Aufbau einer metrologischen Infrastruktur

Aufbau einer metrologischen Infrastruktur

Durchflussmessung von Hochdruckgas- und Flüssigwasserstoff

Im Bereich der Durchflussmesstechnik ist der Einsatz von Wasserstoff, insbesondere von regenerativ erzeugtem Wasserstoff, als Prozessgas und Energieträger in vielen Anwendungen in den Fokus gerückt. Aufgrund der Notwendigkeit, Speicherkapazitäten effizient zu nutzen, muss Wasserstoff unter hohem Druck oder in flüssiger Form gespeichert werden. Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht bei der messtechnisch abgesicherten Mengenmessung für den Nieder- bis Hochdruckbereich von gasförmigem und verflüssigtem Wasserstoff. Darüber hinaus müssen entsprechende Rückführungsketten auf das SI-System für den weiten Bereich von Betriebsbedingungen aufgebaut werden, um valide Aussagen über die Messgenauigkeit und Stabilität der eingesetzten Durchflussmessgeräte treffen zu können. Das EMPIR-Projekt 20IND11 MetHyInfra adressiert diese Herausforderungen durch die Bereitstellung verlässlicher Daten, messtechnischer Infrastruktur, validierter Verfahren und normativer Beiträge.

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Kritische Venturidüsen (Critical Flow Venturi Nozzles, CFVNs) sind heute weit verbreitet und stellen eine standardisierte und anerkannte Methode zur Durchflussmessung dar. Die wichtigsten Details bezüglich Form und Messmodell sind in der Norm ISO 9300 festgelegt. CFVNs werden im eichpflichtigen Verkehr eingesetzt und gelten als zuverlässige Normale mit hoher Langzeitstabilität. Die kostengünstigen und wartungsarmen CFVNs liefern bei gut definierter Geometrie stabile, reproduzierbare Messergebnisse und sind nur vom verwendeten Gas abhängig. Die Norm ISO 9300 beschreibt zwei Düsenformen, die zylindrische und die toroidale Form. In der Realität weichen die nach dieser Norm gefertigten Düsenkonturen jedoch von diesen Idealformen ab. In den meisten Fällen liegen die realen Formen zwischen den beiden Idealformen.

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Die erreichbare Messunsicherheit wird auch durch die Qualität der Modelle der thermophysikalischen Eigenschaften der zu messenden Gase begrenzt. Die aktuelle Referenzgleichung (Equation of State, EoS) für normalen Wasserstoff (n-H2) wurde von Leachman et al. entwickelt [1]. Da für n-H2 nur begrenzte thermodynamische Messdaten mit vergleichsweise hohen Messunsicherheiten vorliegen, sind die Unsicherheiten für die verschiedenen Eigenschaften im Allgemeinen um eine Größenordnung höher als bei anderen Gasen.

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Daher wurden in diesem Projekt neue Schallgeschwindigkeitsmessungen (speed of sound, SoS) bei Temperaturen von 273 bis 323 K und Drücken bis 100 MPa durchgeführt. Die gewonnenen Daten wurden anschließend zur Entwicklung einer neuen, für Gasphasenberechnungen optimierten EoS für n-H2 verwendet [2]. Durch die Messungen konnten die Unsicherheiten der aus der EoS berechneten SoS im untersuchten Temperatur- und Druckbereich deutlich reduziert werden.

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Im Projekt wurden umfangreiche Computational-Fluid-Dynamics-Simulationen (CFD-Simulationen) durchgeführt, um weitere Erkenntnisse über die Strömungsphysik in der Düse zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurde in OpenFOAM ein numerisches Modell für Hochdruck-Wasserstoffströmungen in CFVN entwickelt, das verschiedene relevante Gaseffekte, wie zum Beispiel Kompressibilitätseffekte, Grenzschichteffekte, Übergangseffekte, berücksichtigt. Die erzielten Ergebnisse stimmen wesentlich besser mit den experimentellen Daten überein als bisher verfügbare Implementierungen.

Um das Strömungsverhalten nicht idealer Düsenkonturen bewerten und vergleichen zu können, wurden zusätzlich CFD-Simulationen für die in diesem Projekt experimentell untersuchten idealen Düsen sowie für parametrisierte Düsen durchgeführt. Der Durchflusskoeffizient dieser nicht idealen Düsen kann mit Hilfe der vorgeschlagenen Düsenformcharakterisierung sehr gut vorhergesagt werden. Die im Projekt entwickelten Implementierungen sind frei verfügbar [3].

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Abb. 2: Mobiles HRS-Durchflussnormal

Da derzeit keine Prüfeinrichtung mit rückführbaren Standards zur Verfügung steht, mit der CFVNs direkt mit Hochdruckwasserstoff kalibriert werden können, musste eine alternative Methode entwickelt werden. Das gewählte Vorgehen ist, ein Coriolis Flow Meter (CFM) unter Hochdruckbedingungen (Bereich 10 MPa bis 90 MPa) mit einem gravimetrischen Primärnormal rückführbar zu kalibrieren, um es später als Referenzmessgerät für die Düsenkalibrierung verwenden zu können.

Für die Kalibrierung des Referenzmessgeräts wurde die H2-Versuchstankstelle (Hydrogen Refueling Station, HRS) des Zentrums für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) in Duisburg ausgewählt. Für die Messungen wurde ein Rheonik RHM04 CFM als Referenzmessgerät in der „warmen Zone“ der HRS installiert, das heißt vor dem Wärmetauscher und dem Druckregelventil. In diesem Bereich ist die Temperatur stets nahe der Umgebungstemperatur und der Druck konstant hoch, typischerweise um 90 MPa. Für die Kalibrierung wurde ein mobiles HRS-Durchflussnormal verwendet, das direkt an die HRS angeschlossen wurde und somit den Platz eines Fahrzeugs einnahm.

Im letzten Schritt sollen die Ergebnisse der CFVN-Messkampagne mit denen der CFD-Simulationen verglichen werden. Dabei werden die neu entwickelten EoS sowohl in der Messkampagne als auch in den CFD-Simulationen eingesetzt, um beide Ergebnisse bestmöglich vergleichen zu können.

Messverfahren für flüssigen Wasserstoff

Neben gasförmigem Wasserstoff liegt ein Schwerpunkt des Projekts auf verflüssigtem Wasserstoff (LH2). Es gibt gegenwärtig noch keine Primär- oder Transfernormale für die Messung von LH2. Die mit der Verwendung eines Durchflusssensors für die Durchflussmessung von LH2 verbundene Unsicherheit ist unbekannt und nicht quantifiziert, da es keine direkte Rückführbarkeit auf Kalibrierungen mit LH2 als Kalibrierflüssigkeit gibt. Das Fehlen von Kalibriereinrichtungen bedeutet, dass Zähler, die mit LH2 verwendet werden, mit alternativen Flüssigkeiten wie Wasser, verflüssigtem Stickstoff (liquid nitrogen, LN2) oder Flüssigerdgas (liquefied natural gas, LNG) kalibriert werden müssen.

Im Rahmen des Projekts wurden daher drei Ansätze entwickelt, die auf völlig unabhängigen Rückführungsketten für die Messung von LH2-Durchflüssen basieren. Die ersten beiden Ansätze sind auf Durchflüsse beim Be- und Entladen von LH2-Tankwagen anwendbar (Durchflüsse bis zu 3.000 kg/h für einen Messquerschnitt DN25 bei Drücken bis etwa 1 MPa), der dritte auf kleinere Durchflüsse (4 kg/h für einen Messquerschnitt DN3 bei Drücken bis etwa 0,2 MPa).

Der erste Ansatz basiert auf der Bewertung der Übertragbarkeit von Wasser- und LNG-Kalibrierungen auf LH2-Bedingungen. Die Studie identifiziert und analysiert potenzielle Unsicherheitsbeiträge für kryogene CFMs. Die experimentelle und theoretische Analyse soll als Grundlage für Richtlinien für die Konstruktion und Auswahl von CFMs dienen, die für SI-rückführbare LH2-Durchflussmessungen geeignet sind. CFMs sind eine anerkannte Technologie für die direkte Messung des Massendurchflusses und der Dichte von Flüssigkeiten und werden typischerweise im kryogenen eichpflichtigen Verkehr für Transportkraftstoffanwendungen eingesetzt.

