Brand wegen zwei defekten Zellen (von insgesamt 3.100) in batterieelektrischen Lkw und ausgelaufenes Kühlwasser. Daraufhin gab es einen Rückruf der ausgelieferten Fahrzeuge zwecks Prüfung. Zudem ging Batteriezulieferer Proterra unter Konkursschutz (Chapter 11 – Betrieb geht weiter). Soweit die negativen News.

Was ist von alledem zu halten?

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Für Shortseller eine Steilvorlage, was sich im jüngsten Kurseinbruch widerspiegelt, haben diese doch über 158 Mio. (Stand per 15.8.) Aktien leer verkauft, um an fallenden Aktienkursen zu partizipieren. Aber die Story hat auch eine andere Seite – eine für mich relevantere:

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CEO Lohscheller wurde durch Steve Girsky ersetzt. Der Mann ist seit IPO-Beginn bei Nikola dabei. Er hat Lohscheller zu Opel und dann auch zu Nikola geholt. Bei General Motors war er im Vorstand und gilt als verantwortlich für deren damalige Sanierung (Staatskredit/Bürgschaft der Regierung Obama).

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In einem – dem ersten – Interview mit der Fachzeitung Freightwaves vom 17. August 2023 – äußerte sich der neue CEO. Darin beschreibt er den Weg, den Nikola in turbulenten Zeiten gegangen ist. O-Ton: „ Meine oberste Priorität ist es, den Schwung nicht zu rauszunehmen.“ Nikola habe so viel schon erreicht und werde seinen Weg gehen, so das Resümee des Interviews.

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Kapitalsituation

Bedingt durch die Genehmigung für die Erhöhung der auszugebenden Aktien von 800 Mio. auf 1,6 Mrd. Aktien auf der Hauptversammlung Anfang August hat Nikola nunmehr die Möglichkeit, mehr Aktien auszugeben, um damit Eigenkapital zu generieren. Dazu wurde ein bestehendes ATM-Programm (at the market – Verkauf über die Börse) im Wert von 600 Mio. US-$ am 4. August 2023 mit der Citicorp verlängert.

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Hinweis: Nikola benötigt nach eigener Aussage insgesamt 600 Mio. US-$, um das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren so aufzustellen, dass es in die Gewinnzone kommt. Dies ist für das Jahr 2025 (Cash-Flow-positiv) prognostiziert.

Nun wird ergänzend eine Wandelanleihe (Convertible) mit fünf Prozent Coupon im Nominalwert von 325 Mio. US-$ an den Markt gebracht. Das Gute daran ist, dass institutionelle Anleger solche Anlagen (eventuell ein Green Bond – hängt mit der Verwendung der Mittel zusammen) sehr gerne erwerben und mehr Sicherheit erhalten, als wenn sie Aktien beziehen. Da eine Wandelanleihe optional in Aktien getauscht werden kann, kann hieraus eventuell Eigenkapital werden, wenn die Aktie stark steigt und dem Halter dieses Wertpapiers einen Sondergewinn (Kursgewinn) bringt. Dann wird aus Fremdkapital Eigenkapital.

Ausreichend Liquidität vorhanden

Addiert man alle nur möglichen Formen der Finanzierung bzw. Liquiditätsbeschaffung, so verfügt Nikola rechnerisch per Anfang Juli über 743 Mio. US-$ an Potential. 295,4 Mio. US-$ betrug der Liquiditätsbestand am Ende des zweiten Quartals – siehe oben. Darin enthalten ist der Erlös aus dem Abschluss mit Iveco in Höhe von 26,5 Mio. US-$ und der Landverkauf (Sale + Lease Back) über 49 Mio. US-$ des Firmengeländes in Coolidge. Der Verkaufserlös der geplanten Wasserstoffproduktion in Buckeye an Fortescue Future Industries in Höhe von 20,7 Mio. US-$ ist in der Gesamtliquidität im Juli enthalten, nicht jedoch in der Zahl per 30. Juni 2023, so dass Nikola damit über 316,1 Mio. US-$ an Cash verfügt.

Was ist von all den Kapitalmaßnahmen zu halten?

Nikola hätte meines Erachtens warten sollen, Kapital über die Börse (ATM) und Wandelanleihe zu beschaffen. Gute Nachrichten wie Absatzerfolge beim FCEV-Tre wären hierfür die Vorlage – steigende Aktienkurse. Auf der anderen Seite will Nikola über die kommenden zweiJahre voll durchfinanziert sein. Liegen erst einmal 600 Mio. US-$ auf der Bank, dann wird da Ruhe reinkommen und Nikola kann sich auf den Absatz vor allem der FCEV-Tre konzentrieren. Dann haben auch Shortseller Argumentationsprobleme, wenn Nikola keinen Kapitalbedarf mehr hat, der extern gedeckt werden müsste.

Absatz der BEV-Tre

Dass es hier zu weniger Auslieferungen der batterieelektrischen Fahrzeuge im weiteren Jahresverkauf kommen wird, liegt an vielen Gründen. Die jüngste Rückrufaktion mag da belastend wirken. Indes sieht Nikola seine Zukunft eher beim wasserstoffbetriebenen Lkw und nicht so sehr dem batterieelektrischen, und der FCEV-Tre wird erst seit Ende Juli überhaupt erst in Serie produziert. 200 Vorbestellungen liegen dafür vor. Immerhin gibt es Förderprogramme, die gut 320.000 US-$ pro Lkw ausmachen – kostet wohl 400.000 US-$. Hier wird es spannend, wenn größere Aufträge kommen – die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr groß.

Kapitalbedarf sinkt beträchtlich

Benötigte Nikola noch vor 2 Jahren über 200 Mio. US-$ pro Quartal (darin enthalten der Bau der Hallen und Infrastruktur), so soll der Kapitalbedarf pro Quartal auf 100 Mio. US-$ bis Ende 2023 sinken. Noch liegt der Liquiditätsabfluss (Cash Burn) bei circa 150 Mio. US-$ im Quartal. In 2022 waren es noch über 240 Mio. US-$ im Quartal. Dies zeigt, dass Nikola sich gut aufstellt, bis das Unternehmen voll im Laufen ist.

