Grüne Vollversorgung übers ganze Jahr

Grüne Vollversorgung übers ganze Jahr

HPS weiht Eigenheim mit solarem Wasserstoffspeicher ein

In Schöneiche, einem Vorort östlich von Berlin, startet das erste autarke Wasserstoffhaus in den Praxistest. Ein solarer Ganzjahresspeicher soll den Bedarf für das moderne Holzhaus decken. Mit dem Forschungsprojekt FlexEhome soll gezeigt werden, wie ein Eigenheim bei entsprechend guter Dämmung selbst mit Strom und Wärme versorgt werden kann. Im Rahmen dieses Projekts testen die Beteiligten zudem netzdienliche Leistungen.

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Die Photovoltaikanlage des brandneuen Einfamilienhauses in der Schillerstraße wurde mit insgesamt knapp 30 Kilowatt Leistung bewusst sehr groß ausgelegt – so kann sie einen solaren Energieüberschuss für die Produktion von sauberem Wasserstoff erzeugen. Denn derzeit produzieren die meisten Gebäude mit Photovoltaikanlage und Batterie zwar zu viel Strom im Sommer, jedoch zu wenig Strom in den Wintermonaten. Es fehlt bislang ein Saisonspeicher.

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In dem Forschungsprojekt FlexEhome soll nun in einem Praxistest gezeigt werden, dass es anders geht: Es soll nur Strom ins Netz abgegeben oder entnommen werden, wenn es auch für das Stromnetz dienlich ist. Dies ist aufgrund einer im Vergleich zu Batterien deutlich größeren Speicherkapazität und der Herstellung von Wasserstoff, der über längere Zeiträume bevorratet werden kann, möglich. Dank dieser Flexibilität wird die Netzstabilität verbessert und der Ausbaubedarf der dezentralen Verteilnetze minimiert. Die Bewohner eines solchen Gebäudes leisten auf diese Weise einen Beitrag zur Stromnetzstabilität und Versorgungssicherheit.

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„In Zukunft sind solche dezentralen Flexibilitäten für den Erfolg der Energiewende unverzichtbar“, betont Zeyad Abul-Ella, Chef und Gründer von Home Power Solutions (HPS), bei der feierlichen Vorstellung dieses solaren Wasserstoffhauses. Ein wesentlicher Baustein des Projekts ist der Langzeitspeicher picea von HPS, der den überschüssigen Strom der Solaranlage im Sommer in Form von Wasserstoff mittels Elektrolyse speichert. Im Winter wird das grüne Gas über die Brennstoffzelle wieder zu Strom und Wärme umgewandelt.

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AEM-Elektrolyseur von Enapter

Den Wasserstoff erzeugt ein AEM-Elektrolyseur 2.0 des deutsch-italienischen Herstellers Enapter. Das Modul kann relativ schnell starten und hochfahren. Der Batteriespeicher ist ein Blei-Gel-Akkumulator aus deutscher Produktion und verfügt über 20 kWh Kapazität (netto). Blei hat – obwohl es ein giftiges Schwermetall ist – den Vorteil, dass es bereits ein eingespieltes Recycling-System gibt – insbesondere bei Starterbatterien aus Kraftfahrzeugen.

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Bauingenieur Abul-Ella hat das Komplettsystem aus Elektrolyseur, Brennstoffzelle, Wasserstofftank sowie Bleispeicher und Lüftungsgerät vor fast zehn Jahren selbst entwickelt. Billig ist das picea-System mit 120.000 Euro im Vollausbau allerdings nicht. Dennoch hat der Absatz der sogenannten Ganzjahresstromspeicher in den letzten Monaten stark zugelegt. Mehr als hundert Geräte sind schon in Betrieb, mehr als 500 Exemplare bestellt.

Das Berliner Unternehmen kommt bei den Bestellungen kaum hinterher. Die Wartezeit beträgt derzeit etwa zwölf Monate. Die Produktion von HPS soll deshalb weiter ausgebaut werden. Auch wegen Projekten wie FlexEhome: Beteiligte Partner sind beispielsweise der Wärmepumpenhersteller Vaillant, der Holzhausbauer Albert Haus sowie die Technische Universität Berlin.

Solar in Ost-West- und Südausrichtung

Um die solare Ernte vom Dach schon in der Produktion zu glätten, wurde das Gros der Photovoltaikmodule mit 27,4 Kilowatt als dachintegrierte Lösung in Ost-West-Ausrichtung installiert. Zusätzlich befinden sich sieben Module mit insgesamt 2,4 Kilowatt an der Balkonbrüstung in Südausrichtung. Beides zusammen reduziert die PV-Mittagsspitze um 30 Prozent (s. Abb. 2) – und verlängert so die Laufzeit des Elektrolyseurs im Sommer um vier Stunden pro Tag. „Dadurch erhöht sich der Wasserstoffertrag um satte 40 Prozent“, sagt Daniel Wolf von HPS. Der Ingenieur ist der Verbundkoordinator dieses innovativen Projekts.

Reduzierung der Mittagsspitze bei der Solarstromproduktion durch Ost-West-Ausrichtung

In einem Holzhäuschen an der Nordseite des Einfamilienhauses steht der Elektrolyseur mit insgesamt vier Bündeln an Druckgasflaschen mit je 300 kWh elektrischer Leistung (s. Abb. 3), um das H2-Gas aus den Sommermonaten für die Wintermonate zu speichern. Schon im Juli sei der Wasserstoffspeicher laut Berechnungen wieder komplett gefüllt, prognostiziert Wolf. Der Raumwärmebedarf des knapp 150 Quadratmeter großen Eigenheims liegt rund 40 Prozent unter dem eines KfW55-Hauses. Dieser hohe Dämmstandard ist auch nötig, damit sich das Haus selbst rund ums ganze Jahr mit Strom und Wärme versorgen kann. Das ist der Schlüssel und die Basis zur grünen Vollversorgung.

Aber auch ökonomisch soll sich die langfristige Speicherung von Strom künftig rechnen – und zwar über den Handel am Strommarkt. Denn immer wieder gibt es sehr hohe Börsenstrompreise, wie an einigen Tagen im Dezember 2022, als er bei umgerechnet 60 ct/kWh lag. Auf der anderen Seite gibt es das Extrem von negativen Strompreisen, wie Anfang Juni 2021, als minus 5 ct/kWh aufgerufen wurden. Hier könnte sich der H2-Speicher von HPS auszahlen, der jederzeit über Reserven verfügt, sagt Wolf.

