Wasserstoff ist weiblich!

Wasserstoff ist weiblich!

Women in Green Hydrogen feiert Geburtstag

Women in Green Hydrogen wurde im November 2020 von neun Frauen aus dem Wasserstoffsektor gegründet. Mittlerweile ist das Netzwerk auf über 5.000 Mitglieder angewachsen und feiert regelmäßig Erfolge im Bereich Gender Awareness. Für das Jahr 2024 haben sich die Frauen zum Ziel gesetzt, eine eigene Geschäftsstelle aufzubauen.

Nachdem wir uns im November 2020 – mitten in der Corona-Pandemie – zum ersten Mal auf Zoom getroffen hatten, um das Netzwerk Women in Green Hydrogen (WiGH) zu gründen, waren wir schnell von dessen Erfolg überrumpelt. In kürzester Zeit bekamen wir zahlreiche Anfragen hinsichtlich möglicher Partnerschaften und Eventkooperationen. Es gab Bedarf und eine große Offenheit dafür, sich mit den Themen Diversität, Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit auseinanderzusetzen.

Die Zielsetzung von WiGH ist es, Frauen, die in der Wasserstoffbranche tätig sind, zu vernetzen und zu empowern. Das Netzwerk bietet Veranstaltungen zur Weiterbildung an – sowohl zur fachlichen als auch zur methodischen –, aber eben auch zum Netzwerken und zum Erfahrungsaustausch. Ein wichtiges Element von WiGH ist die Experten-Datenbank auf der Homepage. Dort sind H2-Expertinnen aus verschiedenen Ländern und Sektoren gelistet. Mittlerweile haben sich mehr als 950 Frauen aus über 70 Ländern registriert. Vor allem unterstützt die Datenbank Veranstalter dabei, geeignete SpeakerInnen zu finden.

WiGH pflegt mittlerweile über 18 feste Partnerschaften, unter anderem mit den World Hydrogen Leaders und der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung. Unsere Partner verpflichten sich dazu, künftige Veranstaltungen so zu planen, dass auf jedem Podium mindestens 30 Prozent Frauen vertreten sind. Dadurch ermöglichen wir es den Frauen in unserem Netzwerk, eine größere Sichtbarkeit zu erreichen, und natürlich unterstützen wir unsere Partner durch die Vermittlung passender Expertinnen.

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Gemeinsam mit den Partnern organisieren wir auf deren Konferenzen Workshops oder Vernetzungsformate. Im nächsten Jahr werden wir dies für große Konferenzen wie die Reuters Hydrogen Conference (09. bis 10.04.2024 in Amsterdam), den World Hydrogen Congress (01. bis 02.10.2024 in Kopenhagen) und die hy-fcell (08. bis 09.10.2024 in Stuttgart) anbieten. WIGH wird zudem vermehrt in Lateinamerika auftreten, zum Beispiel auf der Conferencia Latinoamericana CEGEN LAC im Februar in Mexico und dem 4th Hydrogen Congress for Latin America and the Caribbean im Juni in Santiago de Chile.

Auch unser Mentorinnen-Programm findet dieses Jahr zum dritten Mal statt – mit einer Rekordzahl von 180 Mentoren und Mentees. Insgesamt haben schon über 350 Frauen aus über 50 Ländern an dem WiGH-Mentorinnen-Programm teilgenommen. Es handelt sich dabei um ein Online-Programm, das Mitte 2021 ins Leben gerufen wurde. Wir möchten dadurch junge Fachleute in der Wasserstoffbranche in der Anfangsphase ihrer Laufbahn unterstützen und fördern. Wasserstoffexpertinnen aus der ganzen Welt helfen dabei, die beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten der neuen Führungskräfte in diesem Sektor zu verbessern. Physische Treffen bei geeigneten Gelegenheiten werden als wertvolle Ergänzung der Mentor-Mentee-Beziehung betrachtet.

Vereinsgründung als Meilenstein

Im Jahr 2023 konnten wir zwei besondere Highlights feiern: Wir haben unseren ersten regionalen Hub in Lateinamerika gegründet, der aus Verónica Chorkulak (WiGH Argentina), Nicole Gutiérrez (WiGH Colombia), Nuria Hartmann (WiGH Chile) und Maria Miller (WiGH Brazil) besteht. Auch wenn das Netzwerk von Anfang an weltweit agiert, können wir mithilfe von regionalen Hubs stärker auf die spezifischen Aktivitäten vor Ort reagieren. Wir freuen uns darüber, dass wir Frauen, die in ihren Ländern das Thema Wasserstoff und Gender Awareness vorantreiben wollen, ein Dach bieten können.

Ein zweiter großer Meilenstein war die Gründung von WiGH als Verein im Oktober 2023. Bislang hatte die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit als unsere Andockstelle fungiert und uns, gerade in der Anfangsphase, unterstützt. Da unser Netzwerk kontinuierlich wächst, haben wir uns dazu entschieden, uns auszugründen: Schrittweise planen wir nun den Aufbau einer eigenen Geschäftsstelle, um unseren Impact und unsere Schlagkraft zu erhöhen.

Das Jahr 2024 steht damit für uns im Zeichen des strategischen und strukturellen Wandels. Der Vereinsstatus wird es uns ermöglichen, Fördermittel zu beantragen, Spenden zu verwalten und an Forschungsprojekten teilzunehmen. Er ermöglicht es uns auch, unsere professionelle Arbeitsstruktur zu stärken, Freiwilligen die Kosten zu erstatten, ein Büro zu mieten und Personal einzustellen. Die rechtliche Struktur einer NGO gewährleistet auch die Fortführung des demokratischen Austauschs und der Entscheidungsprozesse innerhalb des Teams. Da das deutsche Recht diese Vorteile und Strukturen zulässt, haben wir beschlossen, das Netzwerk in Deutschland zu registrieren. Unser Ziel ist es nach wie vor, Frauen weltweit zu vernetzen und das Netzwerk in alle Regionen der Welt auszuweiten.

