Plug Power – Kurskapriolen mit vielen Fragen

Plug Power – Kurskapriolen mit vielen Fragen

Der Plug-Kurs fiel schnell auf unter 3 US-$ (2,50 US-$ im Tief) und stieg dann wieder auf über 4 US-$. Bei einem Kurs von unter 3 US-$ konnte man hervorragend Handelspositionen aufbauen (s. HZwei-Heft Jan. 2024). Kommt es nun zu einer Wende in der Kursentwicklung oder war das nur ein kurzes Aufflackern, bevor es weiter abwärts geht? Oder kommt es sogar zu einer Trendwende nach oben?

Da gibt es die große Chance für Plug Power, einen Kredit (Loan) im Umfang von 1,6 Mrd. US-$ vom Department of Energy (DoE) im Rahmen des Inflation Reduction Act zu erhalten. Dieser soll innerhalb des dritten Quartals kommen, wobei es auch Gerüchte gibt, dass er wesentlich früher bewilligt werden könnte, aber an dieser Spekulation beteilige ich mich nicht. In diesem Idealszenario verfügt Plug dann über genügend Kapital, um unter anderem mehrere Produktionsstätten wie in Tennessee und New York auf- und auszubauen und dort die Produktion aufzunehmen. Die Börse wird dies – in case – sehr positiv bewerten: mit höheren Aktienkursen.

Aber ein Kredit ist Fremdkapital, das zurückgezahlt werden muss. Wie sind die Konditionen? Wie hoch ist der Zins bzw. Kupon? Was sind die Rückzahlungsmodalitäten? Wird der Kredit sofort in voller Höhe ausgezahlt oder in Raten und mit Zieldefinitionen (Milestones)? Was macht Plug mit dem Geld? Wenn keine Klarheit darüber besteht oder der Kredit erst gar nicht bewilligt wird, dann wird die Börse „verschnupft“ bzw. enttäuscht reagieren, mit der Folge fallender Aktienkurse.

Parallel dazu läuft ein Aktienplatzierungsprogramm über nominal (ATM: at the market) 1 Mrd. US-$. Davon sind bereits über 305 Mio. US-$ durch die Platzierung von 77,4 Mio. Aktien auf das Konto von Plug geflossen. Dies korreliert auch positiv mit dem DoE-Kredit: Wird dieser gewährt, steigt Plugs Kurs – wenn auch eventuell nur kurzfristig – stark an, und dies ermöglicht dann die perfekte Platzierung von Aktien via ATM in den Hochlauf. Mit diesem Geld aus dem ATM kann das kurzfristige Liquiditätsproblem gelöst werden, denn der Cash-Bestand lag am 31. Dezember 2023 gerade mal bei 135 Mio. US-$.

Hinzu kommen weitere mögliche Schwierigkeiten, denn das US-Finanzministerium definiert, wie Wasserstoff hergestellt werden muss, um die Förderung von bis zu 3 US-$ pro kg zu erhalten. Plug setzt sehr stark auf diese Förderung, aber es sind Fragen offen: Von welchem Standort muss die regenerative Energie kommen, in welcher Menge und zu welchem Zeitpunkt? Und an welchem Standort muss die Elektrolyse stattfinden. Hier gibt es, wie in der EU, eine Reihe bürokratischer Hürden – leider.

Enttäuschende Zahlen

Was sind das für Zahlen: Der Umsatz im Geschäftsjahr 2023 betrug statt der erwarteten 1,2 Mrd. US-$ nur 891 Mio. US-$. Der Verlust betrug sogar 1,4 Mrd. US-$, was einem Minus von 2,30 US-$ pro Aktie entspricht. Die Bilanzpressekonferenz im März warf mehr Fragen auf, als sie beantwortete.

So soll der Materialbestand (Inventory) über die Auslieferung von Fertigprodukten an Kunden wertmäßig um 700 Mio. US-$ reduziert werden. Während 2023 noch 400 Mio. US-$ in diesen Bereich investiert wurden, soll 2024 kein Kapital mehr dort hineinfließen.

Die Produktion an Standorten wie Georgia, Tennessee und Louisiana soll hochgefahren werden und zu einer Erhöhung der Gewinnmarge beitragen. An diesen Standorten ist man bereits heute in der Lage, flüssigen Wasserstoff selbst herzustellen und an Kunden zu liefern. Die Standorte Texas und New York werden erst nach der Bewilligung des DoE-Kredits weitergeführt, da sie sonst zu viel Liquidität binden.

Zudem soll es Preiserhöhungen (u. a. für H2, Stacks und Elektrolyseure) und ein Kostensenkungsprogramm in Höhe von 75 Mio. US-$ geben. Flüssiger Wasserstoff wird derzeit noch zugekauft, was Verluste mit sich bringt, soll aber durch selbst produzierten Wasserstoff ersetzt werden.

Nachdem Plug Power – ich berichtete ausführlich – in vielfältiger Weise Produktionsstätten in den USA und international aufgebaut und damit die Liquidität stark strapaziert hat, soll nun das geplante Kostensenkungsprogramm in Höhe von 75 Mio. US-$ greifen. Ob dieser Betrag ausreichen wird, darf allerdings bezweifelt werden, denn er erscheint angesichts der Liquiditätsprobleme von Plug geradezu lächerlich und kommt viel zu spät. Dass das Unternehmen an mehreren Standorten begonnen hat, flüssigen Wasserstoff zu produzieren und an Kunden wie Amazon und Walmart auszuliefern, ist erst einmal eine gute Nachricht, hat aber zunächst wenig Einfluss auf die Geschäftszahlen des Unternehmens.

Auch bei Aufträgen für Elektrolyseure kann Plug punkten, aber bis hier nennenswerte Umsätze und damit Gewinne sichtbar werden, wird es dauern. Dass sich der saudische Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) Ende 2023 mit dem Verkauf von 5,67 Millionen Aktien komplett aus Plug zurückgezogen hat, ist kein gutes Zeichen.

Fazit

Den Worten müssen nun Taten folgen, denn zu oft wurden sehr vollmundige Prognosen abgegeben. Dass Plug für einige Projekte Partner ins Boot holt, scheint sehr wahrscheinlich. Und auch die Abspaltung (Teilverkauf) einiger Einheiten ist denkbar, wenn die Liquidität nicht zeitnah ausreichend dargestellt werden kann. Aktuell besteht allerdings kein Handlungsbedarf. Plug steht aber klar auf meiner Watchlist, da das Unternehmen zur richtigen Zeit in den richtigen Märkten aktiv ist. Wenn die finanziellen Probleme gelöst sind, es evtl. auch Veränderungen im Management, das Vertrauen verspielt hat, gibt, wird Plug seinen Weg gehen.