H2-Druckgasbehälter als saisonaler Speicher

TU Berlin überwacht alle Energieflüsse

Der Wasserstoff wird in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage wieder zu Strom und Wärme, wobei auch die Abwärme genutzt wird. In Verbindung mit einer Wärmepumpe wird so eine ganzjährige Versorgung des Hauses mit selbst erzeugtem Solarstrom gesichert. Gerade auch das Zusammenspiel mit der Wärmepumpe soll durch dieses Projekt in den nächsten Monaten näher untersucht werden.

Schon bald soll eine vierköpfige Familie zur Miete im Projekthaus wohnen. Sie zahlt im Ortsvergleich eine günstigere Miete, muss allerdings von Zeit zu Zeit Fachbesuchern und Technikern nach Anmeldung Zugang zum Technikraum gewähren. Um die Vollversorgung und eine netzdienliche Einspeisung zu dokumentieren, wird die TU Berlin zudem sämtliche Energieflüsse im Haus in den nächsten Monaten genau monitoren.

Die Forscher begleiten das Projekt noch mindestens bis Ende 2024. Sie gucken sich neben den Energiebilanzen auch die CO2-Emissionen an. „Am Ende wollen wir bewerten, ob sich so ein Gebäude für den Klimaschutz lohnt“, sagt Alexander Studniorz von der TU Berlin. Dafür machen die Wissenschaftler eine Lebenszyklusanalyse. Die Annahme des Wissenschaftlers ist, dass sich gerade die zeitliche Verschiebung des Stromverbrauchs positiv auf die CO2-Bilanz auswirken wird. Denn anders als in Eigenheimen mit PV-Anlage und einem Batteriespeicher muss in einer kalten Winternacht kein zusätzlicher Graustrom aus dem Netz gezogen werden, wenn viele fossile Kraftwerke im Einsatz sind. „Gerade der saisonale Puffer garantiert im Zusammenspiel mit der Wärmepumpe somit ganzjährig niedrige CO2-Emissionen“, prophezeit der TU-Forscher.

Schaffung neuer Ökosysteme

Schaffung neuer Ökosysteme

Interview mit Tomoho Umeda, Gründer von Hynfra

Tomoho Umeda ist wahrlich eine imposante Persönlichkeit. Der japanischstämmige Unternehmer zieht die Blicke auf sich, sobald er einen Raum betritt. Umeda ist der Gründer von Hynfra und Hynfra Energy Storage und fördert als strategischer Berater Wasserstofftechnologien sowie groß angelegte Lösungen für erneuerbare Energien. Er ist zudem Vorsitzender des Ausschusses für Wasserstofftechnologie bei der polnischen Handelskammer, Vorstandsmitglied der Vereinigung Hydrogen Poland und Mitglied von Hydrogen Europe sowie der European Clean Hydrogen Alliance.

HZwei: Herr Umeda, Sie sind Vorstandsvorsitzender eines der wichtigsten Unternehmen der Wasserstoffwirtschaft in Polen. Was motiviert Sie besonders in Hinblick auf die Entwicklung von Wasserstoff?

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Umeda: Ich war vorher an der strategischen Beratung für zwei Branchen beteiligt: für die chemische Industrie und für die Energiewirtschaft – insbesondere für die japanische Energiewirtschaft. Im Jahr 2014 nahmen uns die Japaner mit in ein Werk, das Wasserstoff herstellt. Dort habe ich erkannt, dass ich mit meinem Wissen über die chemische Industrie und die Energiewirtschaft wirklich eine sehr gute Grundlage habe. Und seitdem beschäftige ich mich aktiv mit Wasserstoff. Ich habe einige der besten Leute, die ich in der Energie- und in der Chemieindustrie kennengelernt habe, eingeladen, sich zusammenzutun und dieses Unternehmen gemeinsam zu gründen. Denn Wasserstoff verbindet beide Bereiche sehr gut.

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Wenn wir heute über Wasserstoff reden, sprechen wir eigentlich über das gesamte Spektrum, also auch über seine Derivate, einschließlich Ammoniak und Methanol. Was das Ammoniak betrifft, so verfügt Polen seit hundert Jahren über umfangreiche Erfahrungen in der Synthese von Ammoniak und im Umgang mit Wasserstoff. Die effektivsten Syntheseverfahren oder Optimierungen dieser Verfahren wurden ebenfalls in Polen durchgeführt. Damit ist Polen auf der Welt konkurrenzlos. Wenn wir uns heute das Chemieunternehmen Zakłady Azotowe Puławy anschauen, dann basieren deren Prozesse wesentlich auf dieser Technologie. Sie ist damit ein Schlüsselelement der Energieoptimierung in Polen.

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Was den polnischen Markt sicherlich vom deutschen Markt unterscheidet, ist das Vorhandensein von Fernwärme und die Tatsache, dass unsere Wärme ein reguliertes Gut ist. Die Geschäftsparameter für solche Kraft-Wärme-Kopplungs- oder Polygenerationssysteme, die aus erneuerbaren Energien, Wasserstoff und Fernwärme bestehen, können dadurch sicherer vorhergesagt werden. Und das ist in der Tat die Richtung, in die wir weiter gehen wollen. In Polen wird dieser Wasserstoffmarkt ein fragmentierter Markt sein, denn die Fernwärme ist eine Grundlage für uns, um diese erneuerbaren Wasserstoffsysteme zu schaffen. Es sind mehr als 400 Städte, die mit Fernwärme ausgestattet sind.

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Die gesamte postkommunistische Region verfügt über genau die gleiche Infrastruktur, denn sowohl in der Ukraine als auch in Russland, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn und im Norden, in den baltischen Ländern bis hin zu Finnland gibt es im Grunde die gleichen Systeme, auch weiter im Osten, der Mongolei und China. Es ist alles im Grunde sehr ähnlich. Ein ähnlicher Aufbau. Das ist eine großartige Basis für uns. Nicht nur für die Dekarbonisierung einer Stadt oder einer lokalen Regierungseinheit, sondern auch für die Schaffung neuer Ökosysteme auf der Grundlage dieser Netze.

