Neues Brennstoffzellen-Kompendium

Neues Brennstoffzellen-Kompendium

Der Elsevier-Verlag ist bekannt für hochwissenschaftliche Veröffentlichungen. Bereits vor zwei Jahren haben es die Briten in Angriff genommen, ihr legendäres Brennstoffzellen-Kompendium „Encyclopedia of Electrochemical Power Sources“ neu herauszubringen. Nach der Erstauflage im Jahr 2009 wird dieser englischsprachige „Schinken“ nun in einer zweiten Auflage im Laufe dieses Jahres erscheinen.

Herausgeber ist wieder Prof. Jürgen Garche von der Universität Ulm, der gemeinsam mit zahlreichen Expertinnen und Experten sehr detailliert alle Aspekte der immer größer werdenden Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie aus wissenschaftlicher Sicht darlegt. Für die insgesamt sieben Kapitel konnte er erfahrene Fachleute gewinnen – aus Deutschland unter anderem Prof. Angelika Heinzel von der Universität Duisburg-Essen, Ludwig Jörissen vom Zentrum für Solarenergie und Wasserstoffforschung (ZSW) sowie Dr. Johannes Töpler, Dresden International University (DIU).

Die Enzyklopädie gilt als wichtiges interdisziplinäres Nachschlagewerk für alle diejenigen, die mit Batterien, Brennstoffzellen, Elektrolyseuren, Superkondensatoren und photoelektrochemischen Zellen arbeiten. Ein Fokus liegt dabei auf den ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen elektrochemischer Energiequellen, so dass sie hervorragend als Quelle für Fachleute und Studierende geeignet ist – insbesondere aus den Bereichen Elektrochemie und Materialwissenschaften sowie Elektrotechnik, Maschinenbau und Chemie.

Diese vollständig überarbeitete zweite Auflage trägt insbesondere den Fortschritten im Bereich der Batterie- und Wasserstofftechnik in den letzten zehn Jahren Rechnung. Allerdings kosten diese vielen Informationen auch eine Kleinigkeit – nämlich 4.094 US-$ das Bundle aus Hardcover-Buch und eBook.

Garche, Jürgen; Encyclopedia of Electrochemical Power Sources, Elsevier, ISBN 978-0-323-95822-6

H2Tanktainer zur Schiffsbetankung

H2Tanktainer zur Schiffsbetankung

RH2INE – Aufbau eines wasserstoffbetriebenen Binnenschiffnetzes

Wer im internationalen Schiffsverkehr unterwegs ist, weiß: Ohne den richtigen Kurs zu setzen und zu halten, sind Ziele kaum erreichbar. Diese Erkenntnis treibt auch Binnenschifffahrtsakteure diesseits und jenseits der deutsch-holländischen Grenze an und motiviert sie, das Ziel der Klimaneutralität aktiv und entschlossen voranzutreiben. Bei dieser komplexen Herausforderung unterstützt sie die länderübergreifende Initiative RH₂INE (Rhine Hydrogen Integration Network of Excellence). Zu den ersten Etappenzielen gehört der Aufbau einer schnellen und unkomplizierten Lösung zur Betankung der Binnenschiffe mit Wasserstoff.

RH₂INE startete 2019 auf Initiative der Provinz Zuid-Holland (PZH) und des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums und wird seit 2021 auf deutscher Seite durch die Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate koordiniert. Das Ziel der beiden Rhein-Regionen: eine nachhaltige Alternative zu fossilen Brennstoffen für den Gütertransport auf dem Rhein zu schaffen. Schnell waren sich alle Beteiligten einig, dass auf schnell fließenden Wasserwegen wie dem Rhein einzig und allein Wasserstoff als zukunftsfähiger Energieträger für Binnenschiffe infrage kommt.

Mittlerweile hat sich RH₂INE zu einem internationalen Netzwerk aus öffentlichen und privaten Akteuren entwickelt. Ausgehend vom Nukleus entlang des Rheins wollen die Partner gemeinsam bis 2030 einen emissionsfreien Nordsee-Rhein-Mittelmeer-Korridor schaffen. Voraussetzung dafür sind geeignete Rahmenbedingungen und Infrastrukturen für den Einsatz von Wasserstoff in der Binnentransportkette.

Schlauchbetankung keine Lösung

„Ein Schiff muss bei einem Bunkervorgang, also der Energieaufnahme, mindestens zwei Tonnen Wasserstoff tanken. Mit einem Schlauch würde das zwölf Stunden oder länger dauern, und in dieser Zeit könnte aus Sicherheitsgründen nicht geladen oder gelöscht werden”, erläuterte Robert Graf-Potthoff, technischer Inspektor beim globalen Logistikdienstleister Rhenus Schiffsmanagement, kürzlich im RH2INE magazine.

H2-Betankung als zentrale Herausforderung Eine der wesentlichen Herausforderungen besteht darin, die Schiffe mit Wasserstoff zu betanken. Für die Schiffsbetreiber war deshalb von Anfang an klar: Der Wasserstoff muss in Wechselbehältern aufs Binnenschiff kommen. Denn der Austausch leerer gegen volle Tanks dauert im Hafen nur etwa dreißig Minuten und unterbricht dabei nicht die parallel stattfindenden Abläufe an Bord.

Eine Lösung fand sich in einem standardisierten Wechselbehälter für Wasserstoff – einem sogenannten Multiple-Element Gas Container (MEGC), auch „TankTainer“ genannt. Verschiedene Akteure wie Air Liquide oder Argo Anleg entwickeln verschiedene Formate für die unterschiedlichen Schiffstypen.

Standardisierung der Energieversorgung Bisher waren TankTainer nur als individuelle Komponente für ein einzelnes Schiff zulassungsfähig. Das machte ein Pooling unmöglich. Denn jedes Schiff bräuchte – unter immensen Investitionskosten – jeweils drei TankTainer-Sätze, um den kontinuierlichen Tankprozess zu gewährleisten.

Um Abhilfe zu schaffen, treiben verschiedene europäische Regierungsbehörden zusammen die Standardisierung dieser Technologie voran. Ihr Ziel: Die TankTainer sollen nicht nur europaweiter Standard für die Binnenschifffahrt werden, sondern auch für weitere Zwecke als Energiespeicher nutzbar sein. Dazu fassen sie die technischen Vorgaben bewusst breit. Schützenhilfe erhalten sie von RH₂INE-Partnern wie dem Port of Rotterdam, Air Liquide oder Argo Anleg. Mit einer Veröffentlichung des Standards ist im ersten Halbjahr 2025 zu rechnen.