Über 170 Mio. leerverkaufte Aktien (Short Interest, Stand Mitte Februar) sind allerdings bedenklich, da hier massiv gegen das Unternehmen spekuliert wird oder – Stichwort Amazon und Walmart (Warrants) – eine Art Absicherung (Hedging) betrieben wird. Ohne Obligo. Immerhin wurden im Januar/Februar bereits 10 Mio. Aktien eingedeckt. Auf der anderen Seite ist es dieses Short Interest, das auch mal, über die Eindeckung, kurstreibend wirken kann (Short Squeeze), wenn gute Nachrichten gemeldet werden. Alles hat zwei Seiten.

Noch besteht aber kein Handlungsbedarf, denn nun steht erst einmal die Veröffentlichung der Zahlen für das erste Quartal an. Dass diverse Wirtschaftsmedien in Deutschland Plug Power zu den Top-Investments in Sachen Wasserstoff zählen, wundert mich allerdings. Es gibt überzeugendere H2-Investments.

Risikohinweis

Jeder Anleger sollte sich bei der Investition in Aktien immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bewusst sein und auch an eine sinnvolle Risikostreuung denken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien stammen aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, das heißt, es handelt sich nicht um Standardwerte, und auch die Volatilität ist deutlich höher. Diese Analyse stellt keine Kaufempfehlung dar. Alle Informationen basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen hinsichtlich der Bewertung ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, wobei der Fokus auf einer mittel- bis langfristigen Bewertung und nicht auf kurzfristigen Gewinnen liegt. Die hier vorgestellten Aktien können im Besitz des Autors sein. Es handelt sich nicht um eine Anlage- oder Kaufempfehlung, sondern lediglich um eine unverbindliche persönliche Einschätzung – ohne Obligo.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 15. März 2024

Siemens Energy – Licht am Ende des Tunnels

Siemens Energy – Licht am Ende des Tunnels

Siemens Energy ist auf dem richtigen Weg, wie die jüngsten Zahlen zeigen. Zwar schreibt die Windtochter Gamesa nach wie vor Verluste, aber alle anderen Unternehmensbereiche laufen gut und sind profitabel, Tendenz steigend. Dass das auch die Börse so sieht, zeigt der Aktienkurs von zeitweise über 14 Euro. Man muss der Integration von Siemens Gamesa einfach Zeit geben. Das geht nicht in Wochen, sondern eher in ein bis zwei Jahren. Ab 2026 soll diese Einheit wieder profitabel sein und bis dahin ein Kostensenkungspotenzial von 400 Mio. Euro ermöglichen.

Gleichzeitig wächst der Markt für Offshore-Wind gerade enorm, und es werden immer mehr Synergien, z. B. mit Elektrolyseuren für die Offshore-Wasserstoffproduktion, sichtbar. Hier wächst zusammen, was zusammengehört, denn regenerativ erzeugter Windstrom sollte vor Ort in Moleküle umgewandelt werden, die dann per Schiff und Pipeline zu den Verbrauchern gelangen. Ob die Onshore-Windsparte – und hier liegen die Probleme bei Gamesa – als Aktivität aufrechterhalten werden kann und soll, ist fraglich, wenn die technischen Probleme nicht nachhaltig gelöst werden können.

Siemens gliedert sich in viele Divisionen, die alle unterschiedlich schnell wachsen und zum Erfolg des Konzerns beitragen. Die Sparte Gas Services weist einen Umsatz von 10,9 Mrd. Euro bei einem operativen Gewinn von 1,033 Mrd. Euro aus. Die Sparte Grid Technologies macht 7,2 Mrd. Euro Umsatz bei 0,54 Mrd. Euro Gewinn, und Transformation of Industry hat 4,4 Mrd. Euro Umsatz bei 0,228 Mrd. Euro Gewinn. Ich mache hier ein einfaches Gedankenspiel:

Was wäre, wenn Siemens Energy eine dieser Sparten als Spin-off (Abspaltung als Unternehmensanteil) an die Börse bringen würde, so wie es der Mutterkonzern Siemens mit Siemens Energy gemacht hat? Könnten vielleicht 30 bis 40 Prozent der Gas Services an der Börse anteilig 2, 3 oder 4 Mrd. Euro wert sein und Siemens Energy diesen Gegenwert über einen Börsengang (IPO) als Kapitalzufluss zukommen lassen? Mit diesem Kapital könnte Siemens Energy dann strategische Akquisitionen aus eigener Kraft finanzieren. Es könnten neue Geschäftsmodelle entwickelt werden, um die Offshore-Wind-Sparte von Siemens Gamesa mit der Elektrolyseur-Sparte zusammenzubringen, mit dem Ziel, Offshore-Wasserstoff zu produzieren. Wäre es nicht sogar interessant, mit Partnern und Kunden selbst in die Wasserstoffproduktion einzusteigen und Hardware von Siemens Energy als Asset oder Sacheinlage in Projekte einzubringen? All dies würde Siemens Energy neue und nachhaltige Umsatzfelder eröffnen, so meine rein theoretische Überlegung.

Neu im Aufsichtsrat: Prof. Veronika Grimm

Die Berufung von Prof. Veronika Grimm in den Aufsichtsrat von Siemens Energy – aus den Reihen der Wirtschaftsweisen kam Kritik wegen möglicher Interessenkonflikte – halte ich für zielführend, weil hier Kompetenz aus dem theoretischen Bereich in die Praxis eines Unternehmens einfließt. Grimm hat mit ihrer Kompetenz im Energiebereich eine besondere Stellung im Rat der Weisen, weil sie technologieoffen und pragmatisch denkt und auch dem Wasserstoff die Bedeutung zumisst, die das Supermolekül hat. Davon kann Siemens Energy profitieren. Zu Themen, die Siemens Energy direkt betreffen, wird Sie keine Stellungnahme abgeben. In Beratungsgremien wie dem Wirtschaftsrat sitzen Theoretiker.