Die Literaturrecherche identifizierte mehrere Temperaturkorrekturmodelle, die auf LH2-Durchflüsse anwendbar sind, das heißt, wie die LH2-Durchflussmessung aufgrund von Temperatureffekten, die die CFM-Messung beeinflussen, korrigiert werden sollte. Numerische Finite-Elemente-Methoden (FEM) für U-förmige, bogenförmige und gerade Rohrkonstruktionen wurden verwendet, um die Temperaturempfindlichkeit von CFMs für die Messung von LH2-Durchflüssen vorherzusagen [4]. Schließlich können mit Hilfe der FEM auch Abschätzungen der erreichbaren Messunsicherheit unter Verwendung des aktuellen Stands der Technik für die LH2-Durchflussmessung durchgeführt werden.

Der zweite Ansatz basiert auf der kryogenen Laser Doppler Velocimetry (LDV) und wird als “Référence en Débitmétrie Cryogénique Laser“ (RDCL) bezeichnet. Die Rückführbarkeit wird durch Geschwindigkeitsmessungen gewährleistet, und es kann entweder als Primärnormal oder als Sekundärnormal für Durchflussmessungen von flüssigem Wasserstoff verwendet werden. Seine In-situ-Kalibrierunsicherheit in kryogenen Strömungen (d. h. Flüssigstickstoff, Flüssigerdgas) wurde auf 0,6 % (k = 2) geschätzt [5]. Da das RDCL in jeder Flüssiggasanlage installiert werden kann, hat es den Vorteil, dass eine repräsentative Kalibrierung unter Prozessbedingungen direkt in der Anlage durchgeführt werden kann.


Abb. 3: LDV-Standard für rückführbare kryogene Durchflussmessung

Der dritte Ansatz wird als Verdampfungsmethode bezeichnet. Die Rückführbarkeit auf SI-Einheiten wird in der Gasphase durch kalibrierte Laminar-Flow-Elemente (LFE) gewährleistet, nachdem das verflüssigte Gas verdampft wurde. Die LFE sind auf die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) rückführbar. Wie beim ersten Ansatz muss die Übertragbarkeit alternativer Flüssigkeitskalibrierungen mit Wasser, LN2 und verflüssigtem Helium (LHe) bewertet werden, da die Kalibrierbank aus Sicherheitsgründen nicht für die direkte Verwendung von LH2 geeignet ist. Der kleinere Durchflussbereich und die Tatsache, dass nichtexplosive Gase verwendet werden, sind operationelle Vorteile der Verdampfungsmethode. Ein weiterer Vorteil ist die Verwendung von LHe (Siedepunkt bei etwa 4 K), so dass die Unsicherheit der alternativen Flüssigkeitskalibrierung auf Interpolation und nicht auf Extrapolation beruht.

Ein wichtiger Aspekt, der bei der Verdampfungsmethode berücksichtigt werden muss, ist die Umwandlung von Para-Wasserstoff in normalen Wasserstoff, die von Günz ausführlich untersucht wurde [6]. Bei tiefen Temperaturen liegt fast ausschließlich Para-Wasserstoff vor, bei Raumtemperatur ändert sich das Verhältnis auf 25 % Para- und 75 % Ortho-Wasserstoff (n-Wasserstoff). Para- und Ortho-Wasserstoff unterscheiden sich deutlich in bestimmten physikalischen Eigenschaften wie Wärmeleitfähigkeit, Wärmekapazität oder SoS. Diese können die Gasdurchflussmessung je nach Messprinzip des Durchflusssensors stark beeinflussen. LFEs, die zur Messung des Gasdurchflusses bei Umgebungsbedingungen eingesetzt werden, sind davon nicht betroffen, da Dichte und Viskosität, insbesondere im hier interessierenden Temperaturbereich, vernachlässigbare Unterschiede aufweisen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Projektergebnisse das Vertrauen der Endnutzer und Verbraucher stärken werden. Die vorgestellten Methoden gewährleisten verlässliche Daten von Messungen, was für die Erhöhung des Wasserstoffanteils am Gesamtenergieverbrauch wichtig ist.

This project (20IND11 MetHyInfra) has received funding from the EMPIR programme co-financed by the Participating States and from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme.

Literatur

[1] Leachman, J. W.; Jacobsen, R. T.; Penoncello, S. G.; Lemmon, E. W.: Fundamental Equations of State for Parahydrogen, Normal Hydrogen, and Orthohydrogen, J. Phys. Chem. Ref. Data 38(3): 721-748 (2009) https://doi.org/10.1063/1.3160306

[2] Nguyen T-T-G, Wedler C, Pohl S, Penn D, Span R, Trusler JPM, Thol M. Experimental Speed-of-Sound Data and a Fundamental Equation of State for Normal Hydrogen Optimized for Flow Measurements. Unter Begutachtung in International Journal of Hydrogen Energy, 2024.

[3] Weiss, S. (2023). Dataset of publication „Derivation and validation of a reference data-based real gas model for hydrogen“ (V1.0) [Data set]. https://doi.org/10.5281/zenodo.10074998

[4] M.D. Schakel, F. Gugole, D. Standiford, J. Kutin, G. Bobovnik, N. Mole, R. Maury, D. Schumann, R. Kramer, C. Guenz, H.-B. Böckler, O. Büker, „Establish traceability for liquefied hydrogen flow measurements”, FLOMEKO, Chongqing, 2022

[5] Maury, R., Strzelecki, A., Auclercq, C., Lehot, Y., Loubat, S., Chevalier, J., Ben Rayana, F., Olsen, Å. A. F., Chupin, G., “Cryogenic flow rate measurement with a laser Doppler velocimetry standard,” Measurement Science and Technology, vol. 29, no. 3, p. 034009, 2018 https://doi.org/10.1088/1361-6501/aa9dd1

[6] C. Günz, “Good practice guide to ensure complete conversion from para to normal hydrogen of vaporized liquified hydrogen”, https://doi.org/10.7795/110.20221115

Autoren: Oliver Büker, RISE Research Institutes of Sweden, Borås, Sweden, Benjamin Böckler, Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), Braunschweig

FRHY-Stack, der Erste seiner Art!

FRHY-Stack, der Erste seiner Art!

Technologieplattform für hochratenfähige Elektrolyseurproduktion

Das Verbundprojekt FRHY im Wasserstoff-Leitprojekt H2Giga zielt auf die Hochskalierung der Elektrolyseurproduktion ab. Damit die Entwicklung der erforderlichen Technologielösungen gelingt, wurde der FRHY-Stack als Referenz geschaffen: ein Elektrolyseur mit hohem Wirkungsgrad und dem Potenzial für eine industrielle Massenfertigung, der zudem den Wissens- und Technologietransfer unterstützt.

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Die insgesamt zehn Zellen des FRHY-Stacks bestehen jeweils aus zwei umgeformten und gefügten Blechplatten, den sogenannten Bipolarplatten (BPP). Diese beiden Halbplatten werden auf einer am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) neu entwickelten Anlage zunächst mit hoher Geschwindigkeit prägend gewalzt. Anschließend werden sie in einem hinsichtlich der Prozessgeschwindigkeit angepassten Fügeverfahren miteinander verschweißt.

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FRHY – der Referenzstack
Eine weitere wesentliche Komponente ist die Protonen-Austausch-Membran (MEA). Diese wird in einem neuartigen lnkjet-Druckverfahren (Fraunhofer ENAS) hergestellt. BPP und MEA sind in einen stabilen Folienrahmen, das Subgasket, eingebettet und werden durch verschiedene Dichtungen und die porösen PTL/GDL-Matten (engl. Porous Transport Layer bzw. Gas Diffusion Layer) ergänzt. Somit entsteht ein auf industrielle Massenfertigung ausgelegtes Zelldesign.

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Die Zu- und Abführung der Medien Wasser beziehungsweise Wasserstoff am Stack – dem Stapel mehrerer Zellen – erfolgt durch Kanäle am Rand jeder Zelle. Die beiden vergoldeten Kontaktplatten am Stapelende versorgen den Stack mit Energie.

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Der FRHY-Referenz-Stack ist für verschiedene Nutzungsszenarien geeignet und verfügt über einen hohen Wirkungsgrad. Damit stellt die Referenzfabrik.H2 erstmals eine Basis zur Verfügung, die es einer Vielzahl von Branchen beziehungsweise Unternehmen ermöglicht, einzelne Komponenten technologisch und wirtschaftlich zu bewerten, ihr individuelles Geschäftsmodell zu entwickeln und sich in der Lieferkette zu platzieren.

       
Abb. 1: FRHY-Referenz-Stac                                                                             Parameter
Quelle: Referenzfabrik.H2

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In der ersten Entwicklungsphase entstand der Design-Baukasten. Dieser definiert wesentliche Parameter für die Auslegung der Zell- beziehungsweise Stack-Komponenten und stellt verschiedene Ausführungen gegenüber. Dabei konnten zunächst zwei sehr funktionale Designs herausgearbeitet werden, die für die Fertigung von Zellen in hohen Stückzahlen infrage kommen. Die Variante M ist die Basis für den FRHY-Stack; das fertigungstechnische Potenzial beruht auf metallischen BPP.

