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Beitrag von Sven Geitmann

27. Januar 2025

Titelbild: Marco Lazzaroni

Bildquelle: UFI Hydrogen

Die Wasserstoffwirtschaft muss sich schneller weiterentwickeln

Interview mit Marco Lazzaroni, CEO von UFI Hydrogen

UFI Hydrogen mag vielen Akteuren in Deutschland bisher noch nicht so bekannt sein. Das Unternehmen mit Sitz in der Nähe von Trient gehört zur weltweit tätigen UFI Group, die 57 Handelsniederlassungen und 22 Werke auf der ganzen Welt unterhält, u. a. in Europa, Tunesien, China, Indien, Korea und Brasilien. Deren Produkte, hauptsächlich Filter und Komponenten für das Wärmemanagement, werden in vielen Sektoren benötigt. HZwei sprach mit Marco Lazzaroni, CEO des jüngsten Unternehmens der UFI-Gruppe, UFI Hydrogen, über die aktuelle Wirtschaftslage in Europa, das Potenzial der Wasserstoffwirtschaft und natürlich über die Ambitionen der Italiener im H-Geschäft.

HZwei: Herr Lazzaroni, Sie kommen gerade vom Deutsch-Italienischen Energieforum der Italienischen Handelskammer für Deutschland (ITKAM). Welche Eindrücke haben Sie aus Frankfurt am Main mitgenommen?

Lazzaroni: Ich hatte einen sehr guten Eindruck von der Veranstaltung. Sie bot eine wichtige Gelegenheit, Kontakte zu den Akteuren entlang der H2-Wertschöpfungskette am deutschen Markt zu knüpfen.

Sie waren dort unter anderem auf dem Podium und haben über das Potenzial von grünem Wasserstoff zur Dekarbonisierung der europäischen Industrie diskutiert. Was ist Ihre Quintessenz aus diesem Austausch?

In den deutsch-italienischen Beziehungen steckt eine Menge Potenzial: Zum einen in Bezug auf die Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff im Rahmen des SoutH2-Korridor-Projekts. Das ist die 3.300 km lange H2-Pipeline, die Nordafrika, Italien, Österreich und Deutschland verbinden soll, aber eben erst noch geschaffen werden muss. Ziel ist es, die europäische Industrie mit wettbewerbsfähigem grünem Wasserstoff zu versorgen. Italien spielt in diesem Korridor eine entscheidende Rolle. Das italienische H2-Backbone-Netz besteht aus rund 2.300 km Pipelines und mehreren Hundert Megawatt starken Verdichterstationen, die bis 2030 zu reinen Wasserstoffanlagen werden sollen.

Zum anderen eröffnen neue Technologien zur Gewinnung und Nutzung von Wasserstoff in der Industrie viele Chancen für eine europäische Zusammenarbeit. UFI Hydrogen wird dank seiner neuen Produktionsanlage in Serravalle, südlich von Trient im Zentrum eines der wichtigsten Wasserstofftäler Italiens, eine wichtige Rolle spielen. Wir sind zudem auch in Tunesien aktiv und arbeiten am Mattei-Plan für eine grüne H2-Pilotanlage mit, die über den SoutH2-Korridor Wasserstoff nach Europa bringen soll.

Ihre Muttergesellschaft ist in den vergangenen Jahren stark expandiert, hat mittlerweile 22 Standorte weltweit aufgebaut und beschäftigt über 4.400 Mitarbeiter. Können Sie bitte kurz erläutern, was die UFI Group macht?