Mit der neuen Struktur hoffen wir auch, unsere Ziele noch besser umzusetzen. Da unsere Arbeit bislang ausschließlich ehrenamtlich organisiert war, fehlte es häufig an Ressourcen, um auf politische Entscheidungsprozesse einzuwirken. Wir sehen es aber als unsere Aufgabe an, neben öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen dafür zu sorgen, dass Gender Equality im Wasserstoffsektor auch in politischen Gremien und Unternehmensvorständen gelebt wird. Zudem möchten wir stärker dazu beitragen, dass die strukturellen Gründe für Gender Inequality angegangen werden: Dazu gehören das Pipeline-Problem – der bereits geringere Anteil weiblicher Personen in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) –, aber auch der Gender Pay Gap. Die Herausforderungen sind also zahlreich. Umso erfreulicher ist es, dass WiGH diese Aufgaben ab sofort mit größeren Ressourcen angehen wird.

Autorin: Julia Epp, Mitgründerin von Women in Green Hydrogen, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Eine kniffelige Angelegenheit

Eine kniffelige Angelegenheit

Fliegen mit Brennstoffzellen und flüssigem Wasserstoff?

In der Forschung dienen Drohnen mit Brennstoffzellen (BZ) und flüssigem Wasserstoff als Modell für eine klimaschonendere Luftfahrt. Die unbemannten Fluggeräte zeigen jedoch auch, welche Hürden es noch zu überwinden gilt. Raketentechnik hilft dabei nicht.

Auf der Elbinsel Hamburg-Finkenwerder empfängt den Besucher ein bizarrer Kontrast zwischen gestern und morgen: Nicht weit von einer beschaulichen Backstein-Siedlung aus den 1950er-Jahren liegt das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL), ein futuristischer Gebäudekomplex mit Hallen, Laboren und Büros. Rund 600 Menschen aus aller Welt arbeiten hier daran, die Zukunft der zivilen Luftfahrt umweltverträglicher und im besten Fall klimaneutral zu machen. Der silberfarbene „Turm“ am Eingang verkündet das Forschungsziel bereits mit der Aufschrift: „Hydrogen. Flying green tomorrow.“ Dabei handelt es sich um einen 20 Meter hohen Tank, gefüllt mit gasförmigem Wasserstoff mit einem Druck von 45 bar.

Vom Empfang aus geht es durch lange Flure in den zweiten Stock, von wo aus sich der Blick in die sogenannte Akustikhalle öffnet. Im Prinzip ein Hangar, in dem es ein wenig nach Kunststoff riecht. An den Wänden verlaufen unzählige Rohre, zum Beispiel für Stickstoff, Wasserstoff oder Pressluft. Man hört das Summen und Surren von Aggregaten und Schaltanlagen sowie das Rauschen der Lüftung.

Im Brennstoffzellenlabor des ZAL zeigt Sebastian Altmann auf ein spinnenartiges Objekt aus schwarzer Kohlefaser: „Das ist unsere LiquiDrone, sozusagen der größere Bruder des ZALbatros.“ Beide Namen stehen für H2-Drohnen mit sechs Rotoren, die hier entwickelt wurden. Was bei der LiquiDrone in etwa so aussieht, als hätte man ihr eine rote Taucherflasche auf den Rücken geschnallt, ist ein karbonfaserverstärkter Tank mit gasförmigem Wasserstoff, komprimiert auf 350 bar, der für erste Flugversuche dient. Später wird er durch einen Flüssigwasserstofftank ersetzt. Unter dem Tank befinden sich zwei Kammern mit Brennstoffzellen, die das Gas zusammen mit Luft in Strom umwandeln, und der treibt die Elektromotoren an den Rotoren an.

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Der „kleinere Bruder“ ZALbatros, der mit ausgeklappten Rotoren gut zwei Meter im Durchmesser misst, ist genau genommen eine Forschungsplattform, die als Basis für wissenschaftliche Projekte dient. Zwei Brennstoffzellensysteme mit einer Leistung von jeweils 800 Watt versorgen die Elektromotoren des Hexakopters mit Strom. „Das Startgewicht beträgt dank des Kohlefaserrumpfes nur etwas mehr als zwölf Kilogramm und er ist dennoch stabil“, erläutert Altmann. „Beim Flugtest erreichte der ZALbatros trotz teilweise böigen Windes eine Flugdauer von zwei Stunden und zehn Minuten. Batteriebetriebene Drohnen müssen oft schon nach einer guten halben Stunde wieder landen, um die Akkus zu laden oder zu wechseln.“

Flüssigwasserstoff für höhere Reichweiten

Doch auch diese schon verlängerte Flugzeit ist nur der Anfang. Denn jetzt wird im aktuellen Forschungsprojekt LiquiDrone der gasförmige Wasserstoff durch seine flüssige Variante (liquefied hydrogen, LH2) ersetzt. „Aufgrund der höheren Energiedichte könnte so eine Drohne bis zu zwölf Stunden im Einsatz sein“, erklärt Ingenieur Altmann, der das Brennstoffzellenlabor im ZAL leitet. Dabei ist eine Umstellung auf flüssigen Wasserstoff alles andere als einfach. Die Speichertechnik für das verflüssigte Gas ist ebenso herausfordernd wie dessen Regasifizierung im Flugbetrieb, die Betankung mit LH2 und die Integration des Ganzen in ein Betriebssystem.

Lösungen dafür sollen im Rahmen des LiquiDrone-Forschungsprojektes gefunden werden, das vom Bundesverkehrsministerium mit knapp 900.000 Euro gefördert wird. An dem Projekt beteiligen sich außer dem ZAL auch die Universität Rostock sowie die Unternehmen RST Rostock-Systemtechnik und BaltiCo.

Für die künftig längere Flugzeit muss der Zustand einer Drohne aus der Ferne komplett erfasst und überwacht werden. Dazu sind Sensoren notwendig, die verschiedene Parameter erheben: Von der Leistungsaufnahme der Motoren über die Betriebstemperatur der Brennstoffzellen bis zur Signalstärke der Funkverbindung.