Zusätzlich wurde eine Variante K entwickelt. Diese zeichnet sich durch einen neu geschaffenen, intelligenten Kunststoffrahmen aus, der automatisiert in großen Stückzahlen gefertigt werden kann. Auf der Grundlage dieser Designs stellten die Ingenieure Komponenten her und führen diese im FRHY-Stack zusammen.

Für die Entwicklung der nächsten, hochratenfähigen Generation von Elektrolyseuren steht somit ein wertvoller Bezugsrahmen zur Verfügung. Gerade Elektrolyseure im (preissensiblen) kW-Bereich sind ohne hochratenfähige Produktionsprozesse kaum markttauglich. Sind die Verkaufspreise hingegen attraktiv, entsteht allein durch den Energiespeicherbedarf in Windparks oder Wohnhäusern ein riesiger Markt. Auch für Anwendungsszenarien im Megawatt-Bereich wäre der Stack einsetzbar. Durch die Kopplung von Stacks ließen sich Anlagen für die Produktion großer Mengen an Wasserstoff realisieren, um beispielsweise das verarbeitende Gewerbe und die Grundstoff-Industrie zu versorgen.

Stoßrichtung des Verbundvorhabens FRHY
FRHY verfolgt einen technologieoffenen Ansatz zur Entwicklung neuer Module für eine hochskalierbare Elektrolyseurproduktion und deren digitale Zwillinge. Das Ziel ist, einen Baukasten der wesentlichen Produktionsschritte zu deren technologischer und wirtschaftlicher Bewertung zu schaffen und damit die Industrie bei der Auswahl der Fertigungsverfahren unter Berücksichtigung wichtiger Parameter, wie insbesondere Skalierbarkeit, Qualität und Kosten, zu unterstützen. So lassen sich Produktionsvarianten berechnen und mögliche Fertigungsstrategien, etwa hinsichtlich Automatisierung oder einer integrativen kontinuierlichen Prozessführung, analysieren. Damit können nicht nur Investitionskosten beziffert, sondern auch Return-on-Investment-Aussagen im Verhältnis zur geplanten Produktionsmenge abgeleitet werden.

Die FRHY-Methodik gestattet auch eine Vernetzung von Produktionslinien zu einem gesamten Wertschöpfungssystem. Dadurch wird Transparenz geschaffen und der Aufbau von Lieferketten unterstützt. Zudem erleichtert sie die Fabrikplanung und Entscheidungen über eine effektive Fertigungstiefe.

Produktions- und Prüfverfahren für Elektrolyseure verleiht der FRHY-Ansatz typübergreifend einen enormen Schub und sorgt für einen hohen Technologie-Reifegrad. Ein wesentlicher Schwerpunkt dabei ist, den Nachweis robuster und skalierbarer Prozesse zu erbringen. Davon wird auch die Qualität und Lebensdauer des Produkts profitieren: Stabile Prozesse sorgen zudem für eine wirtschaftliche Massenproduktion hochwertiger Elektrolyseure und sind die Grundlage kontinuierlicher Weiterentwicklung sowohl der Produktion als auch des Produkts.

H2Giga und FRHY
Mit dem Wasserstoff-Leitprojekt H2Giga unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Deutschlands Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. In vier Jahren Laufzeit (bis März 2025) soll es vorhandene Hürden auf dem Weg zur serienmäßigen Herstellung großskaliger Wasserelektrolyseure überwinden. FRHY vereint die Fraunhofer-Institute IWU, ENAS, IPT, IPA, IMWS und IWES. Der dezentrale Aufbau ermöglicht es, regionale Partner und Netzwerke in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Mitteldeutschland einzubinden.

Potenziale
FRHY verknüpft physische und virtuelle Lösungen und sorgt so für einen enormen Innovationsimpact in der Elektrolyseurproduktion. Aus diesem Leitziel des Verbundvorhabens ergeben sich ehrgeizige Vorhaben, die den Weg in die Massenproduktion von Elektrolyseuren ebnen werden.

Die Entwicklung neuartiger, konfigurierbarer Produktions- und Prüfmodule für die Schlüsselprozessschritte der Stack-Herstellung wird die Fertigungskosten um mindestens 50 Prozent senken und die Produktqualität um 20 Prozent verbessern, bei einer erheblich verlängerten Lebensdauer der Elektrolyseur-Gesamtsysteme.

Die dabei zu lösenden Forschungsfragen umfassen vorrangig die Erweiterung der technologischen Grenzen der Elektrolyseurproduktion. Parallel dazu sind wissenschaftliche Impulse zur produktionsoptimierten „Next Generation“ der Elektrolyseure zu erwarten. FRHY, das Verbundprojekt in H2Giga, und insbesondere der FRHY-Stack haben dafür eine wesentliche Grundlage geschaffen.

Digital abgebildete Produktions- und Prüfmodule werden in einen Technologiebaukasten für die Stack-Produktion integriert. Dieser fasst die Resultate aus den physischen und digitalen Analysen zusammen. Dadurch lassen sich erstmals von der Industrie dringend benötigte quantifizierbare Aussagen zur Ausbringungsmenge, zu Kosten und zum Funktionsbereich in Abhängigkeit vom Fertigungsverfahren ableiten.

Chancen
Mit dem FRHY-Referenzstack wurde erstmals eine Lösung geschaffen, die die Basis für eine industrielle Massenfertigung von Elektrolyseurkomponenten darstellt. Nicht nur die konsequente Umsetzung von kontinuierlichen Rolle-zu-Rolle-Fertigungstechnologien führt zur Erhöhung der Produktionsmengen. Auch neue Verfahren, die bewusst auf den sparsamen Einsatz kritischer Materialien (z. B. Platin, Iridium, Titan) setzen, und In-situ-Prüftechnologien resultieren in einer substanziellen Senkung der Produktionskosten.

Entstanden sind eine echte Referenz und ein technologischer „Rohdiamant“, die für eine industrielle Umsetzung durch Unternehmen zur Verfügung stehen. Damit ist ein wichtiger Grundstein für die künftige Verfügbarkeit von Wasserstoffsystemen zu bezahlbaren Preisen gelegt – und letztlich für einen H2-Endpreis auf wirtschaftlich vertretbarem Niveau.


Abb. 2: Walzprägen von Bipolarplatten: Die Struktur der Bipolarplatte wird durch ein Walzenpaar geprägt. Hauptvorteil dieses Verfahrens ist die hohe Prozessgeschwindigkeit, die zu einer substanziellen Steigerung der Stückzahlausbringung, Skaleneffekten und schließlich zu einer deutlichen Reduktion der Kosten führt.

Die Referenzfabrik.H2
Die Gesamtkoordination für das Verbundprojekt FRHY liegt bei der Referenzfabrik.H2 des Fraunhofer IWU. Die Referenzfabrik.H2 hat sich das Ziel gesetzt, Schrittmacher für die industrielle Massenproduktion von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen zu sein. Industrie und Wissenschaft verstehen sich dabei als Wertschöpfungsgemeinschaft, die gemeinsam am zügigen Hochlauf einer effizienten, stückzahlskalierbaren Produktion von Wasserstoffsystemen arbeitet.

Die Referenzfabrik.H2 basiert auf den Forschungs- und Entwicklungsprojekten des Fraunhofer IWU. Daraus entstandene Lösungen bieten die fertigungstechnische Grundstruktur. Hier bringen die Industrieunternehmen ihre Kernkompetenzen ein und entwickeln diese gemeinsam mit den beteiligten Fraunhofer-Instituten sowie anderen Industrieunternehmen weiter. Nur mit diesem engen Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Industrie kann es gelingen, schneller leistungsstarke, kostengünstigere Systeme für den Masseneinsatz zu produzieren.

Autorin: Dr. Ulrike Beyer, Referenzfabrik.H2 am Fraunhofer IWU

 

HySupply – Deutsch-australische Wasserstoffbrücke

HySupply – Deutsch-australische Wasserstoffbrücke

acatech und BDI zeigen, was machbar ist

Das Energiesystem zu defossilisieren ist ein wichtiges Ziel der Energiewende – grünen Wasserstoff zu importieren eine mögliche Option dafür. Das Kooperationsprojekt HySupply von acatech und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hat deshalb die Machbarkeit einer deutsch-australischen Wasserstoffbrücke geprüft. Das Ergebnis: Herstellung und Transport von Wasserstoff und Wasserstoff-Derivaten von Australien nach Deutschland sind technisch, ökonomisch und rechtlich möglich. Eine entscheidende Frage dabei: Wie könnten die Importe im Inland ökonomisch und technisch sinnvoll verteilt werden?

