Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Eva Augsten

18. Dezember 2024

Titelbild: Einbau der Molchschleuse am Energiepark Bad Lauchstädt von Ontras im November 2023. Über die Molchschleuse können intelligente Messsonden im laufenden Betrieb in die Leitungen eingebracht werden. Noch in diesem Jahr soll der Netzabschnitt in Betrieb gehen.

Bildquelle: Ontras

Keine Zweifel am Kernnetz

Gasnetzbetreiber rechnen weiterhin mit politischer Unterstützung

Im Oktober 2024 hat die Bundesnetzagentur die Pläne für das Wasserstoff-Kernnetz genehmigt. Durch manche Abschnitte soll schon 2025 Wasserstoff fließen. Trotz trubeliger Zeiten bleiben die Netzbetreiber zuversichtlich in Bezug auf die neue Infrastruktur.

Planungssicherheit für die Betreiber von Speichern und Netzen sowie für die Wasserstoffnutzer sollte die Genehmigung des H2-Kernnetzes schaffen. Das erklärte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck am 22. Oktober 2024.

Nur 15 Tage später platzte die Ampel-Koalition. Das Wort „Planungssicherheit“ schien wie ein schlechter Witz. Mittlerweile sortieren sich einige Dinge, sogar einige wichtige Gesetzesnovellen könnten es noch durch den Bundestag schaffen.

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Keine Zeit für Sorgen
Die angehenden Betreiber des H2-Kernnetzes zeigen sich von dem Trubel weitgehend unbeeindruckt. Sie sind optimistisch, weiterhin politische Unterstützung zu erhalten. Das hängt teilweise sicher damit zusammen, dass der fortgeschrittene Projektstatus keine Zeit zum Zweifeln mehr lässt. Schon 2025 sollen erste Wasserstoffleitungen in Betrieb gehen. Und umgekehrt erhöht jeder Meter gebaute Wasserstoffleitung den Druck auf die Politik zum Weitermachen.

Zudem zeigte unter anderem die Anhörung zum Wasserstoffbeschleunigungsgesetz, dass nahezu alle Parteien hinter dem Rohstoff Wasserstoff stehen – von der AfD abgesehen. „Die gegenwärtige politische Lage hat auf diese Entscheidungen keinen Einfluss“, sagt Sebastian Luther aus der Unternehmenskommunikation der Ontras Gastransport, die bereits am Umbau einer Leitungsstrecke arbeitet. „Ich gehe nicht davon aus, dass sich die Lage für das Wasserstoff-Kernnetz bei einem Regierungswechsel verschlechtert. Vielleicht wird es mit einer CDU-geführten Regierung sogar besser“, sagt ein Mitarbeiter einer anderen Netzgesellschaft. Womöglich würden dann sogar die Pipeline-Verhandlungen mit Norwegen wieder aufgenommen, hofft er.

Und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fasst zusammen: „Die Umsetzung des Wasserstoff-Kernnetzes läuft nun. Der Antrag wurde genehmigt und die Unternehmen können mit der Realisierung beginnen.“

Wasserstoff Kernnetz Genehmigt Kopie

Eckdaten
Das H2-Kernnetz soll nach und nach bis 2032 in Betrieb gehen und 101 GW Einspeiseleistung haben. Die von der Bundesnetzagentur im Oktober genehmigte Variante ist gegenüber dem Antrag etwas geschrumpft: 9.040 statt 9.666 km Leitungslänge, 18,9 statt 19,8 Milliarden Euro.

Wasserstoff für Raffinerie
Drei Netzbetreiber, die schon 2025 erste Abschnitte fertigstellen wollen, sind Ontras Gastransport, Gascade sowie das Konsortium um den GET H2 Nukleus. Bei Ontras soll als Erstes die Total Energies Raffinerie Mitteldeutschland angeschlossen werden. „Im Reallabor der Energiewende Energiepark Bad Lauchstädt gehen wir weiterhin davon aus, dass wir den Kunden planmäßig im Jahr 2025 ans entstehende Wasserstoff-Kernnetz anschließen – und damit den ersten landesweit“, heißt es von Ontras.

Vertraglich sei die gesamte Lieferkette bereits vollständig vereinbart, so die Pressemitteilung. Der Spatenstich für das 25 km lange Teilstück von Bad Lauchstädt nach Leuna fand bereits im Sommer 2023 statt, wenige Monate später folgte der Einbau der Molchschleuse (Abb. 1). Das Teilstück gehört zum Energiepark Bad Lauchstädt, das als Reallabor der Energiewende vom BMWK gefördert wird. In dem Pilotprojekt will der Gasnetzbetreiber Erfahrungen sammeln, die beim Umstellen weiterer Gasleitungen Zeit und Arbeit ersparen sollen, erklärt Gunar Schmidt, Ontras-Geschäftsführer Betrieb und Sicherheit. Im Zuge des H2-Kernnetzes will Ontras insgesamt rund 600 km Wasserstoff-Transportleitungen im mitteldeutschen Raum schaffen.