LoI mit Anheuser Busch in Vergessenheit geraten

Der große Brauereikonzern Anheuser Busch (BUD) hält Nikola die Stange. Gemeinsam haben beide vor Jahren eine Absichtserklärung (LoI) abgeschlossen, wonach 800 FCEV-Tre geordert werden könnten. Mehrere fahren bereits im Testbetrieb des Subunternehmers Biagi Brothers ohne Probleme und wohl schon über 12.000 Meilen. Was wohl an der Börse passiert, wenn BUD aus dem LoI einen Auftrag macht und den Auftragsbestand damit allein schon auf 1.000 FCEV-Tre hoch katapultiert?

Die Meldungen der vergangenen Wochen

Gleich zwei Programme zur Förderung der Wasserstoffinfrastruktur in Kalifornien konnten für Nikola gewonnen werden. Für acht Wasserstofftankstellen gibt es dazu Zuschüsse von über 58 Mio. US-$. Das ist sehr positiv zu bewerten, da Nikola mit Volterra (Tochter von EQT, einem Fonds) bereits ein Abkommen für den Bau von 50 H2-Tankstellen (bis zu 1 Mrd. US-$ Invest?) über die kommenden Jahre abgeschlossen hat und durch die Förderung weitere Unterstützung erfährt.

Einen Auftrag über 13 E-Lkw (10 batterieelektrische und 3 wasserstoffbetriebene) konnte von J.B. Hunt eingenommen werden. Dieses Unternehmen betreibt einen eigenen umfassenden Fuhrpark, liefert aber zudem Dienstleistungen rund um den Waren-/Gütertransport für über 1 Million Lkw in den USA. Das sieht wie eine Steilvorlage für viel mehr aus.

Fazit

Nikola ist ein Start-Up in einem neuen Wachstumsmarkt und auch First Mover. Start-Ups haben meist (immer) Startschwierigkeiten – aber die vergehen und können gelöst werden. Problem erkannt – Problem gebannt. Nikola macht sehr gute Krisen-PR – geht mit allen Problemen umgehend an die Öffentlichkeit. Sind alle Kapitalmaßnahmen erfolgreich abgeschlossen, ist Nikola gut durchfinanziert und kann sich voll auf den Auf- und Ausbau des Unternehmens konzentrieren. Aktuelle Unsicherheiten lassen auf die Börsenregel verweisen: Buy on bad news. Im Aktienkurs sind alle negativen Nachrichten enthalten, nicht aber die möglichen positiven (z.B. Aufträge). Den Gewitterwolken folgt der Sonnenschein.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

verfasst von Sven Jösting am 22. August 2023

Runter vom Gas

Runter vom Gas

Seit Mitte Mai 2023 tun 21 Brennstoffzellenstapler in der Werksflotte von Linde Material Handling (MH) in Aschaffenburg ihren Dienst. Rund 2,8 Mio. Euro flossen in die Planung und Errichtung der innovativen H2-Infrastruktur vor Ort. Die Produktionsanlage entstand in einer Bauzeit von nur elf Monaten auf 280 m2 im Fertigungs- und Montagewerk. Die dezentrale Wasserstoffinfrastruktur auf dem Gelände des Konzerns soll künftig als Anschauungsbeispiel für interessierte Kunden dienen, denn die Logistikbranche muss dringend von ihren CO2-Emissionen runter.

„Wir zeigen, wie die Nutzung regenerativer Energiequellen in der Praxis funktionieren kann“, sagt Stefan Prokosch, Manager bei Linde Material Handling. Neben der Klimaneutralität (nur mit grünem H2) sei vor allem das schnelle Betanken der Flurförderzeuge mit Wasserstoff bei intensiven Mehrschichteinsätzen ein großer Vorteil. „Eine dreiminütige Betankungszeit entspricht einer vergleichbaren Ladeleistung von rund 480 kW“, freut sich Prokosch.

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Die Millioneninvestition wird vom Bundesverkehrsministerium gefördert und vom Projektträger Jülich umgesetzt. Ziel ist es, Erfahrungen zu sammeln und Expertenwissen aufzubauen. So können Kunden künftig beim Einsatz von Wasserstoff in Materialflussprozessen umfassend beraten werden. Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie GmbH (NOW), bezeichnet das Projekt in Aschaffenburg als „Leuchtturmprojekt für den weiteren Hochlauf der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“. Projektplanung und Anlagenbau haben insgesamt gut drei Jahre gedauert.

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Wo liegen die Herausforderungen?

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Mit Wasserstoff betriebene Flurförderzeuge bieten Synergieeffekte mit der H2-Nutzung in der Distributionslogistik oder der Industrieproduktion, wodurch insgesamt die Wirtschaftlichkeit verbessert wird. Die Intralogistik kann hier als Einstieg genutzt werden. So setzt das BMW-Werk in Leipzig bereits seit Jahren auf BZ-Gabelstapler und nutzt zudem seit September 2022 in der Lackiererei einen flexiblen Wasserstoffbrenner (s. Kasten).

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Eine der größten Herausforderungen liegt gerade in der Infrastruktur: Wasserstoff ist noch nicht flächendeckend verfügbar. Und nur grünes H2-Gas leistet einen Beitrag, um die Klimaziele zu erreichen. Skaleneffekte sind dabei wichtig, um die Kosten der H2-Herstellung zu senken. Wirkungsgrad und Effizienz müssen sowohl bei der Erzeugung als auch bei der Rückumwandlung weiter verbessert werden. Linde MH und der Mutterkonzern KION Group haben bereits mehrere Millionen Euro in die Entwicklung und Produktion der Brennstoffzellensysteme sowie die Errichtung der Wasserstoffinfrastruktur mit Betankungsanlage investiert.

Nachdem aktuell das erste eigene 24-Volt-System für Lagertechnikgeräte auf den Markt gekommen ist, steht als Nächstes die Entwicklung eines 48-Volt-Brennstoffzellensystems auf der Agenda. Ein Förderbescheid dafür liegt bereits vor. Als Hersteller von eigenen Brennstoffzellensystemen und Lithium-Ionen-Batterien hat man beispielsweise die Chance, eigene Brennstoffzellensysteme zu konzipieren, die eine größere Flexibilität bei der Fahrzeugkonstruktion erlauben.