Deutschland will nur grünen Wasserstoff nutzen. Die Projekte, die Sie durchführen, im polnischen Sanok oder dem ukrainischen Butscha, wo Sie ebenfalls aktiv sind, basieren ebenfalls auf grünem Wasserstoff. Würden Sie auch Wasserstoff verwenden, der mit anderen Energiequellen erzeugt wurde?

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Wir setzen auf die erneuerbaren Energien, also entweder auf Wasserstoff aus Elektrolyse oder aus Biogas/Biomasse. Im Falle der Biomasse, die immer als erneuerbar gelten wird, schließen wir zumindest die Möglichkeit der Entwicklung von Projekten mit sogenanntem blauem Wasserstoff oder generell mit Systemen, die auf der Eliminierung von Kohlendioxid beruhen, nicht völlig aus. Fossile Brennstoffe hingegen werden wir nicht akzeptieren, weil wir glauben, dass diese EU-Verordnungen oder generell die Richtung, die wir weltweit in den Pariser Abkommen vereinbart haben, eindeutig ist. Ich verstehe ja jene Unternehmen, die versuchen, ihre bestehende Infrastruktur, ihre bestehenden Anlagen zu behalten und sie ein wenig zu modifizieren. Aber das ist das Problem dieser Unternehmen. Es ist nicht unser Problem. Wir sind nicht mit solchen Anlagen belastet und wir sind frei, um erneuerbare Energien zu nutzen.

Wenn ich aber an die Ukraine und Wasserstoff denke, kommt mir sofort die Kernkraft in den Sinn.

Die Kernenergie ist ein ganz anderes Thema, das sehr interessant ist. Ich denke, dass im Zusammenhang mit dem, was in letzter Zeit mit dem Überschuss an erneuerbaren Energien passiert ist, allmählich klar wird, warum Deutschland sich von der Kernenergie abgewendet hat. Denn wenn heute die Kernenergie im deutschen System immer noch einen bedeutenden Teil des sogenannten Sockels ausmachen würde, dann wäre eine Steigerung der Effizienz bei der Produktion aus erneuerbaren Quellen erschwert. Nun, es ist klar, dass die Kernenergie zwar sauber sein mag, aber systemisch gesehen ist sie einfach nicht sehr rational. Generell sehe ich diese Realität aber ein wenig anders, denn ich habe immer noch den Eindruck, dass wir ständig von Dekarbonisierung reden und dass wir uns irren, wenn wir nur über die Stromsysteme reden und nicht über den gesamten Energieverbrauch der Wirtschaft. Ich habe bis jetzt keine schlüssigen deutschen Ideen gesehen, wie man mit der Dekarbonisierung des gesamten Energieverbrauchs in der Wirtschaft umgehen will.

Ist der deutsche Markt für Ihr Unternehmen interessant? Versuchen Sie, dort Projekte vor Ort zu realisieren?

Wir haben darüber nachgedacht und sogar einige Versuche unternommen. Aber wir haben den Eindruck, nachdem wir verschiedene Vorstudien und Berechnungen durchgeführt haben, dass es paradoxerweise viel schwieriger ist, Wasserstoffprojekte auf dem deutschen Markt zu entwickeln als hier. Erstens ist dort schon ein hoher Sättigungsgrad mit erneuerbaren Energien vorhanden. Paradoxerweise würde ich jedoch sagen, dass es angesichts einer gewissen geografischen Ähnlichkeit für uns schwierig ist, die Modelle, die in Polen praktikabel sind und keine finanziellen Lücken aufweisen, auf Deutschland zu übertragen. Dort werden diese finanziellen Lücken, die bei diesen Projekten auftreten, mit Subventionen finanziert. Das wiederum führt zu einem neuen Wettbewerb, einem ungesunden Wettbewerb um Fördermittel. Wir führen unsere Projekte aber im Nullmodell durch, ohne Subventionen. Die Projekte müssen sich finanziell tragen. Deshalb haben wir uns aus dem deutschen Markt vorerst zurückgezogen.

Autorin: Aleksandra Fedorska

 

H2 aus Altholz und Bananenschalen

H2 aus Altholz und Bananenschalen

Biomasse – ein unterschätzter Lieferant für grünen Wasserstoff

Forscher wollen künftig Wasserstoff aus regionalen Holzabfällen gewinnen. Bioabfälle und Klärschlamm können helfen, grünen Wasserstoff für die Energie- und Verkehrswende zu produzieren. Werden Span- oder MDF-Platten verwendet, müssen sie zuvor von Klebstoffen befreit werden. Dann könnte der regenerative Energieträger aber von lokalen Betrieben und Energieversorgern genutzt werden. So hätte biogener Wasserstoff das Potenzial, den Energiebedarf von Industrie und Schwerverkehr regional zu decken – ein echter Joker für die Energiewende.

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Eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft auf der Basis von Holz hätte viele Vorteile, beispielsweise in der Schwarzwaldregion: Hier ist Holz das wichtigste Wirtschaftsgut. Bei der Verarbeitung zu Möbeln und Baustoffen oder beim Abbruch von Gebäuden fallen beachtliche Mengen von Holzresten an. Eine Entsorgung kostet meist sogar noch Geld. Bisher werden Alt- und Restholz allenfalls durch Verbrennungsanlagen energetisch genutzt.

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Schon seit dem Sommer 2021 schlägt die süddeutsche Region einen neuen Weg ein: Aus den Holzabfällen soll grüner Wasserstoff werden. „Nach dem Ansatz der Bioökonomie wollen wir mithilfe biotechnologischer Prozesse klimaneutralen Biowasserstoff sowie zusätzlich verwertbare Stoffe wie Carotinoide oder Proteine aus Altholz und Holzabfällen herstellen“, erläutert Ursula Schließmann. Sie arbeitet beim Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) und koordiniert das Verbundvorhaben H2Wood – BlackForest.

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Durch die Verwendung von Altholz kann CO2 auf zwei Wegen eingespart werden: Zum einen ersetzt der regenerative Biowasserstoff bisherige fossile Energieträger, zum anderen werden Rest- und Altholz nicht nur Wasserstoff liefern. Durch den neuen biotechnologischen Ansatz wird die energetische Verwertung der Holzabfälle mit einer stofflichen Nutzung verknüpft. „Das aus dem Holz freigesetzte CO2 wird in Form von kohlenstoffbasierten Koppelprodukten gebunden“, erklärt Schließmann. „So wird es zurück in den natürlichen Kohlenstoffkreislauf geführt.“

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Bislang existiert allerdings noch keine Anlage, die Biowasserstoff in größerem Maßstab herstellt. Am Fraunhofer IGB werden nun die dazu nötigen Prozesse vorbereitet und untersucht, bevor sie in der Pilotanlage am Campus Schwarzwald in Freudenstadt umgesetzt werden.

