Eine Revolution aus Deutschland

Eine Revolution aus Deutschland

HAZOP-Analyse mit KI-Unterstützung

Im Jahr 1999 entwickelte Christian Machens das weltweit erste Brennstoffzellenboot, die Hydra, und legte damit den Grundstein für Innovationen, die weit in die Zukunft reichen. Nun, 25 Jahre später, setzt er erneut Maßstäbe in der Techniklandschaft – diesmal mit einer Weltneuheit, die das Potenzial hat, die Sicherheitsanalysen von Anlagen grundlegend zu verändern.

In der modernen Technik ist die Durchführung einer HAZOP-Analyse (Hazard and Operability) bei Systemen mit hohem Gefährdungspotenzial unverzichtbar. Diese Analyse wird von einem Team erfahrener Ingenieure unter der Leitung eines sogenannten „HAZOP Chairs“ durchgeführt, um mögliche Gefahren in Systemen wie Brennstoffzellen- oder Elektrolyseanlagen zu identifizieren und geeignete Gegenmaßnahmen zu entwickeln. In Deutschland spricht man hierbei auch von PAAG, was den Prozess des Erkennens von Gefahren, der Abschätzung ihrer Auswirkungen und der Festlegung von Gegenmaßnahmen präzise beschreibt.

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Traditionell erfordert die Rolle des HAZOP-Chairs nicht nur technisches Know-how, sondern auch ausgeprägte soziale Kompetenzen. Die Kunst besteht darin, durch Vorstellungskraft und Erfahrung alle kritischen Szenarien aus den Diskussionen zu extrahieren und in einer strukturierten Form zu dokumentieren. Dabei wird nicht nur die Gefährlichkeit der Szenarien, sondern auch ihre Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet, um schließlich ein Ranking der Risiken und Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Gegenmaßnahmen zu erstellen.

Aber wie sicher ist es, sicherheitsrelevante Entscheidungen einer KI (künstlichen Intelligenz) zu überlassen? „Es geht nicht darum, die Sicherheitsverantwortung an eine Maschine abzugeben, sondern darum, sich wiederholende Aufgaben zu vereinfachen“, betont Machens.

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„Ich möchte mein Fachwissen im Bereich Explosionsschutz und Wasserstoff, das ich in den letzten Jahrzehnten gesammelt habe, an eine künstliche Intelligenz weitergeben. KI wird heute bereits in vielen Bereichen eingesetzt, doch als Unterstützung für HAZOP-Analysen wurde sie bisher nicht genutzt.“

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Christian Machens

Vorgehensweise
In einem typischen HAZOP-Meeting diskutieren bis zu acht Ingenieure über mehrere Tage hinweg verschiedene Aspekte eines Systems, von Gas- und Kühlwasserkreisläufen bis hin zur Ausfallsicherheit der Stromversorgung und spezifischen Gefahren für Menschen in der Nähe der Anlage. Diese Besprechungen sind nicht nur zeit- und kostenintensiv, sondern auch anstrengend für die Beteiligten. Zudem beeinflusst die Erfahrung der Teilnehmer maßgeblich das Ergebnis.

Normalerweise wird eine HAZOP durchgeführt, wenn das R&I-Schema, Rohrleitungs- und Instrumentenfließschema (engl.: P&ID), einer Anlage fertiggestellt ist. An dieser Stelle kommt die neue, intelligente Software ins Spiel. Sie analysiert die vorhandenen Informationen, erkennt Schwachstellen in der Anlage und schlägt automatisch Maßnahmen zu deren Beseitigung vor.

Die eigentliche Weltneuheit besteht darin, dass die KI das P&ID, das in der Regel als DXF- oder DWG-Datei vorliegt, erkennt und analysiert, um anschließend die dazugehörige HAZOP-Tabelle automatisch auszufüllen. Dieser Prozess spart den Beteiligten viele Arbeitsstunden und erleichtert die Arbeit erheblich.

„Es ist wichtig zu verstehen, dass die KI den Menschen nicht ersetzt. Die Verantwortung für die Sicherheit der Anlage bleibt immer beim Menschen. Aber das System kann die Schreibarbeit erheblich vereinfachen, den Prozess beschleunigen und Kosten sparen“, so Machens. Darüber hinaus verfügt das KI-System über Kenntnisse wesentlicher gesetzlicher Grundlagen, wie EN- und ISO-Normen sowie DGUV- und TRGS-Vorschriften. Dies ermöglicht es, „just in time“ regelkonforme Lösungsvorschläge während der HAZOP zu bieten.

Für die Umsetzung dieser bahnbrechenden Idee erhielt Machens eine Förderung der Sächsischen Aufbaubank (SAB), was das wirtschaftliche Potenzial dieser Entwicklung unterstreicht. Die Entwicklung des KI-Systems erfolgt in Zusammenarbeit mit der MOVE Technology GmbH, einem erfahrenen Unternehmen auf dem Gebiet der KI-Entwicklung.

„Derzeit trainiere ich mehrere KI-Modelle, damit sie die einzelnen Bauteile im P&ID fehlerfrei erkennen und deren Zusammenspiel verstehen können. Der nächste Schritt ist die Durchführung einer vollständigen HAZOP-Analyse“, erklärt Machens.

Präsentiert bei den 18. Explosionsschutztagen
Die Ergebnisse dieser Entwicklung wurden am 24. September 2024 im Rahmen der 18. Explosionsschutztage im Haus der Technik in Essen vorgestellt. Das KI-System „HAZOP-KI“ wird danach in einem großen Ingenieurbüro, das Abgasbehandlungs- und Wasserstoffsysteme plant, weiter getestet und optimiert. Schon bald wird das System anderen interessierten Nutzern als Monatslizenz zur Verfügung stehen.

„Natürlich stellt sich auch die Frage der Datensicherheit“, betont Machens. „Die KI wird direkt auf den Servern der jeweiligen Nutzer installiert und betrieben. Dadurch bleiben sensible Daten stets in den Händen des Anwenders.“

Zusammengefasst ist diese Entwicklung ein wertvolles Werkzeug für Ingenieurbüros, Zertifizierungsstellen, Versicherungen und Betreiber sicherheitskritischer Anlagen. Eine KI kann den Menschen nicht ersetzen. Sie bietet aber eine hervorragende Unterstützung bei der Durchführung von HAZOP-Analysen und kann auch weniger erfahrenen Ingenieuren eine wichtige Hilfe sein.

Nachhaltigkeit in der Wasserstoffwirtschaft

Nachhaltigkeit in der Wasserstoffwirtschaft

Recycling als Schlüsselfaktor für Ressourceneffizienz

Die Wasserstoffwirtschaft als eine entscheidende Technologie zur Ablösung fossiler Rohstoffe ist hohen Erwartungen in Bezug auf Nachhaltigkeit ausgesetzt. Dabei ist kaum ein anderes Wachstumsfeld so stark Gegenstand kontroverser Diskussionen darüber, wie „grün“ es wirklich ist. In Hinblick auf die Rohstoffe geht es in der Wasserstoffwirtschaft aber um mehr als nur ideologische Überlegungen. Elektrolyseure und Brennstoffzellen enthalten seltene und wertvolle Rohstoffe, zum Beispiel die seltenen Edelmetalle Iridium und Platin. Aus wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen müssen diese nach End-of-Life wiedergewonnen werden. Recycling ist ein Muss – und sollte von Anfang an betrachtet werden und nicht erst dann, wenn das Ende der Lebensdauer der Anlagen und Fahrzeuge erreicht ist. Wo aber steht heute die Kreislaufwirtschaft bei Wasserstoff? Wir geben einen Überblick am Beispiel der PEM-Technologie.

In die Stacks von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen wandern viele wertvolle Rohstoffe. Bei der Gewichtsbetrachtung könnte man die Werttreiber dabei beinah übersehen. Erst der Blick auf den Wert der Rohstoffkomponenten eines PEM-Stacks (Proton-Exchange-Membrane) macht deutlich, dass es vor allem um die CCM (Catalyst Coated Membrane) geht. Sie besteht aus einem Ionomer, das mit Edelmetall beschichtet wird.

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Wertvoll und selten: Rohstoffe in der Wasserstoffwirtschaft


Auch wenn die Zusammensetzung der Stacks ständig optimiert wird und deshalb diese Daten aus 2016 nicht mehr ganz der Realität entsprechen, bleiben die Edelmetalle auf der Membran nach wie vor der Werttreiber.

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Edelmetalle sind aber nicht nur wertvoll, manche von ihnen sind auch extrem selten. Das gilt besonders für Iridium, das in der PEM-Elektrolyse unverzichtbar ist. Im Mai 2022 sprach der Hydrogen Council [1] von angekündigten 175 Gigawatt Elektrolyseurkapazität bis 2030. Seither sind die Ziele eher noch ehrgeiziger geworden. Nach Schätzung von Experten sollen davon 40 Prozent mit PEM-Technologie realisiert werden. Bei den heute durchschnittlich verbauten Iridiummengen pro Gigawatt bräuchte man dafür rund 28 Tonnen Iridium – mehr als im gleichen Zeitraum zur Verfügung steht.

