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Beitrag von Eva Augsten

27. August 2024

Titelbild: Eine große Halle mit Reinraum-Ausstattung und große Pläne: Tor-Erik von Teco2030

Bildquelle: Hannover Messe

Brennstoffzellen vom Polarkreis

Gigawattfertigung in Norwegen geplant

In Narvik produzierte REC einst Solarzellen. Heute stehen die Fabrikhallen leer. Mit zweimal rund 5.000 Quadratmetern Fläche und Reinraum-Ausstattung bietet sie gute Voraussetzungen, um dort eine Brennstoffzellen-Fertigung aufzubauen. Das Start-up Teco2030 will dort schon in wenigen Jahren im Gigawatt-Maßstab PEM-Brennstoffzellen mit hoher Leistungsdichte herstellen.

Teco2030 ist ein Spin-off der Teco Maritime Group, einem Dienstleister für eine „grünere“ Schifffahrt mit 30 Jahren Erfahrungen und rund 150 Mitarbeitenden. Dementsprechend lag es für Teco2030 nahe, Schiffe als eines der ersten möglichen Einsatzgebiete für das neue Produkt ins Auge zu fassen. Ziel ist es, eine Hochleistungsbrennstoffzelle für den maritimen Einsatz zu entwickeln und im Gigawatt-Maßstab zu produzieren. Chef des Spin-offs ist Teco-Gründer Tore Enger persönlich.

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Als Partner ist AVL mit im Boot, ein Unternehmen mit 12.000 Beschäftigten und Hauptsitz in Graz. Der Technologieentwickler aus der Automobilbranche kennt sich aus mit Brennstoffzellen und hat in Graz eigene Einrichtungen, um diese entwickeln, zu simulieren, zu testen und zu optimieren.

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Gemeinsam haben Teco2030 und AVL eine neue PEM-Brennstoffzelle entwickelt. Sie ist nach Angaben der Firmen ihrer Leistungsdichte und Flexibilität einzigartig. Für die hohe Leistungsdichte sei vor allem rund um den eigentlichen Stack herum das Wissen der Partner und Lieferanten zusammengeflossen. Beckhoff Automation und Harting Technology sind zwei der deutschen Zulieferer, die dabei helfen sollen, dass die Entwicklung weiter „im Rekordtempo“ läuft, wie Teco2030 betont.

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Gemeinsam haben AVL und Teco2030 das Design des Produkts von der Membran bis zum Komplettsystem entwickelt. Sowohl die Bipolarplatten als auch die Membranen will das Unternehmen allerdings extern fertigen lassen. In Narvik sollen die Komponenten erst zu Zellstacks, dann zu Brennstoffzellenmodulen und schließlich zu kompletten Systemen verbaut werden. Anfang April, als eine Delegation der Hannover Messe mitsamt Journalistinnen und Journalisten den Standort besucht, gibt es dort vor allem große, leere Hallen und einige Büros zu sehen. Die Prototypen-Fertigung passt in einen einzelnen Raum.

Shell-Tanker als erste Anwendung
Eines der ersten Produkte soll eine Brennstoffzellengenerator (Fuel Cell Power Generator, kurz FCPG) im Format eines standardisierten 40-Fuß-Containers sein. Im Rahmen des Forschungsprojekt HyEkoTank soll der Brennstoffzellen-Container auf dem Bitumen-Tanker „Bitflower“ von Shell seinen ersten Praxiseinsatz haben. Für das Design hat die norwegische Klassifikationsgesellschaft DNV für den Einsatz in einem Forschungsprojekt ein „Approval in Principle“ (AiP) für den Einsatz auf Hochseeschiffen gegeben. Das Brennstoffzellensystem soll sich nahtlos in Schaltanlage eines Schiffes integrieren lassen, heißt es von Teco2030. Das AiP bezieht sich auf dabei auf das Brennstoffaufbereitungssystem, die Räume mit den Brennstoffzellen-Modulen, der Elektrotechnik, der Batterie, die HVAC-Technik und die Hilfseinrichtungen (Auxiliaries), das Inertisierungssystem und die Luftschleuse.