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PEM-Elektrolyseur erzeugt 50 kg H2 pro Tag

Die Anlagenteile für die neue H2-Produktion in Aschaffenburg verteilen sich auf mehrere Module. Das Herzstück ist ein PEM-Elektrolyseur, der auf eine Produktionsmenge von 50 Kilogramm H2 pro Tag eingestellt ist. Hier wird gereinigtes und deionisiertes Trinkwasser mithilfe von grünem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. In einem weiteren Container wird der Wasserstoff stufenweise auf 450 bar komprimiert. Anschließend gelangt das grüne Gas über Rohrleitungen und Ventile in die Hochdruckspeicher. Ein gesteuertes Ventilsystem regelt die Zuleitung zur Ausgabe an die Zapfsäule. Mitarbeiter schließen die Fahrzeuge hier an, und innerhalb kurzer Zeit ist der Tankvorgang abgeschlossen. Der Hochdruckspeicher ist so ausgelegt, dass er bei 450 bar bis zu 120 kg H2 speichern kann, so können auch die Tankspitzen beim Schichtwechsel gedeckt werden.

Insgesamt sind nun 21 Gegengewichtsstapler mit BZ-Hybridsystem bei Linde im Einsatz. Darunter zwölf des Modells E50 mit fünf Tonnen Tragfähigkeit sowie neun des E35 mit 3,5 Tonnen Tragfähigkeit. Sie alle ersetzen Modelle mit Verbrennungsmotor. Als Teil der Werksflotte übernehmen sie unter anderem das Be- und Entladen von Lkw und die Versorgung der Montagebänder mit großen und schweren Komponenten, wie beispielsweise Gegengewichten, vormontierten Rahmen oder Fahrerkabinen. Im BZ-System reagieren der Wasserstoff und der Sauerstoff der Umgebungsluft. Die erzeugte elektrische Energie lädt so eine Lithium-Ionen-Batterie auf, die den Stapler antreibt. Ein Energiemanager steuert und plant den Energiebedarf am gesamten Standort, vermeidet Lastspitzen und dient der Kostenoptimierung.

Wo wird das BZ-System eingesetzt?

Das BZ-System HyPower 24V mit 7 kW Leistung ist auf die eigenen Flurförderzeuge zugeschnitten und wurde speziell für Einsätze im innerbetrieblichen Materialfluss entwickelt. Durch die Abstimmung mit der leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterie des Hybridsystems werden die BZ-Stacks geschont, was die Lebensdauer verlängert. Auch der Geräuschpegel wurde optimiert. Das System ist vernetzt und kann so Daten über den Zustand und die Nutzung über die Cloud austauschen.

Linde MH nutzt bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten einen Prototyp mit BZ-Antrieb. Seit 2010 sind die BZ-Stapler in die Serienproduktion integriert. Bereits heute können 80 Prozent der Gegengewichtsstapler, Schlepper und Hochhubwagen mit H2-Antrieb bestellt werden. In Studien und Projekten zeigte Linde MH, unter welchen Voraussetzungen die Fahrzeuge mit BZ heute schon wirtschaftlich sind: nämlich wenn vor Ort bereits eine Wasserstoffinfrastruktur vorhanden ist oder hochreiner Wasserstoff als Abfallprodukt im betrieblichen Prozess anfällt. „Ab zwanzig Geräten im Mehrschichtbetrieb mit hohen jährlichen Betriebsstunden kann die Umstellung aktuell schon wirtschaftlich lohnend sein“, sagt Sebastian Stoll. Er arbeitet als Programmmanager im Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) bei der NOW.

In den USA sind 50.000 BZ-Flurförderzeuge im Einsatz

Der Markt für BZ-Flurförderzeuge in der EU birgt ein großes Potenzial. Jährlich werden in Europa im Segment der Gegengewichtsstapler rund 70.000 Geräte mit Verbrennungsmotor (Klasse 4/5) abgesetzt, die durch elektrische Antriebe ersetzt werden könnten. Zusätzlich werden jährlich etwa 60.000 bis 80.000 Klasse-1-Flurförderfahrzeuge mit Blei-Säure-Batterien (BSB) durch Neugeräte ersetzt. Beide stellen zusammen das theoretische Potenzial für dieses Segment dar, berichtet Stoll. „Leitmarkt für BZ-Flurförderzeuge sind derzeit ganz klar die USA, wo Stand Mitte 2022 über 50.000 Flurförderzeuge mit BZ im Einsatz sind – mit stark wachsender Tendenz.“

Um Aussagen über zukünftige Marktpotenziale in der EU treffen zu können, sei es nötig, die Megatrends und Treiber in der Intralogistik zu erkennen, erläutert Stoll. Der wachsende Anteil des Online-Handels mit immer kürzeren Bearbeitungszeiten, Digitalisierung und Outsourcing geht einher mit mehr Kostendruck und Wettbewerb. Auf der anderen Seite muss auch diese Branche dekarbonisiert werden. Andere Luftschadstoffe und Lärmemissionen müssen ebenfalls verringert werden.

Dem wachsenden Interesse kommen die Hersteller von BZ-Gabelstaplern nach: Beispielsweise hat der US-Marktführer Plug Power im Duisburger Hafen sein europäisches Entwicklungszentrum angesiedelt. Deutsche Brennstoffzellen für die Intralogistik kommen von Globe Fuel Cell Systems, FES Fahrzeug Entwicklung Sachsen oder eben von Linde MH. Die drei Unternehmen sind auch Mitglied im Clean Intralogistics Net (CIN). Bei diesem Netzwerk handelt es sich um einen vom Bundesverkehrsministerium unterstützten Zusammenschluss von insgesamt zwölf Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, der das Ziel verfolgt, der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in der Intralogistik in Deutschland und Europa zum Durchbruch zu verhelfen.

BMW nutzt flexiblen H2-Brenner im Werk in Leipzig

Das Werk der BMW Group in Leipzig pilotiert nach eigenen Angaben als erste Autoproduktion in der Lackiererei mit der innovativen Brennertechnologie. Diese kann Wasserstoff und Methan (CH4) sowohl allein als auch im Gemisch verbrennen. Der Einsatz des Doppelbrenners erfolgt zunächst im Pilotbetrieb. Derzeit hat das Werk in Leipzig über 130 BZ-betriebene Flurförderfahrzeuge in seiner Flotte. Fünf H2-Tankstellen befinden sich auf dem Werksgelände. Die jüngste davon ermöglicht erstmals sogar vollautomatisierte Tankvorgänge.