Abb. 2: H2-Experte Vijay Siva Prasad mit einer
H2-Drohne

Ein Tank für die Speicherung von flüssigem Wasserstoff wurde bereits konzipiert und gebaut. Ein Schwerpunkt im Projekt ist die schwierige Frage, wie sich bei möglichst leichtem und kompaktem Tank-Design Wärmebrücken minimieren lassen, die dazu führen würden, dass der flüssige Wasserstoff unkontrolliert verdampft und wieder gasförmig wird. Dieses Phänomen, auch „boil-off“ genannt, ist seit langem bekannt, nicht zuletzt aus der H2-Forschung der Automobilbranche.

Da die Brennstoffzelle gasförmigen Wasserstoff verwendet, wird der Treibstoff aus der Gasphase im Tankinneren entnommen. Durch geschickte Wärmezufuhr soll die Verdampfungsrate innerhalb des Energiespeichers an den Verbrauch angepasst werden. „Auf diese Weise lässt sich fast jedes Gramm Wasserstoff im Tank nutzen“, sagt Altmann. „Das steigert die Effizienz und verlängert die Flugzeit.“ Parallel dazu haben Forscher der Universität Rostock ein Sensorsystem entwickelt, mit dessen Hilfe der Füllstand des Flüssigwasserstoffs überwacht werden kann. Momentan ist die LiquiDrone oft zum Zweck von Tests im Einsatz, die als Vorbereitung für den Flug mit flüssigem Wasserstoff dienen. Der erste LH2-Flug soll im Frühjahr 2024 stattfinden.

Luftfahrtbranche steht vor großen Herausforderungen

Unbemannte Fluggeräte eignen sich gut, um die komplexen Herausforderungen meistern zu können, die Brennstoffzellen und Wasserstoff mit sich bringen. Batteriebetriebene Drohnen sind bereits jahrelang im Einsatz; nun sollen mit ihrer Hilfe Erkenntnisse gewonnen werden, die später skaliert und im besten Fall auf Passagiermaschinen übertragen werden können. Im Vordergrund des LiquiDrone-Projektes steht außer den genannten Fragestellungen zudem eine höhere Leistung, so Altmann, bei der zugleich die Wirtschaftlichkeit beachtet werden soll.

Die Luftfahrt weniger umwelt- und klimaschädlich zu machen, ist inzwischen nicht nur das Ziel der Forschung, sondern der Branche insgesamt. Rund 3,5 Prozent trägt der Flugverkehr nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) weltweit zur menschengemachten Klimaerwärmung bei. In dieser Bewertung sind alle Faktoren der Luftfahrt enthalten, das heißt, zu den CO2-Emissionen auch der Ausstoß von Stickoxiden „sowie die Wirkung von Kondensstreifen und Kondensstreifen-Zirren.“


Abb. 3: Sebastian Altmann, Leiter des BZ-Labors (Senior Expert Fuel Cell Lab), vor einem modularen Teststand für Brennstoffzellensysteme, der am ZAL entwickelt wurde

Klimaneutralität in der Luftfahrt zu erreichen ist allein aus technischen Gründen noch schwieriger als in anderen Bereichen. Der Vorstoß in die dritte Dimension sowie die physikalischen Bedingungen in der bisher üblichen Reiseflughöhe erfordern entweder ganz eigene Lösungen oder zumindest Anpassungen der herkömmlichen Technik.

Allein die BZ-Technologie, im landgebundenen Verkehr auf der Straße und der Schiene erfolgreich erprobt, ist im Luftverkehr nicht so einfach zu handhaben. „Anders als bei Anwendungen am Boden birgt der geringe Umgebungsdruck sowie die limitierte Wärmeabfuhr von luftfahrttechnischen Brennstoffzellensystemen besondere Herausforderungen“, erklärt Florian Becker. „Das Wassermanagement ist relativ komplex, jedoch von zentraler Bedeutung, um einen effizienten und langlebigen Betrieb zu ermöglichen.“ Wie man diese Herausforderungen durch innovative Ansätze und Betriebsstrategien bewältigen kann, untersucht er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des DLR, ebenfalls im Brennstoffzellen-Labor des ZAL.

Nicht nur Airbus arbeitet an H2

Um die Erkenntnisse aus dem Labor in der Praxis zu testen, ist der Weg buchstäblich kurz: Nur drei Kilometer entfernt liegt das Werk des Flugzeugherstellers Airbus, der sich ebenfalls am ZAL beteiligt. Der Branchenriese hat bekanntlich das Ziel verkündet, im Jahr 2035 eine Passagiermaschine auf den Markt zu bringen, die mithilfe eines Wasserstoffantriebs erheblich emissionsärmer als heutige Flugzeuge sein soll. Als drittgrößter Standort für die zivile Luftfahrt weltweit verfügt Hamburg über ein dicht geknüpftes Netz aus Hochschulen, Instituten und branchenspezifischen Firmen, die Forschung und Entwicklung mit Fokus auf Nachhaltigkeit betreiben. Dazu tragen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bei.

So hat beispielsweise der Ingenieur-Dienstleister Teccon, der allein im H2-Bereich 35 Mitarbeiter beschäftigt, das öffentlich geförderte Forschungsprojekt H2 Finity initiiert und die Mittel dafür eingeworben. Dabei geht es um die Entwicklung eines skalierbaren H2-Antriebsstrangs für leichte und mittlere Fluggeräte, die in einem Verbund aus KMU und unter Mitwirkung des ZAL umgesetzt wird.