Standardisierung der H2TankTainer bei CESNI / ES-TRIN
Druckstufen: max. 300, 500, 700 bar
Container: ISO 10”, 20”, 30” und 40”
Transportmöglichkeiten: Schiff, Lkw, Zug (Verordnungen: ADN, ADR, RID, Es-Trin, IMO)
Datenkommunikation: in jedem Abschnitt Druck, Temperatur, Auslegungsdruck
Kommunikationsprotokoll: J2799

Weitere RH₂INE-Pilotprojekte Neben der Einführung der H2TankTainer konnte RH₂INE weitere bemerkenswerte Erfolge in der Binnenschifffahrt erzielen. So wurden im Rahmen der Initiative sowohl Schiffe mit H2-fähigen Dualverbrennungsmotoren als auch mit Wasserstoff-/ Brennstoffzellenantrieb entwickelt. Das „Flaggschiff“ dieser Entwicklung ist die MS Letitia, ein Binnenschiff der HTS-Group, das unter intensiver Begleitung durch das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) in Duisburg konzipiert wurde.

Verschiedene Förderungen ermöglichten die Finanzierung der Brennstoffzellen, eines ersten Satzes von TankTainern sowie einer EU-Begleitforschung (greenH2shipping). Letztere soll für die ersten 1.000 Betriebsstunden einen Zuverlässigkeits- und Wirtschaftlichkeitsnachweis erbringen. Dieser ist die Voraussetzung dafür, dass bei zukünftigen Förderaufrufen weitere Mittel für emissionsarme Binnenschiffe und deren Infrastruktur akquiriert werden können.

Zu den RH₂INE-Pionierprojekten zählt auch der Schüttgutfrachter MS Antonie, der unter der Leitung des europaweit tätigen Befrachters NPRC entwickelt wurde. Mit einem hybriden Antriebssystem kann er sowohl emissionsfrei als auch mit konventionellen Energiequellen betrieben werden. Dies erhöht die Flexibilität bei der Energieversorgung.

Auch die niederländische Reederei Future Proof Shipping (FPS) entwickelte zwei Schiffe, die H2-Barge 1 und 2. Bei ihnen wird die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie mit Batteriesystemen kombiniert, um eine vollständig emissionsfreie Fahrt zu ermöglichen. Bisher wurden mit den beiden Schiffen bereits etwa 20.000 Container von Delfzijl nach Rotterdam transportiert.

Rhenus Logistics setzt auf den Koppelverband „Mannheim I+II“, dessen Antrieb ebenfalls aus Brennstoffzellen, Batterien und bei Bedarf dieselelektrischen Generatoren besteht. Er wird regelmäßig Container zwischen Antwerpen bzw. Rotterdam und Mannheim, Ludwigshafen, Wörth sowie Karlsruhe transportieren. Wie die MS Letitia ist auch dieses Schiff mit bis zu drei Schubleichtern niedrigwasserangepasst.

MS Antonie
Größe: 135 x 11 m
Energieversorgung: 400 kW H2/FC / 1 MWh Batterie
Kapazität: 3.700 t Salztransport Delfzijl – Rotterdam (ersetzt 120 Lkw)
Einsparung: 880 t/a CO2 sowie 8 t/a NOx

Abb. 2: MS Antonie, Besuch des niederländischen Königs (Mitte) in Duisburg Ende 2023.
MS_ANTONIE_Foto_Robin Alysha Clemens.jpg, Quelle: Robin Alysha Clemens

H2-Barge 1+2
Größe: 110 x 11 m, retrofit
Energieversorgung: 3 x 275 kW Brennstoffzelle / 274 kWh Batterien
Route: Rotterdam – BCTN Terminal Meerhout (BE)
Einsparung: 2.000 t/a CO2 pro Schiff

Abb. 3: H2-Barge 2 FPS-H2BARGE2-Drone-HighRes-13.jpg Quelle: FutureProofShipping

MS Letitia
Größe: 135 x 17 m
Baujahr: 2023
Einsparung: 2.800 t/a CO2 (ersetzt 250 Lkw)
Route: Rotterdam – Duisburg dauert 20h und zurück 14h
Antriebsleistung: 1,2 MW (sechs 200-kW-Brennstoffzellen von Ballard in Containern), zusätzlich Batterien sowie Backup-Dieselelektrik mit gleicher Leistung
Im Schiff befinden sich 52 m Elektrikschaltschränke sowie 20 km Kabel.

Abb. 4: In der Mitte der MS Letitia sind mit zwei Trennwänden vier Containerflächen abgetrennt, auf denen insgesamt 16 Energiecontainer für die Brennstoffzellen, die Batterien und die Tankcontainer stehen können Letitia-2.jpg Quelle: RensenDriessen Shipbuilding, Photo Maritime Filming Group

Rhenus Mannheim I+II
Größe: Koppelverbund 193 x 11 m (mit drei Schubleichtern 193 x 22m)
Einsparung: Schiff und 1 Schubleichter: 72 % weniger CO2 und NOX
Route: Rotterdam/Antwerpen – Mannheim/Wörth
Antriebsleistung: 400 kW Brennstoffzellen, zusätzlich 840 kWh Batterien sowie Backup-Dieselelektrik

Erweiterung des Netzwerks Seit seiner Gründung hat RH₂INE eine beachtliche Entwicklung vom bilateralen Projekt zum breit aufgestellten EU-weiten Netzwerk vollzogen. Zu den Partnern gehören heute mehr als 45 Akteure aus öffentlicher Hand und Wirtschaft, darunter die bedeutenden Häfen Rotterdam, Duisburg, Basel und Antwerpen-Brügge. Neben den Niederlanden und Deutschland haben sich mittlerweile auch Akteure aus Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz der Initiative angeschlossen. Dies erweitert die Reichweite des Projektes erheblich.

Seit 2025 wird die Initiative vom belgischen Cluster WaterstofNet koordiniert. Dieses übernimmt das neu gegründete Programmbüro, dessen Arbeitsplan verschiedene englischsprachige Arbeitsgruppen vorsieht, die die unterschiedlichsten Themen wie Standardisierung, Finanzierungs- und Fördermechanismen, notwendige Hafeninfrastruktur sowie TankTainer-Logistik bearbeiten. WaterstofNet war schon einmal stark in diese Themen involviert, insbesondere durch die Mitarbeit in CONDOR, einem niederländischen Projekt im Zuge der Initiative RH₂INE mit Fokus auf niederländische Wasserwege. Diese Erfahrung prädestiniert das Cluster für seine Aufgaben als RH₂INE-Koordinator.