Auch in der Logistik jenseits der Werkstore erprobt die BMW Group gemeinsam mit Partnern den Einsatz von Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Transportlogistik und engagiert sich in zwei Forschungsprojekten. Bei H2Haul geht es um die Entwicklung und Pilotierung von 16 Brennstoffzellen-Lkw in Belgien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Beim Projekt HyCET treibt BMW als Konsortialführer die Entwicklung von H2-LKW mit Verbrennungsmotor in der Transportlogistik voran.

Autor: Niels Hendrik Petersen

Kohleflöze als H2-Speicherstätten

Kohleflöze als H2-Speicherstätten

In den vergangenen Jahren wurden reihenweise Kohleminen stillgelegt. Obwohl dort noch Restmengen dieses fossilen Energieträgers lagern, ist es in vielen Bergbauregionen still geworden. Ein Ansatz der Pennsylvania State University könnte ehemaligen Bergwerkbetreibern jedoch Hoffnung machen, dass ihre Flöze doch noch für etwas gut sind – und zwar für die Einlagerung von Wasserstoff.

„Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Kohle aus wissenschaftlicher Sicht die erste Wahl für die geologische Speicherung sein könnte. Sie kann mehr aufnehmen als andere Materialien. Viele Menschen halten Kohle für Gestein, aber in Wirklichkeit ist sie ein Polymer. Sie hat einen hohen Kohlenstoffgehalt und unzählige kleine Poren, die sehr viel Gas speichern können. Kohle ist für Wasserstoff wie ein Schwamm“, erklärte Shimin Liu, Wissenschaftler an der Penn State.

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Insgesamt untersuchte das Team von Liu acht Arten von Kohlen aus US-amerikanischen Bergwerken, um herauszufinden, wie viel Wasserstoff sie aufnehmen können. Die Kohlen hätten beachtliche Sorptionseigenschaften gezeigt, allerdings müsse noch untersucht werden, wie ihre Diffusivität und Permeabilität sei – Merkmale, die bestimmen, wie schnell Wasserstoff injiziert und wieder entnommen werden kann.

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Positiver Begleiteffekt wäre, dass ehemalige Flöze ein Second Life bekommen und strukturschwache Bergbauregionen eventuell wiederbelebt werden könnten.

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Der grüne Alkohol

Der grüne Alkohol

Die Potentiale von Methanol

Methanol ist schon heute einer der wichtigsten Grundstoffe für die Chemieindustrie und wird in den nächsten Jahrzehnten noch an Bedeutung gewinnen – für Kunststoffe aller Art ebenso wie für die Herstellung von E-Fuels. Dafür sind große Mengen an grünem Wasserstoff und nachhaltig gewonnenem CO2 nötig.

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Formaldehyd, Essigsäure, Silikon, Olefine: Diese Zwischenprodukte in der Chemieindustrie brauchen in aller Regel Methanol als Basischemikalie. Der 2021 vom Branchenverband Methanol-Institut und der International Renewable Energy Agency (Irena) veröffentlichte „Innovation Outlook Renewable Methanol“ bezifferte die weltweite Jahresproduktion des Grundstoffs mit 98 Mio. Tonnen. Tendenz: schnell steigend.

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Treiber ist laut dem Bericht vor allem die chinesische Chemieindustrie. Obendrein treibt der vielseitige Alkohol immer öfter Fahrzeuge an Land und im Wasser an – mit speziellen Motoren, Brennstoffzellen oder umgewandelt zu E-Fuels.

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Bis 2050 könnte die weltweite Produktion bei 500 Mio. Tonnen jährlich liegen, schätzen Irena und das Methanol-Institute. Wenn diese wie bisher aus Gas und Kohle erzeugt werden, würden die Klimagasemissionen aus der Methanolerzeugung von derzeit 0,3 Gt CO2-Äquivalent jährlich auf 1,5 Gigatonnen steigen.

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Ebenso wie die Stromerzeugung braucht also auch die Methanolerzeugung eine neue Basis. Laut einer Well-to-Wheel-Analyse würde ein Umstieg auf grünes Methanol die Emissionen um 65 bis 95 Prozent senken. E-Methanol, also mithilfe von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff hergestelltes Methanol, schneidet dabei im Schnitt deutlich besser ab als das Biomethanol.

Methanol als Kraftstoff immer wichtiger

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Der grüne Alkohol hat großes Potenzial für eine klimafreundliche Wirtschaft. „Erneuerbares Methanol gehört zu den am einfachsten zu implementierenden nachhaltigen Alternativen, vor allem im Chemie- und Transportsektor“, heißt es in dem Irena-Report. Er ist leicht zu lagern und zu transportieren und kann nahezu nahtlos in der Industrie eingesetzt werden.

Die Rolle von Methanol als Kraftstoff wächst schon seit Mitte der 2000er Jahre. Teils ist es die Basis für Biodiesel oder dient als Grundstoff für Antiklopfmittel. Von Benzin bis LPG kann Methanol zudem verschiedensten Kraftstoffen in relativ großer Menge beigemischt werden. Das geschah auch in den Ölkrisen der 1970er und 1980er Jahre.

In den vergangenen Jahren wuchs vor allem die Rolle von reinem Methanol als Kraftstoff. In China und Israel sind bereits Lkw mit Methanolantrieb auf den Straßen unterwegs. Auch die Kombination mit Direktmethanol-Brennstoffzelle ist erprobt, sowohl als alleiniger Antrieb als auch als Reichweitenverlängerung für Elektrofahrzeuge.

Auf dem Meer könnte Methanol den schwefelhaltigen Schiffsdiesel ersetzen. Das würde der Luft nicht nur viel CO2 ersparen, sondern auch Schwefel- und Stickoxide. Zum Zeitpunkt der Studie zählten die Autoren bereits mehr als 20 große Methanolschiffe, die in Betrieb oder in Auftrag waren. Ein Beispiel ist die Stena Germanica, eine 50.000 Tonnen schwere und 32.000 PS starke Fähre, die zwischen Deutschland und Schweden unterwegs ist. Sie wurde in weniger als drei Monaten für den Betrieb auf Methanol umgerüstet.

Neben Methanol gilt auch Ammoniak als aussichtsreicher Kandidat für eine grüne Seeschifffahrt (s. HZwei-Heft April 2022).

Der Methanol-Bedarf weltweit steigt, ebenso die Produktionskapazitäten. Formaldehyd (z. B. für Leime, Harze, Desinfektionsmittel), Olefine (z. B. für Kunststoffe) und die Beimischung zu Kraftstoffen sind derzeit die häufigsten Verwendungen.

