Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Marcel Corneille

27. Mai 2024

Titelbild: H2-Tankstelle Clean Energy Station: Gut zu erkennen ist die Photovoltaikanlage, mit der das Dach der Tankstelle vollflächig belegt ist.

Bildquelle: Emcel

Am Anfang war die Tankstelle

Planungssicherheit schaffen durch den Aufbau von H2-Infrastruktur

Lange haben wir die Frage diskutiert, was beim Hochlauf einer Wasserstoffmobilität an erster Stelle steht. Doch dieses Henne-Ei-Problem gibt es eigentlich gar nicht: Die Tankstelle kommt immer zuerst! Warum das so ist, zeigt beispielhaft die erste Wasserstofftankstelle in Gießen.

Im August 2023 wurde von der Firma Roth Holding & Co. KG die erste Wasserstofftankstelle im Landkreis Gießen unter dem Label „Clean Energy Station“ in Betrieb genommen. Vor der vorangegangen Planungs- und Genehmigungsphase hatte sich der Betreiber Frank Roth zwei wesentliche Fragen gestellt: Habe ich heute Kunden für die Wasserstofftankstelle? Und definieren die gesetzlichen Rahmenbedingungen klar, was grüner Wasserstoff ist?

In beiden Fällen lautete die Antwort nein. Aber das Gefühl war: Der Kunde will grünen Wasserstoff, also fange ich an, eine entsprechende Tankstelle zu bauen. Schon während der Bauphase zeigte sich, dass die Kunden kommen und grünen Wasserstoff wollen. Wie hat das so gut geklappt?

Die Anlage
Diese Anlage am Schiffenberger Weg ist für alle Fahrzeugtypen geeignet und bietet als Multi-Energie-Tankstelle Diesel, Benzin, Elektrizität und Wasserstoff an. Vor Ort wird grüner Wasserstoff aus eigenen, regionalen Windkraft- und Solaranlagen produziert. Die Erzeugung mittels Elektrolyse erfolgt mit einem 1,25-MWel-PEM-Elektrolyseur, der auf 2,5 MWel erweiterbar ist und in der Ausbaustufe bis zu 36 kgH2/h produzieren kann. Der H2-Speicher an der Tankstelle kann bis zu zwei Tonnen Wasserstoff speichern.

---------- Werbung ----------
Matthews Deutsch

Die Abgabe des Wasserstoffs erfolgt mit 350 bar an Busse sowie Lkw und mit 700 bar an Pkw. Um Schwankungen bei der Erzeugung oder Nachfrage abzufangen, kann auch externer Strom in den Elektrolyseur eingespeist werden. Außerdem lässt sich Wasserstoff per Lkw mittels Trailer anliefern. Darüber hinaus kann zu viel produzierter Wasserstoff, ebenfalls per Trailer, an weitere Tankstellen oder Kunden in der Umgebung abgegeben werden. Dadurch ist die Tankstelle sehr flexibel, kann ein großes Nachfragespektrum handhaben und bei Bedarf weitere Abnehmer mitversorgen.

H2 Wertschoepfungskette Kopie
Abb. 2: Die H2-Wertschöpfungskette – von der H2-Erzeugung aus Erneuerbaren bis zum Flottenbetrieb. In Orange sind die wesentlichen Bausteine hervorgehoben.


Was ist wichtig?
H2-Tankstellen sind als Keimzelle für die Energiewende und die Sektorenkopplung unerlässlich. Sie verbinden den erneuerbaren Strom mit den Kunden der Mobilität. Dabei wird häufig über das Henne-Ei-Problem diskutiert. In der Praxis zeigt sich, dass das eine überholte Diskussion ist. Die Tankstelle muss zuerst da sein. Sie ist in der Lage, Kunden auf vielfältige Weise anzuziehen. Der wesentliche Punkt dabei ist, dass sie für alle Beteiligten Planungssicherheit schafft.

Bei der Station in Gießen lief das beispielsweise so ab, dass der Betreiber Roth und alle Projektbeteiligten vom Bau der Tankstelle in ihren Netzwerken erzählten. Diese haben sehr schnell Interesse am Wasserstoff bekundet. Zwei Beispiele sind die Initiativen H2-Lernwerkstatt im Landkreis Gießen (s. Kasten 1) und das HYWHEELS Hessenflotten-Cluster aus Fulda (s. Kasten 2). Das Ingenieurbüro Emcel hat die Planung und Genehmigung der Tankstelle mitbegleitet und die Vernetzung mit diesen beiden Initiativen gefördert, die ebenfalls von Emcel mitentwickelt wurden.

Fazit
Wasserstofftankstellen treiben die Mobilitätswende an. Als direkte Kunden profitieren Flottenkunden wie die H2-Lernwerkstatt und das HYWHEELS Hessenflotten-Cluster, weil sie sich nicht selbst um eine Wasserstoffversorgung kümmern müssen. Aber auch für die Anlieferung von Wasserstoff an die Tankstelle und die Speicherung von erneuerbarer Energie sind die Tankstellen willkommene Abnehmer. Der wesentlichste Faktor in dieser Phase des H2-Markthochlaufs ist aber die Planungssicherheit, die die Wasserstofftankstellen für die Energie- und Antriebswende bieten. Privat- und Geschäftskunden können so verlässlich ihre Flottenumstellung angehen.

Kasten 1: H2-Lernwerkstatt im Landkreis Gießen

Die Lernwerkstatt wurde vor dem Hintergrund der eCoach-Bus-Beratung, die von der LandesEnergieAgentur (LEA Hessen) angeboten wird, zusammen mit Emcel entwickelt und maßgeblich durch die Fahma Fahrzeugmanagement GmbH umgesetzt. Die Lernwerkstatt erlaubt den Busunternehmen im Landkreis Gießen und Umgebung einen niederschwelligen Einstieg in den elektrischen ÖPNV, der mit einem relativ geringen finanziellen Risiko verbunden ist. Sie können Erfahrungen mit Wasserstoffbussen sammeln, und gleichzeitig lernen die Bürger den Wasserstoff-ÖPNV kennen.

Die Projekte H2-Tankstelle und H2-Lernwerkstatt verbinden sich zu beiderseitigem Vorteil: Die Tankstelle ermöglicht den Busbetrieb und bietet der Lernwerkstatt eine gesicherte Wasserstoffquelle, und die Lernwerkstatt verschafft der Tankstelle Stammkunden mit entsprechendem Wasserstoffbedarf.

Kasten 2: HYWHEELS Hessenflotten-Cluster

Das HYWHEELS Hessenflotten-Cluster ist aus einer Studie hervorgegangen, mit der 2020/21 in der Region Fulda ein Feinkonzept für wasserstoffbasierte Transportlogistik erstellt wurde. Das Cluster stellt eine zentrale Anlaufstelle für Akteure aus den Bereichen Logistik und Infrastruktur (Tankstellen sowie Service und Wartung) dar und hat sich zum Ziel gesetzt, Logistikunternehmen einen niederschwelligen Einstieg in die wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeugmobilität zu ermöglichen. Diese profitieren von einer leichteren Beschaffung der Brennstoffzellen-Lkw, zugänglicher H2-Infrastruktur und niedrigeren finanziellen Risiken. Tankstellenbetreiber wie die H2-Tankstelle Gießen gewinnen wiederum weitere Wasserstoffabnehmer.

Cluster Grafik Kopie
Abb. 3: Das HYWHEELS Hessenflotten-Cluster bietet den dargestellten Akteuren Synergieeffekte und Mehrwert durch Vernetzung und Zusammenarbeit.

Autor: Marcel Corneille, Emcel GmbH, Köln

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

preloader