„Anhand einer Drohne mit einer Spannweite von 3,5 Metern und 25 Kilogramm Startgewicht erproben wir den hybrid-elektrischen Antriebsstrang“, erklärt Jörg Manthey von Teccon, federführend für das Projekt zuständig. Der H2-Antriebsstrang werde optimiert und für höhere Leistungen weiterentwickelt. „Unser Ziel ist ein modular skalierbares Konzept, das von Tragflügel-Drohnen bis hin zu Kleinflugzeugen reicht, die dann einen umweltfreundlichen und leisen Antrieb besitzen sollen.“ Skalierbar bedeutet in diesem Fall, dass der gesamte Betrieb der Drohne schließlich auch mit 500 Kilogramm Startgewicht funktionieren soll.

Weil die Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren in der Luftfahrtbranche aus Sicherheitsgründen besonders aufwändig sind, denken die beteiligten Teams die notwendigen Verfahren gleich mit, betont Manthey, „damit die Technologie nach Projektende schnell eingesetzt werden kann“. Pionierleistungen wie der erste Flug mit flüssigem Wasserstoff einerseits und die mühselige LH2-Forschung an Drohnen andererseits sind kein Widerspruch, sondern gehören zusammen. Denn so wichtig solche Pilotflüge auch sind, geht damit nicht automatisch eine Lösung für eine industrietaugliche Serienproduktion einher.

Dass bemannte Flugkörper mit flüssigem Wasserstoff fliegen, kennt man seit Jahrzehnten aus der Raketenforschung. Allerdings sind Raketen bislang nicht wiederverwertbar, und wie schwierig der Weg dahin ist, kann die Öffentlichkeit ja an entsprechenden Experimenten von US-Raumfahrtunternehmen mitverfolgen. Der Umgang mit gasförmigem Wasserstoff ist erheblich einfacher als der mit flüssigem. „Abgesehen davon, dass LH2 erstmal hergestellt werden muss, braucht man dafür ein geeignetes Transportgefäß und ein Betankungssystem, das sich sicher bedienen lässt“, erklärt Manthey. „Das alles muss serientauglich sein und schließlich zertifiziert werden.“ Nur dann kann der Umgang mit dem klimaneutralen Treibstoff eines Tages so selbstverständlich werden wie heute mit Benzin oder Kerosin.


Abb. 4: Prinzipieller Aufbau eines Flüssigwasserstoffspeichers, wie er künftig in einer LiquiDrone getestet werden soll. Dieses Modell dient nur dazu, die Technik gegenüber Studenten oder Besuchern zu erklären.

Autorin: Monika Rößiger

Gruppenrotation wird Wasserstoff voranbringen

Gruppenrotation wird Wasserstoff voranbringen

Aktien aus dem Krypto-Universum und von vielen Hightech-Unternehmen erreichen derzeit neue Höchstkurse. Auch Rüstung boomt an der Börse angesichts der vielen, teils kriegerischen weltpolitischen Konflikte. Nur der Themenkomplex Wasserstoff und Brennstoffzelle führt noch ein Schattendasein mit Kursen auf Crash-Niveau, die aber die Perspektiven von nachhaltig erzeugter Energie und vor allem von Wasserstoff völlig ausblenden – noch.

Die Börse funktioniert auch immer nach dem Prinzip der Gruppenrotation, wonach immer genau die Branchen in den Fokus und ins Zentrum des Anlegerinteresses rücken, die bisher völlig vernachlässigt wurden, aber über hervorragende Perspektiven verfügen. Genau daher rührt meine Erwartung, dass nach fast drei Jahren fallender Aktienkurse nun allmählich die Trendwende einsetzt und ein nachhaltiger, langfristiger Aufwärtstrend an der Börse beginnt, der seine Basis in einem sehr hohen Unternehmenswachstum hat. Vielen Marktteilnehmern ist derzeit noch unklar, wie Wasserstoff in großen Mengen verfügbar werden könnte, dabei steht heute schon fest, dass die Produktionsmengen enorm steigen und die Preise fallen werden. Das alles geht aber nicht über Nacht: Riesige Kapazitäten an Elektrolyseurtechnologie – PEM, AFC, AEM, SOFC – müssen entstehen, um ausreichend Wasserstoff produzieren zu können.

Hydrogen economy is on its way and will come!

„Die H2-Wirtschaft ist auf dem Weg und wird kommen“, so das Fazit des H2-Forums in Berlin (19. und 20. Febr. 2024, s. S. 20). Ein Referent führte aus, dass wir jetzt, nach den übertriebenen Erwartungen, „aus dem Tal des Todes“ heraus- und auf dem Boden der Tatsachen angekommen seien. Jetzt gehe es darum, die Risiken abzuschätzen und in konkrete Projekte einzusteigen, die sich in Investitionen in den gesamten Themenkomplex Wasserstoff niederschlagen würden. Vom Reden zum Handeln.

Blicken wir visionär in die Jahre 2030, 2035 und 2040, so ist klar, was heute technologisch alles auf den Weg gebracht werden muss. Grüner und vorübergehend blauer Wasserstoff (erzeugt durch Erdgasreformierung – 70 Prozent weniger CO2) werden dominieren und den grauen Wasserstoff aus Erdgas CO2-frei ablösen. Regenerativ erzeugter Wasserstoff wird zum Rohstoff, der als Commodity an der Börse einen Marktpreis erhält. Diejenigen Produzenten, die über große Mengen an kostengünstiger regenerativer Energie (Sonne, Wind und Wasserkraft) verfügen und den notwendigen Zugang zu Wasser (vor allem Meerwasser) haben, erhalten ein handelbares Gut, das sie mit hohen Gewinnmargen auf dem Weltmarkt verkaufen oder selbst nutzen können.

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Für letzteren Fall ist zu beobachten, dass Länder mit idealen Rahmenbedingungen zunehmend darüber nachdenken, den erzeugten Wasserstoff durch den Aufbau entsprechender Industrien selbst vor Ort zu nutzen, statt ihn an Länder wie Deutschland zu verkaufen, da Energie ein sehr wichtiger Standortfaktor ist.