Von der Ostsee nach Sachsen-Anhalt
Auch die Gascade Gastransport steht in den Startlöchern. „An der Planung für die Umsetzung der H2-Transportprojekte arbeiten wir bereits länger. Jetzt kann es tatsächlich losgehen – mit Umstellungen heutiger Erdgas-Pipelines und Neubauprojekten“, sagte Geschäftsführer Christoph von dem Bussche im Oktober. Gascade will vor allem im Nord- und Ostseeraum Importleitungen aufbauen. Noch 2025 soll das erste Leitungsprojekt mit dem Titel „Flow – making hydrogen happen“ große Wasserstoffmengen von Lubmin an der Ostseeküste nach Bobbau, einem Stadtteil von Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt, bringen können.

Ausgerechnet der in Lubmin ansässige Elektrolyseur-Betreiber HH2E hat gerade mit einer Insolvenz Schlagzeilen gemacht (s. S. 7). Doch das ficht das Leitungsprojekt nicht an, wie Gascade erklärt. Zum einen hofft das Unternehmen auf einen neuen Investor, zum anderen gibt es weitere Erzeuger, die in die Leitung einspeisen wollen.

In den Folgejahren sollen Leitungen im Ostseeraum und Südwesten folgen sowie die Offshore-Pipeline AquaDuctus, die Wasserstoff aus einem Nordsee-Windpark mit 1 GW Leistung an Land bringen soll.

Wasserstoff im Westen
Auch im Ruhrgebiet laufen die Bauarbeiten am ersten Kernnetz-Abschnitt, dem Projekt GET H2 Nukleus. Das Gesamtsystem mit vielen beteiligten Partnern soll bereits Mitte 2025 in Betrieb gehen. Es beinhaltet einen Großelektrolyseur (RWE), eine Umstellung von Bestandsleitungen (Nowega und OGE) sowie eine teilweise neue Leitungsstrecke (Nowega, Evonik). Bereits 2023 hat der Bau mehrerer Leitungen begonnen.

Investitionssicherheit gefragt
Einen normalen Leitungsneubau würde sich ein Netzbetreiber mit wasserdichten Verträgen mit den Kunden absichern lassen. Doch bei einem kompletten Netz für einen neuen Energieträger sind die Summen und die Ungewissheiten dafür zu groß. Viele Netzbetreiber erklären, das H2-Kernnetz sei eine historische Aufgabe für sie. Selbst für große Konzerne sind die Investitionen mindestens sehr ungewöhnlich, wenn nicht gar einzigartig.

Und so braucht es trotz grundsätzlich privatwirtschaftlicher Finanzierung doch staatliche Hilfe. Neben den IPCEI-Projekten (Important Projects of Common European Interest), die mit explizitem Segen der Beihilfe-Wächter der EU hohe Zuschüsse von Bund und Ländern erhalten, besteht die Hilfe vor allem in der staatlichen Rückendeckung bei der Amortisation über die Netzentgelte. Die Bundesnetzagentur soll zum Start das bundesweit einheitliche Hochlauf-Netzentgelt festlegen, so dass die ersten Kunden nicht abgeschreckt werden.

Aus der hohen Investition am Anfang und verzögerten Einnahmen ergibt sich so eine Finanzlücke. Diese will der Bund mit einem sogenannten Amortisationskonto überbrücken. Anfangs soll von dort Geld an die Netzbetreiber fließen, später wieder zurück – so zumindest lautet der Plan der Ampel-Regierung. „Der Kostenausgleich über das Amortisationskonto ermöglicht es uns, in das Kernnetz zu investieren, ohne alle Deals klar haben zu müssen“, sagt Dr. Dirk Flandrich, Leiter des Programms „Flow – making hydrogen happen“ bei Gascade.

Der norddeutsche Netzbetreiber Hamburger Energienetze, der im Hafengebiet mehrere Industriebetriebe mit Wasserstoff beliefern will, äußert sich ähnlich. Die Aussicht auf die einheitlichen Netzentgelte gebe den Netzbetreibern nun Finanzierungssicherheit, heißt es.

Die Grundlagen sind also da. Doch damit ist weder H2-Hochlauf noch Kernnetz in trockenen Tüchern. Damit sich das Amortisationskonto wie geplant wieder füllt, müssen die Bedingungen auch für H2-Erzeuger, -Speicher und -Abnehmer stimmen. Sie alle müssen zusammenfinden, um langfristige Verträge zu schließen.

Und dafür wiederum braucht es einen stabilen politischen Rahmen, in Deutschland wie in Europa. Der Ausbau erneuerbarer Energien, die Definition für grünen oder kohlenstoffarmen Wasserstoff und das Gaspaket der EU sind nur einige Stichworte. Während die Netzbetreiber an ihren Kernnetz-Baustellen arbeiten, gibt es daher auch reichlich politische Baustellen für die Bundesregierung und die EU. Diese anzugehen wird Aufgabe der neuen EU-Kommission und der zukünftigen Bundesregierung sein.

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