Finanzielle und politische Unterstützung für RH₂INE Seit 2019 kann die Initiative umfangreiche Fördermittel aus EU-Programmen wie Connecting Europe Facility (CEF) oder Horizon Europe sowie von nationalen und regionalen Regierungen akquirieren. Diese verwendet sie, um Forschung und Entwicklung, den Bau von Infrastruktur und die Umstellung auf Wasserstofftechnologien voranzutreiben und das Netzwerk auszubauen.

Auch bei der Unterstützung der Politik sowie bei der Harmonisierung von Leitlinien mit europäischen und regionalen Institutionen spielt RH₂INE eine entscheidende Rolle. So hat die Initiative in der Vergangenheit mit ihren Vorschlägen aktiv die schnellere Regulierung der Wasserstoffnutzung in der Binnenschifffahrt vorangetrieben. Auch auf die politischen Dekarbonisierungspläne für den Verkehrssektor, insbesondere in NRW und den Niederlanden, konnte sie Einfluss nehmen.

Der Erfolg der Dekarbonisierung der Binnenschifffahrt zeigt sich in der vom MUNV (Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen) initiierten gemeinsamen Absichtserklärung „Perspektive nachhaltige Rheinschifffahrt 2030“ von 80 Partnern aus Deutschland, Belgien, Schweiz und den Niederlanden auf der Länderkonferenz Rhein 2024. Darin wird die Rheinschifffahrt als unverzichtbar für eine nachhaltige Logistik eingestuft.

Darüber hinaus trägt auch der Beschluss der deutschen Verkehrsministerkonferenz vom Oktober 2024 die Handschrift der Initiative: Er betont die Binnenschifffahrt als Verkehrsträger der Zukunft für Deutschland. Neue Maßnahmen für eine leistungsfähige Binnenschifffahrt sollen in der Strategie „Neue Märkte für die Binnenschifffahrt“ gebündelt werden.

Die Nationale Hafenstrategie des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr trägt ebenfalls der Transformation der Binnenschifffahrt Rechnung. Demnach soll diese bundesweit harmonisiert als „landesweit bedeutsam“ eingeordnet und entsprechend in die Landesplanung übernommen werden, um Hafengebiete für eine hafenaffine Nutzung zu sichern.

Und schließlich adressiert auch der Nationale Aktionsplan klimafreundliche Schifffahrt (NAPS) – in Ergänzung zur Nationalen Hafenstrategie – die Binnenschifffahrt, und zwar mit Maßnahmen, die auch RH₂INE umsetzt. Dazu gehören unter anderem standardisierte containerisierte Energiespeicher. Daneben fordert der Aktionsplan auch eine Verlängerung des Förderprogramms BordstromTech sowie zinsvergünstigte KfW-Kredite oder Absicherungen mit Bürgschaften.

Herausforderungen der Dekarbonisierung Trotz all dieser Erfolge steht die Dekarbonisierung der Schifffahrt noch am Anfang: Aktuell fahren auf dem Rhein rund 10.000 Schiffe mit einer Lebenszeit von jeweils bis zu 100 Jahren. Diese gilt es zukünftig klimaneutral zu betreiben. Eine Herausforderung stellt dabei vor allem die Wirtschaftlichkeit des Wasserstoffbetriebs dar. Derzeit sind entsprechende Schiffe in Anschaffung und Betrieb teurer als herkömmliche Dieselschiffe. Die Rentabilität der neuen Technologie hängt gleich von mehreren Faktoren ab, zu denen Anschubsubventionen genauso gehören wie sinkende Wasserstoffpreise und die Bereitschaft der Kunden, höhere Transportkosten zu tragen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bedarf es durchdachter Geschäftsmodelle.

Auch die Harmonisierung von Vorschriften auf europäischer Ebene bleibt eine komplexe Aufgabe. Insbesondere bei Lagerung und Transport von Wasserstoff bestehen noch Unsicherheiten, die die Einführung bremsen. Die technologische Entwicklung muss ebenfalls mit den Herausforderungen Schritt halten. Aktuell ist der Zugang zu grünem Wasserstoff begrenzt, er weitet sich jedoch sukzessive aus.

Und nicht zuletzt erfordert der Aufbau einer umfassenden Betankungsinfrastruktur, zunächst entlang des Rheins, erhebliche Investitionen und eine gezielte Koordination. Insbesondere das Befüllen der TankTainer sollte aufgrund der benötigten Wasserstoffmengen an größeren Hubs erfolgen.

Pläne von RH₂INE Auf all diese Herausforderungen reagiert RH₂INE mit einer Reihe ambitionierter Pläne. Diese zielen auf eine breite Akzeptanz und Skalierung der Technologie sowie auf die Nachrüstung der bestehenden Flotte ab.

So wollen die Akteure bis 2030 mindestens 50 wasserstoffbetriebene Schiffe im Einsatz haben. In puncto TankTainer soll ein Pool für H2-Wechselcontainer geschaffen werden, der allen Reedereien und weiteren Akteuren offensteht. Den hohen Anschaffungskosten muss dabei eine maximale Nutzungszeit gegenübergestellt werden. Dazu wird voraussichtlich in Zukunft ein Leasingunternehmen gegründet oder beauftragt.

Auch neue Partner – Regionen und Stakeholder – will das Netzwerk weiter einbinden, um eine flächendeckende Infrastruktur und Zusammenarbeit zu gewährleisten. Durch die Stärkung seiner Lobbyarbeit wird sich RH₂INE künftig verstärkt für eine zukunftsweisende Regulierung und finanzielle Unterstützung auf EU-Ebene einsetzen. In den Niederlanden konnte die Initiative bereits eine starke finanzielle Verpflichtung der Regierung durch einen „Climatfonds” für erneuerbare Schiffsantriebe erreichen. Mehr als 200 Millionen Euro für bis zu 150 Schiffe und deren Infrastruktur stehen bis 2030 bereit.

Fazit Auch die Binnenschifffahrt muss zur Erreichung der Verkehrsklimaziele Europas dekarbonisiert werden. RH₂INE beweist eindrucksvoll, wie internationale Zusammenarbeit in Kombination mit technischen Innovationen den Übergang zu einer emissionsfreien Binnenschifffahrt ermöglichen kann. Und die Initiative ist mit ihrem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit, Innovation und Zusammenarbeit ein Vorbild für ähnliche Aktivitäten weltweit.