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Energieimporte sind für die deutsche Energieversorgung eine feste Größe. Konzentrierten sie sich bisher größtenteils auf Energieträger fossilen Ursprungs wie Erdgas und Erdöl, könnten sie schon bald um einen alternativen Energieträger erweitert werden: grünen Wasserstoff. Nach dem in der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie enthaltenen Zielbild wird der Gesamtwasserstoffbedarf in Deutschland 2030 zwischen 95 und 130 TWh liegen und nur über Importe zu decken sein. Innerhalb der nächsten zehn Jahre könnte also australischer Wasserstoff eine Rolle im deutschen Energiesystem spielen. Aber warum kommt ausgerechnet das 14.000 Kilometer entfernt gelegene Australien dafür in Betracht?

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Energieversorgung stabil und resilient gestalten
Alle Voraussetzungen sprechen dafür: Erneuerbare Energien zur Herstellung von grünem Wasserstoff sind in Australien reichlich vorhanden. Zudem sind hinsichtlich einer zukunftssicheren und verlässlichen Versorgung die Bedingungen ideal: „Eine australisch-deutsche Wasserstoffbrücke verspricht eine stabile und für beide Seiten vorteilhafte Handelsbeziehung zwischen zwei demokratischen Staaten“, erklärt acatech-Präsident Jan Wörner die Voraussetzungen. „Wir haben jetzt die Gelegenheit, den Zukunftsmarkt Wasserstoff mitzugestalten und unseren Innovationsstandort damit resilienter gegen Abhängigkeiten zu machen. Dafür brauchen wir einen entschlossenen, gemeinsamen Aufbau von Infrastrukturen und Rahmenbedingungen.“

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Allerdings werde die Technologie zum Transport flüssigen Wasserstoffs voraussichtlich innerhalb der nächsten 20 Jahre nicht verfügbar sein, stellte Robert Schlögl kürzlich im Rahmen eines Interviews mit dem Deutschlandfunk fest. Er ist Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung und acatech-Mitglied. Als Co-Projektleiter hat er HySupply ab dessen Start im November 2020 begleitet. Diese und weitere Herausforderungen beim Transport flüssigen Wasserstoffs sind der Grund, weshalb sich die Machbarkeitsstudie HySupply mit den Importmöglichkeiten von H2-Derivaten beschäftigt, also Ammoniak, synthetischem Erdgas, Methanol, Fischer-Tropsch-Produkten und dem Trägermedium LOHC.

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HySupply untersuchte von Ende 2020 bis Januar 2024, unter welchen technischen, ökonomischen und rechtlichen Voraussetzungen eine deutsch-australische Wasserstoffbrücke machbar ist. Durchgeführt wurde die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Machbarkeitsstudie von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und dem Bundesverband der deutschen Industrie. Die University of New South Wales (UNSW) leitete das australische Konsortium. Gefördert wurde dieses vom Department of Foreign Affairs and Trade (DFAT). Zusammen haben beide Seiten ein einzigartiges Netzwerk aus Fachleuten aus Wissenschaft und Wirtschaft vereint, um die gesamte Wertschöpfungskette zu untersuchen.

Transport- und Versorgungsrouten

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Bereits in der Vergangenheit haben sich Studien mit verschiedenen Schwerpunkten von Wasserstoffimporten beschäftigt. Das Besondere an der vorliegenden, für HySupply von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG erstellten Studie: Erstmals befasst sich eine Publikation explizit mit der letzten Meile, die die Infrastruktur meist vor die größten Herausforderungen stellt – technischer wie wirtschaftlicher Natur. Robert Schlögl erklärt dazu: „Die vorgelegte Studie analysiert, bewertet und vergleicht erstmals flächendeckend und umfassend alle wesentlichen Wasserstoffderivate und Transportoptionen, vom Importhub bis hin zum Endverbraucher.“

Insgesamt sind es 543 Nachfragestandorte in Deutschland, die in diese Analyse eingeflossen sind. Sie wurden den verschiedenen Anwendungsfällen zugeordnet und hinsichtlich der Versorgungsmöglichkeiten mit Wasserstoff und dessen Derivaten untersucht. Anwendungsfälle – das sind die Herstellung von Ammoniak, Stahl, petrochemischen Basischemikalien und synthetischen Flugturbinenkraftstoffen. Außerdem zählen die Bereitstellung von Prozesswärme in der Metallerzeugung und -bearbeitung, die Herstellung von Glas und Keramik sowie die Papierindustrie dazu. Als Transportwege berücksichtigt die Studie Binnenschifffahrtsstraßen, Schienennetz, Wasserstoffkernnetz und Produktpipelines. So listet die Studie je Anwendungsfall die ökonomischen Vor- und Nachteile der jeweiligen Optionen auf.


Abb. 2: Gesamtdarstellung des analysierten Versorgungsnetzes und Verteilung der Nachfragestandorte
Quelle: Fraunhofer IEG

Flexibilität entscheidet über den H2-Hochlauf
Das H2-Kernnetz spielt eine wichtige Rolle in der Versorgung der Industrie. Die Studie weist darauf hin, dass alle identifizierten Standorte potenzieller Wasserstoffgroßnachfrager im Jahr 2035 durch das Wasserstoffkernnetz erreicht werden. Aber: Der Transport von Wasserstoff (-derivaten) per Binnenschiff oder Bahn stellt in vielen Fällen eine mögliche Alternative oder Ergänzung zur pipelinegebundenen Standortversorgung dar.

Rund elf Prozent der Standorte liegen bei einer Nachfrage von über 500 Gigawattstunden Wasserstoffäquivalent (GWhHeq). Größtenteils handelt es sich hier um Anwendungen wie die Herstellung von Basischemikalien und Stahl und den Einsatz von Ammoniak und synthetischen Flugturbinenkraftstoffen. 85 Prozent der untersuchten 543 Nachfragestandorte beanspruchen hingegen eine jährliche Nachfrage von weniger als 150 GWhHeq. Für diese Fälle ist die empfohlene Alternative zur pipelinebasierten Belieferung der Versorgungsanschluss per Binnenschiff oder Bahn.

Abschlussstudie fokussiert das Jahr 2035
Die Nationale Wasserstoffstrategie sieht vor, bis zum Jahr 2032 ein über 9.000 Kilometer langes Wasserstoffkernnetz zu installieren. Es soll die großen Wasserstoff-Einspeiser mit allen großen Verbrauchern verbinden. Die erste Phase des Markthochlaufs bis 2035 erfordert, auf die wichtigsten logistischen Fragestellungen Antwortoptionen anbieten zu können. Das gilt insbesondere für die Verteiloptionen des importierten Wasserstoffs und der Wasserstoffderivate, die für den Markthochlauf benötigt werden. Die im Rahmen des Projektabschlusses von HySupply vorgestellte Abschlussstudie mit dem Titel „Wasserstoff Verteiloptionen 2035“ fokussiert daher genau auf diesen entscheidenden Zeitraum bis 2035 und gibt einen zusätzlichen Ausblick auf die folgenden zehn Jahre bis 2045.


Abb. 3: Kostenoptimale Versorgungsketten
Quelle: Fraunhofer IEG

Inländische Transportkosten nur geringer Kostenanteil

Zwischen 3.400 und 16.000 Euro pro Tonne Wasserstoffäquivalent (EUR/tH₂eq): So weit reicht die in der Studie angegebene Spanne der festgestellten Bereitstellungskosten zwischen den unterschiedlichen Use Cases. Dabei machen die Importkosten mit einem Bereich von 41 bis 100 Prozent den Großteil aus, wohingegen die Kosten für die inländische Weiterverteilung mit durchschnittlich fünf Prozent Kostenanteil vergleichsweise gering ausfallen. In die ökonomische Bewertung flossen die Kosten für die Bereitstellung von Wasserstoff und seinen Derivaten ein. Zusätzlich wurden die spezifischen Transport- und Umwandlungskosten mit einbezogen.