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert das Vorhaben im Schwarzwald bis Mitte 2024 mit rund 12 Mio. Euro. Partner des Projekts sind neben dem Fraunhofer IGB auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, das Institut für industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF der Universität Stuttgart sowie der Campus Schwarzwald.

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Klebstoffe und Lacke entfernen

Der erste Schritt und Voraussetzung für die biotechnologische Umwandlung ist eine Vorbehandlung. Denn Holzabfälle wie Span- oder MDF-Platten enthalten Klebstoffe wie Harze und Phenole oder auch Lacke. Diese chemischen Bestandteile müssten entfernt werden, denn nur so könnten Bakterien und Mikroalgen ihre Arbeit erledigen, erläutert die Forscherin. Zudem muss das Holz in seine Bausteine zerlegt werden, um die gewonnene Cellulose in einzelne Zuckermoleküle zu spalten, welche wiederum den H2-produzierenden Mikroorganismen als Futter dienen.

Für die biotechnologische Umwandlung der Holzzucker setzt das Fraunhofer IGB auf ein Fermentationsverfahren mit Bakterien, welche die Zuckerarten zu CO2, organischen Säuren und Ethanol verstoffwechseln. Die Stoffwechselprodukte der Bakterien stellen die Nahrung für die Mikroalgen dar. Diese synthetisieren daraus Carotinoide oder Proteine als Koppelprodukte und setzen dabei auch Wasserstoff frei.

Dass grüner Wasserstoff das Potenzial hat, den Energiebedarf von Industrie und Schwerverkehr regional zu decken, belegt die aktuelle Studie „Industrielle Wasserstoff-Hubs in Baden-Württemberg“ des Fraunhofer IPA. Ihr Fazit: Die dezentrale Wasserstofferzeugung und -nutzung zahlt sich aus, wenn man Verteilerzentren, neudeutsch Hubs genannt, strategisch richtig platziert und verbindet. Mit Ökostrom werden dann in diesen Hubs Elektrolyseure betrieben. Um Transportkosten gering zu halten, müssen die Zentren nahe bei den Verbrauchern stehen. Ein weiteres Kriterium: Die Industrie vor Ort muss einen Bedarf an Prozesswärme, Hochtemperaturprozessen und Wasserstoffgas, etwa für die Herstellung von Stickstoffdünger, haben.

„Ideale Standorte befinden sich in der Nähe stark befahrener Straßen mit Lkw-Betriebshöfen, an denen sich H2-Tankstellen einrichten lassen“, sagt Jürgen Henke vom Fraunhofer IPA. Mithilfe der Standortkriterien konnte das Forscherteam geeignete Orte in Baden-Württemberg identifizieren. Vor allem in der Metropolregion Rhein-Neckar und im Großraum Karlsruhe. Computersimulationen am Fraunhofer IPA zeigen, dass sich mit regional erzeugtem grünem Wasserstoff innerhalb von zehn Jahren 30 Prozent der fossilen Energie ersetzen lassen – und das nur auf landeseigenen Freiflächen.

Projekt: Wasserstoff aus Pflanzenresten

Neben Holz ist Bioabfall eine weitgehend ungenutzte Ressource. Rund 4,6 Mio. Tonnen haben die Deutschen im vergangenen Jahr laut Umweltbundesamt allein in ihren braunen Tonnen gesammelt. Hinzu kommen Abfälle aus öffentlichen Parks und Gärten, aus der Landwirtschaft und aus der Nahrungsmittelproduktion, außerdem Klärschlamm und Speisereste aus Kantinen – alles in allem gut 15 Mio. Tonnen.

Der Großteil landet in Kompostieranlagen oder wird verbrannt, um Wärme und Strom zu erzeugen. „Doch dafür ist der Bioabfall viel zu schade“, betont Johannes Full, Leiter der Gruppe nachhaltige Entwicklung biointelligenter Technologien am Fraunhofer IPA. „Sinnvoller wäre es, daraus Wasserstoff zu erzeugen und das dabei entstehende CO2 abzuscheiden, zu speichern oder langfristig zu nutzen.“

Wie das funktioniert, demonstriert das Fraunhofer IPA bei einem Unternehmen aus der Metallbranche. Dort können Abfälle von Obst- und Weinbauern aus der Umgebung, Kartonagen und Altholz sowie Kantinenabfälle in Wasserstoff umgewandelt werden. Dieser wird dann direkt in der Metallverarbeitung genutzt. Dafür werden die Obstreste und Kantinenabfälle zunächst mithilfe von Bakterien in dunklen Behältern fermentiert, wobei H2 und CO2 entstehen. Anschließend wird die fermentierte Masse in einer Biogasanlage zu Methan vergoren.

Blitzlicht zerlegt Bananenschalen

Auch an der TH Lausanne in der Schweiz wandelt ein Team um den Forscher Hubert Girault Biomasse in Wasserstoff – mittels Fotopyrolyse. In einem Reaktor befindet sich eine sogenannte Xenon-Blitzlampe, die energiereiches Licht emittiert. Das Team hat dabei mit Bananenschalen, abgenagten Maiskolben, Orangenschalen, der Haut von Kaffeebohnen und Kokosnussschalen experimentiert. Diese wurden zunächst 24 Stunden lang bei 105 °C getrocknet und dann gemahlen.

Das Pulver geben die Forscher bei Umgebungsdruck in einen Reaktor. Dann wirft die Xenon-Lampe die Blitze in die Biomasse, die sich so in Wasserstoff und Biokohle verwandelt. Der Prozess ist schon nach wenigen Millisekunden abgeschlossen. Aus jedem Kilogramm Biomasse werden rund 100 Liter Wasserstoff und 330 Gramm Biokohle gewonnen. Das entspricht etwa einem Drittel der ursprünglichen getrockneten Masse aus Bananenschalen.