Die Experten des Edelmetallspezialisten Heraeus Precious Metals in Hanau, deren Kerngeschäft Handel, Produkte und Recycling von Edelmetallen umfasst, schätzen, dass von den bei Iridium sehr geringen jährlichen Fördermengen bis 2023 maximal zwölf Tonnen für die Wasserstoffwirtschaft genutzt werden können.

Kreislaufwirtschaft als Hebel für Wachstum
Diese Herausforderung löst die Industrie mehrheitlich mit Technologie-Innovationen. Die Experten bei Heraeus tun das mit Katalysatoren, die mit deutlich weniger Iridium auskommen und die benötigte Menge bis 2030 auf sieben Tonnen senken. Daran wird aber deutlich, wie wichtig der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft für die Rohstoffe für das weitere Wachstum sein wird, denn eine Steigerung der Fördermenge ist aus der Sicht von Experten nicht realistisch.

Neben Überlegungen zur Rohstoffversorgung spielt natürlich der Wert der Edelmetalle eine große Rolle. Üblicherweise ist die Rückgewinnung der verbauten Edelmetalle von Anfang an Teil des Plans, weil sie einen erheblichen Anteil an den Investitionskosten (CapEx) darstellen. Die Wiederverwendung senkt den Total Cost of Ownership durch die Versorgung zukünftiger Anlagen. Außerdem ist der CO2-Fußabdruck von recyceltem Edelmetall bis zu 98 Prozent niedriger im Vergleich zu Primärmaterialien. [2].

Auch das Recycling von Nicht-Edelmetall-Komponenten wie zum Beispiel Titan, Stahl oder Aluminium trägt zur Reduktion des Total Cost of Ownership bei, wenn der Materialwert auch geringer ist. Ein höherer Wert entsteht, wenn es gelingt sie wiederzuverwenden, wobei aber noch viele Fragen offen sind.

Aufbau von Strukturen und Prozessen
Um eine nachhaltige und effiziente Wasserstoffwirtschaft zu etablieren, braucht es effiziente und wirtschaftlich tragfähige Strukturen und Prozesse. Grundsätzlich lässt sich die Recyclingwertschöpfungskette in vier große Bereiche aufteilen: Rückführungsstruktur, Aufarbeitung & Vorbehandlung, Recycling & Refining, Wiederverwertung. Erst wenn alle vier Teile der Wertschöpfungskette konzipiert, organisiert und implementiert sind, können sich die Vorteile der Kreislaufwirtschaft entfalten.


Verschiedene Schritte einer Kreislaufwirtschaft

  1. Schritt: Rückführungsstruktur
    Die Rückführungsstruktur umfasst die Prozesse und Infrastrukturen, die erforderlich sind, um Elektrolyseure und Brennstoffzellen am Ende ihrer Lebensdauer zurückzuführen. Also Sammlung, Logistik und auch das Tracking der Materialien. Wesentlich ist es, hier ein klares Konzept zu entwickeln, bevor die Materialien in Umlauf geraten. Hat man sie erst einmal aus den Augen verloren, wird es schwer, für eine flächendeckende Rückführung zu sorgen.
    Ein zentrales Problem hierbei ist die Unsicherheit darüber, wie sich die Recyclinginfrastruktur in Zukunft entwickeln wird. Wer soll für die Rückführung zuständig und verantwortlich sein? Der Hersteller? Der Betreiber? Der Recycler? Will man den Zeitpunkt für eine rechtzeitige Regelung nicht verpassen, braucht es eine enge Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette und unterstützende regulatorische Vorgaben.
  1. Schritt: Aufarbeitung und Vorbehandlung
    Sind die Stacks erfolgreich eingesammelt, geht es darum, sie aufzuarbeiten und die Materialströme vorzubehandeln. Das ist unverzichtbar, weil sich eine gute Ausbeute für die Materialien nur erreichen lässt, wenn sie vor dem Recycling möglichst homogen vorliegen.Wissenschaft und Industrie suchen noch nach der besten Methode für die effiziente und skalierbare Auftrennung der Materialien. Eine Möglichkeit ist die Demontage. Dabei wird das Stack auseinandergebaut und in Komponenten zerlegt; und zwar in solche, für die es schon Verfahren gibt. Die MEA (Membrane Electrode Assembly) beispielsweise wird in bestehenden Recycling- und Refining-Prozessen bei Heraeus Precious Metals schon seit mehr als zehn Jahren verarbeitet.

    Diese Vorgehensweise ist aber mit hohem Verfahrensaufwand verbunden und hinsichtlich der Skaleneffekte begrenzt. Deshalb wird über Verfahren zur automatisierten oder teilautomatisierten Demontage nachgedacht, wie sie bereits in größerem Umfang bei Traktionsbatterien aus Elektrofahrzeugen Anwendung finden.

    Gerade in Bezug auf Brennstoffzellen besteht auch die Option, sie mit industriellen Schredderanlagen im Ganzen zu zerkleinern. Das resultierende Materialgemisch muss dann aber in nachgelagerten Separations- und Sortierungsprozessen getrennt werden, wobei es vieles zu beachten gilt. Die mit Abstand wertvollsten Anteile sind die für das Edelmetallrecycling bestimmten Fragmente. Bei diesen sollten beim Trennen und Sortieren bestimmte Störstoffe entfernt werden, die eine aufwändigere Behandlung oder schlechte Ausbeuten nach sich ziehen würden.
    Deshalb kommen die Vorbehandlung und die späteren Recyclingschritte idealerweise aus einer Hand.
    Herausforderungen für die Vorbehandlung
    Insgesamt sind noch viele Fragen offen. Eine große Herausforderung stellen die verschiedenen Bauweisen der Stacks dar, besonders im Hinblick auf die genannte Automatisierung. Eine Einigung auf Standards und eine Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus inklusive Recycling beim Design würden maßgeblich zur Lösung beitragen. Eine Verschraubung ist zum Beispiel leichter zu lösen als eine Klebefläche oder eine Schweißnaht. Hersteller, Politik und Verbände sollten sich mit diesem Thema auseinandersetzen.

    Zudem gehen die verschiedenen Komponenten in ganz verschiedene Weiterverarbeitungsströme mit ganz verschiedenen Anforderungen. Bei Edelmetallen und Membranen werden (Roh-)Stoffe wiedergewonnen, bei anderen Komponenten wie Bipolarplatten steht eine mögliche Wiederverwendung der Komponente selbst im Raum. Ein solches funktionelles Recycling geht über den Materialwert weit hinaus. Dabei ist derzeit noch nicht klar, was möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Damit fehlen auch Anforderungen für die Wiederverwendung, die dazu dienen könnten, die Demontageprozesse so anzupassen, dass die Bauteile nicht beschädigt werden und die Wiederverwendung realistisch bleibt.

  1. Schritt: Recycling & Refining
    Für Edelmetalle gibt es seit Dekaden gut etablierte Verfahren, um das wertvolle Material wiederzugewinnen. Dabei wird das Material zunächst thermisch behandelt, um nicht-metallische Rückstände und den Wasseranteil zu entfernen. Danach wird das Material sorgfältig homogenisiert und vor der Weiterverarbeitung eine repräsentative Probe zur Analyse des Materials gezogen. Dieses so genannte Sample dient dazu, den Edelmetallgehalt des Materials analytisch zu bestimmen, und ist die Grundlage für die Berechnung der Edelmetallmenge, die vergütet wird. In der Hydrometallurgie und im Refining wird dann das Edelmetall wiedergewonnen und hochrein aufbereitet.Materialien aus der Wasserstoffwirtschaft gehören zu den anspruchsvolleren Materialien im Edelmetallrecycling. Zum einen ist Iridium chemisch herausfordernd, zum anderen erfordert die thermische Behandlung der fluorhaltigen Membran besondere Umsicht bei der sicheren Nachbehandlung der Abgase. Edelmetallspezialist Heraeus Precious Metals ist eines der wenigen Unternehmen, die diese Materialströme effizient für ihre Kunden prozessieren können. Hier wird schon seit Jahren Iridium im Tonnenmaßstab umgesetzt, und man hat in die notwendigen Anlagen für die Wasserstoffwirtschaft investiert.


Platinhaltiges Material nach der thermischen Vorbehandlung

Besondere Verfahren für besondere Materialien
Für die Ionomer-Membran besteht noch eine andere Möglichkeit. Ionomere sind spezielle Fluorpolymere, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften maßgeblich zur Funktionalität von Brennstoffzellen und PEM-Elektrolyseuren beitragen. Sie sind aufwändig in der Herstellung und darum teuer. Außerdem wird der Umgang mit ihnen nach End-of-Life insbesondere in der EU aufgrund eines Vorschlags zur Regulierung von PFAS (Per- und polyfluorierte Chemikalien) derzeit kontrovers diskutiert. Verstärkt wird deshalb nach Lösungen gesucht, sie wiederzuverwenden. Dazu wird daran gearbeitet, die Ionomere chemisch von den Edelmetallen zu trennen und separat zu verarbeiten.