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Teco HyEkotank BitFlower NoLogo Kopie
Abb. 2: Der Bitumentanker Bitflower soll das erste Schiff sein, das mit einer Brennstoffzelle von Teco2030 fährt, Teco-HyEkotank_BitFlower_NoLogo

Die Brennstoffzelle soll eine Leistung von 2,4 MW haben, also knapp 3.300 PS. Das ist weniger als der aktuelle Motor, doch Teco2030 betont, dass die Chartergeschwindigkeit des Schiffs damit eingehalten werden kann. „Diese Kapazität reicht aus, um das Schiff zu 100 % emissionsfrei mit Wasserstoff als Kraftstoff zu betreiben, ohne dass Treibhausgasemissionen entstehen“, sagt Tor-Erik Hoftun, Chief Strategy Officer von Teco2030. Während viele BSZ-Systeme eine relativ große Batterie als Leistungspuffer für den Antrieb benötigen, soll die neue Brennstoffzelle zudem sehr dynamisch reagieren können. Wie groß letztlich die externe Batterie ausgelegt wird, hängt dann von weiteren Anforderungen auf dem Schiff ab. „Die Brennstoffzelle ist dynamisch und kann die Reaktionszeit der Dieselmotoren abbilden, was bedeutet, dass die Installation in Bezug auf die Größe der externen Batterie und die Leistungsstrategien optimiert werden kann.”, sagt Hoftun. Neben der Brennstoffzelleneinheit gehört zum System ein austauschbarer Tank, der 4.000 kg Wasserstoff bei 350 bar fassen soll. Der Tanker kann also neuen Treibstoff auch in Häfen an Bord nehmen, die keine spezielle Infrastruktur für die Wasserstoff-Betankung haben.

Im Wassersstoffspeicher liegt allerdings bisher eine wesentliche Begrenzung der Technologie. Bei einem einwöchigen Einsatz des Schiffs soll es möglich sein, etwa 70 Prozent der Antriebsenergie mit der Brennstoffzelle bereitzustellen. Während des Tests sollen die neuen Komponenten auf dem Deck des Schiffes platziert werden, sodass der Dieselmotor an seinem Platz bleiben kann. Wo die Brennstoffzelle perspektivisch sitzen soll, ist noch nicht klar. Klar ist aber, dass Platz an Bord immer ein Thema ist – vor allem beim Retrofit. „Das System ist kompakt gestaltet, um die Nachrüstung an neuen oder bestehenden Standorten, an denen früher Motoren standen, zu vereinfachen“, so Hoftun.

Das Projekt gehört zum EU-Programm Horizon und ist laut Teco2030 das größte aktuelle Retrofit-Vorhaben für ein Brennstoffzellenschiff. Shell will 5 Mio. USD in das Projekt investieren, von der EU sollen 5 Mio. EUR kommen. Am Ende des Projekts soll das Technology Readiness Level 8 erreicht sein. Teco2030 geht davon aus, dass sich die Versorgung mit dem standardisierten Brennstoffzellencontainer auf viele See- und Binnenschiffe übertragen lässt.

Parallel sind eine Reihe weiterer Forschungsprojekte angelaufen: Für eine Fähre in Kroatien erhielt ein Konsortium, zu dem auch Teco2030 gehört, bereits im Jahr 2023 eine Zusage über gut 13 Mio. Euro aus dem Horizon-Programm der EU.

In einem anderen Projekt will Teco2030 noch in der ersten Jahreshälfte gemeinsam mit AVL eine Retrofit-Lösung für einen 40-Tonner-Lkw mit vier 100-kW-Stacks demonstrieren. Und noch eine andere Baustelle ist die Entwicklung eines Brennstoffzellengenerators mit 0,6 bis 1,6 MW in einem kleineren Container gemeinsam. Dieser soll je nach Bedarf Bordstrom für Schiffe oder Baustrom liefern können. An diesem Projekt sind das norwegische Staatsunternehmen Enova und das Schweizer Bauunternehmen Implenia beteiligt. Schließt man auch die Projekte in Vorbereitung, in der technischen Konzeptphase oder mit ausstehender Finanzierung ein, erstrecken sich die Liste der Vorhaben über mehrere Seiten.

Schifffahrt muss grüner werden
Damit aus den Forschungsprojekten auch kommerzielle Anwendungen werden, muss Teco2030 allerdings noch zwei Hürden nehmen, die nicht zu unterschätzen sind. Erstens muss der schnelle Aufbau der Produktion gelingen. Und zweitens muss sich die Technologie neben den vielen Alternativen in dem dynamischen Markt der nachhaltigen Mobilität durchsetzen.