Wasserstoff und Börse

In Ländern wie China und einzelnen Regionen wie dem US-Bundesstaat Kalifornien entwickeln sich Wasserstoffstrategien, die Vorbildcharakter haben und auch als Blaupause für die Welt dienen. In China sollen bis 2025 über 1.200 H2-Tankstellen in Betrieb sein. Derzeit sind es etwa 400. Südkorea will langfristig mehr als 1.600 H2-Tankstellen im Land etablieren. Hier in Deutschland sind nach wie vor rund 100 in Betrieb.

Firmen mit Kapazitäten für Brennstoffzellen-Stacks sowie -Module für Nutzfahrzeuge stehen in den Startlöchern (Bosch, Cummins, Ballard, Hyzon, Toyota, Hyundai u. v. a.), denn diese Märkte werden riesig sein. Man kann von mehreren Millionen Lkw und Bussen ausgehen, die in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren auf Batterie und Brennstoffzelle (auch in Kombination) umgestellt werden. Auch Wasserstoffmotoren bekommen viel Aufmerksamkeit, verschiedene Prototypen wurden bereits entwickelt (Bosch, Cummins, Toyota).

Die Frage nach den richtigen H2-Aktien lässt sich insofern gut beantworten, als vor allem solche Unternehmen gewinnen werden, die über eine ausgereifte Technologie verfügen, robuste Geschäftsmodelle betreiben, lieferfähig sind und möglicherweise selbst von Consumable Hydrogen profitieren, wenn sie diesen kostengünstig selbst herstellen oder als Handelsgut vertreiben und nutzen können.

Hier winkt perspektivisch eine gute Gewinnmarge mit hohem Steigerungspotenzial. An der Börse gibt es allerdings gerade in Sachen Wasserstoff noch eine Phase der Enttäuschung, da erstens alles nicht so schnell geht und zweitens auch Rückschläge zu verkraften sind. Neben Fragen der Umsetzungsgeschwindigkeit geht es oft auch um regulatorische Fragen auf der Zeitschiene. Dass die Börse das Potenzial der Unternehmen mit deren Aktienkursen und Börsenbewertungen noch nicht erkannt hat, ist an den aktuellen Kursen unschwer abzulesen. Dass es aber zu einer völligen Neubewertung kommen wird, steht außer Frage, auch wenn es länger dauern wird. Haben Sie Geduld. Wir stehen erst am Anfang dieses neuen Mega-Trends – auch an der Börse. Warten wir auf die Gruppenrotation, dann geht alles ganz schnell.

Risikohinweis
Jeder Anleger sollte sich bei der Investition in Aktien immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bewusst sein und auch an eine sinnvolle Risikostreuung denken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien stammen aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, das heißt, es handelt sich nicht um Standardwerte, und auch die Volatilität ist deutlich höher. Diese Analyse stellt keine Kaufempfehlung dar. Alle Informationen basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen hinsichtlich der Bewertung ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, wobei der Fokus auf einer mittel- bis langfristigen Bewertung und nicht auf kurzfristigen Gewinnen liegt. Die hier vorgestellten Aktien können im Besitz des Autors sein. Es handelt sich nicht um eine Anlage- oder Kaufempfehlung, sondern lediglich um eine unverbindliche persönliche Einschätzung – ohne Obligo.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 15. März 2024

FuelCell Energy – Carbon Capture als Wachstumsstory?

FuelCell Energy – Carbon Capture als Wachstumsstory?

FuelCell Energy hat mit SOFC-Brennstoffzellenkraftwerken eigene Kapazitäten für saubere Energie im Umfang von 62,8 MW (Vorjahr: 43,7 MW) aufgebaut. Die eigene Hochtemperatur-Brennstoffzelle dient als Basis für den Einsatz in der Elektrolyse, wo das Unternehmen großes Potenzial für sich erkannt hat. Dazu kommen diverse Forschungsprojekte, unter anderem in Kanada, und man setzt auf die eigens entwickelte Carbon-Capture-Technologie, die Emissionen vermeiden und gleichzeitig emissionsfreie Energie erzeugen soll. So weit, so gut. Unweigerlich denkt man an Konkurrenten wie Bloom Energy, Sunfire und Ceres Power (indirekt auch Weichai Power und Bosch), die ähnliche Visionen und Technologieansätze wie FuelCell Energy verfolgen.

Was das alles an Auftrags- und Umsetzungspotential hat, erschließt sich mir leider noch nicht. Die Zahlen sind bisher ernüchternd: Das erste Quartal (Fiskaljahr 31.01.24) brachte einen Verlust von 44,4 Mio. US-$. Der Umsatz sank in dem Quartal auf 16,7 Mio. US-$. An Liquidität mangelt es dem Unternehmen nicht: 348,4 Mio. US-$ waren am 31. Januar 2024 auf dem Konto. Allerdings ist seit Jahren ein permanenter Kapitalabfluss zu verzeichnen, der durch ständige Aktienplatzierungen an der Börse über ein ATM-Programm gestützt wird. Projekte wie mit Exxon in Holland klingen vielversprechend, lassen aber keine Rückschlüsse auf das Potenzial zu. In Südkorea hat der ehemalige Partner Posco über seine Tochter Korea Fuel Cells die Option auf weitere Aufträge in Ergänzung zu einem früheren Projekt verfallen lassen. Kein gutes Zeichen.

Gemeinschaftsunternehmen mit ExxonMobil

Auf den ersten Blick klingt es vielversprechend: FuelCell Energy und ExxonMobil haben vereinbart, in Rotterdam eine Produktionsanlage für Carbon Capture zu bauen. Dabei geht es darum, CO2-Emissionen zu vermeiden bzw. CO2 zu speichern und nutzbar zu machen, ohne dass ein CO2-Fußabdruck entsteht. CCS steht für „Carbon Capture and Storage“. Nach erfolgreichem Einsatz direkt in der Nachbarschaft wichtiger Industrien könne das Projekt, das auf der Technologie von FuelCell Energy aufbaut, an allen Produktionsstandorten von ExxonMobil eingesetzt werden, an denen CO2-Emissionen anfallen. Der Prozess soll als Nebenprodukt Wärme erzeugen und die Produktion von grünem Wasserstoff ermöglichen.

