Wasserstoff ist ein Megatrend

Wasserstoff ist ein Megatrend

Das Thema Wasserstoff hat es in den vergangenen Jahren aus der Nische auf die große politische Bühne geschafft. Nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit wappnet sich die Energiebranche für den Wandel vom fossilen ins erneuerbare Zeitalter.

Während sich einige Regionen nur langsam auf die reale Energiewende vorbereiten, sind viele Länder in Mitteleuropa, aber auch Staaten wie die USA und Japan bereits mittendrin. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben mit dem Inflation Reduction Act (IRA) bereits ein riesiges Finanzpaket auf den Weg gebracht. Dieser Schritt steht in China noch aus. Beim Thema Elektromobilisierung ist die Volksrepublik zwar längst ganz vorne, aber der politische Rahmen für den Einstieg in eine H2-Wirtschaft ist noch in Arbeit (s. HZwei Oktober-Heft, S. 48).

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Deutschland hat zwar vor Jahren den Begriff „Energiewende“ geprägt und weltweit zum Inbegriff dieses Transformationsprozesses gemacht. Und mit dem Ausstieg aus Kohle und Kernenergie sowie dem Zurückdrängen von Öl und Gas befindet sich die Bundesrepublik auch auf einem guten Platz, aber führend bei der Bekämpfung der Klimakrise sind wir nicht mehr.

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Dabei war Deutschland lange Zeit anderen voraus – sowohl bei der Solar- und bei der Windtechnik als auch bei der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik. Die Hoffnung ist, dass es dieses Mal beim Aufbau einer eigenen H2– und BZ-Wirtschaft besser läuft als im Fall der PV-Industrie.

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Vor kurzem bekannte sich nun die Bundesregierung mit der Fortschreibung ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie zu dem vor drei Jahren eingeschlagenen Kurs (s. S. 14). Ergänzend bekommt Deutschland jetzt einen Steuerkreis für H2-Normung, um eine „Normungsroadmap Wasserstofftechnologien“ auf den Weg zu bringen (s. S. 6).

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Es überrascht daher nicht, dass insbesondere im deutschsprachigen Raum der Begriff „Wasserstoff“ seit einigen Monaten eine besondere Beliebtheit erfährt. Ende 2018 – weit vor dem eigentlichen Markthochlauf – begann das Interesse an Wasserstoff zu wachsen, was sich gut anhand der Google Trends (s. S. 7) ablesen lässt. Die Zahl der Anfragen in der Suchmaschine Google stieg damals beträchtlich und überschritt Anfang 2019 das Niveau von 2004.

Seitdem verzeichnet der US-Konzern immer mehr Suchanfragen nach diesem Schlagwort. Anfang und Mitte 2020 sowie Anfang 2021 überschritt deren Zahl sogar in erheblichem Maße die der Anfragen nach dem Keyword „Photovoltaik“. Über all die Jahre lag „Wasserstoff“ auch fast immer vor „Brennstoffzelle“, „Elektromobilität“ und „Digitalisierung“ (s. Cover-Grafik).

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Weltweit sieht es ein bisschen anders aus: Nach dem englischen Wort „hydrogen“ suchten über die gesamten zwei Jahrzehnte vergleichsweise viele UserInnen – weitaus öfter als nach „fuel cell“, „photovoltaic“ oder „digitization“ (Letzteres in jeglicher Schreibweise). Nur „PV“ kommt auf eine ähnliche Beliebtheit.

Diese Trend-Analyse entspricht sicherlich kaum wissenschaftlichen Standards, ist aber dennoch ein durchaus repräsentativer Indikator dafür, wie groß das Interesse an Wasserstoff war und ist. Unser Analyst Sven Jösting, der seit Jahren die börsennotierten H2– und BZ-Unternehmen beobachtet (s. S. 47), spricht bereits seit langem von einem „Megatrend“.

Auf etwaige Unkenrufe, es gebe hier lediglich mal wieder einen H2-Hype, kann somit getrost geantwortet werden: Die Wahrscheinlichkeit ist extrem hoch, dass wir es dieses Mal mit einem regelrechten H2-Boom zu tun haben. Bei dem wir allerdings noch ganz am Anfang stehen.

Denn einen funktionierenden Wasserstoffmarkt haben wir immer noch nicht. Außer wenn wir H2 als Industriegas für konventionelle Anwendungen (Schweißen, Medizin usw.) betrachten. Die Vorbereitungen laufen aber, mit H2Global eine Handelsplattform zu etablieren, an der – ähnlich wie an der Leipziger Strombörse – Wasserstoff in großen Mengen ge- und verkauft werden kann.

Auch einen Markt für Elektrolyseure oder Brennstoffzellen haben wir noch nicht, es sei denn in bislang noch kleinen Stückzahlen und überschaubarer Leistungsgröße. Angesichts der Mengen und Leistungen, die wir perspektivisch benötigen, ist dieser aber zu vernachlässigen. Über aktuelle Verkaufs- und Installationszahlen können wir hoffentlich in der HZwei-Januar-Ausgabe 2024 berichten.

Selbst im Mobilitätssektor sind die Verkaufszahlen noch sehr überschaubar, weshalb von einem ernst zu nehmenden Markthochlauf erst ab 2025 auszugehen ist. Dies betrifft dann allerdings vorerst nur den Nutzfahrzeugsektor, also H2-Lkw und -Busse. H2-Pkw dürften – wenn überhaupt – erst Ende des Jahrzehnts in markanter Menge produziert und abgesetzt werden. Bei Schienenfahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen wird es noch länger dauern.

Die Perspektive ist dennoch klar: Mit der zunehmenden Abkehr von der fossilen Energiewelt werden erneuerbare Energien immer wichtiger. Deswegen benötigen wir sehr viele Solar- und Windkraftanlagen. Um diese großen Mengen an Ökostrom dann in die unterschiedlichen Energiesektoren bringen zu können, ist Wasserstoff unabdingbar.