Das junge Schweizer Unternehmen H2Valais will dieses Verfahren nun großtechnisch einsetzen. Die Fotopyrolyse konkurriert allerdings mit der hydrothermalen Vergasung von Biomasse, die Start-ups wie SCW Systems in den Niederlanden und TreaTech in der Schweiz einsetzen. Nasse Biomasse wird dabei einem Druck von 250 bis 350 bar und einer Temperatur von 400 bis 700 °C ausgesetzt. Innerhalb von einigen Stunden bilden sich unter diesen Bedingungen Methan und Wasserstoff. Das zeigt noch mal: Die Ansätze zur H2-Gewinnung aus Biomasse sind vielfältig. Dieses Potenzial sollte im Sinne der Energiewende bald erschlossen werden.

Mobiler Container wandelt Pellets zu reinem H2

Das Verbundvorhaben BiDroGen forciert ebenfalls das Ziel, Holz in Wasserstoff umzuwandeln. Die Firmen BtX Energy und A.H.T. Syngas Technology bekommen dafür vom Bundeswirtschaftsministerium eine Förderung von 630.800 Euro. Das Projekt zielt darauf ab, eine Containerlösung zur dezentralen Erzeugung von Wasserstoff aus pelletierten Holzreststoffen bis zur Marktreife zu entwickeln.

Containerlösung als schlüsselfertige Anlage zur Dampfreformierung von Biogas

Grundlage dafür ist die bereits bestehende Vergasertechnologie von BtX zur Abscheidung von reinem Wasserstoff aus Mischgasen. Ziel ist es demnach, den Wasserstoffgehalt des aus Pellets produzierten Holzgases durch innovative Katalysatoren zu maximieren, die Gasreinheit für die folgenden Prozesse zu garantieren und die H2-Abspaltung aus dem Produktgasstrom zu ermöglichen. So soll sehr reiner Wasserstoff aus pelletiertem Restholz gewonnen werden. Je nach Gasqualität kann aus 12 bis 15 kg Holz ein Kilogramm reiner Wasserstoff gewonnen werden. Das entspricht einem Wirkungsgrad von über 50 Prozent.

Die mobile Containerlösung soll dann dezentral grünen Wasserstoff zur Verfügung stellen. Für die Anwendung sieht die Firma vor allem im ländlichen Raum großes Potenzial. Für die Verkehrswende könnte das ein echter Joker werden: So könnten Kommunen beispielsweise sofort wasserstoffbetriebene Fahrzeuge anschaffen, obwohl es noch keine Wasserstofftankstelle in der Region gibt.

Neue Produktionsanlagen für den Serienhochlauf

Neue Produktionsanlagen für den Serienhochlauf

Brennstoffzellen stehen am Beginn des Markthochlaufs

Getrieben durch die Forderungen nach einem emissionsfreien Schwerlastverkehr auf der Straße investieren Lkw-Hersteller sehr stark in batterieelektrische sowie brennstoffzellenelektrische Antriebe. Es werden signifikante Anstrengungen zum Einsatz von Brennstoffzellen in Bussen, Zügen, Schiffen und Flugzeugen unternommen. Darüber hinaus führen vor allem asiatische, aber auch deutsche Automobilhersteller ihre Aktivitäten zu Brennstoffzellen-Pkw fort. Aufgrund derer außergewöhnlichen Bauweise führt dieser Serienhochlauf zu beeindruckenden Stückzahlen. Bei etwa 10 m² Membranelektrodeneinheit pro Stack und drei Stacks pro Lkw-Antrieb werden pro Lastwagen 30 m² Membran und 60 m² Katalysatorschicht (für Anode und Kathode) benötigt. Zukünftige Produktionsserien von 10.000 Lkw führen also zu einem Bedarf von rund 300.000 m² Membranfläche bzw. 600.000 m² Katalysatorschicht. Die dafür erforderlichen Produktionsanlagen zur Katalysatorschichtherstellung sollten also bei einem Zwei-Schicht-Betrieb Bandgeschwindigkeiten in der Größenordnung von 10 m/min realisieren.

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Um die Komponentenhersteller und die Maschinen- und Anlagenbauer in ihrer Entwicklung durch fundierte Forschung zu unterstützen, fördert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) das Fraunhofer-Institut ISE als Koordinator im Teilverbund R2MEA des Gesamtprojekts H2GO sowie die Fraunhofer-Institute ENAS, ICT, ILT, IPT und ISI. In R2MEA wird eine Forschungsplattform entwickelt und aufgebaut, die zukünftig Unternehmen bei der Untersuchung von Produktionsfragestellungen von der Katalysatorherstellung bis zur fertig konfektionierten 7-Lagen MEA (also dem Verbund aus Membran, Katalysatorschichten, Verstärkungsrahmen und Gasdiffusionslagen) zur Verfügung steht.

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R2MEA adressiert Forschungsfragen zur MEA-Produktion

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Um eine Serienherstellung von Membranelektrodeneinheiten mit den geforderten Stückzahlen zu realisieren, müssen die heutigen Anlagenkonzepte angepasst werden. Die damit zusammenhängenden Fragen werden in R2MEA adressiert:

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  • Wie kann die heutige Herstellung von Katalysatorpulver von Batch-Prozessen auf kontinuierliche Prozesse umgestellt werden?
  • Sind neben der heute vorrangig eingesetzten Schlitzdüse auch rotative Druckverfahren zum Aufbringen von Katalysatorschichten sinnvoll, zum Beispiel, um gezielt spezifische Formate abzubilden und Verschnitt einzusparen? Ist ein Direktdruck auf die Membran bei der geforderten hohen Qualität möglich? Können Lasertrocknungsverfahren die Trocknungsdauer und Trocknerlänge verkürzen?
  • Wie können in Rolle-zu-Rolle-Prozessen die Zuschnitte von Membran, Katalysatorschichten, Verstärkungsrahmen, Gasdiffusionslagen erfolgen? Wie wird ein verzerrungsfreier Bahntransport dieser unterschiedlichen Bahnwaren umgesetzt? Welche Positionierungs- und Laminierverfahren sind geeignet, um hochqualitative Verbünde der Einzellagen zu erzeugen?
  • Wie sollten Transportbehälter für die Halbzeuge für die Intra- und externe Logistik gestaltet werden, um durchgängige Prozesse zu ermöglichen?