E-Methanol braucht Mega-Elektrolyseure

Zum Zeitpunkt der Studie erfasste das Autorenteam erst 0,2 Mio. Tonnen Methanol aus erneuerbaren Quellen, vor allem aus Biomasse. Doch Biomasse ist endlich, selbst wenn es gelingt, Abwasser, Schwarzlauge und Hausmüll als Quellen nutzbar zu machen. Nahezu unbegrenzt ist hingegen das Angebot an Wind- und Solarenergie. Am E-Methanol aus elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff führt auf Dauer also kein Weg vorbei.

Das Rezept: Für eine Tonne grünes E-Methanol nehme man 0,19 t Wasserstoff und 1,38 t CO2. Letzteren trenne man aus der Luft oder aus Abgas bzw. Biogasanlagen ab. Um den benötigten Wasserstoff zu erzeugen, speise man einen Elektrolyseur mit 1,7 Tonnen Wasser. Zusätzlich benötigt man zehn bis elf MWh Wind- oder Solarstrom, vor allem für den Betrieb des Elektrolyseurs.

Mit einem 100-MW-Elektrolyseur, der zum Beispiel bei Thyssenkrupp oder Siemens Energy erhältlich ist, ließen sich so immerhin 225 Tonnen E-Methanol täglich herstellen, rechnet der Bericht vor. Die größten der heutigen Methanolfabriken sind etwa um den Faktor zehn größer, bräuchten also Elektrolyseure im Gigawattbereich. Diese Hochskalierung steht noch aus.

Die Kostenfrage: Kommt drauf an

Bis das grüne Methanol preislich mit dem fossilen mithalten kann, muss noch einiges passieren. Wie so oft hängt die Wirtschaftlichkeit von vielen schnell veränderlichen Faktoren ab, von den Stromkosten über die Investition in den Elektrolyseur bis hin zu einer günstigen CO2-Quelle.

Die Kosten für die Herstellung von Methanol aus fossilen Brennstoffen bezifferte der Bericht mit 100 und 250 USD pro Tonne, was allerdings schon eine Weile her ist. Die Marktpreise im ersten Quartal 2023 lagen laut Methanol-Institute zwischen 300 und 600 USD pro Tonne. Die Kosten für Biomethanol schätzt das Autorenteam der Studie derzeit auf 320 bis 770 USD pro Tonne, die sich auf 220 bis 560 USD senken ließen.

Dagegen hat es das E-Methanol aus grünem Wasserstoff bisher noch schwer, denn sowohl die Elektrolyse mit erneuerbaren Energien als auch die CO2-Abscheidung sind noch keine Massentechnologien. Das CO2 aus der Luft zu fischen würde leicht 300 bis 600 USD pro Tonne kosten. Fängt man es aus einer Bioenergieanlage auf, wäre es hingegen für 10 bis 50 USD pro Tonne zu haben.

Der Wasserstoffpreis hängt neben den Kosten für den Elektrolyseur vor allem von den Stromerzeugungskosten hab. Grob gesagt kalkulieren die Autoren: Bisher würde eine Tonne E-Methanol 800 bis 2.400 USD kosten, bis 2050 könnten die Kosten dafür auf 250 bis 630 USD sinken.

Wann und ob sich die Kosten des E-Methanols und des fossilen Methanols treffen, wird von der Skalierungsgeschwindigkeit ebenso abhängen wie von CO2-Preisen und dem globalen Energiepoker.

Methanol kompakt

Mit nur einer OH-Gruppe und einem Kohlenstoff-Molekül ist Methanol der chemisch einfachste unter den Alkoholen. Es ist bei Umgebungsbedingungen flüssig, wasserlöslich, farblos und riecht leicht alkoholisch.

Methanol kommt von Natur aus in kleinen Mengen in Lebensmitteln und der Atmosphäre vor. Früher wurde es als Nebenprodukt der Holzkohleherstellung gewonnen, daher hat es auch den Namen „Holzgeist“ oder „Holzalkohol“.

Im Vergleich zu Benzin oder Diesel ist die volumetrische Energiedichte von Methanol etwa halb so hoch. Es gefriert bei -97,6 °C, siedet bei 64,6 °C und hat eine Dichte von 0,791 kg pro Kubikmeter bei 20 °C. Bei der Verbrennung von reinem Methanol entsteht praktisch kein Rauch, Ruß oder Geruch.

Methanol ist leicht entzündlich und korrosiv. Obendrein ist es giftig. Das sind andere Kraftstoffe auch, es fällt allerdings selten auf, da niemand auf die Idee käme, Benzin oder Diesel zu trinken, während Methanol immer wieder zum Panschen von Alkohol verwendet wird.

Kommerzielle E-Methanol-Produktion in den Anfängen

Rund um die Welt gibt es erste Projekte für die Herstellung von E-Methanol. Meistens handelt es sich dabei um Pilot- und Forschungsanlagen mit kleinen Kapazitäten. Auf der Suche nach kommerziellen Projekten stößt man immer wieder auf ein Unternehmen: die Carbon Recycling International, kurz CRI, aus Island.

CRI nahm nach eigenen Angaben bereits 2012 eine kommerzielle E-Methanol-Anlage in Betrieb. Sie befindet in Svartsengi neben der berühmten Blauen Lagune und einem Geothermiekraftwerk. Mit dem heißen Wasserdampf kommen auch gelöstes CO2 und Schwefelwasserstoff an die Erdoberfläche – letzterer sorgt für den typischen Geruch nach faulen Eiern an Islands heißen Quellen.

Angelehnt an die Energiequelle lautet der Markenname Vulcanol. Mit immerhin 4.000 Tonnen Jahresproduktion kann man diese Anlage als die erste industrielle Anlage für E-Methanol betrachten. Der Wasserstoff stammt aus einer alkalischen Elektrolyse.

Auch das Großprojekt in einer Kokerei in der chinesischen Stadt Anyang (110.000 Tonnen Jahresproduktion) geht auf CRI zurück. Eine Elektrolyse mit Ökostrom gibt es dort allerdings nicht. Vielmehr enthält das Kokereigas neben Methan mit Wasserstoff und CO2 die für die Methanolproduktion erforderlichen Stoffe. Laut CRI ist die Anlage seit dem dritten Quartal 2022 in Betrieb.