Das ist sicher eine etwas plakative Beschreibung der Energiewende. Sie zeigt aber, dass Wasserstoff nicht nur ein Megatrend ist, sondern dass es ohne Wasserstoff einfach nicht geht im Energiesektor.

Bloom Energy – Kapitalerhöhung gut abgeschlossen

Bloom Energy – Kapitalerhöhung gut abgeschlossen

Bloom Energy konnte seinen Umsatz im zweiten Quartal um 24 Prozent auf über 301 Mio. US-$ steigern. Das richtige Wachstum soll indes – wie in jedem Jahr bedingt durch Projektabschlüsse – wieder im zweiten Halbjahr liegen – da vor allem im vierten Quartal. Man geht von einer Aufteilung des Umsatzes im Verhältnis 30:70 aus, d. h., dass 70 Prozent der Umsätze – mit steigender Tendenz – in das zweite Semester fallen.

Die Erwartung, im Geschäftsjahr einen Gesamtumsatz in Höhe von 1,4 bis 1,5 Mrd. US-$ abzuliefern, wurde bestätigt. Die Non-GAAP-Gewinnmarge soll auf das Gesamtjahr übertragen 25 Prozent ausmachen. Der Bargeldbestand konnte per 30. Juni 2023 auf beachtliche 923 Mio. US-$ erhöht werden. Hierin sind Nettoerlöse aus einer Wandelanleihe in Höhe von 560 Mio. US-$ enthalten.

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Neues Geschäftsmodell: Series 10

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Industriekunden, die mindestens 10 MW an Energieleistung benötigen, macht Bloom das Angebot, via Abnahme von Strom und Wärme diese skalierbar über einen Liefervertrag – Laufzeit mindestens fünf Jahre – zu beziehen – ohne selbst in Technologie/Hardware investieren zu müssen. Der Kunde erhält Energie zu einem festgelegten kalkulierbaren Preis und das sicher 24/7. Dabei kann Bloom weiterhin Erdgas einsetzen, aber nach Verfügbarkeit auch Biogas und Wasserstoff. Zudem setzt Bloom darauf, die Abwärme – u. a. bei Rechenzentren – sinnvoll zu nutzen. Man bedenke, dass gerade Rechenzentren viel Energie für die Kühlung der Server benötigen, gleichermaßen aber die daraus entstehende Abwärme (Prozesswärme) auch nutzbar ist. Konkret:

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  • Der Kunde erhält sichere Energie zu einem festgelegten Preis über einen längeren Zeitraum. Bis zu 0,099/kWh am unteren Ende.
  • Besteht Mehrbedarf an Energie, kann das System durch die Nachlieferung zusätzlicher Energieserver innerhalb von 50 Tagen nach Vertragsabschluss je nach Wunsch (Energiemenge) ausgebaut werden.
  • Keine Upfront-Investitionen erforderlich. Bloom stellt die Energieserver und die Infrastruktur ohne zusätzliche Kosten für den Kunden.
  • Installierung, Service (Maintenance) und Management der Server erfolgt durch Bloom Energy.
  • Die Systeme sind so ausgelegt, dass sie mit Erdgas, Biogas und Wasserstoff – je nach Kundenwunsch und Verfügbarkeit – betrieben werden können. Auch der Switch von einem auf den anderen Energieträger stellt kein Problem dar.
  • Die Energie kann direkt vom Kunden angefordert werden, aber auch durch einen Versorger, der den Kunden mit Energie beliefert. Je nach Wunsch. Bloom arbeitet dabei mit Energieversorgern aller Art zusammen.

Themenfeld Wärme

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Mehr als 50 Prozent der Energie, die für Unternehmen zum Einsatz kommt, ist Prozesswärme. Dieser Bereich ist mit am wichtigsten in Sachen Dekarbonisierung. Steigende Energiepreise sind eine zusätzliche Herausforderung. Zum anderen führt die zunehmende Digitalisierung zu höheren Leistungsanforderungen bei den Rechenzentren und den dazugehörigen Netzwerken. Bis zu 40 Prozent der dort benötigten Energie dient zum Kühlen der Anlagen. Diese Energie wird vor allem durch Strom dargestellt. Dies ist auch in der Klimatechnik der Fall und beim Kühlen, Einfrieren. Dabei werden Hydrofluorocarbons eingesetzt (HFC), die sehr klimaschädlich sind – 100fach schädlicher als CO2.

Hier kann Bloom ansetzen, indem CHP (Combined Heat and Power = Kraft-Wärme-Kopplung) zum Einsatz kommt, da die Energieserver eine große Wärme/Hitze absondern. So gesehen ist die Wärme ein perfektes nutzbares Abfallprodukt, welches vom Industriekunden für seine Prozesswärme zum Einsatz kommen kann. Gleichermaßen lässt sich die Abwärme auch wiederum für Klimaanlagen und zum Frosten/Gefrieren einsetzen. Am Ende des Tages gelingt all dies ohne den Einsatz von HFCs.

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All das spart Geld und reduziert die CO2-Emissionen wie auch den Energiebedarf. In Europa wird dies schon genutzt, nun seien aber die USA via IRA am Zug, diese Potenziale für sich zu nutzen. Bloom ist diesbezüglich mit vielen potenziellen Industriekunden in Gesprächen.

Fazit: Heute schon auf das vierte Quartal dieses Jahres setzen. Es müsste nach den Prognosen insgesamt sehr positiv ausfallen a) bezogen auf die Gewinnmarge und b) auf den zu erwartenden Umsatz: 400 bis 500 Mio. US-$. Das dritte Quartal soll sich noch auf dem Niveau des zweiten halten, also keine Überraschungen bieten. Die weitere Spekulation sollte sich auf die Einführung der Hochtemperatur-Elektrolyseure 2024 konzentrieren, da sich hiervon ein weiterer Umsatz- und Auftragseingangsschub ableiten lassen wird.