Die 1971 gegründete UFI Filters Group ist ein weltweit führender Anbieter von Filtrationstechnologie und Wärmemanagement. Das Unternehmen bedient eine Vielzahl von Sektoren – von der Automobilindustrie über die Luft- und Raumfahrt und die Schifffahrt bis hin zu spezialisierten industriellen und kundenspezifischen hydraulischen Anwendungen. UFI-Produkte finden sich in allen Arten von Fahrzeugen wieder – von Ferrari und anderen Top-F1-Teams bis hin zur europäischen ExoMars-Raumsonde. Seit sieben Jahren nun fokussiert UFI sich auch auf das Wasserstoffgeschäft. Es ist das große Bestreben unseres Chairman und Eigentümers Giorgio Girondi, eine aktive Rolle bei der grünen Transformation der Wirtschaft zu spielen. Die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in der Gruppe spiegeln sich in 320 Patenten wider. Unsere Innovationen sind auch die Grundlage für die Etablierung unseres Wasserstoffgeschäfts.

Ihr Unternehmen UFI Hydrogen ist eine Tochter der UFI Group und wurde erst 2023 gegründet. Was bieten Sie an, was Ihre Muttergesellschaft nicht schon bereithält?

Wie Sie wissen, entwickelt sich grüner Wasserstoff zu einer der vielversprechendsten Lösungen zur Dekarbonisierung unserer Wirtschaft. UFI Hydrogen steht mit an der Spitze dieser Entwicklung und treibt die Innovation durch die Entwicklung von katalysatorbeschichteten Membranen voran. Unsere Membranelektrodeneinheiten, kurz MEAs, sind für vier verschiedene Anwendungsarten geeignet: für die Produktion von grünem Wasserstoff durch Wasserelektrolyse, die emissionsfreie Stromerzeugung mit Brennstoffzellen, die Produktion von E-Fuels durch die Umwandlung von CO2 sowie für elektrochemische Kompressoren für grünen Wasserstoff. Unsere Mission ist es, durch innovative Lösungen die Industrialisierung der Wasserstoffwirtschaft voranzubringen.

Sie haben unter anderem eine patentierte Membrantechnologie, ist das richtig?

Ja, unser Vorzeigeprodukt sind Membranen für die Wasserelektrolyse, die mit Platin und auch mit Iridium als Katalysatoren beschichtet sind, mit die teuersten Materialien der Welt (MEA UFI.Iridium™). Diese Membranen ermöglichen eine effiziente Trennung von Wasserstoff und Sauerstoff und stellen eine Schlüssellösung für die großtechnische Produktion von grünem Wasserstoff dar. UFI Hydrogen wird diese Innovation bereits Anfang 2025 mit einer leistungsstarken Technologielösung auf den Markt bringen. Sie wird die Produktionskosten für Wasserstoff deutlich senken und die Technologie somit erschwinglicher und nachhaltiger für den Einsatz im industriellen Maßstab machen. Die zweite Produktlinie, die auf Brennstoffzellenmembranen (MEA UFI.Platinum™) basiert, ermöglicht die Umwandlung von grünem Wasserstoff in Strom über Brennstoffzellen. Dies bietet zukunftsweisende Lösungen für emissionsfreie Mobilität und auch für stationäre Anwendungen. UFI Hydrogen will diese Technologie bis 2026/2027 auf den Markt bringen, mit dem Ziel, eine grüne, PFAS-freie MEA-Membran zu entwickeln, die frei von Fluorpolymeren und somit absolut umweltfreundlich ist.

Die MEA-UFI-Membranen können darüber hinaus für die Elektrolyse von CO₂ zur Herstellung von E-Treibstoffen verwendet werden, was eine große strategische Bedeutung für den Verkehrsmarkt (Automobil, Luftfahrt und Schifffahrt) hat, sowie für elektrochemische Kompressoren. Letztere eröffnen einen völlig neuen Markt, da sie in der Lage sind, Gas ohne bewegliche mechanische Teile zu verdichten. Dadurch werden die Betriebskosten gesenkt, die Energieeffizienz verbessert und die für herkömmliche Kompressoren typischen Verschleiß- und Wartungsprobleme beseitigt. Da diese Kompressoren in der Lage sind, hohe Drücke zu erreichen, sind sie von entscheidender Bedeutung für die Speicherung und Verteilung von grünem Wasserstoff – zwei Schlüsselprozesse, die seine Akzeptanz sowohl in der Industrie als auch im Transportwesen sicherstellen.