Abb. 4: Kostenmodell zur Bewertung der Versorgungsketten
Quelle: Fraunhofer IEG

Karen Pittel, acatech-Präsidiumsmitglied und Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen, spricht sich für Flexibilität in den Verteiloptionen aus: „Diese alternativen Verteiloptionen spielen eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Standorte mit vergleichsweise geringem Bedarf. Sie bringen die nötige Flexibilität mit, um in der ersten Phase des Markthochlaufs schnell in die Umsetzung zu kommen. Um das gewährleisten zu können, sollten wir die Leistungsfähigkeit der alternativen Verteiloptionen sichern und ausbauen.“

Dennoch wird der konsequente Ausbau des Wasserstoffkernnetzes insbesondere für Standorte mit hoher Nachfrage eine zentrale Rolle spielen. Den parallelen Ausbau der verschiedenen Verteiloptionen sieht daher auch Robert Schlögl als essenziell notwendig an: „Die Fertigstellung des Wasserstoffkernnetzes muss energisch weiterverfolgt werden. Gleichzeitig müssen wir auch bei anderen Aufgaben, wie dem Ausbau des Bahnnetzes oder dem Aufbau von CO2-Infrastruktur, ins Umsetzen kommen.“


Abb. 5: Kategorien der modellierten Versorgungskettenausprägungen
Quelle: Fraunhofer IEG

Handlungsempfehlungen zu den Wasserstoff-Verteiloptionen 2035

  • Das Wasserstoffnetz muss weiter ausgebaut werden. Dabei gilt es Speichermöglichkeiten in der Planung zu berücksichtigen.
  • Das bestehende Bahnstreckennetz muss erweitert und um neue Strecken ergänzt werden.
  • Die Wasserstoffimportstrategie sollte zeitnah publiziert werden.
  • In der Markthochlaufphase gilt es, Wasserstoffderivate zunächst stofflich und erst später als Wasserstoffträger zu nutzen.
  • Produktpipelines sollten langfristig eingesetzt werden, um die Verteilung von Wasserstoffderivaten zu unterstützen.
  • Nachhaltigkeitskriterien beim Import kohlenstoffhaltiger Wasserstoffderivate sollten über den Aufbau internationaler Zertifizierungssysteme garantiert werden.
  • Wasserstoff- und CO2-Infrastrukturen müssen gemeinsam geplant und unter Berücksichtigung beidseitiger Wechselwirkungen aufgebaut werden.

Literatur: www.acatech.de, wasserstoff-kompass.de, www.energiesysteme-zukunft.de
Spillmann, T.; Nolden, C.; Ragwitz, M.; Pieton, N.; Sander, P.; Rublack, L. (2024): Wasserstoff-Verteiloptionen 2035. Versorgungsmöglichkeiten von Verbrauchsstandorten in Deutschland mit importiertem Wasserstoff. Cottbus: Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG

AutorInnen: Iryna Nesterenko, Philipp Stöcker
Beide von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften

Eine kniffelige Angelegenheit

Eine kniffelige Angelegenheit

Fliegen mit Brennstoffzellen und flüssigem Wasserstoff?

In der Forschung dienen Drohnen mit Brennstoffzellen (BZ) und flüssigem Wasserstoff als Modell für eine klimaschonendere Luftfahrt. Die unbemannten Fluggeräte zeigen jedoch auch, welche Hürden es noch zu überwinden gilt. Raketentechnik hilft dabei nicht.

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Auf der Elbinsel Hamburg-Finkenwerder empfängt den Besucher ein bizarrer Kontrast zwischen gestern und morgen: Nicht weit von einer beschaulichen Backstein-Siedlung aus den 1950er-Jahren liegt das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL), ein futuristischer Gebäudekomplex mit Hallen, Laboren und Büros. Rund 600 Menschen aus aller Welt arbeiten hier daran, die Zukunft der zivilen Luftfahrt umweltverträglicher und im besten Fall klimaneutral zu machen. Der silberfarbene „Turm“ am Eingang verkündet das Forschungsziel bereits mit der Aufschrift: „Hydrogen. Flying green tomorrow.“ Dabei handelt es sich um einen 20 Meter hohen Tank, gefüllt mit gasförmigem Wasserstoff mit einem Druck von 45 bar.

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Vom Empfang aus geht es durch lange Flure in den zweiten Stock, von wo aus sich der Blick in die sogenannte Akustikhalle öffnet. Im Prinzip ein Hangar, in dem es ein wenig nach Kunststoff riecht. An den Wänden verlaufen unzählige Rohre, zum Beispiel für Stickstoff, Wasserstoff oder Pressluft. Man hört das Summen und Surren von Aggregaten und Schaltanlagen sowie das Rauschen der Lüftung.

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Im Brennstoffzellenlabor des ZAL zeigt Sebastian Altmann auf ein spinnenartiges Objekt aus schwarzer Kohlefaser: „Das ist unsere LiquiDrone, sozusagen der größere Bruder des ZALbatros.“ Beide Namen stehen für H2-Drohnen mit sechs Rotoren, die hier entwickelt wurden. Was bei der LiquiDrone in etwa so aussieht, als hätte man ihr eine rote Taucherflasche auf den Rücken geschnallt, ist ein karbonfaserverstärkter Tank mit gasförmigem Wasserstoff, komprimiert auf 350 bar, der für erste Flugversuche dient. Später wird er durch einen Flüssigwasserstofftank ersetzt. Unter dem Tank befinden sich zwei Kammern mit Brennstoffzellen, die das Gas zusammen mit Luft in Strom umwandeln, und der treibt die Elektromotoren an den Rotoren an.

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Der „kleinere Bruder“ ZALbatros, der mit ausgeklappten Rotoren gut zwei Meter im Durchmesser misst, ist genau genommen eine Forschungsplattform, die als Basis für wissenschaftliche Projekte dient. Zwei Brennstoffzellensysteme mit einer Leistung von jeweils 800 Watt versorgen die Elektromotoren des Hexakopters mit Strom. „Das Startgewicht beträgt dank des Kohlefaserrumpfes nur etwas mehr als zwölf Kilogramm und er ist dennoch stabil“, erläutert Altmann. „Beim Flugtest erreichte der ZALbatros trotz teilweise böigen Windes eine Flugdauer von zwei Stunden und zehn Minuten. Batteriebetriebene Drohnen müssen oft schon nach einer guten halben Stunde wieder landen, um die Akkus zu laden oder zu wechseln.“

Flüssigwasserstoff für höhere Reichweiten

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Doch auch diese schon verlängerte Flugzeit ist nur der Anfang. Denn jetzt wird im aktuellen Forschungsprojekt LiquiDrone der gasförmige Wasserstoff durch seine flüssige Variante (liquefied hydrogen, LH2) ersetzt. „Aufgrund der höheren Energiedichte könnte so eine Drohne bis zu zwölf Stunden im Einsatz sein“, erklärt Ingenieur Altmann, der das Brennstoffzellenlabor im ZAL leitet. Dabei ist eine Umstellung auf flüssigen Wasserstoff alles andere als einfach. Die Speichertechnik für das verflüssigte Gas ist ebenso herausfordernd wie dessen Regasifizierung im Flugbetrieb, die Betankung mit LH2 und die Integration des Ganzen in ein Betriebssystem.

Lösungen dafür sollen im Rahmen des LiquiDrone-Forschungsprojektes gefunden werden, das vom Bundesverkehrsministerium mit knapp 900.000 Euro gefördert wird. An dem Projekt beteiligen sich außer dem ZAL auch die Universität Rostock sowie die Unternehmen RST Rostock-Systemtechnik und BaltiCo.

Für die künftig längere Flugzeit muss der Zustand einer Drohne aus der Ferne komplett erfasst und überwacht werden. Dazu sind Sensoren notwendig, die verschiedene Parameter erheben: Von der Leistungsaufnahme der Motoren über die Betriebstemperatur der Brennstoffzellen bis zur Signalstärke der Funkverbindung.


Abb. 2: H2-Experte Vijay Siva Prasad mit einer
H2-Drohne

Ein Tank für die Speicherung von flüssigem Wasserstoff wurde bereits konzipiert und gebaut. Ein Schwerpunkt im Projekt ist die schwierige Frage, wie sich bei möglichst leichtem und kompaktem Tank-Design Wärmebrücken minimieren lassen, die dazu führen würden, dass der flüssige Wasserstoff unkontrolliert verdampft und wieder gasförmig wird. Dieses Phänomen, auch „boil-off“ genannt, ist seit langem bekannt, nicht zuletzt aus der H2-Forschung der Automobilbranche.