Noch macht Bloom Verluste, wird aber in 2024/25 in die Gewinnzone eintreten – und das dann mit hohem nachhaltigem Zuwachs, so meine Erwartung. Zudem wird der Themenkomplex Wasserstoff (Produktion, Einsatz, steuerliche Anreize via IRA) für Bloom immer wichtiger. Die Börse wird nicht umhinkommen, die langfristigen Perspektiven in die Börsenbewertung einfließen zu lassen. Bloom erscheint mir sehr gut aufgestellt im Themenkomplex Energie und Wasserstoff. Ziel: Mehr als 50 US-$ in zwei Jahren. Einsammeln und liegen lassen. Die Börse antizipiert all dies.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Plug Power – Noch keine Kaufempfehlung

Plug Power – Noch keine Kaufempfehlung

Plug Power berichtet über eine Vielzahl an Projekten rund um Wasserstoff, dessen Produktion, den Einsatz und die zukünftigen Märkte, in denen man aktiv ist und sich als Frontrunner empfindet. Da sprechen Unternehmensvertreter von einer H2-Produktionsstätte in Georgia, die die größte ihrer Art in den USA sei. Man sei überall aktiv – bei den Stacks, den Kryo-Technologien (Verflüssigung), den Elektrolyseuren und wasserstoffbasierten Fahrzeugen.

Die Zahlen sprechen indes noch eine ganz andere Sprache: Der Umsatz zog zwar um beachtliche 70 Prozent auf über 260 Mio. US-$ im zweiten Quartal an. Nur stieg der Quartalsverlust ebenfalls um 58 Prozent auf minus 236,4 Mio. US-$ bzw. minus 0,40 US-$ pro Aktie (minus 0,26 US-$/Aktie war die Erwartung für das zweite Quartal). Die Liquidität nahm spürbar auf nur noch circa 1 Mrd. US-$ ab, wobei der CFO erwartet, dass Plug in den kommenden 12 bis 18 Monaten zwischen 1 und 1,5 Mrd. US-$ an neuer Liquidität benötigt.

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Kommt da demnächst ein Offering (Aktienplatzierung) oder wird ein Kredit im Rahmen des IRA durch das Department of Energy (DoE) in Höhe von über 1 Mrd. US-$ aufgenommen? Am besten würde sich eine Wandelanleihe im Volumen von 1 bis 2 Mrd. US-$ anbieten, da große Fonds vor allem auf „grüne Anleihen“ setzen, die dem Thema Nachhaltigkeit entsprechen sollen und auch das Kapital ausreichend vorhanden ist. Die Börse ist indes skeptisch aufgestellt und ließ den Aktienkurs einbrechen.

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„Bis Ende 2023 wollen wir 1,4 Mrd. US-$ Umsatz erzielen, mehr als 200 Tonnen flüssigen grünen Wasserstoff in Betrieb nehmen und der größte Global Player werden, mehr als 400 Mio. US-$ an Elektrolyseurverkäufen überschreiten, 30 Megawatt an stationären Stromerzeugungsprodukten in Betrieb nehmen, die als substanzielle Quelle für wiederkehrende Einnahmen für Plug dienen werden, und schließlich den Weg der Rentabilität für alle unsere Investoren klar aufzeigen.“

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Plug-Quartalsbericht

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Für mich alles Worthülsen – aber realistisch? Die Prognosen werden aufrechterhalten: 1,2 bis 1,4 Mrd. US-$ Umsatz gelten als Ziel für das Gesamtjahr 2023. Die Pläne sind gewaltig. Allein im Unternehmensfeld Elektrolyse wird eine Leistung von 7,5 GW erwartet. Die aktuellen Zahlen (Auftragsbuch mit einem Gegenwert von circa 224 Mio. US-$ für Elektrolyse) sprechen eine andere Sprache. Die Zielgrößen entsprechen einem Umsatzpotenzial von bis zu 5 Mrd. US-$. Realistisch? Wann?

Es gibt viele neue Standorte in der Welt für den Einsatz von Wasserstoff in Gabelstaplern, wie dies ja die Geschäftsgrundlage mit Kunden wie Amazon und Walmart ist. Nur müsste Plug den verflüssigten Wasserstoff selbst produzieren und daran Geld verdienen, statt diesen sogar mit Verlust von Dritten einzukaufen, so meine Einschätzung. Jeder Neukunde bringt dann ein Verlustgeschäft mit, so meine subjektive Sichtweise.

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Plug kalkuliert den Preis für Wasserstoff basierend auf 0,03 US-$ pro kWh in den USA mit 2,75 US-$ pro kg. In Europa aufgrund von Auflagen und dem Strompreis circa 0,75 US-$ pro kg höher. Bezieht man indes Kosten wie die Verflüssigung und den Transport mit ein, dann gelten 4,50 bis 5 US-$ pro kg als realistische Grundlage. Hier wird dann der Zuschuss via IRA in Höhe von 3 US-$ pro kg seinen positiven Einfluss haben (Gewinnmarge).