Warum sind Sie erst jetzt in das H2-Geschäft eingestiegen?

Wir haben seit 2017 intensiv geforscht, um etwas Revolutionäres zu entwickeln, von dem wir glauben, dass wir es jetzt anbieten müssen, um die Wasserstoffproduktion und -umwandlung zu industrialisieren. Die Wasserstoffwirtschaft muss sich schneller weiterentwickeln als bisher, und wir haben die Technologie, um die Produktion und Speicherung von Wasserstoff erschwinglich zu machen und somit wettbewerbsfähige Preise für diese erneuerbare Energie zu erreichen.

UFI Hydrogen ist das einzige italienische Unternehmen, das von der Kommission im Rahmen des europäischen Hy2Move-Projekts im IPCEI-Kontext gefördert wird. Worum geht es bei diesem Projekt?

Das Ziel dieses Projekts ist es, die Emissionen im Mobilitäts- und Transportsektor bis 2050 um 90 Prozent zu reduzieren, in Übereinstimmung mit dem europäischen Green Deal. UFI Hydrogen fördert im Rahmen des IPCEI-Projekts Hy2Move die Entwicklung innovativer MEAs für Brennstoffzellen, die für Sektoren wie den Straßenverkehr, die Schifffahrt, die Luftfahrt und stationäre Anwendungen bestimmt sind.

Ich habe gehört, dass Ihr Chairman und Firmeneigentümer der UFI Group, Giorgio Girondi, enge Kontakte zur italienischen Regierung unterhält und sogar EU-Parlamentarier berät. Können Sie die Rolle, die er spielt, genauer beschreiben?

Herr Girondi wurde jüngst zum Berater der italienischen Delegation im Europäischen Parlament für Italien, Europa und China ernannt. Das ist eine Ehre und Verpflichtung zugleich. Mit 42 Jahren Erfahrung durch die weltweite Expansion der UFI Gruppe, deren Umsatz sich von einst zwei Millionen auf zuletzt fast 600 Millionen Euro entwickelt hat, ist seine Expertise sicher sehr wertvoll für die Politik. Insbesondere sein Fachwissen und seine Einblicke in die Produktion der UFI Group in China sind sehr interessant für die Intensivierung der Beziehungen zwischen Europa und China, die Förderung wertvoller industrieller Investitionen und gemeinsame Wachstumsmöglichkeiten.

Auch für die UFI Group selbst ist China ein sehr wichtiger Markt. In mittlerweile sieben Produktionsstätten in China sind 1.800 Mitarbeiter der UFI Group für ein Drittel unseres Umsatzes verantwortlich. In Jiaxing hat unsere Gruppe erst im Mai UFI GREEN gegründet, den ersten Industriestandort in China, der sich ganz den grünen Technologien widmet. Künftig wird UFI Hydrogen auch 5.000 Quadratmeter in Jiaxing innerhalb von UFI GREEN belegen, um die Entwicklung fortschrittlicher Lösungen für die Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff in China zu beschleunigen. Um diese Expansion zu unterstützen, hat UFI Hydrogen eine Absichtserklärung mit Sinopec, Chinas größtem Öl- und Petrochemieunternehmen, unterzeichnet, um neue Lösungen für grünen Wasserstoff zu erforschen und in den chinesischen Energiemarkt einzubringen.

Sie gehen offenbar von einem schnell wachsenden Markt aus. Auch in Ihrem Heimatmarkt Italien bauen Sie derzeit eine neue Produktionsstätte in der Nähe von Verona. Was wird dort produziert werden?