Begleitend zum Aufbau der Forschungsplattform werden umfangreiche Marktstudien zu den Industriebedarfen, techno-ökonomische Analysen zur Wirtschaftlichkeit verschiedener Produktionsprozesse sowie Lebenszyklusanalysen zum ökologischen Fußabdruck durchgeführt.

Derzeit werden im Teilverbund R2MEA die diversen Prozesse abgestimmt, die im Projektverlauf untersucht werden sollen. Dazu werden die nötigen Anlagen beschafft und die Labore aufgebaut. Parallel dazu werden wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt und die Erkenntnisse auf den Technikumsmaßstab übertragen.

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BZ-Produktionsforschung auf der hy-fcell

Das Thema Produktionsforschung für Brennstoffzellen wird unter anderem auf der Konferenz und Messe hy-fcell am 13. und 14. September 2023 in Stuttgart in einer eigenen, zweitägigen Session unter der Koordination der an H2GO beteiligten Fraunhofer-Institute adressiert. Dort werden alle Aspekte entlang der Prozesskette durch internationale Sprecher aus der Industrie und Wissenschaft diskutiert. Die Wertschöpfung von der Katalysatorherstellung bis zur MEA wird in drei Einzelsessions vom Fraunhofer ISE, Freiburg, sowie vom ZSW, Ulm, geleitet.

Fraunhofer-Produktionsforschung H2GO

Im Gesamtverbund H2GO entwickeln 19 Fraunhofer-Institute aus neun Bundesländern Lösungen für die industrielle Serienproduktion von Brennstoffzellen mit Fokus auf den straßengebundenen Schwerlastverkehr. Der Gesamtverbund H2GO wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit rund 80 Mio. Euro gefördert. Die Gesamtkoordination übernimmt das Fraunhofer IWU mit Dr. Ulrike Beyer.

Das Fraunhofer ISE leitet den Teilverbund R2MEA, in dem Rolle-zu-Rolle-Prozesse zur Hochskalierung der MEA-Produktion vom Katalysatorpulver bis zur 5-Lagen-Membran-Elektroden-Einheit entwickelt werden, also dem Verbund aus Membran, Katalysatorschichten, Verstärkungsrahmen und Gasdiffusionslagen.

Weitere Teilverbünde beschäftigen sich mit der Herstellung von Bipolarplatten: R2HP (Rolle zu Halbplatte mit den entsprechenden Form- und Schneidprozessen) und HP2BPP (Halbplatte zu Bipolarplatte mit den entsprechenden Schweiß-, Beschichtungs- und Schneidprozessen). Der Teilverbund ST2P (Stack zu Piece) konzentriert sich auf die Demontage von Brennstoffzellenstapeln, um die Einzelkomponenten einer Kreislaufwirtschaft zuzuführen. Der übergeordnete NEXUS-Verbund ViR (Virtuelle Referenzfabrik) entwickelt digitale Abbilder der entwickelten Produktionslösungen und ermöglicht damit eine virtuelle Referenzarchitektur für Brennstoffzellenproduktion.

AutorInnen: Ulf Groos, ulf.groos@ise.fraunhofer.de, Linda Ney, beide vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg

Wasserstoffspeicher sicher befüllen

Wasserstoffspeicher sicher befüllen

Große Speicher für den Wasserstofftransport mit Gas zu befüllen und sie wieder zu entleeren sind sehr komplexe Vorgänge. Damit diese sicher sind, müssen sie innerhalb der zugelassenen Druck- und Temperaturfenster erfolgen. Ein weltweit operierendes Energieunternehmen hat für seine Speicher Analysen und thermodynamische Modellierungen durchgeführt und das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik GmbH mit deren Validierung in physikalischen Tests beauftragt.

Wasserstofftankstellen, die zur Betankung von brennstoffzellenelektrischen Fahrzeugen (engl.: fuel cell electric vehicles; FCEVs) genutzt werden, müssen den benötigten Wasserstoff entweder vor Ort selbst produzieren oder sich über verschiedene Distributionswege beliefern lassen. Eine Möglichkeit, den Wasserstoff zu einer Tankstelle zu transportieren, sind Hochkapazitäts-Trailer, die mit mehreren Hochdruckspeichern für den Transport von gasförmigem Wasserstoff ausgestattet sind.

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Der Betrieb dieser Speicher muss sowohl während der Befüllung als auch bei der Entleerung zugelassene Temperatur- und Druckbereiche einhalten und vor allem sicher sein. Um das zu gewährleisten, hat ein weltweit operierendes Energieunternehmen Analysen und thermodynamische Modellierungen der Befüll- und Entleerungsvorgänge eines selbstentwickelten Wasserstofftrailers für Verbundflaschen vom Typ IV erarbeitet.

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Experimentelle Untersuchungen

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Zur Validierung dieser Analysen wurde das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik mit den physikalischen Tests eines Einzelspeichers beauftragt. Auf dem H2-Testfeld des ZBT in Duisburg wurde der 2 m³ große Trailerspeicher, der einen Betriebsdruck von über 500 bar und eine gespeicherte Wasserstoffmenge von etwa 70 Kilogramm aufweist, erfolgreich getestet. Der aus Kompositwerkstoffen hergestellte Typ-IV-Speicher ist sechs Meter lang, hat einen Durchmesser von etwa 80 Zentimetern und wiegt knapp über eine Tonne. Die experimentellen Untersuchungen beinhalteten sowohl die Befüllung als auch die Entleerung mit variierenden Betriebsparametern.

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Der untersuchte Speicher wurde speziell für diese Testreihen angefertigt und hierzu mit einer Reihe von Thermoelementen an und in der Kohlefasermatrix ausgestattet. Diese Vielzahl an Messstellen gab Auskunft über das Erwärmungsverhalten während der Befüllung sowie das Auskühlungsverhalten bei der Entleerung.

Dehnung unter Druck

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Für die Untersuchungen wurde der Speicher zusätzlich mit Dehnungssensoren ausgestattet. Ziel war es, die Ausdehnung sowohl in axialer als auch in radialer Richtung in Abhängigkeit des Drucks zu untersuchen, um so das Konzept für die Lagerung und Anordnung der Speicherflaschen auf dem Trailer zu überprüfen. Eine Ausdehnung des Speichers wurde vor allem in axialer Richtung festgestellt. Radial beschränkte sich diese auf ein Minimum.