Da die Brennstoffzelle gasförmigen Wasserstoff verwendet, wird der Treibstoff aus der Gasphase im Tankinneren entnommen. Durch geschickte Wärmezufuhr soll die Verdampfungsrate innerhalb des Energiespeichers an den Verbrauch angepasst werden. „Auf diese Weise lässt sich fast jedes Gramm Wasserstoff im Tank nutzen“, sagt Altmann. „Das steigert die Effizienz und verlängert die Flugzeit.“ Parallel dazu haben Forscher der Universität Rostock ein Sensorsystem entwickelt, mit dessen Hilfe der Füllstand des Flüssigwasserstoffs überwacht werden kann. Momentan ist die LiquiDrone oft zum Zweck von Tests im Einsatz, die als Vorbereitung für den Flug mit flüssigem Wasserstoff dienen. Der erste LH2-Flug soll im Frühjahr 2024 stattfinden.

Luftfahrtbranche steht vor großen Herausforderungen

Unbemannte Fluggeräte eignen sich gut, um die komplexen Herausforderungen meistern zu können, die Brennstoffzellen und Wasserstoff mit sich bringen. Batteriebetriebene Drohnen sind bereits jahrelang im Einsatz; nun sollen mit ihrer Hilfe Erkenntnisse gewonnen werden, die später skaliert und im besten Fall auf Passagiermaschinen übertragen werden können. Im Vordergrund des LiquiDrone-Projektes steht außer den genannten Fragestellungen zudem eine höhere Leistung, so Altmann, bei der zugleich die Wirtschaftlichkeit beachtet werden soll.

Die Luftfahrt weniger umwelt- und klimaschädlich zu machen, ist inzwischen nicht nur das Ziel der Forschung, sondern der Branche insgesamt. Rund 3,5 Prozent trägt der Flugverkehr nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) weltweit zur menschengemachten Klimaerwärmung bei. In dieser Bewertung sind alle Faktoren der Luftfahrt enthalten, das heißt, zu den CO2-Emissionen auch der Ausstoß von Stickoxiden „sowie die Wirkung von Kondensstreifen und Kondensstreifen-Zirren.“


Abb. 3: Sebastian Altmann, Leiter des BZ-Labors (Senior Expert Fuel Cell Lab), vor einem modularen Teststand für Brennstoffzellensysteme, der am ZAL entwickelt wurde

Klimaneutralität in der Luftfahrt zu erreichen ist allein aus technischen Gründen noch schwieriger als in anderen Bereichen. Der Vorstoß in die dritte Dimension sowie die physikalischen Bedingungen in der bisher üblichen Reiseflughöhe erfordern entweder ganz eigene Lösungen oder zumindest Anpassungen der herkömmlichen Technik.

Allein die BZ-Technologie, im landgebundenen Verkehr auf der Straße und der Schiene erfolgreich erprobt, ist im Luftverkehr nicht so einfach zu handhaben. „Anders als bei Anwendungen am Boden birgt der geringe Umgebungsdruck sowie die limitierte Wärmeabfuhr von luftfahrttechnischen Brennstoffzellensystemen besondere Herausforderungen“, erklärt Florian Becker. „Das Wassermanagement ist relativ komplex, jedoch von zentraler Bedeutung, um einen effizienten und langlebigen Betrieb zu ermöglichen.“ Wie man diese Herausforderungen durch innovative Ansätze und Betriebsstrategien bewältigen kann, untersucht er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des DLR, ebenfalls im Brennstoffzellen-Labor des ZAL.

Nicht nur Airbus arbeitet an H2

Um die Erkenntnisse aus dem Labor in der Praxis zu testen, ist der Weg buchstäblich kurz: Nur drei Kilometer entfernt liegt das Werk des Flugzeugherstellers Airbus, der sich ebenfalls am ZAL beteiligt. Der Branchenriese hat bekanntlich das Ziel verkündet, im Jahr 2035 eine Passagiermaschine auf den Markt zu bringen, die mithilfe eines Wasserstoffantriebs erheblich emissionsärmer als heutige Flugzeuge sein soll. Als drittgrößter Standort für die zivile Luftfahrt weltweit verfügt Hamburg über ein dicht geknüpftes Netz aus Hochschulen, Instituten und branchenspezifischen Firmen, die Forschung und Entwicklung mit Fokus auf Nachhaltigkeit betreiben. Dazu tragen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bei.

So hat beispielsweise der Ingenieur-Dienstleister Teccon, der allein im H2-Bereich 35 Mitarbeiter beschäftigt, das öffentlich geförderte Forschungsprojekt H2 Finity initiiert und die Mittel dafür eingeworben. Dabei geht es um die Entwicklung eines skalierbaren H2-Antriebsstrangs für leichte und mittlere Fluggeräte, die in einem Verbund aus KMU und unter Mitwirkung des ZAL umgesetzt wird.

„Anhand einer Drohne mit einer Spannweite von 3,5 Metern und 25 Kilogramm Startgewicht erproben wir den hybrid-elektrischen Antriebsstrang“, erklärt Jörg Manthey von Teccon, federführend für das Projekt zuständig. Der H2-Antriebsstrang werde optimiert und für höhere Leistungen weiterentwickelt. „Unser Ziel ist ein modular skalierbares Konzept, das von Tragflügel-Drohnen bis hin zu Kleinflugzeugen reicht, die dann einen umweltfreundlichen und leisen Antrieb besitzen sollen.“ Skalierbar bedeutet in diesem Fall, dass der gesamte Betrieb der Drohne schließlich auch mit 500 Kilogramm Startgewicht funktionieren soll.

Weil die Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren in der Luftfahrtbranche aus Sicherheitsgründen besonders aufwändig sind, denken die beteiligten Teams die notwendigen Verfahren gleich mit, betont Manthey, „damit die Technologie nach Projektende schnell eingesetzt werden kann“. Pionierleistungen wie der erste Flug mit flüssigem Wasserstoff einerseits und die mühselige LH2-Forschung an Drohnen andererseits sind kein Widerspruch, sondern gehören zusammen. Denn so wichtig solche Pilotflüge auch sind, geht damit nicht automatisch eine Lösung für eine industrietaugliche Serienproduktion einher.

Dass bemannte Flugkörper mit flüssigem Wasserstoff fliegen, kennt man seit Jahrzehnten aus der Raketenforschung. Allerdings sind Raketen bislang nicht wiederverwertbar, und wie schwierig der Weg dahin ist, kann die Öffentlichkeit ja an entsprechenden Experimenten von US-Raumfahrtunternehmen mitverfolgen. Der Umgang mit gasförmigem Wasserstoff ist erheblich einfacher als der mit flüssigem. „Abgesehen davon, dass LH2 erstmal hergestellt werden muss, braucht man dafür ein geeignetes Transportgefäß und ein Betankungssystem, das sich sicher bedienen lässt“, erklärt Manthey. „Das alles muss serientauglich sein und schließlich zertifiziert werden.“ Nur dann kann der Umgang mit dem klimaneutralen Treibstoff eines Tages so selbstverständlich werden wie heute mit Benzin oder Kerosin.


Abb. 4: Prinzipieller Aufbau eines Flüssigwasserstoffspeichers, wie er künftig in einer LiquiDrone getestet werden soll. Dieses Modell dient nur dazu, die Technik gegenüber Studenten oder Besuchern zu erklären.

Autorin: Monika Rößiger

Am Anfang war die Tankstelle

Am Anfang war die Tankstelle

Planungssicherheit schaffen durch den Aufbau von H2-Infrastruktur

Lange haben wir die Frage diskutiert, was beim Hochlauf einer Wasserstoffmobilität an erster Stelle steht. Doch dieses Henne-Ei-Problem gibt es eigentlich gar nicht: Die Tankstelle kommt immer zuerst! Warum das so ist, zeigt beispielhaft die erste Wasserstofftankstelle in Gießen.

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Im August 2023 wurde von der Firma Roth Holding & Co. KG die erste Wasserstofftankstelle im Landkreis Gießen unter dem Label „Clean Energy Station“ in Betrieb genommen. Vor der vorangegangen Planungs- und Genehmigungsphase hatte sich der Betreiber Frank Roth zwei wesentliche Fragen gestellt: Habe ich heute Kunden für die Wasserstofftankstelle? Und definieren die gesetzlichen Rahmenbedingungen klar, was grüner Wasserstoff ist?

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In beiden Fällen lautete die Antwort nein. Aber das Gefühl war: Der Kunde will grünen Wasserstoff, also fange ich an, eine entsprechende Tankstelle zu bauen. Schon während der Bauphase zeigte sich, dass die Kunden kommen und grünen Wasserstoff wollen. Wie hat das so gut geklappt?