Rekordauftragseingang

Die von der Bundesregierung endlich verabschiedete Kraftwerksstrategie (s. S. 26) lässt für Siemens Energy viel Fantasie aufkommen, denn so mancher Großauftrag für Gasturbinen könnte und sollte hier landen, da es überhaupt nur wenige leistungsfähige Anbieter wie Siemens Energy gibt. Es ist ein gutes Zeichen, dass das erste Quartal des Geschäftsjahres 2024 mit einem Gewinn vor Sondereffekten von 208 Mio. Euro abgeschlossen werden konnte. Der um beachtliche 24 Prozent auf 15,4 Mrd. Euro gestiegene Auftragseingang im Quartal katapultierte diesen auf den Rekordwert von über 118 Mrd. Euro und lässt, wenn es so weitergeht, auch auf Jahresbasis 140 bis 150 Mrd. Euro erwarten (Schätzung).

Fazit: Kaufen und liegen lassen. Der Konzern ist als Komplettanbieter in den richtigen und vor allem wachstumsstarken Märkten der Energieerzeugung, besonders auch im Thema Wasserstoff, perfekt positioniert.

Risikohinweis

Jeder Anleger sollte sich bei der Investition in Aktien immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bewusst sein und auch an eine sinnvolle Risikostreuung denken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien stammen aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, das heißt, es handelt sich nicht um Standardwerte, und auch die Volatilität ist deutlich höher. Diese Analyse stellt keine Kaufempfehlung dar. Alle Informationen basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen hinsichtlich der Bewertung ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, wobei der Fokus auf einer mittel- bis langfristigen Bewertung und nicht auf kurzfristigen Gewinnen liegt. Die hier vorgestellten Aktien können im Besitz des Autors sein. Es handelt sich nicht um eine Anlage- oder Kaufempfehlung, sondern lediglich um eine unverbindliche persönliche Einschätzung – ohne Obligo.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 15. März 2024

Bloom Energy enttäuscht – aber nur vorübergehend

Bloom Energy enttäuscht – aber nur vorübergehend

Was waren das für vollmundige Aussagen zum Wachstum in den kommenden Jahren mit 30 Prozent pro Jahr. Jetzt der Rückschlag, weil ein Großauftrag des Unternehmenspartners SK group/Sk ecopland die Jahresziele für 2023 im 4. Quartal um 160 Millionen US-Dollar verfehlt hat. Was ist davon zu halten? Eine nur vorübergehende Eintrübung der Wachstumsperspektiven?

Für mich ist diese Frage mit einem klaren JA zu beantworten, denn Bloom Energy überzeugt mit seiner Technologie und seinem Geschäftsmodell, sichere und saubere Energie rund um die Uhr zu liefern. Hinzu kommt die Einführung der eigenen SOFC-Elektrolyse, die ab 2025 durch Aufträge sichtbar wird – man startet mit einer Kapazität von 2 GW pro Jahr.

Zu den Zahlen: Bloom Energy hat im 4. Quartal 2023 einen Umsatz von 357 Mio. US-$ erzielt. Für das Gesamtjahr 2023 sind es 1,33 Mrd. US-$ – geplant waren 1,4 bis 1,5 Mrd. US-$, also 160 Mio. US-$ weniger. Noch wichtiger: Die Non-GAAP-Gewinnmarge soll bis 2024 auf 28 Prozent steigen. Der milliardenschwere Rahmenvertrag mit der südkoreanischen SK Group, die auch größter Einzelaktionär von Bloom ist, soll nun besser definiert werden, indem feste Umsatzgrößen pro Quartal vereinbart werden. Die 160 Millionen US-Dollar sollen dann in das neue laufende Geschäftsjahr einfließen. Allerdings wird das Wachstum im 1. Halbjahr 2024 geringer ausfallen als erwartet, bis es im 2. Halbjahr wieder anzieht (40:60). Bloom spricht nun für 2024 von einem Umsatzziel von 1,4 bis 1,6 Mrd. US-Dollar – es sollten einmal mehr 1,8 Mrd. US-Dollar für 2024 werden. Ein Blick auf den Unternehmensgewinn zeigt: Mit einem Plus von 27,4 Mio. US-$ als Non-GAAP-Gewinn im 4. Quartal 2023 ist es sehr gut gelaufen. Ein positiver Ausblick, denn der Gewinn ist wichtiger als der Umsatz. Der Non-GAAP-Gewinn wird für dieses Jahr auf 75 und 100 Mio. US-$ prognostiziert, ein gutes Zeichen auf dem Weg zu nachhaltigen und steigenden Gewinnen.

CFO Cameron verlässt das Unternehmen, doch Zukunftsaussichten überzeugen

Finanzvorstand Greg Cameron verlässt das Unternehmen aus persönlichen Gründen. Das ist eigentlich eine schlechte Nachricht. Angesichts der guten Perspektiven dürfte sie aber bald vergessen sein, sofern ein geeigneter neuer CFO gefunden wird – die Suche läuft.

Bloom verfügt über einen Auftragsbestand von 12 Mrd. USD (Backlog – 3 Mrd. USD für Hardware und 9 Mrd. USD für langfristige Serviceverträge). Das Unternehmen ist mit seinen Energieservern sehr gut positioniert und hat bereits eine führende Position im Bereich der Hochtemperatur-Elektrolyseure, die 2025 mit einer Anfangsleistung von 2 GW pro Jahr auf den Markt kommen werden. Testreihen, unter anderem beim Idaho National Lab, seien „extrem positiv“ verlaufen, hieß es bei der Bilanzpressekonferenz. Fast 750 Mio. US-$ an liquiden Mitteln auf dem Konto sind ein gesundes Polster für die Finanzierung aus eigener Kraft. Erst im 2. Halbjahr 2025 müssen Schulden in Höhe von 250 Mio. US-$ refinanziert werden – kein Problem.

Das Ziel ist klar definiert: 2024 setzt Bloom auf eine Steigerung der Gewinnmarge, die sich aus Kostenmanagement, höheren Margen im Dienstleistungssegment und Preisdisziplin zusammensetzt. Die Ausgaben für Material zur Vermeidung von Problemen in der Lieferkette (Lagerbestände) werden in diesem Jahr deutlich sinken – Bloom sei gut aufgestellt. Die Produktionsstätte in Fremont habe eine Kapazität von 700 MW pro Jahr, die leicht verdoppelt werden könne. Zudem werden neue Geschäftsmodelle (Energie auf Abruf 24/7 und Heat & Power) sowie viele Innovationen das neue Geschäftsjahr bestimmen.