Um Kreisläufe für so anspruchsvolle Materialien wie Fluorpolymere zu entwickeln, ist die Zusammenarbeit von Herstellern, Anwendern und Verwertern notwendig, wie zum Beispiel im Förderprojekt H2Circ des US-Energieministeriums: In einem Konsortium arbeiten hierbei Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an der Rückgewinnung von Materialien, insbesondere von Ionomeren. [3]

  1. Schritt: Wiederverwertung
    Nach abgeschlossener Wiedergewinnung ist das Material bereit, wieder eingesetzt zu werden. Bei Edelmetallen ist das kein Problem, da das Recycling nach
    international zertifizierten Standards hochreine Materialen liefert, die sich in ihren Eigenschaften nicht vom primären Material unterscheiden.
    Für das Ionomer gibt es im Gegensatz dazu bisher weder etablierte Recyclingverfahren noch definierte Anforderungen an das Recyclat. Anders als bei Edelmetallen unterscheidet sich das recycelte Material hier von dem aus der primären Herstellung. Es braucht also nicht nur die Entwicklung der Verfahren zur Wiedergewinnung, sondern auch Anwendungen und Märkte zur Abnahme.
    Ähnlich wie bei der funktionellen Wiederverwendung von Komponenten steht das Ökosystem hier vor einem Henne-Ei-Problem: Bevor die Anforderungen für eine Verwendung des recycelten Stoffes nicht geklärt sind, können die Verfahren zum Recycling nicht sinnvoll entwickelt werden, auch in Hinblick auf ein mögliches Business-Modell. Denn nur wenn klar ist, welchen Wert der Output hat, kann berechnet werden, ob sich die Kosten des Verfahrens lohnen werden.

Die Weichen werden jetzt gestellt
Das Hanauer Edelmetallunternehmen Heraeus Precious Metals setzt auf Kooperation. Beispielsweise arbeitet das Unternehmen mit Herstellern von Fluoropolymeren zusammen, um geschlossene Kreisläufe für Ionomere zu etablieren. Mit seinen Kunden beginnt Heraeus bereits in einer frühen Entwicklungsphase mit der Betrachtung der Wertschöpfungskette inklusive Recycling. Auch in öffentlichen Projekten wie dem genannten Forschungsprojekt des Department of Energy wird daran gearbeitet, ganzheitliche Lösungen zu entwickeln.

Auch wenn das Recycling von Brennstoffzellen und Elektrolyseuren derzeit noch in einem überschaubaren Rahmen stattfindet, ist seine Bedeutung für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft und die Förderung einer Kreislaufwirtschaft nicht zu unterschätzen. Experten erwarten bis zum Ende dieser Dekade signifikante Edelmetallmengen aus der Wasserstoffwirtschaft. Dieses Zeitfenster gilt es jetzt zu nutzen, um in allen Teilen der Wertschöpfungskette übergreifend effiziente Prozesse zu entwickeln und entsprechende Recyclingkapazitäten aufzubauen.

Autoren: Ole Raubner-Wagner, Gisela Mainberger, beide Heraeus Precious Metals GmbH & Co. KG, Hanau

Quellen:

  1. Hydrogen Council, Hydrogen Insights 2023 [L]
  2. International Platinum Group Metals Association e.V, 2022, The Life Cycle Assessment of Platinum Group Metals (PGMs), [L]
  3. American Institute of Chemical Engineers, 2024, AIChE Selected by DOE to Lead New Hydrogen Electrolyzer and Fuel Cell Recycling Consortium,[L]
  4. Stahl et al., Ableitung von Recycling- und Umweltanforderungen und Strategien zur Vermeidung von Versorgungsrisiken bei innovativen Energiespeichern, Umweltbundesamt, 2016 [L]
  5. Kalkulation durch Heraeus Precios Metals, basierend auf Materialanteilen basierend auf H. Stahl et al., Ableitung von Recycling- und Umweltanforderungen und Strategien zur Vermeidung von Versorgungsrisiken bei innovativen Energiespeichern, Umweltbundesamt, 2016

 

Elektrochemische Wasserstoffseparation

Elektrochemische Wasserstoffseparation

Patentiertes Verfahren als kostengünstige Alternative zur Elektrolyse

Der Erfolgskurs von Siqens begann mit speziellen Methanol-Brennstoffzellen. Dann kam die „Elektrochemische Wasserstoffseparation“ (EHS) hinzu, die auf den selbst entwickelten HT-PEM-BZ-Stacks beruht. Mit ihrer Hilfe lässt sich Wasserstoff aus Erdgas oder Abgasen aus Industrie und Müllverbrennung hochrein abtrennen. Der Hersteller sieht die EHS im Verbund mit den eigenen Brennstoffzellen auch als Lösung für das sogenannte Letzte-Meile-Problem.

Ob im südamerikanischen Dschungel oder auf 3.000 Metern Höhe in den Schweizer Bergen, in einer Forschungsstation in der Antarktis oder an einem Grenzposten im nördlichen Skandinavien – überall dort seien HT-PEM-Brennstoffzellen von Siqens im Einsatz, die Strom für Funk- und Messstationen oder Kameras liefern, wie Thomas Klaue, Geschäftsführer des 2012 in München als Start-up gegründeten Unternehmens, erklärt.

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Es gibt die speziellen Methanol-Brennstoffzellen aber auch an eher unexotischen Orten: So dienen sie an deutschen Autobahnbaustellen zur Beleuchtung oder in Windparks zur Hindernisbefeuerung. Die „Ecoport“ genannten BZ-Systeme bestehen aus Brennstoffzellenstacks mit einer Hochtemperatur-Polymer-Elektrolyt-Membran (HT-PEM) und einem Reformer. „Im Reformer wird aus Methanol reiner Wasserstoff gewonnen“, so der Ingenieur und promovierte BWLer Klaue. „Dieser Wasserstoff geht dann durch die HT-PEM-Brennstoffzelle. Unser System arbeitet allerdings mit industriellem Methanol, zu einem Bruchteil der Kosten, verglichen mit hochreinem Methanol.“

Damit unterscheiden sich diese Systeme deutlich von Direkt-Methanol-Brennstoffzellen (DMBZ), bei denen ein flüssiges Methanol-Wasser-Gemisch durch die BZ geleitet wird. Dabei müsse das Methanol so rein sein wie für medizinische Zwecke, was entsprechend teuer sei, erklärt Klaue, der seit Ende 2019 als CEO von Siqens fungiert. Wirkungsgrad und Leistungsbereich von DMBZ seien vergleichsweise gering, und niedrige Temperaturen vertrügen sie nicht gut. Andere Indirekt-Methanol-Brennstoffzellen mit PEM und Reformer gebe es zwar sowohl im Niedrig- als auch im Hochtemperatur-Bereich, doch die würden jeweils herstellerspezifische Methanol-Wasser-Gemische mit geringerer Energiedichte erfordern, so Klaue. Mit einem Verbrauch von 0,6 Liter Kraftstoff pro Kilowattstunde Strom sei Siqens Marktführer in Sachen Effizienz. Die Ecoports, laut Klaue „unser Brot- und Butter-Geschäft“, haben eine elektrische Leistung von 800 oder 1.500 Watt in der Spitze (Dauerbetrieb: 500 beziehungsweise 1.000 Watt).

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BZ als Ersatz für Dieselgeneratoren
Das seit langem in der Industrie verwendete Methanol kann ebenso wie andere flüssige Kraftstoffe kostengünstig transportiert und gelagert werden. Von daher eignen sich (Methanol-)Brennstoffzellen insbesondere für Gebiete ohne Anschluss an ein Elektrizitätsnetz und dort, wo eine unterbrechungsfreie Stromversorgung gewährleistet sein muss, etwa in der Notstromversorgung für kritische Infrastruktur. Bislang übernehmen meist Dieselgeneratoren diese Funktion, doch die werden künftig nach und nach durch Brennstoffzellen ersetzt werden, und das nicht nur wegen ihres erheblich geringeren CO2-Ausstoßes: Sie arbeiten auch leiser und sind frei von Feinstaub und Stickoxiden.


Ecoport 800

Die Nachfrage nach den patentierten Systemen, mit denen die süddeutsche Firma seit 2019 am Markt ist, steigt. So interessieren sich etwa Behörden, Betriebe oder Betreiber von Telekommunikationsanlagen für die Methanol-Brennstoffzellen von Siqens, die laut Klaue robust und zuverlässig und auch fernab der Zivilisation einsetzbar sind. Das gelte für alle Klimazonen, von minus 20 bis plus 50 Grad Celsius. Obendrein seien die Betriebskosten im Vergleich zu denen von Dieselgeneratoren um rund 75 Prozent geringer. In diesem Jahr rechnet das Münchner Unternehmen, das rund 30 Mitarbeiter beschäftigt, deshalb auch mit dem Verkauf von mehreren Hundert seiner HT-PEM-Brennstoffzellensysteme.