Die kommenden Jahre werden jedoch entscheidend sein: Kann die Anfangsvision von einem grünen Rheinkorridor als einem zentraleuropäischen Ansatz Wirklichkeit werden? Die Botschaft bleibt auf diesem Weg jedenfalls immer klar: Die Zukunft der Binnenschifffahrt liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Auf der Hannover Messe im NRW-Pavillon, Halle 13,
Autor: Stefan Garche, Wasserstoffleitstelle H2.NRW des Landes Nordrhein-Westfalen bei NRW.Energy4Climate, Düsseldorf
stefan.garche@energy4climate.nrw

Wasserstoff im ÖPNV: Perspektive der Unternehmen

Wasserstoff im ÖPNV: Perspektive der Unternehmen

Wie sehen ÖPNV-Unternehmen den Einsatz von Wasserstoff in ihrem Bereich? Das Spezialmaschinenbauunternehmen IMI hat hierzu 300 Fachleute aus Deutschland, Italien und dem Vereinigten Königreich befragen lassen.

Für seinen Fokus auf den ÖPNV nennt IMI drei Gründe. Erstens würden viele ÖPNV-Unternehmen bereits Wasserstoffflotten aufbauen, obwohl es noch keine zentrale Infrastruktur für Wasserstoff gibt. Zweitens ließen sich mit Wasserstoff Engpässe der Batterietechnologie wie Reichweite, Gewicht und Netzengpässe überwinden. Drittens würden die Kosten für dezentrale Elektrolyse nun beginnen zu fallen – wobei IMI einräumt, dass es hierzu wenige Daten gebe.

Die Befragung wurde vom Marktforschungsunternehmen Censuswide durchgeführt und fand im Juli 2024 statt. Es wurden 300 Entscheidungsträger aus ÖPNV-Unternehmen in einem halb-offenen Interviewformat befragt. Von den Befragten hatte ein Fünftel (21 %) bereits Wasserstofffahrzeuge in ihrem Betrieb, während 61 % planten, in den nächsten zwei Jahren in solche zu investieren.

Wasserstoff oder Batterie?

Interessant ist, dass die Antworten im Technologievergleich stark von der Frage abhängen. Von den Befragten zeigten sich 89 Prozent überzeugt, Wasserstoff sei ein effektives Mittel, um die Grenzen der Batterie-Technologien zu überwinden, 34 % davon halten Wasserstoff sogar für „sehr effektiv“ hierfür. Umgekehrt halten es aber auch m Schnitt 83 % der Befragten für machbar, den ÖPNV ohne Wasserstoff zu dekarbonisieren, in den UK sogar 89 %. Auf Nachfrage unterteilt sich auch diese Gruppe in 27 %, die eine Dekarbonisierung für „vollständig machbar“ halten und 56 % „teilweise machbar“ halten. Zusammengefasst kann man also sagen: Vieles geht mit Batterien – und wo das nicht geht, kann Wasserstoff häufig weiterhelfen.

Eine weitere Frage galt den Kriterien für den Kauf neuer Fahrzeuge. Die zur Auswahl stehenden Kriterien lagen eng beieinander. Vorn lag mit 85 % gleichauf: Kosten und technisches Wissen, an letzter Stelle mit 79 % die Reichweite der Fahrzeuge.

Viel Vertrauen in erneuerbare Energien aus dem Stromnetz

Mit 81 % der Befragten vertraut im Schnitt die breite Mehrheit der Befragten darauf, genügend erneuerbaren Strom aus dem Netz für E-Mobilität beziehen zu können. In Deutschland lag das Vertrauen mit 64 % am niedrigsten. IMI verweist auf Probleme mit verzögerten Netzanschlüssen und findet das Vertrauen der Befragten in das Netz zu groß.

Auch hier verschiebt sich die Antwort deutlich bei einer vermeintlich leichten Varianz der Frage. Wenn es darum geht, ob für künftige Batterie- oder Wasserstofffahrzeuge genügend Netzkapazität zur Verfügung stehen wird, zeigen sich 93 % der Befragten besorgt. Darunter war der Anteil der sehr besorgten ÖPNV-Unternehmen in Italien mit 52 % besonders hoch.

Wasserstoff-Anlagen: wohin bauen?

Bei den genannten Hindernissen für den Einsatz von Wasserstoff lagen Bebauungspläne mit 38 % vorne. Es folgten physische Platzknappheit (36 %) und erst an dritter Stelle die Finanzierung (35 %). Dicht darauf folgten Baugenehmigungen, fehlendes technisches Wissen und Bauleittechnik. Die Auswahl erfolgte aus vorgegebenen Optionen. Ein technisches Thema für die Befragten war die Lagerung von Wasserstoff. Laut der Umfrage war das sichere Lagern von Wasserstoff für 72 % Gegenstand größerer Bedenken.

 

IMI folgert aus den Daten, dass die dezentrale Erzeugung von Wasserstoff eine wachsende Rolle spielen wird. Laut Cornelia Neumann, Sales and Business Development Managerin für Hydrogen bei IMI, trifft das in Deutschland besonders auf den ÖPNV zu, da dieser im Vergleich zur energieintensiven Industrie seltener Zugang zum Wasserstoffkernnetz haben wird.

Die Erzeugung vor Ort durch dezentrale Elektrolyse könne helfen, die Lücke zwischen Produktion und Endverbrauchern zu schließen und gleichzeitig den Transportnetzen zu ermöglichen, Fahrzeuge ohne Tankstellen zu testen, so IMI. Fast drei Viertel der befragten ÖPNV-Unternehmen würden eine lokale Wasserstofferzeugung in Erwägung ziehen, wenn es dafür genügend finanzielle Unterstützung gäbe, zeigte die Studie. IMI ist ein britisches Unternehmen für Spezialmaschinenbau, das unter anderem Produkte für die dezentrale Wasserstofferzeugung anbietet.

Von CO2-Abscheidung bis LOHC-Technologie

Von CO2-Abscheidung bis LOHC-Technologie

Interview mit Bryan Glover, CTO bei Honeywell

Nach mehr als 50 Jahren Erfahrung mit Wasserstoff setzt Honeywell mit dem Unternehmen Energy and Sustainability Solutions (ESS) auch auf grünen Wasserstoff. Dabei nimmt der US-Mischkonzern gleich die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick: Von effizienterer PEM-Elektrolyse bis hin zur Transportinfrastruktur.