Was den Markt betrifft, sind die Manager von Teco2030 sehr zuversichtlich. Der politische Druck auf die Reedereien wächst, sie müssen ihre Schiffe klimafreundlicher machen. Im Verhältnis zu anderen Emissionsquellen war der Seetransport in der EU mit 3 bis 4 Prozent der CO2-Äquivalente zwar ein eher kleiner Posten, doch der Warenverkehr wächst. Deshalb gilt seit Januar 2024 der europäische Emissionshandel auch für große Schiffe ab 5.000 Bruttoregistertonnen, die Häfen innerhalb der EU anlaufen. Die International Maritime Organisation (IMO) hat im Sommer 2023 ihre Klimaziele ebenfalls verschärft. Bis 2040 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2008 um mindestens 70 % gesenkt werden, wobei 80 % angestrebt werden. Den womöglich stärksten Druck machen aber die Kunden. Viele Verbraucher legen Wert auf klimafreundliche Produkte. Und wenn demzufolge Großkonzerne wie Amazon oder Microsoft auf einem klimaneutralen Transport ihrer Waren bestehen, müssen sich die Reedereien etwas einfallen lassen – auch wenn sie laut Gesetz noch länger Zeit hätten.

Teco Prototypenfertigung Kopie

Abb. 3: Die Prototypenfertigung in Narvik

Die Teco-Manager sehen daher einen großen Markt für ihre Brennstoffzellen. Ihre Potenzialanalyse beruht auf einem auf ein Papier von Hydrogen Europe aus dem Jahr 2021. Für dieses wurden über 60 Schiffstypen auf mögliche klimafreundliche Antriebstechnologien untersucht. Je nach Anwendung hätten sich dabei drei Antriebsarten als wirtschaftlich erwiesen. Ammoniak in Kombination mit Festoxid-Brennstoffzellen komme vor allem für schwere Hochseetanker in Frage. Für kleine Schiffe, die häufig Gelegenheit zum Tanken haben, seien Wasserstoff-Drucktanks in Kombination mit PEM-Brennstoffzellen die beste Option. Flüssiger Wasserstoff in Kombination mit PEM-Brennstoffzellen soll den Bereich dazwischen abdecken, in dem sich vor allem Containerschiffe, aber auch einige große Fähren und Kreuzfahrtschiffe bewegen. Unter diesen drei Treibstoffen sei gasförmiger Wasserstoff der günstigste, gefolgt von flüssigem Wasserstoff und schließlich Ammoniak. Unterm Strich sei die Kombination von PEM-Brennstoffzellen mit Wasserstoff in flüssiger oder gasförmiger Form in Bezug auf die Total Cost of Ownership (TCO) die beste verfügbare Technologie für rund 77.000 Schiffe weltweit.

Doch es gibt auch ganz andere Thesen, zum Beispiel im Bericht des Schiffsklassifizierers und Beratungsdienstleisters DNV aus dem Jahr 2023. Unter den bis zum Juli 2023 bestellten neuen Schiffen waren demnach lediglich fünf mit Wasserstoffantrieb. Die in dem Bericht für die Zukunft beleuchteten Technologien für die Dekarbonisierung sind vielseitig. Sie beinhalten die CO2-Abscheidung an Bord, Unterstützung durch Windenergie und sogar Nuklearantriebe. Unter den Brennstoffzellenantrieben explizit erwähnt ist die Festoxidbrennstoffzelle, betrieben mit Kohlenwasserstoffen oder Ammoniak. Flüssiger Wasserstoff als Treibstoff wäre auch vorstellbar, erklärt der Report am Beispiel der norwegischen Fähre MS Hydra, die mit einer PEM-Brennstoffzelle unterwegs ist. Doch DNV betont: gemessen an anderen Treibstoffen ist selbst beim flüssigen Wasserstoff die volumetrische Energiedichte gering. Die Kombination von gasförmigem Wasserstoff und PEM-Brennstoffzelle kommt dementsprechend gar nicht erst vor.

Hoftun und Enger schreckt die Konkurrenz der flüssigen und beinahe-flüssigen Kraftstoffe nicht ab. Da die PEM-Brennstoffzelle mit niedrigem Druck auskomme, könne man zum Beispiel auch an Bord Wasserstoff aus Ammoniak oder Methanol gewinnen, erklären sie. Ob dieser Ansatz, der gleich mehrere nicht etablierte Technologien an Bord kombiniert, die meist konservativen Reedereien überzeugt, muss sich erst noch zeigen.

Produktionsstart 2024 geplant

Teco Grafik Produktion Line Kopie

Abb. 4: Die manuelle Fertigung soll möglichst noch 2024 starten.