Dass die Notwendigkeit des Einsatzes von Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologien aus Gründen des Klimaschutzes steigt, steht heute außer Frage. Der Siqens-CEO betont jedoch: „Wir sind davon überzeugt, dass die Wasserstoffwirtschaft nur mit preislich wettbewerbsfähigen Lösungen ein Erfolg wird, insbesondere, was die Verteilung auf der Letzten Meile angeht.“

Methanol als Wasserstoffträger
Außer Brennstoffzellen bietet das Unternehmen seit 2022 eine sehr spezielle technische Lösung zur Herstellung von reinem Wasserstoff an: die Elektrochemische Wasserstoffseparation (EHS). Bei diesem patentierten Verfahren strömt das Feedgas durch einen HT-PEM-Stack, der auch im Ecoport genutzt wird, erklärt Klaue. „Der Stack mit den MEAs ist vergleichbar mit einem Sieb, das unter Spannung nur für die anodenseitig zu Protonen reduzierten Wasserstoffmoleküle durchlässig ist. Auf der Kathodenseite erhalten die Protonen die Elektronen zurück. Das Produkt ist hochreiner Wasserstoff.“ Mit dieser Methode kann Wasserstoff aus ganz unterschiedlichen Medien abgetrennt, gereinigt und aufbereitet werden. Das kann Erdgas sein oder Abgas, das in industriellen Prozessen oder bei der Müllverbrennung entsteht. Der Wasserstoff kann aber auch aus natürlichen Reservoiren wie Gaslagerstätten gewonnen werden.

Und weil Methanol ein guter Wasserstoffträger ist, lässt sich mit dem EHS-System auch das Problem der Letzten Meile umgehen: Aus dem über das Erdgasnetz transportierten Methanol wird Wasserstoff direkt vor Ort beim Verbraucher CO2-frei erzeugt. „In 10 Litern Methanol ist ungefähr ein Kilogramm Wasserstoff chemisch gebunden“, rechnet Thomas Klaue vor. Das sei mehr als in einer üblichen 70-Kilogramm-Druckgasflasche, die 50 Liter auf 200 bar komprimierten Wasserstoff enthält. Die Ausbeute betrage hier lediglich 0,8 Kilogramm. Statt also Wasserstoff wie bisher in Bündeln von schweren Stahlflaschen oder in Drucktanks per Trailer zu transportieren, könne man durch den Einsatz von Methanol-Brennstoffzellen viel Geld sparen.

Transport- und Speicherkosten machen derzeit noch den größten Anteil am Wasserstoffpreis aus. „Das gilt umso mehr, wenn der Einsatzort nur per Hubschrauber erreichbar ist“, ergänzt Klaue. „Das Verhältnis von Transportgewicht zu H2-Nutzgewicht ist beim Methanol zehn zu eins gegenüber hundert zu eins bei Druckgasflaschen.“

1 kg Wasserstoff für weniger als zwei Euro
Bei der EHS wird wie bei der Wasserelektrolyse Strom eingesetzt. Der Energiebedarf sei jedoch erheblich geringer: Pro Kilogramm Wasserstoff würden nur drei bis fünf Kilowattstunden Strom gebraucht; also etwa zehn Prozent des Stroms, der für die Elektrolyse benötigt wird. „Dabei entsteht Wasserstoff in Brennstoffzellenqualität zu einem Preis von weniger als zwei Euro pro Kilogramm.“ Die Technologie sei flexibel, skalierbar und könne an ein breites Spektrum von Gasen angepasst werden. So eine Anlage, die je nach Kapazität nur eine Fläche von ein bis zwei Quadratmetern einnimmt, lässt sich direkt ans Gasnetz anschließen.

Durch das EHS-Verfahren könnten mit drei Stacks gut 100 Kilogramm Wasserstoff pro Tag erzeugt werden, was für eine H2-Tankstelle ausreiche, so Thomas Klaue. Die modulare Bauweise erlaube auch mehrere Tonnen pro Tag, mit denen der Bedarf eines Industriebetriebs gedeckt werden könne. „Die elektrochemische Wasserstoffabtrennung ist in jedem Fall eine attraktive Alternative zu anderen H2-Technologien, da sie vergleichsweise wenig Energie verbraucht und eine hohe Selektivität für Wasserstoff aufweist“, so der CEO.

Nach einem ersten Pilotprojekt in Australien gibt es nun ein zweites in Deutschland: Im unterfränkischen Haßfurt wird Wasserstoff mittels EHS aus dem Erdgasnetz gewonnen. Die Stadtwerke der Kreisstadt sind als Pioniere bekannt, weil sie schon seit den 1990er-Jahren auf erneuerbare Energien setzen: Photovoltaik, Windkraft und Biogas von Landwirten aus der Region. Seit 2016 haben sie einen Elektrolyseur, um aus überschüssigem Windstrom Wasserstoff zu erzeugen.

Nun erschließen sie mithilfe der EHS-Technologie von Siqens das kommunale Gasnetz als Wasserstoffquelle. Das geschieht in Kooperation mit dem Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg und dem Institut für Energietechnik an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden. Der aus dem Erdgas separierte Wasserstoff wird komprimiert und gespeichert und bei Bedarf über eine Brennstoffzelle in Strom umgewandelt.

Da viele Gasnetzbetreiber in Zukunft ihrem Erdgas grünen Wasserstoff beimischen wollen, könnten solche Lösungen zur Abtrennung und Aufbereitung des klimaneutralen Gases bald an Bedeutung gewinnen. „Durch die Trennung der Gase mittels EHS am Ort des Verbrauchs kann der Endkunde direkt mit hochreinem ‚grünen‘ Wasserstoff versorgt werden“, sagt Thomas Klaue. Also Wasserstoff in einer Qualität, wie sie für industrielle Prozesse oder Brennstoffzellen-Fahrzeuge benötigt werde. Aus diesem Grund plädiert Klaue auch vehement für die Erhaltung der Gasnetze.

Im Februar dieses Jahres appellierte er öffentlich an das Bundeswirtschaftsministerium, die Rückbaupläne nochmals zu überdenken; allein schon aus Kostengründen. „Außerdem wird das geplante H2-Kernnetz lange nicht in der Lage sein, das gesamte Land ohne großen Aufwand mit grüner Energie zu versorgen.“ Weil jedoch das bundesweite Gasnetz größtenteils wasserstofftauglich sei, solle die Infrastruktur für den künftigen Transport von grünem Wasserstoff genutzt werden, um Industrie und Gemeinden mit klimafreundlicher Energie zu versorgen.

Eisen als günstiges Katalysatormaterial

Eisen als günstiges Katalysatormaterial

Neuer Katalysator löst H2 aus Ammoniak heraus

Um die Rückgewinnung von Wasserstoff aus Ammoniak zu erleichtern und zu beschleunigen, haben Forschende des Instituts für Anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) in ihrem Projekt AmmoRef (04/2021-03/2025) zusammen mit ihren Kooperationspartnern einen aktiveren und kostengünstigeren Katalysator entwickelt. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in dem Wasserstoff-Leitprojekt TransHyDE des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) festgehalten. AmmoRef ist eins von zehn TransHyDE-Projekten, die vom BMBF gefördert werden. Dabei sollen bereits bestehende Technologien für den Wasserstofftransport verbessert werden.

Abb. 1: Ammoniak kann aus „grünem Wasserstoff“ hergestellt und dann über weite Strecken, z. B. per Tankschiff, transportiert werden. Wie man wieder reinen Wasserstoff aus Ammoniak rückgewinnen kann, wird im TransHyDE-Forschungsverbund „AmmoRef“ untersucht. Bisher gibt es noch keine großindustriell einsetzbare Technologie zur Reformierung von Ammoniak, daher wird unter den technologischen Grundlagen auch die Katalysatorentwicklung erforscht.

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Abb-1.jpg

Quelle: Projektträger Jülich im Auftrag des BMBF

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Die Möglichkeit, Energie aus Wind- oder Solarkraft zu speichern, spielt für die Energiewende eine zentrale Rolle. „Die Speicherung von Energie in Form von chemischen Verbindungen wie Wasserstoff hat viele Vorteile. Die Energiedichte ist hoch, und auch die chemische Industrie benötigt Wasserstoff für viele Prozesse“, sagt Malte Behrens, Professor für Anorganische Chemie an der CAU Kiel und Teilprojektleiter im AmmoRef-Verbund. Außerdem lässt sich durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen „grüner Wasserstoff“ herstellen, ohne dass CO2 entsteht.

Wasserstoff aus Regionen zu importieren, in denen Wind- und Solarstrom günstig ist, ist allerdings nicht einfach. Eine Möglichkeit ist die chemische Umwandlung von Wasserstoff in Ammoniak, das selbst bereits relativ viel Wasserstoff enthält. Für den Transport von Ammoniak über weite Strecken existiert bereits eine ausgereifte Infrastruktur. „Ammoniak lässt sich zum Transportieren einfach verflüssigen. Es wird heute schon im Megatonnenmaßstab hergestellt, weltweit verschifft und gehandelt und ist daher für uns interessant“, sagt Chemiker Dr. Shilong Chen, Wissenschaftler im Kieler AmmoRef-Teilprojekt von TransHyDE. Gemeinsam erforschen Chen und Behrens, wie sich Wasserstoff nach dem Transport wieder aus Ammoniak freisetzen lässt.