HZwei: Honeywell fokussiert sich stark auf eine Zukunft mit grünem Wasserstoff. Warum?

Glover: Honeywell ist sich der enormen Bedeutung bewusst, die grüner Wasserstoff bei der Energiewende spielen wird. Wegen seiner Energiedichte eignet sich Wasserstoff gut als Alternative zu fossilen Treibstoffen. Deshalb ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff in den kommenden Jahren erheblich steigen wird. Ein Bericht von Wood Mackenzie zeigt, dass kohlenstoffarmer Wasserstoff bis 2050 sieben Prozent des weltweiten Energiebedarfs ausmachen wird, was 211 Millionen Tonnen entspricht.

Globale Unterstützung und Investitionen in grünen Wasserstoff bestätigen das, da Regierungen weltweit Strategien beschließen, um dessen Einsatz zu fördern. So zielt unter anderem die nationale Wasserstoffstrategie Deutschlands darauf ab, ihre Klimaschutzziele mithilfe von grünem Wasserstoff zu erreichen. Ferner haben die Europäische Investitionsbank und Deutschland Ende 2023 den Fonds für Grünen Wasserstoff aufgestockt, um die globale Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln.

Ihr Unternehmen sieht sich als Pionier in der Entwicklung von innovativen Lösungen in Bezug auf grünen Wasserstoff. Welche sind das zum Beispiel?

Honeywell blickt auf mehr als 50 Jahre Erfahrung zurück, um Innovationen bei der Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff voranzutreiben. Wir bieten Lösungen, welche die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette abdecken – von der Produktion über die Umwandlung, Transport, Speicherung und Verteilung.

Seit 1966, als die erste industrielle Anwendung unserer PSA-Technologie (Pressure Swing Adsorption, Anm. d. Verf.) in Betrieb genommen wurde, führt Honeywell auf dem Gebiet der Wasserstoffaufbereitung. Bis heute haben wir weltweit mehr als 1.000 PSA-Anlagen geliefert, die etwa 25 Millionen Normkubikmeter reinen Wasserstoff pro Stunde produzieren, was eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Produktionseffizienz und Skalierbarkeit spielt.

Ein weiteres Beispiel sind Honeywells katalysatorbeschichtete Membranen (CCM, Anm. d. Verf.), mit denen Kunden eine größere Menge grünen Wasserstoffs zu niedrigeren Gesamtkosten produzieren können. Führende Elektrolyseurhersteller haben nachgewiesen, dass diese Membranen 30 Prozent mehr Wasserstoff produzieren können als die derzeit handelsüblichen CCM und die Kosten der Nicht-CCM-Stack-Komponenten um 29 Prozent senken.

Auf welche Weise kann Honeywell dazu beitragen, die Effizienz bei der Herstellung von grünem Wasserstoff entscheidend zu verbessern?

Wir investieren kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um eine noch breitere Produktion mit noch höherer End-to-End-Effizienz und Kosteneinsparungen zu ermöglichen. Neben der CCM-Technologie von Honeywell unterstützen wir auch die Entwicklung und Skalierung von Elektrolyseur-Technologien der nächsten Generation über Honeywell Ventures. Dieser Teil des Unternehmens investiert in der Frühphase in wachstumsstarke Unternehmen, die über bahnbrechende Technologien verfügen. Unsere strategische Investition in die Series-B-Finanzierungsrunde von Electric Hydrogen trug zu einer Summe von insgesamt 198 Millionen US-Dollar bei. Dieses Geld unterstützt Electric Hydrogen bei der Entwicklung von Elektrolyseuren mit hohem Durchsatz, um Kosten zu senken und die Effizienz für großangelegte Industrie- und Infrastrukturprojekte zu steigern.

Welche Lösung bietet Honeywell für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, zum Beispiel, was Speicherung und Transport angeht?

Im Jahr 2023 stellte Honeywell seine LOHC-Lösung (Liquid Organic Hydrogen Carrier, Anm. d. Verf.) vor. Diese innovative Technologie ermöglicht den Transport von Wasserstoff über die bestehende Öl- und Gasinfrastruktur. Das ist eine sicherere und kostengünstigere Lösung im Vergleich zu anderen derzeit auf dem Markt befindlichen Transportmethoden. Bei der LOHC-Technologie von Honeywell wird Wasserstoffgas chemisch an den flüssigen Trägerstoff Methylcyclohexan (MCH, Anm. d. Verf.) gebunden. Das MCH kann am Zielort wieder in Wasserstoff umgewandelt werden.

Der Wasserstoffrat prognostiziert, dass bis zum Jahr 2050 rund 400 Millionen Tonnen Wasserstoff und Derivate transportiert werden müssen. Da die Herstellung von grünem Wasserstoff wasserintensiv ist, werden ihn viele Länder weltweit importieren müssen. Unsere LOHC-Lösung kann die Wasserstoffproduktion um etwa zehn Prozent steigern und hat das Potenzial, zwischen 3.000 und 100.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr zu produzieren.

Wie sieht es mit dem Verbrauch von Ressourcen einschließlich Wasser für die Elektrolyse aus?

Der Verbrauch von Ressourcen, einschließlich Wasser, ist ein entscheidender Faktor bei der Wasserstofferzeugung per Elektrolyse. Unsere Lösungen für grünen Wasserstoff sind speziell darauf ausgerichtet, die Ressourceneffizienz zu verbessern. Die katalysatorbeschichteten Membranen von Honeywell optimieren den Prozess, indem sie die Menge an Wasser und anderen Betriebsmitteln für die Elektrolyse signifikant senken. Das reduziert auch die Gesamtkosten.

Was ist das „Revolutionäre“ an Honeywells Entwicklungen?

Die Internationale Energieagentur (IEA, Anm. d. Verf.) hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die bestehenden Industriehäfen und die Infrastruktur zu nutzen, um Drehscheiben für kostengünstigen, kohlenstoffarmen Wasserstoff zu schaffen. Die LOHC-Lösung von Honeywell ist ein Beispiel für diesen Ansatz, weil sie die bestehende Infrastruktur für fossile Brennstoffe nutzt, um Wasserstoff zu transportieren, was die Kosten erheblich senkt und die Skalierbarkeit verbessert. Unsere Technologie trägt nicht nur zur Energiewende bei, sondern stärkt auch das Vertrauen der Investoren in die Wasserstoffwirtschaft.