Eine weitere Anlage, ebenfalls in China, soll noch 2023 in Betrieb gehen, um aus CO2 und Wasserstoff aus einem Petrochemiekomplex jährlich 100.000 Tonnen Methanol für die Kunststoffproduktion zu gewinnen. Einsetzen will dieses vor allem der Segelboot-Hersteller Jiangsu Sailboat.

Die erste Großanlage in Europa könnte in Finnfjord in Nordnorwegen entstehen und CO2 aus einem Ferrosiliziumwerk sowie grünen Wasserstoff aus einer Elektrolyseanlage nutzten. Die Investitionsentscheidung ist allerdings erst auf 2024 datiert. Zusätzlich nennt CRI in seiner Referenzliste noch vier Projekte aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon 2020.

Kleine Methanolfabriken von der Stange

Das Leipziger Ingenieurbüro BSE Engineering bietet unter dem Produktnamen FlexMethanol standardisierte Kleinanlagen für die E-Methanol-Herstellung an. Eingangsleistungen von 10 und 20 MW pro Modul sind möglich, in Kombination bis zu 100 MW, heißt es in der Broschüre. Als Zielgruppe nennt das Unternehmen Abfallverbrennungsanlagen, Papierwerke, fossile Kraftwerke und alle Wärmeprozesse.

Der Prozess gliedert sich in vier Schritte: die Elektrolyse, die CO2-Abscheidung (Scrubbing), die eigentliche Methanolsynthese und die Destillation.

BSE Engineering ist für die Integration der gesamten Methanolanlage zuständig und außerdem laut Broschüre exklusiver Anbieter der von BASF entwickelten Katalysatoren für die Methanolsynthese. Mit im Boot sind außerdem AkerSolutions für die CO2-Gewinnung, InvraServ-Knapsack für das Detailengineering und Sulzer für die Destillation. Für die Elektrolyse gibt es keinen festen Partner.

E-Methanol aus der Kläranlage

Im Oktober 2022 entstand aus dem KIT die Ausgründung Icodos. Das Ziel: Aus CO2-Punktquellen wie z. B. Biogas, das in Kläranlagen anfällt, E-Methanol zu erzeugen, wobei im Fall von Biogas zusätzlich reines Biomethan fürs Gasnetz entsteht. Dafür ist neben dem Biogas auch Wasserstoff erforderlich.

KIT Energy Lab: Im Energy Lab 2.0 untersuchen die Forschenden unter anderem die dynamische Methanolerzeugung mit erneuerbaren Energien.

Das aus CO2 und Wasserstoff erzeugte Methanol-Wasser-Gemisch absorbiert dabei das CO2 aus dem zuvor gereinigten Biogas. Zurück bleibt Methan, das ins Erdgasnetz gespeist werden kann. Das gelöste CO2 wiederum wird mit dem zugeführten Wasserstoff aus dem Lösungsmittel ausgetrieben und in einem Synthesereaktor zu Methanol und Wasser umgesetzt. Ein Teil dieses Produkts wird im Kreis geführt und kann so immer wieder als Absorptionsmittel dienen.

Eine vom BMBF geförderte Pilotanlage ist im Bau und soll Ende des Jahres am KIT getestet werden. Danach soll sie in der Mannheimer Kläranlage an realem Biogas erprobt werden. Folgen soll ein größerer Test gemeinsam mit EDF in Frankreich. Ein Rollout könnte noch in diesem Jahrzehnt möglich sein. Die typische Größe für die Anlagen soll im ein- bis zweistelligen Megawattbereich bezogen auf die Elektrolyseleistung liegen.

Institute und Chemiekonzerne arbeiten zusammen

In Deutschland gibt es eine ganze Reihe von Forschungsprojekten, die sich mit Methanol aus grünem Wasserstoff befassen. Meist arbeiten dabei etablierte Forschungsinstitute und große Raffinerie- oder Chemieunternehmen zusammen. Der hier zusammengestellte Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Westküste100/Raffinerie Heide: An dem H2-Reallabor im schleswig-holsteinischen Heide will ein Konsortium eine ganze Reihe von Wasserstofftechnologien untersuchen – vom Kavernenspeicher bis zur Methanolsynthese (s. HZwei-Heft Okt. 2020). Letztere soll bei der Raffinerie Heide stattfinden. Das CO2 soll aus einem Zementwerk stammen, der Wasserstoff aus einer Elektrolyseanlage. Allerdings ist in der finalen Projektbeschreibung bezüglich der Methanolsynthese nur noch von einer „Machbarkeitsstudie“ die Rede. Die Herausforderung sei es, den großtechnischen Prozess zwischen Zementwerk und Raffinerie einzubinden. Verantwortlich für das entsprechende Arbeitspaket ist thyssenkrupp. Das Reallabor läuft von 2020 bis 2025. Eine Skalierung auf „mehrere hundert Megawatt“ Elektrolyseleistung im Anschluss an das Reallabor ist laut Projektbeschreibung das Ziel. Am Ende, so die Vision, soll dabei Kerosin für den Hamburger Flughafen herauskommen.

Komplexe Infrastruktur: Die Studie zur Methanolerzeugung ist nur ein kleiner Teil des Projekts Westküste100. Die Vernetzung der Prozesse ist ein Argument für die lokale Erzeugung der leicht transportablen Chemikalie.

HyPe+/Raffinerie Schwedt: Die Raffinerie Schwedt hat im Mai 2023 gemeinsam mit Enertrag eine Studie vorgelegt, nach der sie bis 2045 komplett klimaneutral werden könnte (s. S. 18). Anstelle fossiler Rohstoffe will sie auf grünen Wasserstoff aus der Region setzen. Wind- und Solaranlagen gibt es im Umland reichlich, unter dem Titel Flow-Projekt ist auch eine Wasserstoffleitung geplant. Die Zahlen machen Eindruck: 300 MW Elektrolyseleistung sollen es schon in der ersten Ausbaustufe sein, bis Ende 2027 dann 400 MW bei einer Wasserstoffproduktion von über 30.000 Tonnen. Für 2030 sieht die Studie 160.000 Tonnen eigene Wasserstoffproduktion vor, weitere 80.000 sollen zugekauft werden. Damit würde etwa ein Fünftel der laut Nationaler Wasserstoffstrategie für diesen Zeitpunkt vorgesehenen Menge in Schwedt landen. Produzieren will die Raffinerie perspektivisch zwei Millionen Tonnen „Flugkraftstoff, Methanol und High-Value-Chemicals“ jährlich, eine weitere Tonne an Biokraftstoffen kommt hinzu. Die Frage nach der CO2-Quelle blieb leider bislang unbeantwortet.