Klar sei: KI sowie die zunehmende Elektrifizierung – man denke nur an batterieelektrische Autos – werden den Energiebedarf nicht wie bisher um 0,5 Prozent pro Jahr steigen lassen, sondern um das Zehnfache, so CEO Sridhar. Der fehlende Netzausbau (Stromtrassen) werde Insellösungen wie die von Bloom begünstigen. O-Ton Bloom: Regenerativ erzeugter Strom werde das Defizit stillgelegter Kohle- und Atomkraftwerke nicht ausgleichen können. Damit steige das Risiko von Stromausfällen und mangelnder Verfügbarkeit von Energie in erheblichem Maße. Ging es bisher oft um den Preis der Energie, so geht es jetzt um die Verfügbarkeit und die Versorgungssicherheit, denn ein Stromausfall kann enorme Schäden verursachen. All dies spielt Bloom Energy perfekt in die Hände, so CEO Sridhar.

Bloom als Partner für Rechenzentren und Energieversorger

Im Bereich der Rechenzentren entwickelt sich eine große Nachfrage nach Energielösungen wie denen von Bloom. Man spricht mit den führenden Unternehmen der Branche. Hier geht es inzwischen um Gigawatt und nicht mehr um Megawatt. Bloom setzt dabei auch auf seine schnelle Projektumsetzung (‚rapid deployment capability‘) und Flexibilität. Der große zusätzliche Energiebedarf kommt von den sogenannten Greenfield Data Centers, die quasi auf der grünen Wiese entstehen und einen Energiezugang benötigen. Hier werden bis 2024 viele Aufträge vergeben. Abwärme aus Rechenzentren über Net-Zero-Stream und Net-Zero-Cooling als CO2-freies Abfallprodukt für Prozesswärme soll genutzt werden (= CHP = „combined heat and power“). Mit diesen Lösungen kann Bloom auch Energieversorger (Utilities) unterstützen, denn Energie kann flexibel, sauber und um 50 Prozent günstiger und fünfmal schneller bereitgestellt werden, als wenn z. B. Dieselgeneratoren oder Gasturbinen zugeschaltet werden. Damit ist Bloom auch ein Partner für Energieversorger.

Als neuer CTO = Chief Technical Officer konnte Dr. Ravi Prasher gewonnen werden. Dieser ist unter anderem Mitglied der renommierten National Academy of Engineering. Er ist nun Chief Commercial Officer von Bloom mit dem Ziel, Geschäftsmöglichkeiten in konkrete Aufträge umzuwandeln. Wie so viele Bloom-Manager kommt er von GE, wo er 20 Jahre lang tätig war. Er sieht die Hochtemperatur-Brennstoffzellen von Bloom als Game Changer, da bei der Verbrennung von Wasserstoff kein SOx, kein NOx und null CO2-Emissionen entstehen. Bloom, so Dr. Prasher, könne alle Probleme lösen, die viele Industrieunternehmen mit ihrer Energienutzung hätten. Zudem sei die Elektrolyse-Technologie von Bloom die effizienteste auf dem Markt.

Jüngste Nachricht: Bloom Energy plant eine Kooperation mit Shell zur Nutzung der eigenen SOFC-Elektrolyse für die großtechnische Produktion von Wasserstoff (Pressemitteilung vom 6.3.24). Bloom verweist darauf, dass man bereits sehr erfolgreiche Testreihen mit dem NASA Armes Research Center in Mountain View durchgeführt habe: 2,4 Tonnen Wasserstoff pro Tag konnten dort produziert werden. Das ist mehr Wasserstoff pro Megawatt Energie, als mit PEM- und Alkalin-Elektrolyseuren möglich ist. Gute Voraussetzungen für die Zusammenarbeit mit Shell.

Fazit: Mit einer Börsenbewertung von nur 2 Mrd. US-$ ist ein Niveau erreicht, das den Wachstumsperspektiven nicht entspricht und Bloom sogar zu einem Übernahmekandidaten macht. GE oder Siemens Energy sollten sich – so mein Vorschlag – das Unternehmen genau anschauen und eine Strategie wie SK Group verfolgen (Beteiligung und gemeinsame Nutzung der Bloom-Technologien). Die Börse wird die Perspektiven bald wieder richtig einschätzen und die aktuelle Unterbewertung schnell vergessen lassen, so mein Fazit. 2024 wird ein wachstumsschwächeres Übergangsjahr sein, dem aber viele Jahre mit sehr starkem Wachstum folgen werden. Wichtig ist vor allem, dass Bloom auf einem guten Weg ist, profitabel zu werden. Das kann auch bedeuten, dass einige Großaufträge hereinkommen, die dann 2025 und in den Folgejahren umsatzwirksam werden. Bloom befinde sich in vielen zielführenden Gesprächen mit potenziellen Kunden, hieß es auf der Pressekonferenz. Mehr als 70 Prozent institutionelle Investoren stehen hinter dem Unternehmen und könnten die derzeit stark gedrückten Kurse als ‚bargain‘ (Schnäppchen) ansehen, also weiter aufstocken und bestehende Positionen erhöhen. Kurse von 25 US-Dollar auf Jahressicht mögen unrealistisch sein – bei guten Nachrichten aber auch nicht. Das Segment Elektrolyseure wird weiteres Wachstumspotenzial generieren und ist in der Börsenbewertung noch überhaupt nicht eingepreist.

RISIKOHINWEIS

Jeder Anleger sollte sich bei der Anlage in Aktien immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bewusst sein und auch an eine sinnvolle Risikostreuung denken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien stammen aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, das heißt, es handelt sich nicht um Standardwerte, und auch ihre Volatilität ist deutlich höher. Dieser Bericht stellt keine Kaufempfehlung dar. Alle Informationen basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen hinsichtlich der Bewertung ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- bis langfristige Bewertung und nicht auf kurzfristige Gewinne legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein. Dies ist keine Anlage- und Kaufempfehlung, sondern nur eine persönliche Einschätzung – ohne Obligo.