Sind Ihre Entwicklungen bereits in der Praxis einsetzbar und skalierbar?

Ja. Ein Beispiel dafür ist unsere Zusammenarbeit mit ENEOS, einem führenden Energieunternehmen in Japan. ENEOS wird die LOHC-Technologie von Honeywell an mehreren Standorten einsetzen, um das weltweit erste kommerzielle Projekt für flüssige organische Wasserstoffträger zu entwickeln. Das ENEOS-Projekt zeigt, wie unsere Technologie in bestehende Verkehrsnetze integriert werden kann. Diese strategische Partnerschaft mit ENEOS ist eines von mehreren Projekten im Bereich des Wasserstofftransports, bei denen wir mit diesem Unternehmen kooperieren.

Wie trägt Honeywell grundsätzlich zu einer nachhaltigen Entwicklung in der industriellen Produktion bei?

Unsere heutige Welt basiert auf schwer zu defossilisierenden Industriezweigen wie der Erdölraffination, Gasverarbeitung, petrochemischen Produktion sowie der Zement- und Stahlherstellung. Der Übergang zu saubereren Energielösungen wird hier einige Zeit in Anspruch nehmen. Daher entwickelt Honeywell auch Lösungen, um die Emissionen der Schwerindustrie heute zu reduzieren. Ein Beispiel ist Honeywells Technologie zur Abscheidung von Kohlendioxid (CO₂, Anm. d. Verf.). ExxonMobil plant den Einsatz unserer Technologie zur CO₂-Abscheidung und Wasserstoffreinigung in einer Anlage zur Herstellung von kohlenstoffärmerem Wasserstoff in den USA. Es wird erwartet, dass mit Honeywells Technologie jährlich etwa sieben Millionen Tonnen Kohlendioxid aus dieser Anlage abgeschieden werden, was etwa dem Ausstoß von 1,5 Millionen Autos pro Jahr entspricht.

 

 

 

Wasserstoffproduktion direkt auf hoher See

Wasserstoffproduktion direkt auf hoher See

H2Mare forscht an Offshore-Technologien

Offshore-Windenergieanlagen erzeugen deutlich mehr und regelmäßiger Strom als ihre Pendants an Land. In dem Leitprojekt H2Mare arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, dieses Potenzial zu nutzen – und grünen Wasserstoff und Folgeprodukte künftig direkt auf See zu erzeugen. Aktuelle Fortschritte gibt es unter anderem bei der Kopplung von Windenergieanlage und Elektrolyseur.

Auf See sorgt stark und stetig wehender Wind für beste Bedingungen zur Erzeugung erneuerbaren Stroms. Wenn sich dieser direkt für die Produktion von grünem Wasserstoff nutzen ließe, könnte das die Kosten gegenüber der Wasserstoffproduktion an Land deutlich senken. Denn so entfallen nicht nur die Kosten für eine aufwändige Netzanbindung, sondern auch die Energieverluste infolge der zusätzlichen Umwandlungsprozesse.

Partner aus Forschung und Industrie arbeiten im Wasserstoff-Leitprojekt H2Mare daran, einen Wasser-Elektrolyseur direkt mit einer Windenergieanlage zu koppeln und damit innovative Technologien bereitzustellen, um offshore grünen Wasserstoff zu erzeugen. Damit dies gelingt, müssen sowohl der Elektrolyseur als auch die Windenergieanlage angepasst und möglichst direkt elektrisch miteinander verbunden werden. Die schwankende Stromversorgung als Basis des gesamten nachfolgenden Umwandlungsprozesses inklusive der Wasseraufbereitung und der regelungstechnischen Abstimmung des Systems gehört zu den größten Herausforderungen für die Entwicklungsingenieurinnen und -ingenieure. Doch genau das passiert jetzt erstmals in einer Versuchsanlage im Megawatt-Maßstab.

Das Wasserstoff-Leitprojekt H2Mare
Beim Leitprojekt H2Mare wird die Offshore-Erzeugung von grünem Wasserstoff und anderen Power-to-X-Produkten erforscht. Rund 30 Projektpartner aus Forschung, Industrie und Gesellschaft arbeiten dafür eng zusammen. Neben H2Giga (Serienfertigung von Elektrolyseuren) und TransHyDE (Transport- und Speicherinfrastruktur) ist H2Mare eines von drei Wasserstoff-Leitprojekten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Im Sinne der Nationalen Wasserstoffstrategie tragen die Leitprojekte zum Ausbauziel von zehn Gigawatt Elektrolysekapazität bis 2030 bei.

Erstmals WEA direkt mit Elektrolyseuren verbunden
Um die direkte Kopplung und ihre Folgen praktisch zu testen, hat das H2Mare-Projekt OffgridWind im dänischen Floe ein entsprechendes Testsystem – zunächst an Land – errichtet. Dort hat H2Mare-Projektpartner Siemens Gamesa zwei Elektrolyseure zur H2-Herstellung elektrisch so mit der Windenergieanlage (WEA) verbunden, wie das später auch auf hoher See stattfinden könnte. Mit diesem Aufbau kann das Projektteam auch die Umschaltung zwischen zwei Systemen und somit die optimale Betriebsführung testen.

Die Rückwirkungen auf die Steuerung lassen sich mit diesem Aufbau erkennen, weiter beurteilen und gegebenenfalls anpassen, da dies auch auf See einer der kritischen Aspekte sein wird. In den kommenden Monaten untersucht H2Mare nun, wie sich die schwankende Stromproduktion auf die Funktionsweise der Anlage auswirkt.

Wie eine Windenergieanlage mit integrierter Wasserstoffproduktion aussehen würde, hat H2Mare ebenfalls bereits analysiert: In Zukunft könnten alle notwendigen Anlagen auf einer Plattform direkt bei einer Offshore-Windenergieanlage untergebracht sein.


3D-Modell der H2Mare-WTG-Plattform zur Offshore-Wasserstofferzeugung sowie der Containeranlagen mit Elektrolyse- und Wasseraufbereitungseinheit
Grafik: Leitprojekt H2Mare

Testanlage zur Meerwasser-Entsalzung


Meerwasserentsalzung mit Entsalzungsanlage in Bremerhaven, Foto: Kevin Schalk, Fraunhofer IWES, Leitprojekt H2Mare

Zu diesen Anlagen zählt auch eine Einheit zur Meerwasserentsalzung für die Elektrolyse. Eine entsprechende Testanlage ist von H2Mare-Projektpartner Fraunhofer IWES in Bremerhaven in Betrieb genommen worden. Sie filtert Meerwasser, bereitet es auf, erhitzt es und erzeugt so Reinstwasser. Anders als andere Testprojekte arbeitet H2Mare bei seinen Tests bereits mit echtem Nordseewasser. Später soll Abwärme der H2-Produktion das Wasser erhitzen.