Fazit: Plug Power wird noch länger brauchen, bis die Aktie zum Kauf empfohlen werden kann. Nach der Platzierung einer Wandelanleihe (Erwartung/Vision) und dann ausreichender Liquidität für all die ehrgeizigen Pläne muss neu nachgedacht werden. Das Unternehmen hat sehr gutes Potenzial, ein Top-Player in Sachen Wasserstoff zu werden. Kritisch sollte man aber noch sein, da Plug an sehr vielen Projekten (Aufbau von Kapazitäten) parallel arbeitet, sich eventuell zu breit aufstellt und dies an vielen unterschiedlichen Baustellen zur selben Zeit und dann auch noch international unterwegs ist. Weniger ist mehr, würde ich da sagen. Das Unternehmen ist für mich – nach Studium des 10-Q (Quartalsbericht) – zu wenig transparent. Ab 7 US-$ setze ich auf den Einstieg.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

 

 

Hyzon Motors – Unternehmen wird neu positioniert

Hyzon Motors – Unternehmen wird neu positioniert

Die vergangenen Monate waren extrem für Hyzon Motors, mussten doch alle Zahlen für die vergangenen zwei Jahre seit Börsengang aufgrund eines Bilanzskandals neu aufbereitet werden, um den Bilanzierungsrichtlinien und den Bedingungen für das Börsenlisting (Aktienkurs musste wieder über 1 US-$ notieren, alle Quartalsberichte vorliegen, Fristen eingehalten werden) zu entsprechen. Dies liegt nun alles vor und es besteht Klarheit. Zudem wurde der Vorstand neu formiert und mit erfahrenen Fachleuten ergänzt.

Die Börse hat dies – wie von mir prognostiziert – in steigende Aktienkurse übertragen, die mit einem rasanten Anstieg von circa 0,50 US-$ bis auf knapp über 2 US-$ (Unternehmensbewertung stieg von 150 bis auf über 400 Mio. US-$ an) einhergingen. Jüngst kam es wieder zu einem markanten Kursrückgang, der aber angesichts der Perspektiven vorübergehender Natur sein sollte.

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Zum Zahlenwerk: Per Ende des zweiten Quartals betrug der Bargeldbestand noch 172,4 Mio. US-$. Der Quartalsverlust in Höhe von 60,2 Mio. US-$ enthält hohe Rechtskosten in Zusammenhang mit den SEC-Untersuchungen und den notwenigen rechtlichen Maßnahmen, für die 32 Mio. US-$ bilanziert wurden und 28,5 Mio. US-$ davon als einmalig (non recurring) angesehen werden können.

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Der Kapitalbedarf pro Monat wird auf 9 bis 12 Mio. US-$ geschätzt, wobei für das zweite Halbjahr zwischen 73 und 81 Mio. US-$ an Kapitaleinsatz gerechnet wird und 2024 dann insgesamt 110 bis 120 Mio. US-$, so dass das Unternehmen noch gut durchfinanziert ist, aber im Laufe des Jahres 2024 sicherlich Kapital aufnehmen muss (Ausgabe von Aktien, Kredite, IRA-Beiträge u. a.) oder andere Formen der Finanzierung suchen wird (Wandelanleihe, Beteiligung eines strategischen Partners). Unklar ist jedoch noch, welche Kosten für den Abschlussbericht der Börsenaufsicht SEC im Jahr 2024 auf Hyzon zukommen werden.

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Matthew Foulston neues Vorstandsmitglied

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Matthew Foulston hat über dreißig Jahre Erfahrung vor allem in der Kfz- und da vor allem in der Schwerlastverkehrsindustrie. U. a. war er CFO bei Navistar Truck und auch CFO von Mazda Nordamerika wie auch in Top-Positionen bei Ford Motor. Hyzon wird da sicherlich eine gute Wahl getroffen haben, die den Zielen des Unternehmens dienlich ist.

Am 24. August 2023 wurde zudem der bisherige Verwaltungsrat Erik Anderson zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats gewählt hat. Anderson tritt die Nachfolge von George Gu an, der von seinem Amt zurückgetreten ist.

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200-kW-Brennstoffzelle hat Meilenstein erreicht

Der Standort in Rochester, New York, wird geschlossen bzw. verkauft, um Kosten zu senken. Der in der Produktionsstätte und dem firmeneigenen Forschungszentrum Bolingbrook in Illinois entwickelte 200-kW-Stack befindet sich hingegen in Testreihen auf der Straße. Die dortige Produktionsaufnahme und Kommerzialisierung kann somit in 2024 starten. Parallel wurde die vollautomatisierte Produktion der MEA (Membrane Electrode Assembly) installiert. Nun geht es an die Standardisierung des Designs und der Abnahme. Weitere 16 Muster werden den Testlauf noch durchschreiten.

Der 200-kW-Stacks (Singlestack) habe gegenüber dem Wettbewerb viele Vorteile, so die gleichlautende Pressemitteilung, was sich auf die Größe, Gewicht, Radius (mehr km pro Wasserstoff), aber auch den Preis (25 Prozent niedriger) bezieht. Zudem sei der Servicebedarf geringer. Mit diesen 200-kW-Stacks wurden bereits zehn Lkw für Testläufe ausgestattet, drei davon in Europa und sieben in Australien. Alles sehr gute Nachrichten.

Ein Markt von weltweit 68 Mio. dieselgetriebenen Lkw, die so umgerüstet werden können und damit der Dekarbonisierung helfen. Auch hier spielt der IRA hinein, da 60 Mio. US-$ für Verfahren für die Reduktion von Dieselemissionen zur Verfügung stehen, weitere 2 Mrd. US-$ für damit in Verbindung stehende Produktionsstätten auf amerikanischem Boden, weitere 3 Mrd. US-$ für Technologien, die die Kfz-Produktion technologisch verbessern helfen. Hyzon wird diese Zahlen sicherlich deshalb genannt haben, da man sich Zuschüsse aus diesen für sich erwartet, da man sich als „Technology Innovator“ einstuft.

Ein gutes Zeichen: Die Shortseller decken ein. Waren vor ein paar Monaten noch über 20 Mio. Aktien short, so fiel diese Zahl auf unter 13 Mio. Stück. Nach Kursen von circa 2 US-$ ging es wieder runter auf 1,20 US-$, wobei dies eher als Reaktion auf den Anstieg von 0,50 US-$ bis 2 US-$ zu werten ist (Gewinnmitnahmen, technische Reaktion). Aktuelle Kurse um 1,20 US-$ lassen nun wieder an den Kauf denken.