Leider gibt es keinen Hinweis auf das genaue Investitionsvolumen (Invest seitens FuelCell Energy) und darauf, welches Auftragsvolumen sich daraus ableiten lässt. Jedenfalls wird das Projekt von der EU über den Emissions Trading System Innovation Fund finanziell unterstützt. ExxonMobil und FuelCell Energy arbeiten bereits seit einiger Zeit an den begleitenden Technologien, so dass dieses konkrete Projekt einen weiteren wichtigen Meilenstein darstellt.

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Das Cash-Polster sichert den Aktienkurs gut ab. Die Börse wird FuelCell Energy wiederentdecken, wenn gezeigt werden kann, wie mit Technologien wie Carbon Capture und SOEC Aufträge generiert und Geld verdient werden kann. Das wird noch dauern. Zum Trading ist die Aktie immer geeignet, da gute Nachrichten hier schnell zu größeren Kursausschlägen führen.

Risikohinweis

Jeder Anleger sollte sich bei der Investition in Aktien immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bewusst sein und auch an eine sinnvolle Risikostreuung denken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien stammen aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, das heißt, es handelt sich nicht um Standardwerte, und auch die Volatilität ist deutlich höher. Diese Analyse stellt keine Kaufempfehlung dar. Alle Informationen basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen hinsichtlich der Bewertung ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, wobei der Fokus auf einer mittel- bis langfristigen Bewertung und nicht auf kurzfristigen Gewinnen liegt. Die hier vorgestellten Aktien können im Besitz des Autors sein. Es handelt sich nicht um eine Anlage- oder Kaufempfehlung, sondern lediglich um eine unverbindliche persönliche Einschätzung – ohne Obligo.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 15. März 2024

Hintergründe zur Trennung des BMDV von Mister Wasserstoff

Hintergründe zur Trennung des BMDV von Mister Wasserstoff

Eigentlich hatte sich alles schon wieder beruhigt um die Causa Bonhoff, aber dann tauchten im Februar 2024 neue Informationen auf, die Bundesverkehrsminister Volker Wissing zum Anlass nahm zu handeln: Am 15. Februar entband er seinen Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten, Prof. Dr. Klaus Bonhoff, mit sofortiger Wirkung von dessen Dienstpflichten und versetzte zudem einen Referatsleiter. Anlass für die Entbindung war eine Diskrepanz im Rahmen eines Prozesses der Innenrevision im Verkehrsministerium. Zusätzliche Brisanz erhielt diese Affäre, als der Spiegel meldete, Wissing habe am 20. Februar „komplett die Bewilligung von Wasserstoffförderung“ gestoppt. Tatsächlich besteht jedoch kein Förderstopp. Es werden lediglich im Ministerium nochmalige Prüfungen durchgeführt, die zu Verzögerung führen können.

Aber der Reihe nach. Wir versuchen jetzt hier zu beleuchten, wer wie mit wem verbandelt ist und was wann geschah:

Es begann im Sommer 2023 mit einer Veröffentlichung des Handelsblatts über ein fragwürdiges Freundschafts- und Lobbynetzwerk. Der Verdacht der Vetternwirtschaft, der von unterschiedlicher Seite erhoben wurde, wird damit begründet, dass ein zu enges Geflecht an Kontakten zwischen verschiedenen Akteuren aus Politik und Wirtschaft bestehe. So wird Bonhoff vorgeworfen, dass er freundschaftlich mit Werner Diwald, dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Wasserstoff-Verbandes e. V. (DWV), sowie mit Dr. Oliver Weinmann, dem DWV-Präsidenten, verbunden sei und gemeinsam mit beiden in den Skiurlaub fahre. Weiter heißt es, Bonhoff habe dem DWV 2021 zu Fördermitteln verholfen.

Stefan Schnorr, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), wurde mit der Klärung dieses Sachverhalts beauftragt und gab laut Spiegel wenige Wochen später Entwarnung: „Keine Spur von Günstlingswirtschaft.“ Parallel dazu erhielt Bonhoff, insbesondere aus der Wasserstoffbranche, breite Rückendeckung.

Anfang 2024 kam dann aber alles nochmals hoch, nachdem der Spiegel aus dem E-Mail-Verkehr zwischen Bonhoff und Diwald zitierte (s. www.fragdenstaat.de). Daraus werde ersichtlich, so die Unterstellung, dass zwischen den Akteuren eine große Nähe und Vertrautheit bestehe.

Ungereimtheiten und Widersprüche

Tatsächlich lässt sich aus den offengelegten E-Mails ablesen, dass seitens des DWV gewisse Wünsche und Vorstellungen hinsichtlich einiger Fördermaßnahmen artikuliert wurden. So schrieb Werner Diwald beispielsweise im September 2021: „In Anbetracht der anstehenden Wahlen wäre es sicherlich gut, wenn ein Zuwendungsbescheid noch in dieser Legislaturperiode erteilt wird.“ (Spiegel, 6. Februar 2024)

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Bonhoff hatte daraufhin diese E-Mail an das zuständige Fachreferat im BMDV weitergeleitet, wobei er sich nach dem Sachstand erkundigt habe, wie er gegenüber HZwei erklärte. Wie Spiegel und Tagesspiegel Background einhellig darlegen, habe er zudem dieses Projekt „mündlich befürwortet“. Ebendiese Befürwortung wurde allerdings zuvor bestritten, was nun zu weitreichenderen Problemen im Bundesverkehrsministerium führen könnte.

LobbyControl sah es daraufhin als erwiesen an, dass es sehr wohl eine Günstlingswirtschaft gab. Am 16. Februar berichtet die Internetplattform dann darüber, dass tags zuvor das Verkehrsministerium eingeräumt habe, dass es „Ungereimtheiten und Widersprüche“ bei der Vergabe der Fördergelder gegeben und Verkehrsminister Wissing deswegen Abteilungsleiter Klaus Bonhoff von seinen Tätigkeiten entbunden habe.