Chemiepark Leuna/TotalEnergies: Am Standort Leuna kündigten TotalEnergies, die Fraunhofer-Institute CBP und IMWS sowie der Elektrolyseurhersteller Sunfire vor zwei Jahren ein Projekt mit dem Titel e-CO2Met an. Bei der dortigen Raffinerie Mitteldeutschland handelt es sich laut TotalEnergies mit jährlich 700.000 Tonnen Methanol um die größte Methanolproduktion Europas – bisher komplett auf fossiler Basis. Der Hochtemperaturelektrolyseur von Sunfire ist mit einer Eingangsleistung von 1 MW vergleichsweise klein. Sunfire bestätigt, dass er seit Februar 2023 in Betrieb ist. Ein Update zum Gesamtprojekt war von TotalEnergies allerdings nicht zu bekommen.

H2Mare Methanolproduktion auf dem Meer: Mit der Entfernung zur Küste wächst nicht nur der mögliche Energieertrag von Offshore-Windparks, sondern leider auch der Aufwand für die Anbindung ans Stromnetz – erst recht, wenn wegen der hohen Leistung mehrere Kabel nötig würden. Deshalb könnten diese Windparks stattdessen Wasserstoff erzeugen, der sich per Schiff oder Pipeline an Land bringen lässt, so eine Idee, die unter anderem im Projekt Aquaventus Gestalt annimmt. Das Leitprojekt H2Mare, an dem auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt ist, geht in einem der vier Verbundprojekte dabei noch einen Schritt weiter. Direkt auf See soll der Wasserstoff zu Ammoniak, LNG, Methanol oder flüssigen Kohlenwasserstoffen (E-Fuels) verarbeitet werden. Eines der Projektziele ist es, beispielhaft einen vollständigen Prozess zur Herstellung von e-Fuels im Sommer 2025 erstmals auf einer schwimmenden Plattform vor Helgoland zu demonstrieren. Solche Anlagen müssen mit der schwankenden Stromproduktion aus Windenergie ebenso klarkommen wie mit einer schwankenden Plattform und den Wetterbedingungen auf See. Die dynamische Produktion von E-Methanol erprobt das KIT während H2Mare allerdings nur an Land.

H2Mare verfolgt noch weitere Ansätze: Für den Offshorebetrieb angepasste Destillationsmodule aus dem 3-D-Drucker sollen das Methanol vom im Prozess ebenfalls entstehenden Wasser trennen. Das spart Transportkapazität, und das Wasser soll nach Aufbereitung wieder für die Elektrolyse zur Verfügung stehen. Das benötigte CO2 könnte künftig mittels Elektrodialyse aus dem Meer gewonnen werden, was die Logistik vereinfachen würde. Und die TU Berlin arbeitet daran, einen Elektrolyseur direkt mit Salzwasser zu betreiben.

OMV Deutschland, München: Sogenannte Sustainable Aviation Fuels, kurz SAF, auf Basis von E-Methanol sind das Ziel des Projektes M2SAF. Das Konsortium besteht aus der BASF Process Catalysts, dem Anlagenbauer thyssenkrupp Uhde, der Raffinerie OMV Deutschland, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Prüflabor ASG. Das Projekt startete im November 2022 und ist auf zweieinhalb Jahre ausgelegt. Details zu Mengen und Leistungen waren von Uhde nicht zu erfahren.

Die bisherigen Projekte in Sachen E-Methanol in Deutschland sind vielseitig, aber bisher eher klein. Wie schnell und ob sie überhaupt hierzulande skalieren, ist noch abzuwarten. Der Wille ist da, doch allein die Erzeugungskapazitäten für Wind- und Solarstrom aufzubauen, kostet Zeit und Geld. Und es gehört ja gerade zu den Vorteilen von Methanol, dass es sich problemlos auf Schiffen um die Welt transportieren lässt. Solange Deutschland seinen Energiebedarf nicht komplett selbst deckt und es keine Wasserstoffpipeline übers Mittelmeer gibt, liegt es also nahe, dass grünes Methanol zu wesentlichen Teilen importiert werden wird.

 

Die Drei-Meeres-Initiative startet durch

Die Drei-Meeres-Initiative startet durch

Auf der diesjährigen Wasserstoffmesse H2POLAND im polnischen Poznań haben Vertreter der „Drei-Meere-Staaten“ mit einer feierlichen Unterzeichnung eine gemeinsame Wasserstoffinitiative ins Leben gerufen. Zu den Ländern, die sich dieser Initiative angeschlossen haben, gehören die baltischen Länder, Polen, die Ukraine, Ungarn, Tschechien und die Slowakei.

Tomoho Umeda, Gründer der polnischen Unternehmen Hynfra und Hynfra Energy Storage, leitete die Diskussion der Landesvertreter zu der gemeinsamen Initiative. Einleitend bedauerte der Pole mit japanischen Wurzeln, dass bei der rasanten Entwicklung der Wasserstoffindustrie in der Europäischen Union Mittelosteuropa nur selten angehört werde: „Da wird zwar viel mit dem Kopf genickt, aber wenn es ans Eingemachte geht, steht MOE eher abseits der wichtigsten Entwicklungen.“ Die Drei-Meeres-Initiative in Sachen Wasserstoff soll genau das ändern.

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Arbeitsteilung

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Polen steht im Mittelpunkt der derzeitigen Entwicklung im Wasserstoffsektor innerhalb der osteuropäischen Region. Das ist nicht nur dadurch bedingt, dass Polen mit knapp 40 Millionen Einwohnern die bei weitem wichtigste Volkswirtschaft Osteuropas ist, sondern durch die vielen unterirdischen Salzkammern auch ein idealer Standort für die Speicherung von Wasserstoff. Ein Umstand, den Umeda in seiner Rede mehrfach betonte.

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Die Staaten, die die Entwicklung der H2-Industrien in dieser Region gemeinsam vorantreiben möchten, verbindet mehr als nur das Schattendasein innerhalb der EU-Familie. Sie eint vor allem, dass sie alle Staaten des ehemaligen Ostblocks sind. Aus dieser verbindenden Vergangenheit heraus ergeben sich Gemeinsamkeiten, die sich insbesondere in der Infrastruktur und in der speziellen Regulierung der Energiewirtschaft zeigen.