Hyzon ist wie Nikola und Ballard im genau richtigen Markt engagiert – der Brennstoffzelle bei Nutzfahrzeugen. Mancher Auftrag wird 2024 den Aktienkurs von Hyzon im positiven Sinne treiben. Auch die Beteiligung eines strategischen Investors ist jederzeit denkbar. Hyzon denkt darüber nach, Partnerschaften wie mit Fontaine Modification (Systemintegrator) auch in anderen Regionen wie Europa mit Partnern vor Ort anzustreben.

Tests mit 110- und 120-kW-Modulen

Hyzon Motors wird übergangsweise auch Lkw mit deren 110-kW- und 120-kW-Modulen positionieren. Bereits 15 Testläufe mit BZ-Lkw bei Kunden (Performance Food, Airgas, Bison Transport, Talke, Total Transportation Services, MPREIS, Hylane und zuletzt Seaboard Transport) konnten erfolgreich abgeschlossen werden. Dabei wurde unter extremen Wettereinflüssen getestet und in allen nur denkbaren Tageseinsätzen. Über 2.900 Stunden Dauereinsatz der BZ-Systeme und über 68.000 Meilen an Distanzen wurden dabei zurückgelegt. Dieses Testprogramm läuft in Europa und den USA und soll auf Australien – mit dem Kunden Remondis – ausgeweitet werden. Der Personalbestand soll bei circa 380 Mitarbeitern bleiben.

Partnerschaft mit Fontaine Modification

Hyzon baut im Gegensatz zu Nikola Motors kein eigenes Lkw-Chassis, sondern liefert das komplette Brennstoffzellen-Modul. Den Einbau führen Unternehmen wie die US-amerikanische Fontaine Modification als Systemintegrator für Hyzon durch. Allein Fontaine baut immerhin jährlich über 44.000 Lkw für Kunden um. Hyzon hat damit den perfekten Partner.

Fontaine Modification gehört zu der Unternehmensholding Marmon Holdings, die an über 100 Unternehmen u. a. aus der Logistik, dem Maschinenbau und der Medizintechnik mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 10 Mrd. US-$ beteiligt ist. Marmon Holdings wiederum gehört zu dem Beteiligungsportfolio des Milliardärs Warren Buffett, Berkshire Hathaway. Für mich lässt sich damit eine Spekulation begründen, Marmon könnte sich an Hyzon beteiligen, um das BZ-Know-how (Patente, Produkte) für Tochterfirmen wie Fontaine inhouse zu nutzen.

So kann man sich gut vorstellen, dass Hyzon einen Weg wie Ballard Power mit Ford Trucks oder Nikola mit Bosch für die BZ-Module geht, aber auch Teil eines größeren Ganzen werden könnte, welches strategische Überlegungen beinhaltet. Fontaine/Marmon könnte dies sein, aber auch Unternehmen wie Cummins oder Kfz-Zulieferer wie Dana oder Magna kämen in Betracht. Oder aber Lkw-Produzenten, die die BZ-Powertrain gerne selbst im Haus haben wollen, aber die Entwicklung „verschlafen“ haben. Damit wird Hyzon zusätzlich zu den Wachstumsperspektiven rund um die BZ-Stacks auch als Übernahmespekulation hoch interessant.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Schaffung neuer Ökosysteme

Schaffung neuer Ökosysteme

Interview mit Tomoho Umeda, Gründer von Hynfra

Tomoho Umeda ist wahrlich eine imposante Persönlichkeit. Der japanischstämmige Unternehmer zieht die Blicke auf sich, sobald er einen Raum betritt. Umeda ist der Gründer von Hynfra und Hynfra Energy Storage und fördert als strategischer Berater Wasserstofftechnologien sowie groß angelegte Lösungen für erneuerbare Energien. Er ist zudem Vorsitzender des Ausschusses für Wasserstofftechnologie bei der polnischen Handelskammer, Vorstandsmitglied der Vereinigung Hydrogen Poland und Mitglied von Hydrogen Europe sowie der European Clean Hydrogen Alliance.

HZwei: Herr Umeda, Sie sind Vorstandsvorsitzender eines der wichtigsten Unternehmen der Wasserstoffwirtschaft in Polen. Was motiviert Sie besonders in Hinblick auf die Entwicklung von Wasserstoff?

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Umeda: Ich war vorher an der strategischen Beratung für zwei Branchen beteiligt: für die chemische Industrie und für die Energiewirtschaft – insbesondere für die japanische Energiewirtschaft. Im Jahr 2014 nahmen uns die Japaner mit in ein Werk, das Wasserstoff herstellt. Dort habe ich erkannt, dass ich mit meinem Wissen über die chemische Industrie und die Energiewirtschaft wirklich eine sehr gute Grundlage habe. Und seitdem beschäftige ich mich aktiv mit Wasserstoff. Ich habe einige der besten Leute, die ich in der Energie- und in der Chemieindustrie kennengelernt habe, eingeladen, sich zusammenzutun und dieses Unternehmen gemeinsam zu gründen. Denn Wasserstoff verbindet beide Bereiche sehr gut.

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Wenn wir heute über Wasserstoff reden, sprechen wir eigentlich über das gesamte Spektrum, also auch über seine Derivate, einschließlich Ammoniak und Methanol. Was das Ammoniak betrifft, so verfügt Polen seit hundert Jahren über umfangreiche Erfahrungen in der Synthese von Ammoniak und im Umgang mit Wasserstoff. Die effektivsten Syntheseverfahren oder Optimierungen dieser Verfahren wurden ebenfalls in Polen durchgeführt. Damit ist Polen auf der Welt konkurrenzlos. Wenn wir uns heute das Chemieunternehmen Zakłady Azotowe Puławy anschauen, dann basieren deren Prozesse wesentlich auf dieser Technologie. Sie ist damit ein Schlüsselelement der Energieoptimierung in Polen.