Sven Jösting

Nikola Motors – Sonderfantasie durch den Badger

Nikola Motors – Sonderfantasie durch den Badger

Die US-Firma Ember* hat kürzlich die Markenrechte (IP, Design) und Prototypen des Badgers von Nikola erworben. Nikola gibt die Werte dieses Sport Utility Vehicles (SUV) im Rahmen eines Equity-Swaps (Tausch via Sacheinlage) ab und erhält dafür 30 Prozent an dem Unternehmen*, das mehrheitlich im Besitz von dem Influencer Dave Sparks und Cole Cannon ist. Kapital von Nikola wird keines fließen, denn der Fahrzeughersteller konzentriert sich zu Recht auf elektrische Nutzfahrzeuge (Batterie + Brennstoffzelle/Wasserstoff). Fest steht, dass der SUV Badger als BZ/Batterie-SUV (Wasserstoff) sehr chic aussieht und dem Cybertruck von Tesla arge Konkurrenz bereiten könnte, sollte diese in time auf den Markt finden. Ob Ember und andere OEMs sowie Partner dieses Projekt wirklich umsetzen, ist allerdings noch unklar.

Der Badger diente mal als Basis für eine Kooperation mit General Motors (GM) und sorgte für eine zweistellige Milliardenbewertung von Nikola Motors an der Börse. Es gab damals 6.000 Vorbestellungen. Betrachten Sie dies somit als schönes Nebenthema. Es könnte sehr spannend sein, wenn es hier konkret wird, sollten bekannte Namen wie Magna, Dana, GM u.v.a. den Ball aufgreifen. Bedenken Sie: Auch das Design eines solchen Modells kostet viel Kapital, welches man ja bereits hat – abgesehen von der Tatsache, dass die Aufnahme der Produktion sehr viel Kapital erfordert, wenn es eventuell auch Unternehmen (OEM = Original Equipment Manufacturer) gibt, die sehr schnell aufgrund schon bestehender Produktionskapazitäten hochgefahren werden könnten – dann könnte der Badger schon bald auf den Markt kommen – alles denkbar.

Der Ausblick stimmt sehr zuversichtlich

Die Bilanzpressekonferenz am 22. Februar 2024 zum vierten Quartal und Gesamtjahr 2023 und vor allem der Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr bestätigt meine sehr optimistische Einschätzung dieses Startups für CO2-freie Lkw. Von 42 gebauten TreFCEV wurden 35 im vierten Quartal 2023 ausgeliefert. Sieben befinden sich in Testläufen bei Flottenbetreibern. Die batterieelektrischen Lkw TreEV finden nach dem Problem mit den Batterien und deren Austausch im Laufe des Jahres bis Ende des zweiten Quartals zurück zu ihren Käufern. Nikola kann jeden gebauten TreFCEV sofort verkaufen, da die Nachfrage da ist, aber es noch nicht ausreichend Zulieferteile gibt. 2024 sollen 300 bis 350 verkauft werden.

Stark ist die Position bei den Gutscheinen HVIP Voucher, wo Nikola fast alle (99 Prozent = 355 von 360) auf sich verbuchen kann. Wir sprechen von bis zu 408.000 US-$ Zuschuss pro BZ-Lkw. Bei den BEV sind es 95 Gutscheine per Ende Januar 2024.

Sich auf Kalifornien und Kanada in der Anfangsphase zu konzentrieren, ergibt angesichts der Förderprogramme eindeutig sehr viel Sinn. Parallel arbeitet Nikola via der Tochter HYLA daran, die Wasserstoffinfrastruktur an wichtigen Standorten – u.a. Hafenanlagen in Kalifornien wie LA oder Orlando – durch mobile H2-Tankstellen mit dem notwendigen Wasserstoff darzustellen. Bei dieser Strategie lassen sich erst einmal mobile H2-Tankstellen aufstellen (wesentlich weniger Regulatorik als bei festen Standorten), bis man je nach Erfahrung und Bedarfslage feste Stationen errichtet.

Dazu kommt die Partnerschaft mit First Element Fuel, die bereits H2-Tankstellen an wichtigen Knotenpunkten (Häfen wie Orlando) betreiben und dort 100 bis 200 Lkw am Tag mit dem notwendigen Wasserstoff versorgen. Die Verfügbarkeit des Wasserstoffs ist auf jeden Fall (so ein Take aus der Pressekonferenz) in ausreichender Menge gegeben. Darin sind auch bereits zukünftig auszuliefernde TreFCEV und deren H2-Bedarf berücksichtigt.

Aktuell werden neun Standorte des eigenen HYLA-Programms neben denen von First Element Fuel entwickelt. Insgesamt werden da perspektivisch über 60 H2-Tankstellen auf den Weg gebracht. Vielleicht tank da auch irgendwann mal der Badger?

Lkw im Einsatz – Kunden sehr zufrieden

Es gibt diverse Berichte über Langstreckenfahrten mit den wasserstoffbetriebenen Lkw von Kunden, die ausgesprochen positiv berichten: Coyote Container hat eine Fahrt vom Hafen Oakland nach Long Beach, dann nach Iowa und Ontario und dann zurück zum Hafen Portland unternommen. Mit nur einer H2-Nachfüllung nach 866 Meilen. MTA Trucks fuhr eine Runde über 519 km von Edmonton nach Calgary und zurück. Der Tank war am Ende der Strecke noch 40 Prozent gefüllt – bei minus 10 Grad. Weitere Beispiele beziehen sich auf Touren von über 1.000 Meilen in einem Tag bei voller Last.

Fazit: Mit über 460 Mio. US-$ an freiem Kapital (unrestricted cash) ist das Unternehmen vorerst gut durchfinanziert. Kostensenkungsmaßnahmen, Optimierungen und normale Skalierungseffekte in der Produktion (je mehr Lkw gebaut und verkauft werden, umso günstiger der Preis pro Einheit und je näher der Zeitpunkt, die Gewinnschwelle zu überschreiten) werden das Gesamtjahr prägen, wobei der Kapitaleinsatz auf Quartalsbasis erheblich fallen soll. 400 bis 450 Lkw beider Gattungen gelten als erstes Absatzziel für 2024 mit einer Umsatzerwartung von 150 bis 170 Mio. US-$. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Auftragseingänge erheblich höher ausfallen könnten, auch wenn diese erst 2025 umsatzwirksam werden.

Nikola steht erst in der Anfangsphase – 2.400 Fahrzeuge könnten bereits theoretisch auf Jahresbasis produziert werden, wenn alle Zulieferteile verfügbar sind. Was den Börsen-(Aktien)kurs angeht, wiederholt sich CEO Girsky salomonisch mit seiner Äußerung – sinngemäß – dass die Börse das selbst am besten bewerten wird, wenn die gemachten Prognosen eintreten. Damit geht meine Erwartung einher, dass wir bald wieder Kurse von über 1 US-$ sehen werden (bzw. wesentlich höhere), wenn eintritt, was prognostiziert wird.