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Tomoho Umeda stellte insbesondere die Leitungsinfrastruktur und die Wärmeversorgung Mittelosteuropas heraus. Hier gibt es nicht nur die gemeinsamen Bedingungen, die sich aus einer engmaschigen Fernwärmevernetzung ergeben, sondern auch überregionale Fernverbindungen, die noch aus der gemeinsamen Ostblockzeit stammen. Hinzu kommen neue Leitungen, wie die litauisch-polnische und polnisch-slowakische Gasverbindung, die erst in den letzten Jahren in Betrieb gegangen sind.

Der tschechische Vertreter Vaclav Bystriansky machte in seinem Redebeitrag deutlich, dass diese Leitungen sowie die emissionsfreie Energiegewinnung eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft darstellen. Der Tscheche ist der Meinung, dass das alte Muster von Ost-West-Leitungen überholt ist und durchbrochen werden sollte. In der Zukunft wird es mehr Nord-Süd-Verbindungen geben, davon ist Bystriansky überzeugt.

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Das bedeutet für sein Land eine viel engere Zusammenarbeit mit den nördlichen Nachbarn. „Polen hat die Speicherkapazitäten und Tschechien hat die Kernkraftwerke“, fasste Bystriansky die Richtung der zukünftigen Zusammenarbeit zusammen.

Die Slowakei schloss sich den Ausführungen des Tschechen an, ergänzte aber, dass die Länder Mittelosteuropas voneinander sehr viel lernen könnten. Dazu gehöre vor allem auch das Lernen aus den Fehlern der anderen. Ein wichtiger Aspekt, der auch von den anderen Vertretern betont wurde, ist beispielsweise die potentielle Nutzung der Abfallverbrennung für die H2-Produktion. Im osteuropäischen Raum ist die Abfallverbrennung aktuell ein wichtiges Thema. „Man sollte sich nicht allein auf die Erneuerbaren fixieren, sondern das nutzen, was Sinn ergibt und den Bedingungen entspricht“, hieß es von der slowakischen Seite.

Der Este Sven Parkel ging darauf ein, dass die Mittelosteuropäer nur gemeinsam eine bessere Position in den EU-Gremien erarbeiten könnten. Sie müssten gemeinsam für ihre Sache in Brüssel eintreten, sonst würden sie von den starken EU-Ländern wie Deutschland und Frankreich nicht gehört. Ferner regte Parkel an, die regulatorischen Aspekte der Wasserstoffwirtschaft in der Region geeint an die Verwaltungs- und Behördenebenen zu adressieren.

Ukraine hat das größte H2-Potential

István Lepsényi von der Hungarian Hydrogen Technology Association, der direkt neben dem ukrainischen Vertreter Oleksandr Riepkin Platz genommen hatte, beeindruckte das Publikum in Poznań mit einem besonderen politischen Statement. Entgegen der prorussischen Haltung des ungarischen Premiers Viktor Orbán äußerte Lepsényi seine persönlichen Gefühle im Zusammenhang mit dem Freiheitskampf der Ukraine gegen den russischen Aggressor. Er hoffe auf einen baldigen Sieg der Ukraine und das Ende eines grauenvollen Krieges, den die Russen gegen die Ukraine führten.

Die Ukraine und die Potenziale, die dieses Land hinsichtlich Wasserstoffs hat, bildeten den thematischen Höhepunkt der Diskussionsrunde, die der Unterzeichnung der gemeinsamen H2-Initiative vorausging. Oleksandr Riepkin dankte zuallererst Polen, das die Ukraine vor dem sicheren Tod von Millionen Menschen bewahrt habe, indem es seine Herzen, Häuser und alles, was es habe, für die vor den Vergewaltigungen und Morden der Russen flüchtenden Ukrainer geöffnet habe. Das Publikum antwortete mit nicht enden wollendem Applaus und Solidaritätsrufen. Er kündigte auch an, eine Wasserstoffpartnerschaft seines Landes mit Polen einzugehen. „Polen und die Ukraine können als Schwestern und Brüder alles schaffen und es mit jedem aufnehmen”, so der Ukrainer.

Nachdem Riepkin die Möglichkeiten der Ukraine in Hinblick auf die emissionsfreie Stromproduktion erörtert hatte, kam er auf die bestehende Zusammenarbeit mit Polen in Energiefragen zu sprechen. Inzwischen steht die Stromverbindung zwischen den Ländern wieder, die zukünftig weiter ausgebaut und für die Wasserstoffherstellung genutzt werden könnte. Der Ukrainer schlug vor, dass sich die MOE-Staaten auf einzelne Bereiche spezialisieren und dadurch eine Arbeitsteilung erreichen, die wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit der H2-Wirtschaft sein werde.

„Mittelosteuropa sollte auch aus dem Schatten Westeuropas treten und selbst Elektrolyseanlagen herstellen, die die Wasserstoffproduktion ermöglichen. Eine Dominanz der westeuropäischen Technologie soll vermieden werden“, hieß es in Poznań. „Unsere Technologie ist so gut wie die deutsche – nur günstiger“, ergänzte der Tscheche Bystriansky.

Riepkin richtete anschließend den Blick auf die Probleme, die die Wasserstoffherstellung in MOE mit sich bringen könnte. So gebe es inzwischen wasserarme Regionen, wo sich mit der Landwirtschaft Konflikte um das Wasser und um die Flächen für die erneuerbaren Energien ergeben könnten. Die Herstellung des Wasserstoffs mithilfe von Atomstrom könne eine Alternative sein, wie bereits aus Tschechien und der Slowakei zu hören war.

Die H2-Drei-Meeres-Initiative zeigte sich bereit für eine Öffnung in Richtung Skandinavien. Eine solche bietet sich besonders in Hinblick auf Estland und Finnland an. Beide Länder haben ihre Gasleitungssysteme miteinander verbunden, was entsprechende Perspektiven für die Wasserstoffnetze schafft. Man zeigte sich zudem zuversichtlich, dass in absehbarer Zeit die beiden restlichen Drei-Meeres-Staaten Rumänien und Bulgarien ebenfalls zur H2-Initiative hinzustoßen werden.

Autorin: Aleksandra Fedorska

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