Das ist richtig. Wir sind gerade dabei, die neuen Räumlichkeiten in Serravalle, das liegt zwischen Trient und Verona, zu beziehen. In der neuen 14.000 Quadratmeter großen Industrieanlage werden zunächst rund 30 Mitarbeiter beschäftigt sein, darunter Forscher, Techniker und Produktionsmitarbeiter für die Fertigung unserer MEA-Technologie, die im Januar 2025 mit den erwähnten Membranen für die Wasserelektrolyse und den Brennstoffzellenmembranen beginnen soll. Für die nächsten vier Jahre rechnet das Unternehmen mit einer Investition von rund 50 Mio. Euro und der Schaffung von rund 100 neuen Arbeitsplätzen in der Region.

Sehen Sie bereits eine steigende Nachfrage nach Ihren Membranen, oder sind die Bedarfe noch gering?

Es gibt definitiv eine wachsende Nachfrage. Wir befinden uns jetzt in der Phase des Markteintritts mit unserer Technologie, die besonders effizient ist und eine sehr hohe Wasserstoffproduktion bei geringerem Energieverbrauch ermöglicht. Mehrere internationale Kunden haben sich bereits mit uns in Verbindung gesetzt, um unsere MEAs zu bewerten und zu erwerben. Ab Januar 2025 werden wir in unserer neuen Anlage in Serravalle die industrielle Produktion aufnehmen.

Vor kurzem haben wir gelesen, dass Giorgio Girondi nach Partnern im H-Sektor sucht und gegebenenfalls UFI Hydrogen auch an die Börse bringen möchte? Stimmt das, und wenn ja, wie ist der aktuelle Stand?

Wir sind auf der Suche nach operativen und strategischen Partnern, das ist richtig. Ein Börsengang wäre ein möglicher weiterer Schritt auf unserem Weg in die Zukunft. Im Moment sind 100 Prozent der Anteile inhouse, das heißt, UFI Hydrogen gehört zur Hälfte der UFI Filters Group und zur anderen Hälfte direkt der Giorgio Girondi Holding Group. UFI Hydrogen ist mittlerweile eine Aktiengesellschaft, Società per azioni (S.p.A.). Diese neue Rechtsform gibt uns genügend Spielraum, um externe Investoren aufzunehmen.

Im Moment suchen wir in Deutschland, unserem Kernmarkt in Europa, nach Partnern, um unsere Technologie weiterzuentwickeln und für spezielle Bedarfe auszurichten. Wir glauben fest daran: Um eine zukünftige europäische H2-Wirtschaft zu gestalten, müssen wir in Europa unsere Innovationskraft zusammenbringen, wenn wir durchschlagenden Erfolg anstreben. So wie wir es auch bereits im IPCEI-Projekt tun, wo wir in Deutschland, das mag für Ihre Leser interessant sein, unter anderem mit BMW, Airbus und dem Familienunternehmen Neumann & Esser zusammenarbeiten. Darüber hinaus haben wir bereits laufende strategische Beziehungen zu allen großen deutschen Wasserstoff-Beteiligungsgesellschaften.

Nun klagen ausgerechnet die deutschen Wirtschaftsunternehmen seit Monaten über einen Nachfragerückgang und fehlende Planungssicherheit. Berührt Sie das, und wie ist die Stimmung in Italien?

Italiens Wirtschaft hatte das Glück, nicht wie die deutsche zu schrumpfen, aber das Wachstum hat sich auch verlangsamt. Dennoch sind wir sehr optimistisch für die Wasserstoffindustrie insgesamt, da der Markt die H2-Supply-Chain stärkt. In Italien hat die Regierung kürzlich erst die Nationale Wasserstoffstrategie veröffentlicht, die eine klare Richtung vorgibt und die zeigt, dass Italien von der Schlüsselrolle des Wasserstoffsektors für die Dekarbonisierung und die Energiesicherheit des Landes überzeugt ist. Das stimmt auch die Investoren zuversichtlich.

Interview: Sven Geitmann

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