Unter 1 US-$ kann es theoretisch zu einem Delisting an der NASDAQ kommen (7. Juli nach 180-Tage-Frist, die allerdings verlängert werden kann). Ein Reversal-Split (Aktienzusammenlegung) als eine Maßnahme, den Aktienkurs auf über 1 US-$ zu bringen, erübrigt sich dann natürlich von selbst.

Das Kursverhalten der Aktie wird aktuell noch von Shortsellern und Naked Shorts dominiert, die stark gegen das Unternehmen und den Aktienkurs wetten. 229,6 Mio. Aktien waren Mitte Februar leer verkauft. Dieser Short-Interest könnte mal – bei guten Nachrichten – Grund für Eindeckungskäufe (im Extremfall ein Squeeze) sein – aber nur eine persönliche Sicht – ohne Obligo. Auf der anderen Seite kaufen institutionelle Anleger wie der Norwegische Staatsfonds (hält 10,25 Prozent an Nikola), Blackrock, Vanguard und andere zu, was als ein gutes Zeichen angesehen werden kann und sollte.

Gegen den Firmengründer Trevor Milton hat Nikola bereits vor Gericht gewonnen und arbeitet nun daran, einen Titel zur Umsetzung zu erhalten. Immerhin geht es um 165 Mio. US-$. Das wurde auch in der Bilanzpressekonferenz erwähnt. Milton hält noch direkt über 51 Mio. Aktien, die eventuell als Teilzahlung – ohne Obligo – eingezogen werden könnten. Der Aktienkurs wird nun vor allem von Auftragseingängen für die E-Lkw getrieben. Da man an Testreihen bei Flottenbetreibern arbeitet, könnte hieraus – meine Erwartung/Spekulation – auch mancher Großauftrag resultieren. Denn Logistiker wie beispielsweise FedEx haben über 35.000 Lkw, die via CO2-Bespeisung und Auflagen (Dekarbonisierung) wie auch Gesetzen in Bundesstaaten wie Kalifornien peu a peu weg vom Diesel müssen.

Nikola muss als Startup gesehen werden. Da geht es um einen neuen, disruptiven Markt am Anfang eines langfristigen Trends. Bis es zu dem Übergang in die Gewinnzone (2025/26) kommt, muss noch viel Kapital investiert werden (logische Verluste), aber die Börse wird dies gerne zur Verfügung stellen, wenn die Prognosen eintreten und in der Aktienkursentwicklung antizipieren. Die Investmentbank Baird hat ja kürzlich erst einmal 2 US-$ als Kursziel ausgerufen. Andere Investmentbanken sollten folgen. Die Volatilität in der Aktie wird sehr hoch bleiben – Tagesschwankungen von fünf oder auch über zehn Prozent gehören zur Normalität. Nichts für Anleger mit schwachen Nerven.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 2. März 2024

*: Es handelt sich um das US-amerikanische Unternehmen Ember, nicht um Ember Motors.

Interview mit dem Wasserstoff-Experten Dr. Johannes Töpler

Interview mit dem Wasserstoff-Experten Dr. Johannes Töpler

HZwei: Dr. Töpler, wie würden Sie sich und Ihr Tätigkeitsfeld in Bezug auf den Themenkomplex Wasserstoff und Ihre Fachkompetenz beschreiben?
Meine berufliche Beschäftigung mit dem Wasserstoff begann 1977 bei DaimlerBenz mit der Aufgabe, für eine geplante Wasserstoffflotte in Kundenhand die Metall-Hydrid-Speicher zu bauen. Die Flotte war von 1984 bis 1988 in Berlin im Einsatz. 1989 habe ich mit Vorlesungen über „Erneuerbare Energien und Wasserstoff“ an der Hochschule Esslingen meine akademische Lehrtätigkeit begonnen, die bis heute andauert.
Von 2002 bis 2023 war ich im Vorstand/Präsidium des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes (2003-2014 Vorstandsvorsitzender) mit der Aufgabe, den Wassersstoff in Wirtschaft und Politik voranzutreiben.
Zurzeit fokussiere ich mich auf die Bildungsarbeit für den Wasserstoff, zum Beispiel mit dem Aufbau eines berufsbegleitenden Master-Studienganges an der Dresden International University (DIU) und der Technischen Akademie Esslingen.

Wasserstoff wird sehr emotional diskutiert. Auf Erdgas basierend ist dieser schon immer in großen Mengen im täglichen Einsatz. Ich denke da beispielsweise an die Chemieindustrie – aber eben mit CO2-Abdruck. Nun geht es um den regenerativ erzeugten, den grünen, aber auch den gelben (mit Biogas) und die Nutzung von Überschussstrom aus Kohle- und Kernkraftwerken für schwarzen bzw. roten/türkisen Wasserstoff sowie die Vermeidung von CO2-Emissionen (Dekarbonisierung). Wie sieht Ihr Zukunftsszenario aus? Von wo wird der Wasserstoff zu uns kommen? Können wir diesen selbst in ausreichender Menge produzieren, wie mancher Politiker dies so sieht?
Die emotionale Diskussion kommt häufig daher, dass von einem singulären Standpunkt aus argumentiert wird – sei es zum Beispiel von einem Vorurteil bezüglich der Wasserstoff-Sicherheit, dem Energiebedarf bei der Wasserstoff-Produktion oder einem kurzfristigen Profitstreben. Im Sinne der Bedeutung des Wasserstoffs für eine nachhaltige Energieversorgung ist es zielführender, den Wasserstoff in seiner ganzheitlichen Bedeutung zu betrachten. Diese liegt wesentlich in seiner Fähigkeit, sehr große Energiemengen im Bereich von mehreren Terrawattstunden zu speichern und damit die Fluktuationen des Angebotes der erneuerbaren Primärenergien auszugleichen. Das ist das Fundament der Versorgungssicherheit und damit von zentraler volkswirtschaftlicher Bedeutung. Dazu kommt langfristig nur CO2-freier Wasserstoff oder CO2-neutraler Wasserstoff aus Biomasse in Frage. Eventuell ist auch Wasserstoff aus Pyrolyse von organischen Abfällen und Kunststoffen denkbar, wenn das Recycling des Kohlenstoffs und anderer Reststoffe gelingt.
In der Übergangsphase, wenn eventuell noch nicht genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, um die Marktpotenziale der Wasserstoff-Technologien schnellstmöglich hochzufahren, wird auch Wasserstoff aus anderen Quellen erforderlich sein; aber bitte nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich.