Aufnahme mit einem Transmissionselektronenmikroskop: nanoskaliger Aufbau des Eisen-Kobalt-Katalysators. Die vielen bimetallischen Partikel, hier als dunkle Flecken zu erkennen, werden durch das Trägermaterial auf der Nanoebene voneinander getrennt und tragen so zu einer großen aktiven Oberfläche des Katalysators bei.
Quelle: Franz-Philipp Schmidt, Thomas Lunkenbein, adaptiert: Shilong, C.et al. Nature Communications (2024), https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Bei einer Transformation des Wasserstoffs in Ammoniak geht weniger Gas verloren als bei anderen Verfahren. Ammoniak lasse sich, so Behrens, bereits bei einem Druck von acht Bar verflüssigen. Tankschiffe ließen sich problemlos damit befüllen. „Ein großer Vorteil gegenüber anderen chemischen Verfahren, wie zum Beispiel LOHC, ist auch, dass Wasserstoff in flüssigem Ammoniak über eine sehr hohe Speicherdichte verfügt,“ sagt Behrens.

Die Problemstellung bestand für die Wissenschaftler zu Projektbeginn darin, einen Katalysator zu entwickeln, der eine schnelle Umwandlung von Ammoniak in Wasserstoff am Zielort erlaubt. „Hierfür sind große Anlagen erforderlich“, erläutert Behrens. Derzeit gebe es jedoch noch keine industrielle Anwendung für die Reformierung von Ammoniak in diesem Maßstab.

Kobalt zur Aktivierung von Eisen
Ziel der Forschenden war, möglichst günstige Materialien für die Katalyse zu finden. Zudem sollte die voraussichtliche Anwendung des Katalysators skalierbar sein. Das Material Ruthenium bildet derzeit die Benchmark in der Forschung. Eisen ist, so Behrens, jedoch das kostengünstigste Gebrauchsmetall. „Das Problem ist aber, dass preiswerte Eisenkatalysatoren unter einer geringen Aktivität aufgrund einer zu starken Eisen-Stickstoff-Bindungsenergie im Vergleich zu aktiveren Metallen wie Ruthenium leiden. Diese Einschränkung kann jedoch durch die Zugabe von Kobalt überwunden werden“, erläutert er. Durch die Kombination zweier Basismetalle (Eisen und Kobalt), bei der hochaktive, bimetallische Oberflächen mit einer geringeren Metall-Stickstoff-Bindungsenergie und weiteren Eigenschaften, die sonst nur von sehr viel teureren Edelmetallen bekannt sind, entstehen, sei der Katalysator, welcher über einen Metallgehalt höher als 70 Prozent verfüge, nicht nur hochaktiv, sondern auch bezahlbar.

„Hochaktiv“ bedeutet dabei, dass er über eine sehr hohe Umwandlungsgeschwindigkeit verfügt. „Unser Katalysator erreicht über 90 Prozent von Ruthenium und ist um etwa 20 Prozent leistungsfähiger als unsere Nickelbenchmark“, sagt Behrens. Zudem haben die Forscher eine besondere Herstellungsmethode entwickelt, die eine sehr hohe Metallbeladung erlaubt. Bis zu 74 Prozent des Materials bestehen aus aktiven Metallpartikeln. Diese wechseln sich mit Trägerpartikeln ab, so dass dazwischen Hohlräume im nanoskaligen Bereich entstehen – wie ein poröser, metallischer Nano-Schwamm. Die Struktur ist stabil genug, um die hohen Temperaturen (etwa 600 °C), die bei der Zersetzung von Ammoniak entstehen, auszuhalten.

Bisheriges Ergebnis
Durch die Legierung von Eisen mit Kobalt konnte die Nitrierung von Eisen, die zu einer zu schwachen Bindungsenergie und dadurch zu einer geringeren Aktivität führte, unterdrückt und die Stickstoff-Bindungsenergie zusätzlich so beeinflusst werden, dass sich die Bindungsenergien näher an die Spitze des Aktivitätsvulkans bewegen, was zu einer hochaktiven und katalytischen Leistung führt. Gezeigt werden konnte auch, dass das Legieren von Eisen durch andere Metalle mit schwacher Stickstoffadsorptionsenergie einen einfachen und allgemeinen Ansatz zur Herstellung eines hochaktiven und nitridfreien Katalysators für die Ammoniak-Zersetzungsreaktion bietet.


Prof. Malte Behrens und Dr. Shilong Chen in ihrem Kieler Labor vor einem Teststand für neue Katalysatoren
Quelle: Julia Siekmann, Uni Kiel

Ammoniaksynthese und -zersetzung
Die Herstellung von Ammoniak durch das Haber-Bosch-Verfahren veränderte die Welt, da sie die Produktion von Düngemitteln im industriellen Maßstab ermöglichte. 2021 wurden 235 Mio. Tonnen Ammoniak hergestellt, was es zur volumenstärksten produzierten Chemikalie machte. Diese Produktion könnte in naher Zukunft weiter gesteigert werden, da Ammoniak aufgrund seines hohen Wasserstoffgehalts und seiner Energiedichte sowie der günstigen Infrastruktur für Transport und Speicherung als Träger- und Speichermaterial für regenerativ erzeugten Wasserstoff dazu beitragen könnte, die Klimakrise abzumildern. In diesem Szenario könnte Wasserstoff aus Ammoniak durch dessen Zersetzung freigesetzt werden.

Im Gegensatz zur Ammoniaksynthese hat ihre umgekehrte Reaktion, die Ammoniakzersetzung, keine vergleichbare großindustrielle Anwendung gefunden, sondern wird seit über einem halben Jahrhundert hauptsächlich akademisch eingesetzt, um den Reaktionsmechanismus der Ammoniaksynthese bei Umgebungsdruck an Katalysatoren zu untersuchen, die für die Ammoniaksynthesereaktion entwickelt wurden. Die aktivsten Katalysatoren für diese Synthese sind ruthenium-basierte, aber der kommerzielle Aspekt lässt die weniger aktiven, jedoch weitaus kostengünstigeren Eisenkatalysatoren attraktiver erscheinen. Grund für deren moderate Aktivität ist die Nitrierung. In dem hier vorliegenden AmmoRef-Teilprojekt konnte gezeigt werden, wie die Nitrierung unterdrückt und eine Stickstoffbindungsenergie, ähnlich wie bei Ruthenium, durch eine Legierung des Eisens mit Kobalt erreicht werden kann.

Die derzeitige Herausforderung bestehe darin, den Kobaltanteil zu reduzieren. Dies sei zum einen aus Kostengründen, zum anderen aber auch wegen der aktuellen politischen Rahmenbedingungen, unter denen Kobalt gewonnen wird, geboten. Die Voraussetzungen für ein Upscaling seien bereits da, aber es gelte, Maßnahmen für weitere zu eruieren. Zudem müsse ermittelt werden, was noch zu tun sei, um die Stabilität und Aktivität des Katalysators weiter zu erhöhen. Eine Zugabe von Promotoren, von Stoffen, die die Aktivität eines Katalysators erhöhen, werde erwogen.

Die Synthesebemühungen werden momentan vom 1-Liter- in den 100-Liter-Maßstab überführt. Der Katalysator soll nun weiter untersucht und aus der Grundlagenforschung in die Anwendung übertragen werden. Ziel der Wissenschaftler ist es, einen industriellen Maßstab für den Katalysator zu erreichen.

Autorin: Anette Weingärtner

Vielversprechende Herstellungsalternative

Vielversprechende Herstellungsalternative

Atmosphärische Plasmabeschichtung von Polymer-Bipolarplatten

In Zeiten globaler Sensibilisierung gegenüber ökonomischen, aber vor allem auch ökologischen Themenstellungen wächst auch das Bewusstsein für energieeffiziente Gesamtlösungsstrategien über die komplette Wertschöpfungskette sowie eine nachhaltige Nutzung verfügbarer Ressourcen. Bevor es zu einer gewinnbringenden Massenfertigung von Bipolarplatten kommen kann, sind im Produktentstehungsprozess eine ganze Reihe von Entwicklungen und Voruntersuchungen nötig, um den optimalen Wirkungsgrad in Abhängigkeit des Designs und der Ausführung zu bestimmen. Da dies nicht allein mithilfe von Simulationen geschehen kann, sind experimentelle Untersuchungen unumgänglich.

Mit den aktuell am Markt erhältlichen Beschichtungsverfahren ist die Prototypen-, Vor- und Kleinserienherstellung sehr zeit- und kostenintensiv. An diesen Punkt knüpft der von der ITW Chemnitz untersuchte Ansatz an, einen leicht in Form zu bringenden und kostengünstigen Grundwerkstoff mit einer geeigneten Beschichtung auszustatten, um somit energie-, zeit-, kosten- und materialeffizient Vor- und Kleinserienuntersuchungen durchzuführen.