Um den Verbrauch an Wasserstoff während der Tests möglichst gering zu halten, wurde auf dem H2-Testfeld eine Rückführung installiert. Mittels dieser konnte der Großteil des Wasserstoffs nach jedem Test wieder in die Vorlagebehälter des Testfelds rezirkuliert und so ein unnötig hoher Ausstoß von Wasserstoff in die Atmosphäre vermieden werden.

Testreihe

Bei der Befüllung umfassten die variierten Betriebsparameter neben der Temperatur der Vorkühlung des einströmenden Wasserstoffs auch den Startdruck des Speichers sowie die Befüllgeschwindigkeit. Hierbei stand im Vordergrund, den Tank nicht mit den üblichen geregelten Druckrampenraten zu befüllen, sondern die Betankung mit einem konstanten Massenstrom durchzuführen.

Für die Entleerung wurden wiederum Tests mit konstanten Druckrampenraten durchgeführt. Dies führte in Bezug auf das Temperaturverhalten des Gases sowohl im Speicher als auch im Gasstrom aus dem Speicher heraus zu interessanten Ergebnissen.

Die Abbildungen zeigen beispielhafte grafische Analysen für einen Befüll- und einen Entleerungsvorgang. Beide Darstellungen zeigen den gemessenen Tankdruck und die Messwerte der verschiedenen eingebetteten Thermoelemente während des Tests.

Betriebsparameter für sicheren Betrieb identifiziert

Nach der Auswertung der Messwerte zeigte sich, dass ein Betrieb innerhalb der vorgegebenen Temperatur- und Druckbereiche sicher und effizient möglich ist. Die Variation der Befüllparameter ergab keine Konfiguration, die einen Zustand nahe den Grenzbereichen zur Folge hatte. Allerdings erreichte die Temperatur des ausströmenden Gases während der Entleerungen des Speichers Werte von unter -40 °C, was wiederum dazu führte, dass zum Schutz nachgeschalteter Baugruppen definierte Abschaltgrenzen erreicht wurden.

Es konnte beobachtet werden, dass auch bei Entleerungen mit geringen Massenströmen eine starke Auskühlung des Speichers, nachvollziehbar über die Temperatur des ausströmenden Gases, auftritt. Die Tests wurden bei Umgebungstemperaturen von etwa 10 bis 15 °C durchgeführt, womit sich besonders für die Entleerung solcher Speicher bei kälteren Umgebungsbedingungen mitunter starke Einschränkungen in Bezug auf die maximalen Entleerungsgeschwindigkeiten ergeben.

Autoren: Alexander Kvasnicka, a.kvasnicka@zbt.de
Christian Spitta, c.spitta@zbt.de, Lukas Willmeroth
l.willmeroth@zbt.de, alle vom Zentrum für BrennstoffzellenTechnik GmbH, Duisburg

ZBT
Das ZBT ist eines der führenden europäischen Forschungseinrichtungen für Brennstoffzellen, Wasserstofftechnologien und Energiespeicher. In der europäischen und nationalen Spitzenforschung und in Industrieprojekten mit Schwerpunkten auf automotive Anwendungen, Distribution/Speicherung und stationäre Energiewandlung ist das ZBT ein gefragter Forschungs- und Entwicklungspartner. Für die ca. 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am ZBT steht eine umfangreiche technische Infrastruktur zur Verfügung, die unter anderem Produktionsanlagen, Testanlagen, chemische Labore und High-Tech-Analytik umfasst.

Emissionsfreies Energiesystem eines Fluss- und Küstenschiffes

Emissionsfreies Energiesystem eines Fluss- und Küstenschiffes

H2-Antrieb auf der Coriolis

Global ist die Schifffahrt für etwa drei Prozent aller Kohlenstoffdioxidemissionen verantwortlich. Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO (von engl. International Maritime Organization) hat sich daher zum Ziel gesetzt, diese bis zum Jahr 2050, verglichen mit dem Stand von 2008, mindestens zu halbieren. Für Schiffe werden aufgrund der hohen Leistungsbedarfe und der großen zurückzulegenden Reichweiten vollelektrische Lösungen nur in einigen Anwendungsfällen möglich sein. Wasserstoff und seine Derivate wecken daher bei der maritimen Industrie zunehmendes Interesse aufgrund ihres Potentials, den Emissionsausstoß der Schifffahrt deutlich zu reduzieren. Die Herausforderung ist dabei, Wasserstoff einerseits in sicherer Form und möglichst kompakt an Bord zu speichern und andererseits das Gesamtenergiesystem auf verschiedene Anforderungen abzustimmen und seine Steuerung optimal zu gestalten.

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Derzeit wird bei der Hitzler Werft in Lauenburg das Forschungsschiff Coriolis des Helmholtz-Zentrums Hereon, Geesthacht, gebaut. Das Schiff wird neben einem dieselelektrischen Antriebssystem auch Batterien sowie ein Wasserstoffsystem an Bord verbaut haben. Letzteres hat das Hereon gemeinsam mit dem DLR Institut für Maritime Energiesysteme und dem Ingenieurbüro Technolog, Hamburg, konzeptioniert.

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Wasserstoffsystemlabor H2SL an Bord

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Das H2SL ist als ein über das Schiff verteiltes Wasserstoffsystem geplant. Die Hauptkomponenten sind ein Metallhydridtank (MH-Tank), eine Eigenentwicklung des Hereon, sowie eine Niedertemperatur-PEM-Brennstoffzelle. Dazu kommen noch verschiedene Komponenten der Peripherie, wie beispielsweise eine Bunkerstation für Wasserstoff, ein Tankanschlussraum am Metallhydridtank und zwei Abblasemasten.

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Insbesondere für ein vergleichsweise kleines Schiff wie die Coriolis mit knapp 30 m Länge muss die Anordnung der Komponenten sehr genau geplant werden. Grund hierfür ist unter anderem, dass es für die Verwendung von Wasserstoff an Bord noch keine bindenden Regularien gibt.

Die Definition von Gefahrenzonen sowie die einzuhaltenden Abstände von Be- und Entlüftungen stammen aus dem IGF-Code, welcher in der Schifffahrt den Umgang mit Kraftstoffen mit niedrigem Flammpunkt reguliert und bisher vorrangig für LNG angewendet wird. Hier wird bisher aber noch keine Rücksicht auf die speziellen Eigenschaften von Wasserstoff, wie beispielsweise die wesentlich höhere Flüchtigkeit als bei LNG, genommen. Dies zeigt sich unter anderem bei der Größe und Form der Gefahrenzonen (s. kugelförmige Gefahrenzonen um die Ausbläser und Lufteinlässe). Eine Erweiterung des IGF-Codes auf die Nutzung von Wasserstoff befindet sich derzeit in Arbeit.