Die Infrastruktur für den Transport steht auf der einen Seite – Beimischung (Blending) in Gasnetzen. Parallel soll es ausschließlich Wasserstoff transportierende Pipelines geben. Wie sehen Sie da die zukünftige Entwicklung? Auch bezogen auf andere Netze wie die Stromnetze.
Die Zumischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz ist eine erste Möglichkeit, ihn in Netzen zu verteilen. Allerdings ist dieses Verfahren nicht neu. Bereits in früheren Stadtgasnetzen mit Synthesegas war ein H2-Gehalt von circa 50 % üblich. Beispielseise wurde die erste Flotte von Wasserstoff-Fahrzeugen in Kundenhand 1984 bis 1988 in West-Berlin mit Wasserstoff betrieben, der mit einer Reinheit von 5.0 mittels eines dreistufigen PSA-Verfahren (Pressure-Swing-Adsorption) aus dem Berliner Stadtgas gewonnen wurde.
Heute laufen die ersten Versuche der H2-Zumischung im Erdgasnetz mit einem Anteil von bis zu 30 % mit gutem Erfolg inclusive der begleitenden Sicherheitsuntersuchungen zum Beispiel der Zündgrenzen des Gemisches. Eine direkte Nutzung des Gasgemisches ist allerdings nur thermisch möglich. Für eine bessere exergetische Nutzung des Wasserstoffs – zum Beispiel über die Brennstoffzelle – ist eine Abtrennung erforderlich. Daher wird die Zumischung wahrscheinlich nur in einer Übergangsphase stattfinden mit dem Ziel, am Ende ein vollständiges Wasserstoffnetz zu haben.
Zusätzlich zum Bedarf der H2-Speicherung innerhalb Deutschlands ist auch zu berücksichtigen, dass der erforderliche Import erneuerbarer Energien insbesondere bei interkontinentalem Transport nur über den Wasserstoff geht, so dass auch für dessen Verteilung ein H2-Netz erforderlich sein wird.

Wie sehen Sie die Entwicklung in der Elektromobilität bezogen auf den Einsatz der Batterie und der Brennstoffzelle in der Welt und in den verschiedenen Einsatzfeldern? Ergänzen sich beide Varianten oder stehen diese im Wettbewerb? Welche Variante hat für Sie das größte Potential? Worin könnten Hürden liegen, die mancher Entwicklung im Weg steht?
Ich bin überzeugt, dass der Brennstoffzellen-Pkw weltweit kommen wird. Er steht meines Erachtens auch nicht in Konkurrenz zum Batterie-Pkw, sondern beide ergänzen sich. Batterie-Fahrzeuge werden direkt über das elektrische Netz beladen, was bezüglich des Wirkungsgrades der Energiekette optimal ist. Das gilt aber nur, wenn das elektrische Netz ausreichend stabil ist und die Energie nicht mit Wasserstoff zwischenzeitlich gespeichert werden musste (z. B. bei Dunkelflaute). Dann wäre die direkte Nutzung des Wasserstoffs in einem H2/BZ-Fahrzeug sinnvoller. Ein H2/BZ-Fahrzeug bezieht seine Energie immer aus den Speichern und nie direkt aus dem Stromnetz und trägt damit zur Stabilisierung des elektrischen Netzes in Zeiten eines schwachen Primärenergie-Angebotes bei.
Je nach dem Fahrprofil eines Autos und der vorrangig zur Verfügung stehenden Energiequelle (z. Z. PV-Anlage mit Batteriespeicher im eigenen Haus) kann ein Batterie- oder BZ-Fahrzeug Vorteile haben. Auch die Kombination beider Technologien in einem Fahrzeug (Batterie für die täglichen kurzen Strecken – die Brennstoffzelle für die längeren Fahrten) wie beim Daimler GLC kann sinnvoll sein, weil dann Wirkungsgrad und Versorgungssicherheit gut kombinierbar sind.
Die Hürden sind aus meiner Sicht beim Batterie-Fahrzeug die CO2-Emissionen bei der Batterie-Produktion und die noch nicht gelösten Probleme des Recycling und beim H2/BZ-Fahrzeug die noch unzureichende Infrastruktur und Verfügbarkeit des grünen Wasserstoffs.

Aus China ist zu hören, dass da führende Kfz-Hersteller Prototypen für BZ-Fahrzeuge entwickelt haben. Toyota und Hyundai geben sich technologieoffen und setzen neben der Batterie auf wasserstoffbetriebene Kfz aller Art, vom Pkw (Mirai, Nexo) bis hin zu Bussen und Nfz. Was beziehungsweise welchen Weg würden Sie der deutschen Autoindustrie empfehlen? VW und andere – außer BMW – sehen die Elektromobilität ausschließlich auf die batterieelektrische bezogen. Die Brennstoffzelle und Wasserstoff finden da nicht statt. Wo stehen wir da in 10 bis 20 Jahren – in Deutschland, der EU und in der Welt?
Die Japaner (Toyota, Honda), Koreaner (Hyundai) und auch chinesische Hersteller haben angekündigt, Weltmarktführer in dieser Branche werden zu wollen. Sie fahren ihre Produktionsmöglichkeiten entsprechend hoch. Toyota und Hyundai haben die ersten Fahrzeuge auch auf dem europäischen Markt, Hyundai auch mit einer großen Lkw-Flotte in der Schweiz. Auch Daimler und VW hatten marktreife BZ-Pkw in Kalifornien im Einsatz und Daimler hat 2011 mit der Weltumrundung von drei H2/BZ-Fahrzeugen der B-Klasse die Marktreife demonstriert.
Zurzeit sind die Batterie-Fahrzeuge natürlich weit voraus. Das liegt nach Aussage der Herstellerfirmen daran, dass die strengen Klimaziele wesentlich schneller mit Batterie-Fahrzeugen zu erreichen sind, weil die Fertigungstiefen und damit auch der Personalaufwand deutlich niedriger ist. Hinzu kommt, dass die Batterieentwicklung bezüglich. Betankungsdauer, Zyklisierungsstabilität und Reichweite deutliche Fortschritte gemacht hat.
Bei Lkw, großen Arbeitsfahrzeugen (z. B. Müllsammler) und Bussen werden allerdings die Batterien so schwer oder die Ladezeiten so lang, dass H2/BZ-Antriebe deutliche Vorteile haben. Daher fokussieren die meisten deutschen Hersteller ihre Entwicklungen darauf. Es ist zu hoffen, dass diese Entwicklungen so schnell in den Markt kommen, dass wir unsere Klimaziele noch erreichen.