„Das nötige Vertrauensverhältnis des Ministers zu dem Abteilungsleiter besteht nicht mehr fort.“ BMDV-Staatssekretär Stefan Schnorr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)

Darüber hinaus bemängelt LobbyControl, dass die Compliance-Regeln im Bundesverkehrsministerium unzureichend seien und Bonhoff bei der Vergabe von Fördergeldern nicht sauber zwischen privaten und dienstlichen Kontakten getrennt habe.

Zu enges Geflecht?

Klaus Bonhoff, der aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit in Führungsfunktionen im H2– und BZ-Sektor auch als „Mister Wasserstoff“ bezeichnet wird, hatte jahrelang bei Daimler an Brennstoffzellenautos gearbeitet, bevor er 2008 Geschäftsführer der Nationalen Organisation für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie GmbH (NOW – s. HZwei-Hefte Apr. 2011 & Okt. 2019) wurde. Von dort wechselte er ins Bundesverkehrsministerium. Sein Nachfolger bei der NOW wurde im Mai 2020 Kurt-Christoph von Knobelsdorff (s. HZwei-Heft Jan. 2021).

Aufgrund seiner umfangreichen Expertise war er viele Jahre lang auf zahlreichen Branchen-Events ein gerngesehener Gast, da er auch als versierter Redner gilt, der sehr diplomatisch und präzise formuliert. Verständlich, dass insbesondere der DWV seine Nähe suchte, da in diesem Verband viele wesentliche deutsche Industrieunternehmen aus der H2-Community Mitglied sind und Bonhoff als NOW-Sprecher Hauptansprechpartner für die Beantragung von Fördermitteln im Wasserstoffsektor war. Die Bewilligung oblag hingegen damals und obliegt auch heute noch dem Projektträger Jülich (PtJ).

Die Rolle des DWV

Der DWV hat sich im Laufe der Jahre – insbesondere unter der Führung von Werner Diwald – von einem engagierten Verein motivierter Idealisten zu einem industriellen Lobby-Verband entwickelt. Einige der ursprünglichen Mitglieder, die eher die ideellen Ansätze unterstützten, kehrten deswegen dem Verband in den vergangenen Jahren den Rücken. Einige von ihnen drängten immer wieder auf weniger Industriehörigkeit und mehr Transparenz. Zuletzt legte zum Jahreswechsel Dr. Johannes Töpler, langjähriger DWV-Vorsitzender, seine Ernennung zum DWV-Bildungsbeauftragten nieder, weil er unter anderem das von ihm für elementar erachtete Thema der Aus- und Weiterbildung in der Verbandsarbeit nicht mehr angemessen berücksichtigt und gewürdigt sah.

Der DWV ist offiziell ein eingetragener Verein. Diwald setzte sich über die Jahre für die Einrichtung verschiedener Fachkommissionen ein, bei denen die mitwirkenden Firmen hohe Beiträge bezahlen, damit der DWV, unter anderem auf dem politischen Parkett in Berlin und Brüssel, deren Interessen vertreten kann. So werden regelmäßig politische Abende und Wirtschaftsgespräche organisiert, wo Repräsentanten aus Industrie und Politik zusammenkommen, so wie es heutzutage bei Verbänden üblich ist. Eine dieser Fachkommissionen, HyMobility, hat 2021 einen Millionen-Euro-Betrag an Fördergeldern über das PtJ, also aus dem Etat des Bundesverkehrsministeriums, zugesprochen bekommen, was nun Bonhoff vorgeworfen wird.

LobbyControl kritisiert in diesem Zusammenhang: „Es ist ungewöhnlich und fragwürdig, dass ein Wirtschaftslobbyverband wie der DWV einen staatlichen Zuschuss für Aufgaben bekommt, die er ohnehin tut: Netzwerke pflegen und Lobbyarbeit betreiben.“

Bonhoff entgegnete darauf gegenüber HZwei: „Die Förderung von HyMobility erfolgt analog zu dem vom BMUV geförderten Vorhaben HySteel, das zeitlich vor HyMobility bewilligt wurde.“ Genau darüber hatte am 7. Februar 2024 Tagesspiegel Background berichtet: „Das Ministerium [Bundesumweltministerium; Anm. d. Red.] ist mit dem Projekt zufrieden. ‚Solche Netzwerk-Bildungen sind effektiv und erfolgreich, dienen dem Best-Practice-Austausch und der Gründung von horizontalen und vertikalen Partnerschaften bei der Erforschung, Erprobung und Produktion.‘“

„Das Projekt HyMobility wird im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie mit insgesamt 1,8 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt.“

https://dwv-hymobility.de/organisation/

Unter den insgesamt 22 Mitgliedern von HyMobility sind auch die NOW GmbH sowie die H2 Mobility Deutschland GmbH & Co. KG. H2 Mobility ist ein Zusammenschluss verschiedener Automobil-, Industriegas- und Mineralölunternehmen sowie einem Investmentfonds, der sich um den Aufbau von H2-Tankstellen in Deutschland kümmert. So gut wie jede Station, die von dieser Berliner Gesellschaft errichtet und betreut wird, wird mit annähernd 50 Prozent Fördermitteln aus europäischen, Bundes oder Landesmitteln bezuschusst. Einer von drei Geschäftsführern ist seit April 2023 Lorenz Jung (s. HZwei-Heft Okt. 2023), nach Angaben von LobbyControl der Schwiegersohn von Dr. Oliver Weinmann. Jung, dessen Ehefrau (Weinmanns Tochter) bei der NOW in der Kommunikationsabteilung arbeitet, war quasi seit der Gründung leitender Mitarbeiter des Unternehmens.