Weil das aufbereitete Meerwasser nur mit schwankenden Temperaturen zur Verfügung steht, testen Expertinnen und Experten im H2Mare-Projekt H2Wind die Anlage derzeit auch mit unterschiedlichen Betriebstemperaturen. Erste Ergebnisse zeigen, dass Wassertemperaturschwankungen zwar das Anlaufverhalten und den Energiebedarf der Entsalzungsanlage, aber nur unwesentlich die Produktionsmenge an Reinstwasser beeinflussen.

Demonstration einer Power-to-X-Prozesskette auf See
Doch nicht nur die Wasserstoffproduktion wird im Projekt unter die Lupe genommen. Auch Folgeprodukte spielen eine Rolle. Im H2Mare-Projekt PtX-Wind wird die Erzeugung weiterer Power-to-X-Produkte auf See, beispielsweise von Methan, Methanol, Fischer-Tropsch-Produkten und Ammoniak getestet. Dazu werden neben Wasser auch CO2 und Stickstoff benötigt. Diese sollen unter anderem direkt vor Ort aus der Luft (Direct Air Capture) oder dem Meer gewonnen werden.

Power-to-X-Container für den Offshore-Einsatz, Foto: KIT

Die erarbeiteten Konzepte für alle Syntheseprodukte will PtX-Wind zunächst an Land testen. Für die erste Demonstration einer Power-to-X-Prozesskette – bestehend aus einer Co-Elektrolyse und der Synthese von Kraftstoffen – haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am EnergyLab des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) einen Power-to-Liquid-Container (PtL) aufgebaut. In diesem werden Kraftstoffe per Fischer-Tropsch-Synthese aus Wasserstoff und CO2 hergestellt. 2025 wird die gesamte PtL-Prozesskette, gekoppelt an eine Co-Elektrolyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), auf einer schwimmenden Plattform auf See demonstriert. Diese wird neben der Co-Elektrolyse eine Direct-Air-Capture-Anlage, PtL-Synthese und Abwasseraufbereitung in Containern beherbergen und Fischer-Tropsch-Produkte herstellen, die später als nachhaltige Kraftstoffe, wie beispielsweise Diesel oder Kerosin, genutzt werden können.


H2Mare-Grundidee: Offshore-Windpark mit speziellen WEAs, die jeweils über einen Elektrolyseur verfügen, Grafik: Projektträger Jülich im Auftrag des BMBF

Die Ergebnisse der Forschungsaktivitäten in H2Mare werden auf der Projektabschlusskonferenz im Herbst 2025 der Öffentlichkeit präsentiert.

Autor: Christian Hiemisch, Fraunhofer IWES, Leuna

Werkstoffprüfungen als Garant für Sicherheit

Werkstoffprüfungen als Garant für Sicherheit

Ertüchtigung der Gasinfrastruktur

Damit Wasserstoff als wichtiger Bestandteil der Energiewende in Deutschland flächendeckend in Industrie, Mobilität und Energieversorgung eingesetzt werden kann, müssen neue Leitungen gebaut und zudem bestehende Erdgaspipelines für den Wasserstofftransport ertüchtigt werden. Das kann herausfordernd sein, da Wasserstoff explosiv ist und die Materialien der Leitungen angreift. Eine fachmännische Werkstoffprüfung schafft hier die nötige Sicherheit.

Die Bundesregierung setzt mit der nationalen Wasserstoffstrategie auf Wasserstoff als alternativen Energieträger für Industrie, Mobilität und Energieversorgung. H2 ist eine vielversprechende Lösung zur Unterstützung der Energiewende: Wasserstoff hat vielseitige Anwendungsmöglichkeiten, sei es in der Stromerzeugung, beim Betrieb von Brennstoffzellen für Mobilitätsanwendungen, in der Industrie oder der Heiz- und Wärmetechnik. Dadurch bringt Wasserstoff ein großes Potenzial zur Emissionsreduktion mit, Nachhaltigkeit entsteht durch den Einsatz von grünem Wasserstoff. H2 kann zudem als Langzeitspeicher dienen, da er oder seine Derivate eine bessere Speicherfähigkeit als Strom besitzen.

Für all diese Anwendungsbereiche muss Wasserstoff als Gas oder in flüssiger Form transportiert werden: in Pipelines als Rückgrat einer H2-Infrastruktur oder in Tanks auf der Straße, der Schiene oder auf See. Hierbei die nötige Sicherheit zu gewährleisten, stellt allerdings eine technische Herausforderung dar, denn Wasserstoff ist hochentzündlich und hat einen weiten Explosionsbereich. Leckagen müssen deswegen unbedingt vermieden werden, Materialien und Leitungen dicht und H2-beständig sein.

Wasserstoff kann Leitungswerkstoffe beeinträchtigen
Dies ist anspruchsvoll, da Wasserstoff mit anderen Materialien reagiert und deren Eigenschaften beeinflusst: Es kann zur Wasserstoffversprödung (engl. Hydrogen Embrittlement, HE) kommen, wenn Wasserstoffatome in Metalle eindringen: H-Atome diffundieren in die Metallstruktur und lagern sich an Gitterfehlern wie Korngrenzen, Versetzungen oder Hohlräumen an. Das vermindert die Festigkeit und die Duktilität des Metalls, also dessen Eigenschaft, sich unter Belastung plastisch zu verformen, bevor es versagt. Es wird damit unter Belastung anfälliger für Risse und Brüche.

Besonders betroffen sind hochfeste Stähle und Legierungen (Zugfestigkeit: Rm > 1.000 MPa) sowie Schweißnähte. Bei wiederholter mechanischer Belastung, etwa Druckstößen, wie sie im Betrieb von Rohrleitungen auftreten, können sich dadurch Risse schneller ausbreiten. Außerdem sind thermisch-mechanische Effekte zu beobachten: Bei höheren Temperaturen können Wasserstoffatome schneller und tiefer in das Metall eindringen, und es kann, abhängig vom Werkstoff, als ein weiterer Schädigungsmechanismus der sogenannte HTHA (High temperature hydrogen attack) zum Tragen kommen.