Wasserstoff in den Wärmemärkten (Gasheizung) wird sehr zurückhaltend betrachtet oder sogar gar von mancher politischer Seite als nicht zielführend beschrieben. Wo sehen Sie da das Potential? Firmen wie Viessmann hatten hierbei große Pläne, Gasheizungen H2-ready zu machen. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein – auch in Konkurrenz zur strombasierten Wärmepumpe?
Zunächst einmal müssen wir beim „Wärmemarkt“ unterscheiden zwischen der Hochtemperatur-Wärme für industrielle Prozesse (z. B. für die Glasindustrie) und der Gebäudeheizung. Bei der Hochtemperatur-Wärme sehe ich nur den grünen Wasserstoff als CO2-freie Wärmequelle.
Zur Gebäudeheizung sind in Japan schon einige zig-tausend Brennstoffzellen-Heizgeräte im Markt, die gleichzeitig Strom und Wärme produzieren. Dabei entspricht das Verhältnis der Strom- und Wärmemenge etwa dem Bedarf eines typischen japanischen Haushalts. In Deutschland sind die Wohnungen deutlich größer und damit auch der Wärmebedarf. Folglich müsste bei einem BZ-Heizgerät noch ein zusätzlicher Brenner für den Spitzen-Wärmebedarf eingebaut werden. Das ist sicherlich sub-optimal, da der Exergieinhalt des Wasserstoffs zu schade ist, um diesen nur thermisch zu nutzen. Darüber hinaus sind kleine Anlagen (z. B. für Einfamilienhäuser) relativ teuer. Große Anlagen (Quartierlösungen) sind deutlich rentabler – im Wesentlichen aufgrund von Skalierungs-effekten.
Ob eine Wärmepumpe oder ein BZ-Heizgerät vorzuziehen ist, hängt vom Einzelfall ab und sollte genau geprüft werden, auch im Hinblick auf die Versorgungssicherheit bei der Stromversorgung und die Bedeutung des Wasserstoffs als Energiespeicher.

Wenn Sie der Politik in Deutschland – der Ampel-Regierung, aber auch der nächsten Regierung – Empfehlungen geben würden, was die Energiewende, die Elektromobilität und auch die Wärmemärkte bezogen auf Wasserstoff angeht: Wie würden diese aussehen? Welche Maßnahmen müssten Ihrer Meinung nach getroffen werden? Wie ließe sich der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft beschleunigen? Ist der amerikanische IRA da Vorbild?
Das sind sehr viele Fragen auf einmal. Zur Strukturierung der Antworten möchte ich von der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Versorgungssicherheit ausgehen. Diese wird durch den Wasserstoff und seine Speicherfähigkeit großer Energiemengen (durch Moleküle) gewährleistet. Die erneuerbaren Primärenergien kommen vorrangig durch Elektronen in die Anwendung, und deren direkte Nutzung ermöglicht die besten Wirkungsgrade. Beides wird für eine nationale Energiestrategie gebraucht.
Hinzu kommt, dass für den notwendigen Import erneuerbarer Primärenergie Wasserstoff als Energieträger benötigt wird, insbesondere bei Importen aus Übersee. Wir sind in Deutschland in der glücklichen Situation, dass wir für die „Träger“ der Effizienz (Elektronen) und der Speicherfähigkeit (Moleküle) verfügbare Netze haben. Dabei sind elektrischen Netze noch auszubauen, die Erdgasnetze und Erdgasspeicher – soweit wie möglich auf Wasserstoff umzurüsten und gegebenenfalls neue H2-Speicher noch auszusolen.
Auf dieser Basis sollte eine nationale Energiestrategie der Regierung aufbauen, die die gesamte Wertschöpfungskette umfasst – von der Versorgungssicherheit der Rohstoffe bis hin zum Recycling aller eingesetzten Materialien. Bei der Mehrheit der Politiker, mit denen ich Kontakt hatte, war ich erfreut über den Sachverstand. Nur manchmal haben partei-ideologische Vorbehalte gegenüber dem Wasserstoff die Kommunikation erschwert. Insgesamt ist Deutschland und auch große Teile Europas auf einem guten Weg – nicht zuletzt auch durch die engagierte Arbeit des Nationalen Wasserstoff-Rates (NWR).
Es fehlen zurzeit noch Regelwerke für die Umsetzung der nationalen Wasserstoff-Strategien, so dass die Firmen noch keine ausreichende Planungssicherheit haben oder an kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Gewinn festhalten. Es ist zu hoffen, dass mit der Erstellung eines Rechtsrahmens für die Einführung des Wasserstoffs auch die Geschwindigkeit der Umsetzung zunimmt.
Aber: Die ersten Abschnitte des „European Hydrogen Backbone“ werden gebaut, und die Phantasien der all-elektrischen Welt mit der Forderung des Rückbaus der Gasnetze sind Geschichte.
Eine Förderung nach dem amerikanischen IRA-Vorbild halte ich bezüglich der Geldmenge in Deutschland für nicht realisierbar. Aber um zu verhindern, dass erfolgversprechende deutsche Entwicklungen wegen der IRA-Förderungen in die USA verlagert werden, wäre in Deutschland eine Fokussierung auf wirklich wichtige Projekte empfehlenswert. Die „ergebnisoffene“ Förderung war nicht immer zielführend.
Wenn nach einem ausländischen Vorbild für unsere Aktivitäten gesucht wird, fällt mir zuerst Japan ein, wo ein Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) nach anfänglichen umfassenden Voruntersuchungen eine Vorauswahl der zielführenden Optionen erstellt und darauf die weiteren Arbeiten konzentriert und massiv fördert.

Haben Sie Anmerkungen zum Themenkomplex, die unsere Leser interessieren sollten/dürften? Eine Vision? Ein Zukunftsszenario?
Ich habe als Vision oder Zukunftsszenario eigentlich nur das, was vermutlich jede(r) von uns hat: Dass wir es wirklich schaffen, den Klimawandel zu stoppen, damit unsere Erde auch für die kommenden Generationen bewohnbar bleibt.
Vielen Dank!

Interviewer: Sven Jösting

preloader