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Die Anlage
Diese Anlage am Schiffenberger Weg ist für alle Fahrzeugtypen geeignet und bietet als Multi-Energie-Tankstelle Diesel, Benzin, Elektrizität und Wasserstoff an. Vor Ort wird grüner Wasserstoff aus eigenen, regionalen Windkraft- und Solaranlagen produziert. Die Erzeugung mittels Elektrolyse erfolgt mit einem 1,25-MWel-PEM-Elektrolyseur, der auf 2,5 MWel erweiterbar ist und in der Ausbaustufe bis zu 36 kgH2/h produzieren kann. Der H2-Speicher an der Tankstelle kann bis zu zwei Tonnen Wasserstoff speichern.

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Die Abgabe des Wasserstoffs erfolgt mit 350 bar an Busse sowie Lkw und mit 700 bar an Pkw. Um Schwankungen bei der Erzeugung oder Nachfrage abzufangen, kann auch externer Strom in den Elektrolyseur eingespeist werden. Außerdem lässt sich Wasserstoff per Lkw mittels Trailer anliefern. Darüber hinaus kann zu viel produzierter Wasserstoff, ebenfalls per Trailer, an weitere Tankstellen oder Kunden in der Umgebung abgegeben werden. Dadurch ist die Tankstelle sehr flexibel, kann ein großes Nachfragespektrum handhaben und bei Bedarf weitere Abnehmer mitversorgen.


Abb. 2: Die H2-Wertschöpfungskette – von der H2-Erzeugung aus Erneuerbaren bis zum Flottenbetrieb. In Orange sind die wesentlichen Bausteine hervorgehoben.

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Was ist wichtig?
H2-Tankstellen sind als Keimzelle für die Energiewende und die Sektorenkopplung unerlässlich. Sie verbinden den erneuerbaren Strom mit den Kunden der Mobilität. Dabei wird häufig über das Henne-Ei-Problem diskutiert. In der Praxis zeigt sich, dass das eine überholte Diskussion ist. Die Tankstelle muss zuerst da sein. Sie ist in der Lage, Kunden auf vielfältige Weise anzuziehen. Der wesentliche Punkt dabei ist, dass sie für alle Beteiligten Planungssicherheit schafft.

Bei der Station in Gießen lief das beispielsweise so ab, dass der Betreiber Roth und alle Projektbeteiligten vom Bau der Tankstelle in ihren Netzwerken erzählten. Diese haben sehr schnell Interesse am Wasserstoff bekundet. Zwei Beispiele sind die Initiativen H2-Lernwerkstatt im Landkreis Gießen (s. Kasten 1) und das HYWHEELS Hessenflotten-Cluster aus Fulda (s. Kasten 2). Das Ingenieurbüro Emcel hat die Planung und Genehmigung der Tankstelle mitbegleitet und die Vernetzung mit diesen beiden Initiativen gefördert, die ebenfalls von Emcel mitentwickelt wurden.

Fazit
Wasserstofftankstellen treiben die Mobilitätswende an. Als direkte Kunden profitieren Flottenkunden wie die H2-Lernwerkstatt und das HYWHEELS Hessenflotten-Cluster, weil sie sich nicht selbst um eine Wasserstoffversorgung kümmern müssen. Aber auch für die Anlieferung von Wasserstoff an die Tankstelle und die Speicherung von erneuerbarer Energie sind die Tankstellen willkommene Abnehmer. Der wesentlichste Faktor in dieser Phase des H2-Markthochlaufs ist aber die Planungssicherheit, die die Wasserstofftankstellen für die Energie- und Antriebswende bieten. Privat- und Geschäftskunden können so verlässlich ihre Flottenumstellung angehen.

Kasten 1: H2-Lernwerkstatt im Landkreis Gießen

Die Lernwerkstatt wurde vor dem Hintergrund der eCoach-Bus-Beratung, die von der LandesEnergieAgentur (LEA Hessen) angeboten wird, zusammen mit Emcel entwickelt und maßgeblich durch die Fahma Fahrzeugmanagement GmbH umgesetzt. Die Lernwerkstatt erlaubt den Busunternehmen im Landkreis Gießen und Umgebung einen niederschwelligen Einstieg in den elektrischen ÖPNV, der mit einem relativ geringen finanziellen Risiko verbunden ist. Sie können Erfahrungen mit Wasserstoffbussen sammeln, und gleichzeitig lernen die Bürger den Wasserstoff-ÖPNV kennen.

Die Projekte H2-Tankstelle und H2-Lernwerkstatt verbinden sich zu beiderseitigem Vorteil: Die Tankstelle ermöglicht den Busbetrieb und bietet der Lernwerkstatt eine gesicherte Wasserstoffquelle, und die Lernwerkstatt verschafft der Tankstelle Stammkunden mit entsprechendem Wasserstoffbedarf.

Kasten 2: HYWHEELS Hessenflotten-Cluster

Das HYWHEELS Hessenflotten-Cluster ist aus einer Studie hervorgegangen, mit der 2020/21 in der Region Fulda ein Feinkonzept für wasserstoffbasierte Transportlogistik erstellt wurde. Das Cluster stellt eine zentrale Anlaufstelle für Akteure aus den Bereichen Logistik und Infrastruktur (Tankstellen sowie Service und Wartung) dar und hat sich zum Ziel gesetzt, Logistikunternehmen einen niederschwelligen Einstieg in die wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeugmobilität zu ermöglichen. Diese profitieren von einer leichteren Beschaffung der Brennstoffzellen-Lkw, zugänglicher H2-Infrastruktur und niedrigeren finanziellen Risiken. Tankstellenbetreiber wie die H2-Tankstelle Gießen gewinnen wiederum weitere Wasserstoffabnehmer.


Abb. 3: Das HYWHEELS Hessenflotten-Cluster bietet den dargestellten Akteuren Synergieeffekte und Mehrwert durch Vernetzung und Zusammenarbeit.

Autor: Marcel Corneille, Emcel GmbH, Köln

Weltweit einzigartiges H2-Testlabor

Weltweit einzigartiges H2-Testlabor

Elektrolyseure auf dem Prüfstand

Im „Hydrogen Lab Bremerhaven“ können Hersteller und Betreiber von Elektrolyseuren ihre Anlagen auf die Probe stellen. Die fluktuierende Einspeisung von Windstrom ist im Gegensatz zur gleichmäßigen Fahrweise eine Herausforderung. Wie sich die damit verbundenen komplexen Prozesse optimieren lassen, testen Ingenieure nun im Realbetrieb.

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Ein grauer, windiger Tag in Bremerhaven. Der Ingenieur Kevin Schalk vom Fraunhofer IWES zeigt mir das Hydrogen Lab Bremerhaven (HLB) – ein weitläufiges Testgelände unter freiem Himmel. Es befindet sich neben einem blaugestrichenen Hangar am ehemaligen Flughafen Luneort und enthält die wichtigsten Bausteine für ein klimaneutrales Energiesystem: einen PEM-Elektrolyseur, einen Alkaline-Elektrolyseur, drei Kompressoren, Niederdruck- und Hochdruckspeicher für Wasserstoff (bis 40 bar oder bis 425 bar), Brennstoffzellen, ein wasserstofffähiges Blockheizkraftwerk.

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„Unser Hydrogen Lab ist modular und maximal flexibel aufgebaut“, erklärt Kevin Schalk. Alle Komponenten des Testfelds sind durch Trassen miteinander verbunden, in denen die Strom- und Datenkabel sowie die Wasserstoffleitungen verlaufen. Die Rohre für Wasser und Abwasser sind unterirdisch verlegt. Über den Anlagen thront die Leitwarte, in der alle Informationen zusammenlaufen und von der aus die Komponenten überwacht und gesteuert werden.

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Zwischen den Anlagen gibt es freie Plätze, damit Hersteller oder Betreiber ihre eigenen Elektrolyseure testen lassen können. So könne jeder Prüfling unabhängig von Untersuchungen in anderen Teilen des Testlabors betrieben werden, erklärt Schalk. Bei Bedarf ist aber auch das Gegenteil möglich: Der Prüfling wird mit anderen Teilen des Wasserstofflabors zusammen betrieben.

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Rund um das H2-Testgelände erstrecken sich Wiesen bis zum Horizont, mit Windrädern bestückt. Die mit acht Megawatt imposanteste Anlage dieser Art steht direkt neben dem Freiluftlabor; ein grauer Gigant, dessen Rotoren sich gemächlich im Wind drehen. „Als die AD8-180 im Jahr 2016 in Betrieb ging, war sie die größte Windenergieanlage der Welt“, erläutert Kevin Schalk, der das Hydrogen Lab Bremerhaven (HLB) leitet. Die langgezogenen Rotorblätter lassen erkennen, dass der Prototyp eigentlich für den Einsatz auf dem Meer gedacht war. Nun soll die Anlage bald dazu dienen, die Herstellung von Wasserstoff aus Windstrom unter realen Bedingungen zu testen. Bis zu einer Tonne des grünen Gases soll hier täglich produziert werden.