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Das Tanksystem, bestehend aus dem eigentlichen Metallhydridtank sowie dem vorgeschriebenen inertisierbaren Tankanschlussraum, wird auf einer 5“-Containergrundplatte aufgebaut und etwa die halbe Höhe haben. Neben dem Gewicht des Metallhydrids selbst bestimmen die stählernen Tankhüllen, Verrohrungen und insbesondere der Druckbehälter des Tankanschlussraums das Gesamtgewicht. Bei einem Gesamtsystemvolumen von rund 4 m3 und einem Gesamtsystemgewicht von etwa 5 Tonnen speichert das Tanksystem circa 30 kg H2.

Damit ist die Brennstoffzelle in der Lage, das Schiff mit etwa 500 kWh grüner Energie zu versorgen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, grüner Wasserstoff kann und darf tatsächlich gebunkert werden – eine Herausforderung in sich, wie erste Sondierungsgespräche mit Wasserstoffproduzenten und Häfen gezeigt haben.

Im Vorfeld der Werftausschreibung wurde der Energiebedarf für die Propulsion bei der SVA Potsdam im Modellversuch ermittelt und auf die Großausführung skaliert. Die Schiffsform der Coriolis ist auf den Betrieb bei niedriger Geschwindigkeit optimiert, weil dies dem vorrangigen Betriebsprofil in der küstennahen Fahrt entspricht (s. Abb. 3).

Aufgrund des geringen Leistungsbedarfes bei Schleichfahrt kann die Brennstoffzelle, welche eine elektrische Nennleistung von etwa 100 kW haben wird, in Kombination mit der Batterie für viele Messkampagnen und in weiteren Betriebszuständen (z. B. Liegezeiten) der Coriolis verwendet werden, ohne dass ein Dieselmotor zugeschaltet werden muss. Zusätzlich zur Propulsion müssen noch die elektrischen Verbraucher an Bord versorgt werden, welche jedoch nur einen Bruchteil der benötigten Antriebsenergie beanspruchen.

Benötigte Propulsionsleistung in Abhängigkeit von der Schiffsgeschwindigkeit

Metallhydridtanks

Die im Folgenden genannten Eigenschaften machen aus Sicht von Hereon die MH-Tanks für eine Reihe von Anwendungen im maritimen Bereich attraktiv:

  • Moderate Beladedrücke von deutlich unter 100 bar bei Betriebstemperaturen von unter 100 °C
  • Kaltstart eines MH-Tanks prinzipiell auch bei Temperaturen unter 0 °C möglich (Hereon EP 3 843 190)
  • Durch die chemische Bindung des Wasserstoffs ist prinzipbedingt keine plötzliche Freisetzung von großen Wasserstoffmengen möglich, was einen signifikanten Sicherheitsgewinn an Bord bedeutet.
  • Die wegen der niedrigen Beladedrücke erlaubte flexible Bauform ermöglicht eine leichte Anpassung an die Schiffsform à eingesparter Bauraum. Insbesondere für kleine Schiffe nehmen heutige Druckwasserstofftanks sehr viel Platz ein, der dem Schiff als wertvoller Ladungsraum verloren geht.
  • Hohes Gewicht kann in bestimmten Anwendungsfällen sogar vorteilhaft sein, z. B. bei Segelschiffen statt des sonst notwendigen „toten“ Ballasts zur Lagestabilisierung.

Forschung im Wasserstoffsystemlabor (H2SL)

Hereon und DLR untersuchen gemeinsam, für welche Schiffstypen die Kombination aus Niedertemperatur-Brennstoffzelle und Metallhydridtank eine sinnvolle Lösung für das Antriebssystem darstellt. Ziel der beiden Forschungsinstitute ist es, ein Leitkonzept zu erstellen, welches eine leichte Adaption und Integration des Konzeptes des Coriolis-Energiesystems auch in andere Schiffe und Schiffstypen ermöglicht.

Zusätzlich zur Option, das Schiff emissionsfrei zu betreiben, bietet das H2SL noch viele weitere Möglichkeiten, innovative Forschungsansätze zu verfolgen. Hereon und DLR planen intensive Forschungsarbeiten anhand des Antriebssystems. Durch den Betrieb des H2SL in realer maritimer Umgebung, die Möglichkeit des Online-Fernzugriffs auf die Betriebsdaten und der sofortigen Anpassung von Steuerungsparametern und damit durch das Studium der Auswirkungen dieser Änderungen erwarten die beiden Einrichtungen wertvolle Erkenntnisse und Echtzeitdaten zu relevanten Forschungsfragen.

Aufsetzend auf den Betriebsdaten wird das DLR einen digitalen Zwilling des Wasserstoffenergiesystems entwickeln, um den Zustand des Systems jederzeit zu erfassen, die Systemsteuerung zu optimieren und Rückkopplungen für den Betrieb abzuleiten.

Darüber hinaus sollen anhand der Daten Betriebsstrategien für das hybride Energiesystem der Coriolis entwickelt werden. Durch die Variation aus verschiedenen Energiequellen (Batterie, Brennstoffzelle und Verbrennungsmotor) gibt es viel Flexibilität hinsichtlich des Betriebes bei verschiedensten Energieverbrauchsszenarios. Ziel ist es, für unterschiedlichste Fahrt- und Lastzustände ein Optimum in Bezug auf Kraftstoffverbrauch und Betriebskosten durch eine intelligente Lastaufteilung zu erreichen.

Der Vorteil einer solchen Untersuchung auf einem Forschungsschiff ist unter anderem, dass die in der Theorie entwickelten Strategien im nächsten Schritt direkt in das Energiemanagementsystem überführt und auf diese Weise zeitnah im Betrieb validiert werden können.

Hybride Energiesysteme finden immer häufiger Einzug auf Schiffen. Die Erkenntnisse aus dem Betrieb der Coriolis werden zukünftig wertvolle Hinweise liefern, die auch auf andere Schiffstypen übertragen werden können und somit einen Beitrag zur Emissionsreduktion des maritimen Sektors leisten.

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