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Mithilfe der in diesem Projekt umgesetzten Kombination aus günstiger additiver Grundwerkstoffherstellung und universal einsetzbarer Beschichtungstechnologie ist es möglich, verschiedene Bipolarplattendesigns flexibel und kostengünstig herzustellen, ohne die geforderten industriellen Parameter zu vernachlässigen. Im Ergebnis soll es durch die anvisierte wandlungsfähige Fertigungstechnologie möglich sein, eine Prototypen- sowie Vor- und Kleinserienfertigung energie-, zeit-, kosten- und materialeffizient zu gestalten und somit den Weg in die industrielle Praxis zu ebnen.

Beschichtungstechnik spielt eine große Rolle
Im Zuge der Untersuchungen wurde ein Niedrigenergie-Plasma genutzt, in welches definiert der genutzte Beschichtungswerkstoff in Form von Mikropartikeln zugeführt wurde. Dies ermöglicht eine stoffschlüssige Verbindung von Beschichtungswerkstoff und Substrat (s. Abb. 1). Durch die technologisch bedingte geringe thermische Belastung des zu beschichtenden Substrates ist es möglich, Materialkombinationen zu erzeugen, die auf den ersten Blick unrealistisch erscheinen (im vorgestellten Kontext ein Polymer als Substrat und Kupferpulver als Beschichtungswerkstoff). Ein weiterer Vorteil des eigesetzten Verfahrens besteht in der Anwendung unter atmosphärischen Bedingungen. Im Gegensatz zu Vergleichsverfahren wie physikalischer oder chemischer Gasphasenabscheidung sind eine vorherige Evakuierung und Arbeiten im Vakuum nicht nötig. Des Weiteren sind der hohe Flexibilisierungsgrad sowie die Möglichkeit der partiellen Beschichtung positiv hervorzuheben.

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Suche nach geeignetem Substratwerkstoff
Bei der Suche und Auswahl eines geeigneten Substratwerkstoffs waren diverse Herausforderungen zu beachten:

  • Die benötigte Temperaturbeständigkeit (sollte sich an Einsatztemperaturen von PEM-Brennstoffzellen von ca. 110 °C orientieren),
  • die leichte sowie variable Verarbeitung (Grundstruktur soll mittels selektiven Lasersinterns herstellbar sein, um hohe Designflexibilität zu gewährleisten),
  • die gute sowie kostengünstige Verfügbarkeit des Rohstoffes.

Es wurden mehrere potenzielle Substratwerkstoffe näher betrachtet und auf ihre Beschichtungseignung hin untersucht. Dabei wurden am Markt verfügbare Varianten auch dahingehend modifiziert, dass sie für die geplante Anwendung optimiert wurden. Nach umfassenden Untersuchungsreihen, bestehend aus Beschichtungsversuchen, optischen Analysen, Oberflächenmessungen, simulativen Studien sowie thermischen Nachbehandlungsuntersuchungen hinsichtlich Temperaturbeständigkeit, fiel die Wahl auf einen glasfasermodifizierten Polybutylenterephthalat (PBT). Dieser Werkstoff wurde durch gezielte Hinzunahme von Glasfasern dahingehend modifiziert, dass alle geforderten technischen Parameter erreicht werden. Darüber hinaus weist der modifizierte PBT die besten Beschichtungseigenschaften auf.

Von der Idee zum industrienahen Flow-Field-Design
Eine der großen Herausforderungen innerhalb der Untersuchungen war die Entwicklung eines industrienahen Flow-Field-Designs unter Beachtung der materialspezifischen sowie technologischen Grenzen der genutzten Verfahren. Dabei mussten zum einen die Herstellungsgrenzen des selektiven Lasersinterns unter Berücksichtigung des Materials und der Zielanwendung sowie zum anderen die technologischen Grenzen des nachfolgenden Beschichtungsverfahrens herausgearbeitet und definiert werden. Dazu wurden verschiedene Parameter- und Geometriestudien zu industriell eingesetzten Flow-Field-Designs durchgeführt. Schlussendlich wurde eine mäanderförmige Flow-Field-Struktur mit folgenden Abmessungen realisiert:

 

effektive Fläche Kanalbreite Steghöhe Stegbreite
100 cm² 1,5 mm 1,5 mm 0,6 mm

Tab. 1: Realisierte Flow-Field-Struktur

Die vier flügelförmigen Niederhalter (s. Abb. 2) werden zur Fixierung während des Beschichtungsprozesses benötigt und können im Anschluss problemlos entfernt werden.

   
Entwickelter Polymergrundkörper (links) und resultierendes Beschichtungsergebnis (rechts)

Um einem eventuellen Verzug entgegenzuwirken, wurde eine metallische Probenaufnahme verwendet. Dieser Versuchsaufbau sichert eine gezielte Abfuhr der eingebrachten Temperatur und somit ein optimales Beschichtungsergebnis. Sowohl optische Oberflächenanalysen als auch Haftfestigkeitsuntersuchungen in Anlehnung an den Gitterschnitttest nach DIN EN ISO 2409 ergaben zufriedenstellende Ergebnisse und lassen ein hohes Potenzial für bereits erwähnte Prototypen- sowie Vor- und Kleinserienfertigung erkennen.

Die Untersuchungen wurden mit finanziellen Mitteln vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt.

Autor: Jörg Steger, Institut für innovative Technologien, Technologietransfer, Ausbildung und berufsbegleitende Weiterbildung e. V. Chemnitz (ITW)

Die digitale Welt des Wasserstoffs

Die digitale Welt des Wasserstoffs

Daten als Schlüssel für eine grüne Wasserstoffwirtschaft

Grüner Wasserstoff gilt als eines der Schlüsselelemente zur Erreichung der globalen Klimaziele[i] – aber auch als eine mögliche Alternative zu Gas, was die Dringlichkeit eines schnellen Hochlaufs der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und Europa einmal mehr erhöht. Zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sind jedoch nicht nur innovative Technologien für Produktion, Transport und Nutzung erforderlich. Es bedarf digitaler Lösungen für eine höhere Effizienz, für die Vorhersage von Wasserstoffangebot und -nachfrage, für die Überwachung des Transports und der Speicherung sowie für die sichere Nutzung von Wasserstoff in den verschiedenen Anwendungsgebieten. Allerdings werden die dafür benötigten Daten bislang kaum bzw. unzureichend unter den potenziellen Marktteilnehmenden ausgetauscht. Gründe dafür sind vor allem fehlendes Vertrauen und die Angst vor Wettbewerbsnachteilen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt HyTrust will nun durch die Etablierung eines Datentreuhandmodells in der Wasserstoffwirtschaft diesen Herausforderungen begegnen.

Daten spielen eine entscheidende Rolle in der Wertschöpfung von Unternehmen und sind von großer Bedeutung für den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen. Sie dienen als Informationsgrundlage für fundierte strategische Entscheidungen und zur Steuerung von internen Unternehmensprozessen, bieten aber auch großes Potenzial bei der Interaktion über die Unternehmensgrenzen hinweg. Sie ermöglichen zum Beispiel Effizienzsteigerungen, die Koordination der Zusammenarbeit mit Partnern und Kunden sowie die Erschließung von Innovationspotenzialen.

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Das Teilen von Daten in Wirtschaft und Forschung ist grundlegend für die Entwicklung von Lösungen für gesellschaftliche Probleme und gilt als wesentlicher Treiber für Innovation und Wettbewerb. Trotz der steigenden Verfügbarkeit von Daten ist zu beobachten, dass sie bisher selten über organisatorische Grenzen hinweg genutzt werden. Dies liegt vor allem am mangelnden Vertrauen der Unternehmen, der Angst vor Know-how-Verlusten sowie vor Wettbewerbsnachteilen[ii]. Weitere Hindernisse sind ein fehlender organisatorischer Rahmen für den sicheren Datenaustausch und unklare Geschäftsmodelle[iii]. Unternehmen erkennen zwar zunehmend den Wert von Daten, aber viele scheitern an der effektiven Nutzung dieser Ressource[iv].

Doch was passiert, wenn Unternehmen die Digitalisierung und den Datenaustausch vernachlässigen? Die Antworten finden wir in den Lehren aus der jüngeren Wirtschaftsgeschichte:

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Dort finden sich Unternehmen wie Kodak, Quelle und Nokia – einstige Giganten in ihren Branchen. Kodak, ein Pionierunternehmen in der Fotografie, verschlief den Übergang zur Digitalfotografie trotz frühzeitiger technologischer Vorreiterschaft. Quelle, ein traditionsreiches Versandhaus, unterschätzte die aufkommende Bedeutung des Onlinehandels und musste schließlich Insolvenz anmelden. Nokia, einst führend in der Mobilfunkbranche, verpasste den Trend hin zu Smartphones und verlor seine marktbeherrschende Position im Bereich der smarten Mobiltelefone an aufstrebende Konkurrenten.