Bei höherem Druck steigt die Menge an Wasserstoff, die in das Metall eindringen kann. In feuchten Umgebungen können wiederum Wasserstoff und Wasser zusammenwirken und korrosive Angriffe beschleunigen. Wechselnde Temperaturen und Drücke sind dann weitere Herausforderungen.

Die Folge dieser Effekte ist eine reduzierte Lebensdauer der Transportleitungen: Das Material ermüdet schneller, Risse können entstehen und es kann zum vorzeitigen Materialversagen kommen. Das macht häufigere Wartungen, Inspektionen und den Austausch von Teilen der Anlagen notwendig, was zu Stillstandszeiten führt. Hinzu kommen Sicherheitsrisiken wie Leckagen und Explosionsgefahr.

Erdgaspipelines für den H2-Transport?
Geplant wird schon seit einiger Zeit, bestehende Erdgaspipelines für den Transport von Wasserstoff umzuwidmen. Aktuell werden in Teilen Deutschlands dem Erdgas zehn Prozent Wasserstoff beigemischt. Die Umstellung auf 100 Prozent Wasserstoff wird in Pilotprojekten derzeit erprobt. Viele der Werkstoffe der verlegten Erdgaspipelines sind grundsätzlich auch für den Wasserstofftransport geeignet. Allerdings muss auf Kompatibilität geachtet werden, weswegen eine Werkstoffprüfung unerlässlich ist, das heißt, das Material muss auf Wasserstoffversprödung und auf seine Eignung hin geprüft werden.

Zum anderen besteht bei Wasserstoff, dessen Moleküle kleiner sind als jene von Methan, eine erhöhte Diffusion durch Dichtungen und damit ein höheres Risiko von Leckagen, was zum Teil einen Austausch von Dichtungen und Ventilen erforderlich macht. Außerdem sind bessere Überwachungs- und Kontrollsysteme zur (frühzeitigen) Leckage- und Lageerkennung notwendig.

Einfluss des H2-Drucks auf die Infrastruktur messen
Wie sich Wasserstoff auf die Werkstoffe der Infrastruktur auswirkt, wird bei den Werkstoffprüfungen durch eine Kombination aus Laborprüfungen, Mikrostrukturanalysen, Simulationen und Langzeitfeldversuchen untersucht: Bei Zugversuchen werden Werkstoffproben zum Beispiel unter verschiedenen H2-Druckbedingungen belastet, um Festigkeit, Duktilität und Bruchverhalten zu messen. Kerbschlagbiegeversuche bewerten die Zähigkeit des Materials und seine Fähigkeit, Energie zu absorbieren, bevor es bricht, denn Wasserstoff kann die Kerbzähigkeit erheblich verringern.

Bei Druck- und Ermüdungstests werden Materialien zyklischen und unterschiedlichen Druckbedingungen ausgesetzt, um ihre Ermüdungsfestigkeit und ihr Verhalten unter wiederholter Belastung zu untersuchen. Weitere Erkenntnisse über Materialverhalten und -zuverlässigkeit lassen sich darüber hinaus aus Erfahrungsberichten und Datenanalysen von bestehenden Wasserstoffinfrastrukturen gewinnen.

Zusätzliche Faktoren, die für die Bewertung der Eignung von Werkstoffen für Wasserstoffpipelines relevant sind, sind auch Bruchzähigkeit und Risswachstumsverhalten. Sie lassen Rückschlüsse auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und Lebensdauer der Pipeline zu: Die Bruchzähigkeit gibt an, wie gut ein Material der Ausbreitung eines Risses widerstehen kann bzw. definiert den geringsten Wert, den ein Material aufweisen muss, um als sicher für den Einsatz zu gelten. Die Prüfungen erlauben präzise Lebensdauerprognosen und durch die Auswahl geeigneter Materialien längere Betriebszeiten.

Die Qualität der Schweißnähte der Pipelines wird durch visuelle Inspektionen, zerstörungsfreie und zerstörende Prüfungen wie die bruchmechanische Analyse ermittelt. Internationale Normen und Standards wie ASME B31.12 und ISO 11114 sowie weitere bieten Leitlinien und Mindestwerte, die die Materialien erfüllen müssen. Die Mindestbruchzähigkeit liegt zum Beispiel typischerweise im Bereich von 50 bis 100 MPam1/2.

Da noch Regelungslücken, vor allem in der nationalen und europäischen Normung, bestehen, hat das DIN die Normungsroadmap Wasserstoff initiiert. Hier werden beispielsweise aktuell mit der DIN EN 13445-15 und DIN EN 13480-11 Zusatzanforderungen für Druckbehälter und Rohrleitungen für Wasserstoffanwendungen erarbeitet.

Prüfung durch akkreditierte Prüfbetriebe
Werkstoffprüfungen sollten von einem akkreditierten Labor vorgenommen werden, um den hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. TÜV Hessen bietet als zugelassener Prüfbetrieb für die Werkstoffprüfung zum Beispiel umfassende Prüf- und Zertifizierungsdienste samt zerstörungsfreien und zerstörenden Prüfungen sowie Spezialprüfungen wie die H2-Qualifizierung an. Die Akkreditierung nach ISO/IEC 17025 bescheinigt, dass der Betrieb die Anforderungen eines international anerkannten Standards für die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien erfüllt. Die DIN EN ISO/IEC 17025 ist der weltweit gültige Standard für die Laborakkreditierung im Bereich Prüfen und Kalibrieren: Sie definiert allgemeine Anforderungen an Kompetenz, Neutralität und Arbeitsweise. Ein zugelassenes Prüflaboratorium bringt die notwendige Fachkompetenz durch technische Expertise und Erfahrung mit und gewährleistet Unabhängigkeit und Objektivität und die Einhaltung internationaler Standards und damit die Konformität. Für Unternehmen bedeutet das eine erhöhte Sicherheit, Risikominderung sowie langfristige Kostenersparnisse.

Fazit
Um Erdgaspipelines für den Transport von Wasserstoff zu ertüchtigen, muss eine Werkstoffprüfung des Materials erfolgen. Denn Wasserstoffversprödung, die durch den Betrieb mit H2 entstehen kann, führt zu vorzeitiger Materialermüdung und kann die Sicherheit beeinträchtigen. Die notwendigen Prüfungen und Versuche werden zuverlässig von akkreditierten Prüflabors durchgeführt.

Autor: Dr. Stephan Lederer, TÜV Hessen, Darmstadt

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