Verschiedene Elektrolyseure im direkten Vergleich

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Das Team um Kevin Schalk wird sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, wie verschiedene Typen von Elektrolyseuren mit einer Windenergieanlage im realen Maßstab interagieren. Da ist zum einen der 1-Megawatt-PEM-Elektrolyseur, der destilliertes Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Diese Art der Wasserspaltung findet im sauren Milieu statt, im Gegensatz zur alkalischen Elektrolyse im basischen Milieu. Als Elektrolyt dient Kalilauge (Kaliumhydroxid-Lösung, KOH) in einer Konzentration von 20 bis 40 Prozent.

Ein alkalischer Elektrolyseur (AEL) besitzt eine Anionenaustauschmembran, lässt also die OH-Ionen durch. Er ist günstiger in der Anschaffung und zeichnet sich durch Langzeitstabilität aus. Die teuersten Komponenten eines Elektrolyseurs sind jeweils die Zellstapel (engl. stacks) sowie die Leistungselektronik, also Gleichrichter und Transformator. Die Frage nach dem jeweiligen Wirkungsgrad lässt sich nach Angaben von Schalk kaum pauschal beantworten – zumindest für Gesamtanlagen.

Wird ein Elektrolyseur mit fluktuierendem Strom aus erneuerbaren Energien betrieben statt wie im Normalbetrieb durchgehend, ist das aus verschiedenen Gründen eine Herausforderung: Eine dynamische Fahrweise belastet die Materialien stärker, und es kann im Teillastbetrieb zu Gasverunreinigungen kommen, die schließlich zur Abschaltung des Systems führen. Im HLB sollen unterschiedliche Betriebszustände miteinander verglichen werden, also Volllast oder Teillast; außerdem die Startzeiten aus dem kalten oder warmen Standby.

„Wir können die Fahrweise eines Elektrolyseurs zum Beispiel auf die Sieben-Tage-Prognose der Windenergieanlage einstellen und diese Fahrweise dann testen“, erklärt der Ingenieur. „Unsere Elektrolyseure können zusammen maximal 2,3 Megawatt aufnehmen. Es gibt bislang allgemein nur wenige Daten und Erkenntnisse darüber, wie sich Megawatt-Elektrolyseure mit fluktuierendem Windstrom verhalten. Die vorliegenden Daten sind meistens Simulationen und Studien, die auf Messdaten in kleineren Systemen basieren und dann hochgerechnet wurden.“

Alleinstellungsmerkmal des H2-Forschungslabors

Ein paar Hundert Meter vom Testlabor entfernt befindet sich das Dynamic Nacelle Testing Laboratory (DyNaLab) des Fraunhofer IWES, ein großer Gondel-Prüfstand, der über ein virtuelles 44-MVA-Mittelspannungsnetz verfügt. An diesen wird auch das Hydrogen Lab angebunden, wodurch sich die elektrotechnische Integration der Anlagen ins Stromnetz erproben lässt. „Dynamische Änderungen der Netzfrequenz oder Spannungseinbrüche können auf diese Weise gezielt nachgebildet werden, um etwa die Auswirkungen auf einen Elektrolyseur zu untersuchen“, sagt Kevin Schalk. Das sei ein Alleinstellungsmerkmal und ermögliche den Forschern, zu testen, was in Zukunft immer wichtiger werde: Elektrolyse im netzstabilisierenden Betrieb. Dazu gehören auch die beiden technischen Varianten zur Rückverstromung: das wasserstofffähige Blockheizkraftwerk sowie die Brennstoffzellensysteme.

Abb. 2: Container mit PEM-Elektrolyseur.

Ein Laie kann sich wohl kaum vorstellen, wie schwierig es ist, ein so hochkomplexes System an einem Standort aufzubauen. Allein die Elektrolyseure benötigen ja nicht nur einen Wasseranschluss, von dem aus das Wasser erst in eine Aufbereitungsanlage kommt, damit es „ultrarein“ ist, bevor es in den Elektrolyseur-Stack geleitet werden kann, erklärt Kevin Schalk. Der dann entstehende Wasserstoff muss ebenfalls aufbereitet und das restliche Wasser entfernt werden, was in einer Trocknungsanlage geschieht. Zudem muss der bei der Wasserspaltung freiwerdende Sauerstoff aufgefangen und sicher gelagert werden. Im Idealfall ließe sich der Sauerstoff zur weiteren Verwertung, etwa in einem Industrie- oder Gewerbebetrieb oder in einer Kläranlage, nutzen.

„Und das war nur der Bereich Wasser, nun kommt die Stromseite“, fährt Kevin Schalk fort. „Da haben wir den Anschluss an das öffentliche Stromnetz, gegebenenfalls müssen wir noch transformieren, um die passende Spannungsebene zu erreichen. Danach folgt der Umrichter, um von Wechsel- auf Gleichspannung zu kommen. Dann geht der Strom in die Stacks der Wasserspaltungsanlage. Wann immer das Netz vorne ‘zuckt‘, also sich die Frequenz oder Spannung über ein gewisses Maß hinaus ändert, muss der Elektrolyseur dahinter damit klarkommen. Und wenn Leistungselektronik nicht richtig eingestellt ist, schaltet sich das System ab.“

Zudem sei auch die thermische Seite des Systems zu beachten. „Anfangs muss der Elektrolyseur geheizt werden“, erklärt Kevin Schalk. „Später, wenn er konstant läuft, muss er in der Regel gekühlt werden, um den jeweils optimalen Arbeitspunkt zu halten. Das geht zwangsläufig mit energetischen Verlusten einher.“ So weit zum PEM-Elektrolyseur. Bei der alkalischen Elektrolyse muss noch die Kalilauge entfernt und recycelt werden.

Fit machen für den Offshore-Einsatz

Ein weiteres Schwerpunktthema für das Forschungslabor findet im Rahmen des Leitprojektes H2Mare statt: Dazu dient ein 100 Kubikmeter fassendes Meerwasserbecken sowie eine Entsalzungsanlage, für die die Abwärme der Elektrolyseure genutzt werden soll. Dem liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass sich größere Mengen von grünem Wasserstoff im dichtbesiedelten Deutschland wohl am ehesten auf dem Meer erzeugen lassen. Damit muss das elektrochemische Verfahren zur Spaltung von Wasser hochseetauglich werden, denn in Zukunft sollen Elektrolyseure auch direkt mit Offshore-Windanlagen verbunden werden. Das erfordert wiederum die Kopplung mit einer Meerwasser-Entsalzungsanlage, wobei diese Kombination energetisch günstig ist, weil die Abwärme des Elektrolyseurs zur Entsalzung genutzt werden kann.

Ingenieur Schalk weist darauf hin, dass er und seine Kollegen bei all ihren Untersuchungen die deutschen oder europäischen Regularien beachten, wie zum Beispiel die EU-Nachhaltigkeitszertifizierung RED II (Renewable Energy Directive). Die legt fest, unter welchen Bedingungen Wasserstoff als „grün“ zertifiziert werden kann, und genau diesen wollen sie ja hier erzeugen. „Die Abnehmer brauchen garantiert grünen Wasserstoff, zum Beispiel für die Busse im öffentlichen Personennahverkehr.“ Eine H2-Tankstelle für Nutzfahrzeuge entsteht in Bremerhaven beim Bushof. Neben dem ÖPNV gibt es weitere potenzielle Abnehmer in der Region: Etwa einen Logistikunternehmer, der sein Schiff in Cuxhaven mit gasförmigem Wasserstoff betreiben möchte. Oder das öffentliche Mobilitätsunternehmen Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB) als Betreiber der Wasserstoff-Regionalbahn in Niedersachsen.

Das Hydrogen Lab Bremerhaven kooperiert mit dem Norddeutschen Reallabor, einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Großforschungsprojekt, in dem mehrere Bundesländer die Sektorenkopplung auf Basis von Wasserstoff vorantreiben. Das HLB erhält Fördermittel von insgesamt rund 16 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie vom Land Bremen. Im Mai dieses Jahres geht das HLB vom Probe- in den Normalbetrieb und wird zunächst gut 100 Tonnen Wasserstoff pro Jahr produzieren. In der zweiten Phase rechnet Kevin Schalk mit über 200 Tonnen. „Wir werden die erste große Produktionsstätte von grünem H2 in Norddeutschland sein.“

Abb. 3: Blick über das HLB mit freien Stellflächen – links die Leitzentrale

 

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