Diese Unternehmen ignorierten nicht nur die aufkommenden digitalen Trends, sondern scheuten auch vor notwendigen Veränderungen zurück. Ihre Trägheit und das Festhalten an alten Geschäftsmodellen führten letztendlich zu existenziellen Krisen. Expertinnen und Experten erklären diese Zurückhaltung damit, dass etablierte Unternehmen lieber auf Strategien setzen, mit denen sie vertraut sind und die sich bisher gut bewährt haben. Daher erwarten Fachleute ein weiteres Wachstum bei geringen Veränderungen – wenig Innovation, kaum Investitionen und weitere Gewinne.

Zudem kommt die oberste Entscheidungsebene in etablierten Unternehmen oft nur zögerlich in Gang, wenn es um die Planung und Strategie für die Digitalisierung geht. Dies führt dazu, dass diese Unternehmen oft nicht rechtzeitig auf Trends setzen und dort ein Klima der Angst herrscht, in dem Scheitern nicht toleriert wird. Diese Faktoren behindern den Innovationsprozess und führen zu kurzfristigem Denken. In Deutschland herrscht ein mittelmäßiger Digitalisierungsgrad vor. Im europäischen Vergleich befinden wir uns auf dem dreizehnten Platz. Vorreiter sind die skandinavischen Staaten und die Niederlande[v].

Dabei spielen Digitalisierung und Datenaustausch in Deutschland eine entscheidende Rolle für den Systemumbau der Energieversorgung hin zu einem nahezu vollständig erneuerbaren Energiesystem und fungieren als Enabler dieses Übergangs. Sie sind somit mehr als nur ein unterstützendes Hilfsmittel (Facilitator), insbesondere im Bereich der Strom- und Wasserstofferzeugung und -nutzung. Studien zur klimaschutzkompatiblen Entwicklung unseres Energiesystems betonen Wind- und Solarenergie als wesentliche Pfeiler der zukünftigen Stromerzeugung. Modellrechnungen zeigen, dass zur Erreichung der Klimaziele eine große Anzahl von Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen, stationären Batteriespeichern, Elektrolyseuren und anderen technischen Anlagen benötigt wird. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs (Haushalte, Unternehmen, öffentliche Einrichtungen) aus erneuerbaren Energien kommen[vi]. Das bedeutet einen enormen Zubau an Solar- und Windkraft-Anlagen.

Hinzu kommt ein Ausbau der Produktion von grünem Wasserstoff bis 2030 auf eine Kapazität von zehn Gigawatt[vii]. Ein bedeutender Anteil dieser Anlagen wird volatile und nicht regelbare erneuerbare Energien zur Stromerzeugung nutzen, was einen Paradigmenwechsel vom bisherigen zentralen Kraftwerksmodell hin zu einem flexibleren System erfordert. Dieses komplexe Zusammenspiel erfordert eine zeitlich angepasste Energienutzung, eine stärkere Kopplung der Sektoren sowie den temporären Einsatz flexibler Erzeugungsanlagen und verschiedener Speichertechnologien[viii].

Gleichzeitig besteht eine Herausforderung in der saisonalen Balance von Angebot und Nachfrage bei der Integration von Strom aus Photovoltaik und Windenergie. Lösungsansätze wie die Erzeugung und Rückverstromung von Wasserstoff sowie die Nutzung großer Speicherkraftwerke werden hier diskutiert. Die Einbindung einer Vielzahl an dezentralen Verbrauchs- und Erzeugungseinheiten als aktiven Marktteilnehmenden ist entscheidend für den kurzfristigen Ausgleich im Energiesystem[ix]. Von ihr hängen die (Kosten-)Effizienz und Umweltfreundlichkeit des Gesamtsystems sowie die Liquidität der Märkte ab.

Die Einführung echtzeitfähiger und resilienter Digitalisierungskonzepte, die eine reaktive Netzführung ermöglichen, ist ein weiterer Schritt zur Entwicklung von Flexibilitätspotenzialen. Allerdings bestehen gegenwärtig noch digitale Lücken, da die Prozesse zur dynamischen Anpassung von Stromangebot und -nachfrage häufig zeitaufwendig und papierbasiert sind. Eine vollständige Ende-zu-Ende-Digitalisierung und ein datenbasierter Informationsaustausch sind erforderlich, um diese Abläufe effizienter und effektiver zu gestalten.

Einblicke in digitale Lösungen
Produktion von grünem Wasserstoff: Hier werden insbesondere die Herausforderungen der volatilen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und der Produktionskosten adressiert. Digitale Lösungen wie automatisierte Energiemanagementsysteme können eine prädiktive Produktionsplanung unterstützen, indem sie Parameter wie Stromverfügbarkeit, Strompreise und Wasserstofflast kontinuierlich analysieren. Predictive Maintenance reduziert Ausfallzeiten und maximiert die Verfügbarkeit der Anlagen durch vorausschauende Wartungsarbeiten.

Wasserstofftransport: Nach der Produktion muss der Wasserstoff zu den Verbrauchern transportiert werden. Dies erfordert jedoch nicht nur die Überprüfung und Anpassung bestehender Infrastrukturen, sondern auch eine Dynamisierung dieser. Smart Grids ermöglichen eine dynamische Anpassung des Wasserstoffflusses in Echtzeit, was zu einer effizienten Verteilung und Nutzung führt. Energiemanagementsysteme können genutzt werden, um die Integration von Energie aus Wasserstoff in bestehende Energieinfrastrukturen zu ermöglichen, indem sie Netzbelastungen ausgleichen und Energieverluste minimieren. Digitale Logistikplattformen koordinieren den Wasserstofftransport und verbessern die Effizienz der Lieferkette, wobei regulatorische Vorgaben und die Nachverfolgbarkeit der Zertifizierung von grünem Wasserstoff berücksichtigt werden.

Wasserstoffspeicherung: Die Speicherung von Wasserstoff ist entscheidend für die Versorgungssicherheit. Eine intelligente Planung der Speicherkapazitäten mit Hilfe digitaler Technologien (wie zum Beispiel Energiemanagementsystemen) kann die Kosten senken, indem sie die Effizienz der Nutzung durch automatisierte Be- und Entladevorgänge maximiert und Energieverluste minimiert. Handelsplattformen bieten Transparenz über Bestände und Nachfrage, während Simulationsprogramme oder digitale Zwillinge verschiedene Speicherszenarien modellieren, testen und optimieren können.

Wasserstoffnutzung: In der Anwendung von grünem Wasserstoff sorgen auf Echtzeitdaten basierte KI-gestützte Steuerungssysteme für eine effiziente und bedarfsgerechte Nutzung von grünem Wasserstoff in verschiedenen Anwendungen, wie zum Beispiel in industriellen Prozessen oder im Bereich Mobilität. Hier werden bereits existierende Cloud-Computing-Anwendungen genutzt, die eine optimale Steuerung ermöglichen. Außerdem gibt es zunehmend Potenzial für neue Geschäftsmodelle, wie zum Beispiel Mietmodelle für Elektrolyseanlagen, welche auf Datenqualität basieren und die Flexibilität erhöhen. Start-ups spielen eine wichtige Rolle bei der Adressierung von Herausforderungen in der Wertschöpfungskette, indem sie innovative Lösungen anbieten.

Entwicklung eines Wasserstoffmarktes: Digitale Lösungen könnten regionale und globale Marktplätze verknüpfen und den Handel über verschiedene Plattformen ermöglichen. Blockchain-basierte Smart Contracts können Handelsabwicklungen automatisieren und absichern, wodurch Vertrauen und Sicherheit erhöht werden. Big-Data-Analysen unterstützen die Preisbildung und die Entwicklung von Marktstrategien durch die Auswertung umfangreicher Marktdaten.

Nachvollziehbarkeit und Zertifizierung: Zertifizierung und Nachvollziehbarkeit der Herkunft des Wasserstoffs dürften aktuell zu den meistdiskutierten Themen zählen. Digitale Ansätze können hier Lösungen bieten, wie zum Beispiel die Blockchain-Technologie. Sie gewährleistet die Nachverfolgbarkeit der gesamten Lieferkette von grünem Wasserstoff, von der Produktion bis zur Endnutzung. Digitale Zertifikate und Supply-Chain-Management-Tools sorgen zudem für Transparenz und Vertrauen in die Herkunft und Qualität des Wasserstoffs. Durch die Nutzung digitaler Technologien wird die gesamte Lieferkette effizienter und nachvollziehbarer gestaltet, was die Akzeptanz und Verbreitung von grünem Wasserstoff fördert.