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Was den polnischen Markt sicherlich vom deutschen Markt unterscheidet, ist das Vorhandensein von Fernwärme und die Tatsache, dass unsere Wärme ein reguliertes Gut ist. Die Geschäftsparameter für solche Kraft-Wärme-Kopplungs- oder Polygenerationssysteme, die aus erneuerbaren Energien, Wasserstoff und Fernwärme bestehen, können dadurch sicherer vorhergesagt werden. Und das ist in der Tat die Richtung, in die wir weiter gehen wollen. In Polen wird dieser Wasserstoffmarkt ein fragmentierter Markt sein, denn die Fernwärme ist eine Grundlage für uns, um diese erneuerbaren Wasserstoffsysteme zu schaffen. Es sind mehr als 400 Städte, die mit Fernwärme ausgestattet sind.

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Die gesamte postkommunistische Region verfügt über genau die gleiche Infrastruktur, denn sowohl in der Ukraine als auch in Russland, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn und im Norden, in den baltischen Ländern bis hin zu Finnland gibt es im Grunde die gleichen Systeme, auch weiter im Osten, der Mongolei und China. Es ist alles im Grunde sehr ähnlich. Ein ähnlicher Aufbau. Das ist eine großartige Basis für uns. Nicht nur für die Dekarbonisierung einer Stadt oder einer lokalen Regierungseinheit, sondern auch für die Schaffung neuer Ökosysteme auf der Grundlage dieser Netze.

Deutschland will nur grünen Wasserstoff nutzen. Die Projekte, die Sie durchführen, im polnischen Sanok oder dem ukrainischen Butscha, wo Sie ebenfalls aktiv sind, basieren ebenfalls auf grünem Wasserstoff. Würden Sie auch Wasserstoff verwenden, der mit anderen Energiequellen erzeugt wurde?

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Wir setzen auf die erneuerbaren Energien, also entweder auf Wasserstoff aus Elektrolyse oder aus Biogas/Biomasse. Im Falle der Biomasse, die immer als erneuerbar gelten wird, schließen wir zumindest die Möglichkeit der Entwicklung von Projekten mit sogenanntem blauem Wasserstoff oder generell mit Systemen, die auf der Eliminierung von Kohlendioxid beruhen, nicht völlig aus. Fossile Brennstoffe hingegen werden wir nicht akzeptieren, weil wir glauben, dass diese EU-Verordnungen oder generell die Richtung, die wir weltweit in den Pariser Abkommen vereinbart haben, eindeutig ist. Ich verstehe ja jene Unternehmen, die versuchen, ihre bestehende Infrastruktur, ihre bestehenden Anlagen zu behalten und sie ein wenig zu modifizieren. Aber das ist das Problem dieser Unternehmen. Es ist nicht unser Problem. Wir sind nicht mit solchen Anlagen belastet und wir sind frei, um erneuerbare Energien zu nutzen.

Wenn ich aber an die Ukraine und Wasserstoff denke, kommt mir sofort die Kernkraft in den Sinn.

Die Kernenergie ist ein ganz anderes Thema, das sehr interessant ist. Ich denke, dass im Zusammenhang mit dem, was in letzter Zeit mit dem Überschuss an erneuerbaren Energien passiert ist, allmählich klar wird, warum Deutschland sich von der Kernenergie abgewendet hat. Denn wenn heute die Kernenergie im deutschen System immer noch einen bedeutenden Teil des sogenannten Sockels ausmachen würde, dann wäre eine Steigerung der Effizienz bei der Produktion aus erneuerbaren Quellen erschwert. Nun, es ist klar, dass die Kernenergie zwar sauber sein mag, aber systemisch gesehen ist sie einfach nicht sehr rational. Generell sehe ich diese Realität aber ein wenig anders, denn ich habe immer noch den Eindruck, dass wir ständig von Dekarbonisierung reden und dass wir uns irren, wenn wir nur über die Stromsysteme reden und nicht über den gesamten Energieverbrauch der Wirtschaft. Ich habe bis jetzt keine schlüssigen deutschen Ideen gesehen, wie man mit der Dekarbonisierung des gesamten Energieverbrauchs in der Wirtschaft umgehen will.

Ist der deutsche Markt für Ihr Unternehmen interessant? Versuchen Sie, dort Projekte vor Ort zu realisieren?

Wir haben darüber nachgedacht und sogar einige Versuche unternommen. Aber wir haben den Eindruck, nachdem wir verschiedene Vorstudien und Berechnungen durchgeführt haben, dass es paradoxerweise viel schwieriger ist, Wasserstoffprojekte auf dem deutschen Markt zu entwickeln als hier. Erstens ist dort schon ein hoher Sättigungsgrad mit erneuerbaren Energien vorhanden. Paradoxerweise würde ich jedoch sagen, dass es angesichts einer gewissen geografischen Ähnlichkeit für uns schwierig ist, die Modelle, die in Polen praktikabel sind und keine finanziellen Lücken aufweisen, auf Deutschland zu übertragen. Dort werden diese finanziellen Lücken, die bei diesen Projekten auftreten, mit Subventionen finanziert. Das wiederum führt zu einem neuen Wettbewerb, einem ungesunden Wettbewerb um Fördermittel. Wir führen unsere Projekte aber im Nullmodell durch, ohne Subventionen. Die Projekte müssen sich finanziell tragen. Deshalb haben wir uns aus dem deutschen Markt vorerst zurückgezogen.

Autorin: Aleksandra Fedorska

 

Grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung

Grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung

Reisebericht aus Indien von Sven Jösting

Am 18. und 19. April 2023 hat der Fachkongress „Green Hydrogen in India“ in Neu-Delhi stattgefunden. Aus diesem Anlass wurde ich zu einer Reise von Mumbai über Surat nach Neu-Delhi und dann via Ahmedabad zurück nach Mumbai eingeladen. Für den Weg wurden zahlreiche Meetings mit Topvertretern namhafter indischer Großunternehmen – oftmals in deren Firmenzentralen – eingeplant. Diese Firmen haben allesamt Wasserstoff als neues wachstumsstarkes Wirkungsfeld erkannt und verfügen bereits über große Mengen regenerativer Energie – vor allem Sonnenenergie – für die H2-Produktion. Ziel ist, den Wasserstoff in Form von grünem Ammoniak auf dem Schiffsweg zu exportieren.