Die Rollen von Weinmann und Diwald

Weinmann ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des damaligen Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands (s. HZwei-Heft Okt. 2010). Der gebürtige Hamburger arbeitete zunächst für die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), die 2001 mehrheitlich von dem schwedischen Großkonzern Vattenfall Europe übernommen wurden. Von 2010 bis Juli 2023 war er Geschäftsführer der Vattenfall Europe Innovation GmbH, dann war er Head of Innovation Management bei der Vattenfall Europe AG. Seit 2020 ist er zudem ehrenamtlich Präsident des DWV. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des NOW-Beirats, stellvertretender Vorsitzender der Wasserstoffgesellschaft Hamburg e.V. und hat bzw. hatte – laut seiner eigenen HyAdvice-Homepage, über die er freiberuflich Beratungsdienstleistungen, auch zu Fördermitteln, anbietet – weitere Führungspositionen inne, unter anderem bei Hydrogen Europe sowie beim Bundesverband Energiespeicher (BVES).


Dr. Oliver Weinmann bei einem parlamentarischen Abend 2022 in Berlin

Ähnlich, wie Weinmann mit HyAdvice agiert, verfährt Diwald mit der PtXSolutions GmbH, ehemals ENCON.Europe GmbH. Über diese Firma berät der DWV-Vorsitzende nebenbei Institutionen wie DWV, Encon Energy EOOD (ENCON-Tochterfirma), Enertrag (ehemaliger Arbeitgeber), NOW, Performing Energy (DWV-Think-Tank), Vattenfall Europe Innovation usw. Ursprünglich hatte ENCON.Europe einige Tätigkeiten für den DWV übernommen (s. HZwei-Heft Okt. 2020). Nach Aussage Diwalds trug die ENCON.Europe GmbH damals erheblich dazu bei, die Sichtbarkeit des DWV zu steigern, ohne selbst großartig in Erscheinung zu treten. Sie habe exklusiv den DWV und die Fachkommission Performing Energy als Markennamen im politischen Umfeld platziert und im Interesse des Verbands gehandelt. Zum Team zählte seit 2017 unter anderem Dennitsa Nozharova, die Ehefrau von Werner Diwald, die gleichzeitig auch für den DWV arbeitete und auch für Encon Energy EOOD tätig ist.


Werner Diwald ist seit 2014 DWV-Vorstandsvorsitzender

Performing Energy war die erste Fachkommission, die der DWV 2015 auf Diwald Bemühungen hin initiierte, nachdem er selbst dieses Bündnis für Windwasserstoff im Jahr 2011 gegründet und den Sprecherposten übernommen hatte (s. HZwei-Heft Jan. 2012). Neben Enertrag und Vattenfall sind dort noch weitere Mitgliedsfirmen beteiligt, die auch in anderen Gruppierungen dieses Netzwerks mitwirken.

Werner Diwald bezog zu diesem Sachverhalt gegenüber einigen Vereinsmitgliedern Stellung mit den Worten (E-Mail liegt der HZwei-Redaktion vor): „Die Verdachtsvermutungen der Medien über einen möglichen Verstoß seitens des DWV gegen Compliance-Regeln in Bezug auf die Beantragung der Förderung des Innovationsclusters HyMobility sind unbegründet. […] Eine unzulässige Einflussnahme durch den DWV hat nicht stattgefunden. Der DWV lässt sich seine satzungsgemäße Arbeit nicht fördern. […] Aufgrund der Förderung des Innovationsclusters HyMobility durch das BMDV hat sich der DWV somit eindeutig nicht in eine Abhängigkeit der Regierung begeben.“

Darüber hinaus gab es bislang von Seiten des DWV keine offizielle Stellungnahme – außer der Verweigerung der „Freigabe“ mehrere Passagen dieses Textes, weil sie „nichts mit dem gesamten Vorgang zu tun“ hätten und „nur zur Erzeugung einer unberechtigten Verdachtsvermutung“ dienten, nachdem die HZwei-Redaktion bei Diwald und Weinmann vor der Online-Veröffentlichung um eine Rückmeldung gebeten hatte.

H2-Fördergelder eingefroren

Den zwischenzeitlichen Höhepunkt erfuhr diese Affäre am Dienstag, nachdem der Spiegel berichtete, dass der Bundesverkehrsminister alle Fördergelder für H2-Projekte eingefroren habe. Demnach sollten vorerst keine Gelder für diesen Sektor mehr bewilligt und auch keine Verträge mehr abgeschlossen werden. Selbst Änderungsbescheide bedürften einer Freigabe von Staatssekretärsebene, hieß es.

Eine BMDV-Pressesprecherin stellte diesbezüglich allerdings am 21. Februar in einer Pressekonferenz klar, dass das Ministerium „nicht die Wasserstoffförderung als solche gestoppt“ habe, sondern sorgfältigere Prüfungen von Förderanträgen vorgenommen werden. Diese „fokussieren sich derzeit auf das Bewilligungsverfahren für die Fördervorhaben HyMobility des DWV“. Sollten sich im Rahmen der Untersuchung entsprechende Anhaltspunkte ergeben, werden gegebenenfalls auch weitere Fördervorhaben näher beleuchtet.

Anlass für dieses verschärfte Vorgehen scheint die Causa Brunner zu sein. Hierbei geht es unter anderem um den E-Mail-Verkehr über einen privaten GMX-Account, über den Klaus Bonhoff unter anderem mit dem bayerischen Unternehmer Tobias Brunner, Geschäftsführer der Cryomotive GmbH sowie der Hynergy GmbH und zentrale Figur beim Aufbau des Wasserstoff Technologie- und Anwenderzentrums (WTAZ) in Pfeffenhausen, kommuniziert hat. LobbyControl moniert diese „Nutzung eines privaten Mailaccount für dienstliche Kommunikation“, weil dieser Mailverkehr der ministeriumsinternen Innenrevision nicht bekannt war und somit auch nicht in deren Abschlussbericht entsprechend Berücksichtigung hatte finden können. Hierbei geht es um 14 GB an Daten, die jetzt gesichtet werden müssen.

Autor: Sven Geitmann

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