Forschungsprojekt HyTrust[x]
Datentreuhandmodelle (DTM) gelten als eine vielversprechende Methode, um den organisationsübergreifenden Datenaustausch und die wirtschaftliche Datenverwertung zu fördern. Ein Datentreuhänder fungiert als Intermediär[xi], der als neutrale Vertrauensinstanz und Datenverwalter agiert und sich für einen fairen Interessenausgleich zwischen Datengebern und Datennutzern einsetzt[xii]. Ziel eines Datentreuhandmodells ist es, einen vertrauenswürdigen Rahmen mit geeigneter Infrastruktur für den kontrollierten Austausch von Daten über Unternehmensgrenzen hinweg bereitzustellen. Diese Modelle sollen die Datensouveränität und individuelle Kontrolle über den Datenaustausch stärken, indem Datengeber festlegen können, welche Daten zu welchem Zweck und in welcher Form für welche Akteure zugänglich gemacht werden dürfen[xiii].


Datentreuhandmodell, Quelle: Eigene Darstellung, Fraunhofer IMW

Für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff spielen Datentreuhandmodelle eine entscheidende Rolle, indem sie das Potenzial bieten, die Bereitschaft zum Teilen von Daten zu erhöhen und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren der Wasserstoffindustrie zu erleichtern. Durch die Verbesserung des Datenzugangs können beispielsweise Wertschöpfungsketten im Kontext der Wasserstoffwirtschaft besser koordiniert und Innovationspotenziale erschlossen werden.

Außerdem stärken Datentreuhandmodelle die Datensouveränität und -sicherheit, indem sie Datengebern ermöglichen, den Zugriff auf ihre Daten genau zu definieren. Die zentralisierte Datenverwaltung und -bereitstellung fördert das Vertrauen und erleichtert den sicheren Austausch von Daten zwischen nationalen und internationalen Akteuren wie Wasserstoffproduzenten und -abnehmern sowie Netzbetreibern.

Trotz der Potenziale gibt es Bedenken und Herausforderungen im Zusammenhang mit Datentreuhandmodellen. Eine verbesserte Datenverfügbarkeit ist nicht automatisch garantiert, insbesondere wenn Datenerfassung und -bereitstellung weiterhin komplex sind. Zudem könnte die Einführung eines Datentreuhandmodells als zusätzliche bürokratische Hürde wahrgenommen werden, die den Prozess der Datennutzung erschwert. Unternehmen und Organisationen könnten auch aufgrund noch offener Haftungsfragen zögern, ihre Daten in einem zentralisierten Modell zu teilen.

Die konkreten Mehrwerte und passenden Anwendungsfälle für Datentreuhandmodelle im Wasserstoffmarkt sind im Status quo noch nicht vollständig definiert. Darum erforschen wir in unserem Projekt, wie Datentreuhandsysteme in der aufkommenden Wasserstoffwirtschaft für verschiedene Anwendungskontexte genutzt und ausgestaltet werden können. Das Forschungsteam entwickelt im Rahmen dieses Projekts tragfähige Geschäfts- und Betriebsmodelle für Datentreuhänder und adressiert technische Aspekte zur Umsetzung des Datentreuhandmodells. Dabei werden die Bedenken und Herausforderungen bei der Einführung eines solchen Modells berücksichtigt und die rechtlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen an Datentreuhänder mit einbezogen.

Mögliche Use Cases für Datentreuhandmodelle

Nachvollziehbarkeit und Zertifizierung: Ein Datentreuhandmodell (DTM) wäre bei der Etablierung des Wasserstoffmarktes sinnvoll, da es die Nachvollziehbarkeit und Zertifizierung im Wasserstoffmarkt verbessern kann. Durch ein solches Modell werden Transparenz und Vertrauen geschaffen, was den Marktzugang aus dem Ausland erleichtert und den Nachfragern klare Informationen über nationale und internationale Akteure, Angebote, Speicherung und Nachfrage liefert. Ein neutraler Non-profit-Verband könnte als Datenverwalter fungieren, ohne direkt in die H2-Wertschöpfungskette involviert zu sein. Dadurch würde die Neutralität des Zertifizierungsprozesses gewährleistet.

Planung von H2-Erzeugung und -Abnahme im Hochlauf: Für eine effiziente Planung der Wasserstoffproduktion und -abnahme ist ein Datentreuhandmodell von entscheidender Bedeutung. Es ermöglicht die Erfassung und Analyse von Daten zu Produktionskapazitäten, Speicherkapazitäten, Nachfrageprognosen und importierten Mengen. Diese Daten sind essentiell für die Optimierung der Netzplanung und die Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Ein DTM kann Unternehmen dabei unterstützen, Prozesse zu optimieren und den Wasserstoffmarkt effektiv zu gestalten.

Durch Datentreuhandmodell unterstützte Regulatorik: Die Entwicklung einer praxisnahen und sinnvollen Regulatorik im Wasserstoffmarkt wird durch ein Datentreuhandmodell erleichtert. Dieses ermöglicht die systematische Erfassung und Auswertung von Bedarfen und Anforderungen der Akteure sowie die Umwandlung dieser Informationen in regulatorisch relevante Daten. Auf diese Weise können regulatorische Entscheidungen auf fundierten und aktuellen Daten basieren, was zur Schaffung eines stabilen und verlässlichen Marktumfelds beiträgt.

Netzüberwachung: Für die sichere und effiziente Netzüberwachung im Wasserstoffmarkt ist ein Datentreuhandmodell unerlässlich. Es ermöglicht die sekundengenaue Überwachung von Ein- und Ausgängen im Netz sowie die Erfassung und Analyse von Netzdaten. Dadurch können Netzinseln identifiziert, Engpässe vermieden und eine kontinuierliche Versorgung mit Wasserstoff gewährleistet werden. Ein DTM unterstützt die Offenlegung und Analyse von Netzdaten, was für die Sicherheit und Stabilität des Wasserstoffnetzes von großer Bedeutung ist.

Insgesamt zeigt sich, dass ein Datentreuhandmodell im Wasserstoffmarkt eine zentrale Rolle bei der Verbesserung von Transparenz, Planungssicherheit, regulatorischer Unterstützung und Netzüberwachung spielt. Es fördert Vertrauen zwischen den Marktteilnehmern, erleichtert die Entwicklung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft und trägt zur Schaffung eines effizienten und zuverlässigen Marktes für grünen Wasserstoff bei.

Die digitale Transformation ist kein Luxus, sondern eine notwendige Bedingung für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen in der vernetzten Welt von heute. Das lässt sich am Beispiel des Hochfahrens des Wasserstoffmarktes und am Design der Wertschöpfungsketten eingängig aufzeigen. Durch den effektiven Einsatz von Datentreuhandmodellen und digitalen Technologien entlang der Wertschöpfungskette können Unternehmen den Übergang zu einer grünen Wasserstoffwirtschaft erfolgreich gestalten und so einen Beitrag dazu leisten, den nachhaltigen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben.

[i]               BMWK (2020): https://www.bmwk-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2020/07/Meldung/direkt-erklaert.html
[ii]              BDVA Position Paper (2019): Towards a European data sharing space. Enabling data exchange and unlocking AI potential.
[iii]             European Commission (2018): Study on data sharing between companies in Europe. https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/8b8776ff-4834-11e8-be1d-01aa75ed71a1/language-en
[iv]            Bitkom (2023): https://www.bitkom.org/sites/main/files/2023-05/Bitkom-ChartsDatenoekonomie.pdf
[v]             Statista (2022): Digitalisierungsgrad der EU-Länder 2022 | Statista
[vi]            Bundesregierung (2024): So läuft der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland. So läuft der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland | Bundesregierung
[vii]           Bundesregierung (2023): Neue Gigafabrik für Wasserstoff-Zukunft. Neue Fabrik für Wasserstoff-Elektrolyseure | Bundesregierung
[viii]          Digitalisierung und Energiesystemtransformation – Chancen und Herausforderungen (2018) 7288_Henning.pdf (wupperinst.org)
[ix]         Strüker J., Weibelzahl M., Körner M.-F., Kießling A., Franke-Sluijk A., Hermann, M. (2021): Dekarbonisierung durch Digitalisierung – Thesen zur Transformation der Energiewirtschaft. wi-1290.pdf (uni-bayreuth.de)
[x]             Fraunhofer IMW; Projekt HyTrust (2023): https://www.imw.fraunhofer.de/de/forschung/data-mining/PlattformbasierteWertsch/forschungsprojekte/hytrust.html
[xi]            Blankertz, A.; von Braunmühl, Patrick; Kuzev, Pencho; Richter, Frederick; Richter, Heiko; Schallbruch, Martin (2020): Datentreuhandmodelle. Stiftung Neue Verantwortung. https://www.stiftung-nv.de/de/publikation/datentreuhandmodelle
[xii]           Kühling, Jürgen LL.M Prof. Dr. (2021): Der datenschutzrechtliche Rahmen für Datentreuhänder. Zeitschrift für Digitalisierung und Recht (ZfDR). https://rsw.beck.de/zeitschriften/zfdr
[xiii]          BDR (2019): Der Datentreuhänder – Centrust Platform der Bundesdruckerei. Bundesdruckerei. https://www.bundesdruckerei.de/de/Newsroom/Aktuelles/Vertrauen-durch-Datentreuhaender

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