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Da gibt es eine Reihe von indischen Großunternehmen, die nicht nur bereits Solarenergie in einer Größenordnung von bis zu 5 GW installiert haben, sondern zusätzlich jeweils 1 GW Photovoltaikleistung jährlich generieren. Damit könnten rund 1 Million Tonnen grünes Ammoniak pro Jahr produziert werden – gewaltige Mengen und sehr ehrgeizige Pläne. Noch ist Indien Importeur von Ammoniak als Düngemittel, will dies aber in wenigen Jahren ändern und nicht nur Selbstversorger werden, sondern einen gewaltigen Exportmarkt für grünes Ammoniak und grünes Methanol erschließen. Die Planungsvorgaben liegen bei 70:30, das heißt 70 Prozent dieser Produktionsmengen für den Eigenverbrauch und 30 Prozent für den Export.

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Präsident Modi adressiert das H2-Thema

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Am Vorabend des Wasserstoffkongresses hält Präsident Narendra Modi im indischen Staatsfernsehen India News eine Rede über den Klimawandel. Er führt aus, was Indien zu tun gedenkt, um diesem Wandel mit zahlreichen Programmen und Maßnahmen zu begegnen. Jeder einzelne Inder sei aufgerufen, vernünftig mit der Umwelt und den Ressourcen umzugehen.

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Indien hat im Januar dieses Jahres ein umfassendes H2-Programm auf den Weg gebracht. Solarenergie und Windkraft wird dabei eine besondere Bedeutung als Grundlage für die Produktion von Wasserstoff beigemessen. Grünes Ammoniak und auch grünes Methanol werden eindeutig als der Weg gesehen, Wasserstoff international nachhaltig transportierbar zu machen und für Indien als Exportgut zu entwickeln. Da Indien jedoch selbst großen Appetit auf nachhaltig erzeugte Energie hat, um den Import von fossilen Energieträgern zu reduzieren und nach Möglichkeit zu ersetzen, wird die Exportquote prozentual kleiner ausfallen als die im Land verbleibende H2-Menge.

Natürlich geht es neben dem Klimawandel auch um Energiesicherheit, und wie damit technologisch umzugehen ist. Dieser Fachkongress in Neu-Delhi konzentriert sich ausschließlich auf Wasserstoff.

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National Green Hydrogen Mission

Das erst im Januar lancierte Programm zum Themenkomplex Wasserstoff „National Green Hydrogen Mission“ ist allumfassend. Jeder Aspekt – von der Produktion bis hin zu den vielen Nutzungspotentialen – wird behandelt. Zusätzlich wird es viele Förderprogramme geben. Ein Beispiel: Die Einspeisung von Wasserstoff in die Gasnetze (blending) wird staatlich subventioniert, das heißt, der Staat übernimmt die Transportkosten in den Pipelines. Da das Gasnetz derzeit nicht voll ausgelastet ist, kann Wasserstoff perfekt eingesetzt werden. Bislang kann bis zu 18 Prozent Wasserstoff eingeleitet werden.

Green Hydrogen in India

Indien hat die Potentiale von grünem Wasserstoff vollends erkannt. Das asiatische Land arbeitet an sehr anspruchsvollen Plänen, wobei vor allem die Unternehmen die Umsetzung übernehmen sollen. Der weltgrößte Energiekonzern, die indische staatliche NTPC, spielt bei diesem Dekarbonisierungsprozess, der durch zahlreiche Einzelprojekte im ganzen Land vorangetrieben wird, ebenfalls eine wichtige Rolle.

Indien will und muss von Gas- und Ölimporten wegkommen und auch für Kohle Alternativen finden, um Energiesicherheit, aber auch das Thema der Dekarbonisierung anzugehen. Über 90 Mrd. US-$ gibt das Land bislang jährlich für den Einkauf von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas aus. 40 Prozent der Primärenergie wird importiert. Demgegenüber verfügt Indien über schier unendliche Potentiale, sehr kostengünstig erneuerbare Energien zu erzeugen – vor allem via Sonnenkraft und zunehmend auch via Windenergie – hier zukünftig vor allem offshore. Indien sieht sich selbst in der Rolle eines H2-Frontrunners, da regenerative Energie via Sonnenkraft vor Ort im weltweiten Vergleich sehr günstig produziert werden kann.

Man spürt eine wahre Aufbruchstimmung und den Willen, die Grundlagen für die Wasserstoffproduktion in großem Stil zu legen. Für Projekte rund um die Erzeugung regenerativer Energien wird es zügige und schnelle Genehmigungsverfahren geben. Man spricht von Wochen oder wenigen Monaten statt wie bei uns in Deutschland von Jahren. Viele Flächen eignen sich perfekt, da es sich um sogenanntes Wasteland handelt, das heißt um Landflächen, die sich nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln oder für Viehzucht u. Ä. eignen.

Die Regierung und die zuständigen Ministerien arbeiten daran, den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft durch vereinfachte regulatorische Verfahren zu beschleunigen und zu unterstützen wie auch Fördermechanismen einzuführen. Regierungschef Modi fordert mit großem Druck, dass die Behörden zügig für die Umsetzung sorgen und konstruktiv die Wirtschaft unterstützen. Modi wird im positiven Sinne unterstellt, dass er mit seinem unternehmerischen Denken die richtigen Weichenstellungen vornimmt. Dafür sei er im Land bekannt, wie zu hören ist.