Teco2030 arbeitet unterdessen noch am Prototypen, der am Teststand in Graz bisher nicht die gewünschte Leistung liefern will. Auch hier ist der Optimismus groß: „Wir machen gute Fortschritte und gehen davon aus, dass wir in ein paar Monaten die volle Leistung auf dem Prüfstand erreichen werden.”, sagt Hoftun. Sobald das erreicht ist, kann in den bisher leeren Hallen die manuelle Fertigung starten. Dieser Schritt ist für das dritte Quartal 2024 vorgesehen. Etwa gleichzeitig, so hofft man, werde eine Typenzulassung von DNV kommen. Mit den ersten Erfahrungen und der Zulassung soll dann eine automatische Fertigung entstehen – Ende 2025 für die Stacks, Anfang 2026 für die gesamten Brennstoffzellenmodule.

Um die weitgehend automatisierte Fertigung schnell aufbauen zu können, setzt Teco2030 auf die Erfahrung von ThyssenKrupp, die den Aufbau der Fertigungslinie übernehmen sollen. Im Jahr 2027 wollen die Norweger eine Fertigungskapazität von 800 MW jährlich erreichen. „Unit costs fall as soon as you start reaching economies of scale and robot-assisted production,” sagt Tore Enger, CEO von Teco2030. Und mit jeder Expansion sollen sie weiter sinken. Für das namensgebende Jahr 2030 nennt Teco ein Ziel von 700 Euro pro kW und ein Output von 3,2 GW. „Nach den bisherigen Investitionen von circa 60 Millionen Euro gehen wir davon aus, dass wir weitere 40 Millionen Euro benötigen, um die angestrebte Jahresproduktion von 800 MW zu erreichen, davon etwa 20 Millionen Euro für die eigentliche Produktionslinie“, sagt Enger. Rund 4 Mio. USD sollen in Kürze aus Indien kommen, vom Infrastruktur-Konzern Advait Infratech, der auch eine eigene Sparte für grüne Energie und Wasserstofftechnologien besitzt. Advait sichert sich damit 51 Prozent an einem Jointventure, das in Zukunft die Brennstoffzellen in Indien und Südasien produzieren und vermarkten soll.

Ob sich am anderen Ende der Welt, in Narvik, auch genügend Fachkräfte finden werden, die 200 Kilometer nördliche des Polarkreises in einer Fabrik arbeiten wollen? Enger und Hoftun sind sicher, dass auch das kein Problem sein wird. „Wir sehen ein großes Interesse von Fachleuten aus diesem Bereich, die nach Narvik ziehen möchten”, sagt Hoftun Sie setzen nicht nur auf eine starke Automatisierung, sondern auf die nahegelegene Universität und die Anziehungskraft der Natur in Nordnorwegen. Man kann praktisch vor der Haustür auf die Skier steigen. Und selbst in der Fabrikhalle geht der Blick aus dem Fenster hinaus auf den Ofotfjord.

Teco Narvik Kopie

Abb. 5: Die Gegend um Narvik ist abgelegen, aber bei Naturfreunden beliebt

Norwegen: Offshore-Windenergie dringend benötigt

Norwegen ist bekannt für seinen sehr günstigen Strom, der nahezu komplett aus Wasserkraft stammt. Damit lockt das Land auch international Investoren an, vor allem, wenn es um grüne Zukunftstechnologien geht. In Norwegen entstehen unter anderem Batteriefabriken, Rechenzentren und eine Wasserstoff-Industrie. Doch die verfügbare Wasserkraft ist keineswegs unendlich. Während Norwegen bisher etwa ein Zehntel seines Stroms exportiert, wird die Strombilanz voraussichtlich ab 2028 neutral sein. Neben den neuen Fabriken ist die Elektrifizierung ein wichtiger Treiber für den Stromverbrauch. So soll zum Beispiel vor der Küste gefördertes Erdgas künftig elektrisch zu LNG komprimiert werden. Die Wasserstofferzeugung – sowohl per Elektrolyse als auch aus Erdgas – spielt in den Fünfjahresprognosen des staatlichen Stromerzeugers Statnett dabei noch gar keine Rolle. Sie kommt erst später dazu. Abhilfe soll ein massiver Ausbau der Windstromerzeugung vor der Küste schaffen. Gleich das erste staatlich ausgeschriebene Projekt aus diesem März soll eine Leistung von 1,5 GW haben.

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