Grünes Ammoniak als Devisenbringer der Zukunft

Führt Indien bislang noch über 3 Mio. Tonnen Ammoniak – erdgasbasiertes – als Düngemittel ein, so kann das Land mittels der vielen vorhandenen erneuerbaren Energien und der darauf beruhenden zukünftigen Wasserstoffproduktion in den kommenden Jahren nicht nur Selbstversorger, sondern auch zum Exporteur von Ammoniak werden. Wir sprechen von 3 bis 5 Mio. Tonnen grünem Ammoniak pro Jahr bereits bis zum Jahr 2030, um so grünen Wasserstoff transportierbar zu machen. Eine Vielzahl von Projekten zum Bau von Ammoniakanlagen befindet sich bereits in der Planung und Umsetzung. Viele Projekte befinden sich in der Nähe von Häfen und sind somit logistisch perfekt aufgestellt.

Größte Unternehmensgruppen sind Vorreiter

Der Bedarf an grünem Wasserstoff ist gigantisch – vor allem in der chemischen Industrie, der Stahlerzeugung und anderen industriellen Einsatzgebieten. In der Mobilität wird ein Anteil von zehn Prozent gesehen, was unter anderem den Einsatz von Wasserstoff im Nutzfahrzeugverkehr, auf Schiffen und in der Eisenbahn angeht. Aber auch bei Pkw wird mittel- bis langfristig Bedarf für Wasserstoff gesehen, so der Tenor des zuständigen Topmanagers der Reliance Group, deren Großaktionär Ambani über 50 Mrd. US-$ in den Komplex Wasserstoff zu investieren plant.

Letztendlich geht es immer um die Dekarbonisierung. Überhaupt gehen Indiens Milliardäre in Sachen Wasserstoff voraus. So berichteten Topmanager von Reliance, Adani und anderen Unternehmen gegenüber HZwei von ihren Wasserstoffplänen. Tata beispielsweise hat bereits 2004 zusammen mit Rand Corp. einen Think-Tank zum Thema Wasserstoff initiiert. Außerdem unterhält die Tochter Tata Motors ein Joint Venture mit Cummins Engine, welches kürzlich um H2-Technik ergänzt wurde.

Indien will Elektrolyseurproduktion im eigenen Land

Einen Flaschenhals gibt es indes bei der Verfügbarkeit von Elektrolyseuren, die für die H2-Produktion benötigt werden. Dabei geht es nicht um die Energie, die der Elektrolyseur benötigt, sondern die Verfügbarkeit der notwendigen Mengen der Komponenten beziehungsweise deren Kapazitäten. Bei der gängigsten Variante, der alkalischen Elektrolyse, bestimmen noch chinesische Hersteller das Bild. Indien will da eine eigene Industrie auf die Beine stellen, das heißt ausländische Hersteller dafür gewinnen, deren Know-how durch den Aufbau von Produktionsstätten im Land zum Einsatz zu bringen und dies auch mittels staatlicher Programme zu fördern.

Marktführer in Sachen regenerative Energien wie Greenko haben deshalb Partnerschaften und Joint Ventures mit Unternehmen wie John Cockerill (Elektrolyseure) etabliert, um bei den sehr ehrgeizigen Unternehmenszielen, u. a. in der Nutzung von Wasserstoff für die Ammoniakproduktion, über die notwendigen Mengen an Elektrolysekapazität auch selbst verfügen zu können. Mit Uniper besteht bereits ein Abnahmevertrag, der sich auf zukünftige Produktionsmengen bezieht.

Für europäische, vor allem auch deutsche Unternehmen entwickeln sich hier sehr interessante Perspektiven, Wasserstoff zu kaufen, aber auch via Technologietransfer über Kooperationen und Joint Ventures in Indien mit Partnern eine Produktion (Brennstoffzelle, Elektrolyse, H2-Tanks und Zulieferteile) aufzubauen – nach der Devise: local for local.

Indien ist auf gutem Weg ins H2-Zeitalter

Indien hat das Potential der Eigenproduktion von Wasserstoff vollends erkannt und arbeitet an der Umsetzung. Sicherlich wird nicht alles von heute auf morgen realisierbar sein, da ein enormer Kapitaleinsatz erforderlich ist und die Projekte bestimmte Kriterien für ihre Finanzierung erfüllen müssen. Eine Reihe an persönlichen Gesprächen mit Topvertretern von Ministerien, Unternehmen und wichtigen Provinzen hat mich zu der Erkenntnis gebracht, dass sich Indien hier perfekt positioniert und ein weltweit führender Player werden wird.

Der steigende Energiebedarf wird vorerst noch von fossilen Energieträgern, aber step by step von regenerativen Energien und Wasserstoff gedeckt werden. Indien ist auf dem richtigen Weg. Bis zum Jahr 2047 will man energieautark und bis zum Jahr 2070 bei Net Zero im CO2-Ausstoß sein. Indien ist mit über 1,4 Mrd. Menschen seit wenigen Wochen der einwohnerstärkste Staat der Erde – vor China. Da sprechen wir von einem gewaltigen Energiehunger, der stark zunimmt – aber glücklicherweise mittel- bis langfristig regenerativ gestillt werden wird.

Ich konnte an diesem Kongress als Mitglied der Delegation der deutschen Beratungsinitiative Lili Navitas (der Name steht für grüne Energie) partizipieren. Der Unternehmenszweck: deutsche und indische Unternehmen in Sachen Wasserstoff und für dessen Produktion notwendige Technologien (u. a. Elektrolyse) zu verbinden und Kontakte mit dem Ziel gemeinsamer Projekte in Indien und Deutschland herzustellen. Initiator war Kiran Bhojani, selbst indischer Abstammung, der beruflich früher in Topposition bei E.ON in Deutschland gearbeitet hat. Er sieht es als seinen Auftrag an, Indien auf seinem Weg zu einer Wasserstoffgesellschaft zu begleiten und durch die Vermittlung von Kontakten und Unternehmensverbindungen zu unterstützen.

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