Kunststoff als Befähiger für wirtschaftliche Skalierung

Kunststoff als Befähiger für wirtschaftliche Skalierung

Interview mit Dr. Kai Fischer, Institutsdirektor an der RWTH Aachen

Eine effiziente Skalierung bei der Erzeugung „grünen“ Wasserstoffs ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, Wasserstoff zu einem wirtschaftlich tragfähigen Teil der Energiewende zu machen. Zu einem damit verbundenen notwendigen massiven Kapazitätsausbau kann die Kunststoffindustrie Wesentliches beitragen, denn Kunststoffe sind Hochleistungswerkstoffe, deren Eigenschaftsprofil sehr genau für die jeweiligen Anwendungen ausgelegt werden kann. Dr. Kai Fischer, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Kunststoffverarbeitung in Industrie und Handwerk (IKV) und verantwortlich für das Themengebiet Wasserstoffwirtschaft, erklärte gegenüber HZwei, warum der Austausch zwischen der Wasserstoff- und der Kunststoffindustrie so wichtig ist, welche Bedeutung Kunststoffe für die Skalierung von H2-Technologien haben und wie die Zusammenarbeit zwischen den beiden Industrien im „Hydrogen Business and Technology Forum“ fortgesetzt wird.

HZwei: Auf die in den vergangenen zwei Jahren erstellte Wasserstoffstudie folgt nun das „Hydrogen Business and Technology Forum“, um den Austausch zwischen Wasserstoff- und Kunststoffindustrie zu intensivieren. Warum ist das jetzt wichtig?

Fischer: Wasserstoff soll das Rückgrat der Energiewende werden. Heute werden etwa 96 Prozent des Wasserstoffs aus fossilen Ressourcen wie Erdgas und Kohle gewonnen. Nur vier Prozent werden mittels Elektrolyse hergestellt, und selbst für diese paar Prozent wird derzeit nur ein geringer Teil erneuerbarer Energien eingesetzt. In der Konsequenz heißt das, dass bis jetzt nur ein ganz, ganz kleiner der Teil der Produktionskapazität überhaupt geeignet ist, grünen Wasserstoff zu produzieren. Die Projektionen heute zielen jedoch alle darauf, grünen Wasserstoff herzustellen. Man muss also tatsächlich sehen, dass hier vieles komplett neu entwickelt werden muss. Es müssen große Stückzahlen an Elektrolyseuren und die entsprechende Infrastruktur dafür bereitgestellt werden – und große Stückzahlen sind immer prädestiniert für Kunststoffe. Deshalb glauben wir, dass Kunststoffe die Befähiger sind, um die Wasserstoffproduktion wirtschaftlich skalierbar zur machen.

HZwei: Und deshalb müssen sich Kunststoff- und Wasserstoffindustrie jetzt austauschen?

Fischer: Genau. Denn die Wasserstoffindustrie kennt alle Anforderungen der verfahrenstechnischen Anlagen, die Medien, die Temperaturen, die Drücke usw. Aber natürlich denken die nicht in Kunststoffprodukten, sondern eher in Metall. Es ist jedoch nicht so, dass die Bauweise einfach von Metall auf Kunststoff übertragen wird. Davon hätte man keinen Vorteil. Um für die Anforderungen von Systemen neue Lösungen zu finden, muss man über die Substitution von einzelnen Bauteilen aus Metall durch einzelne Bauteile aus Kunststoff hinausgehen und Funktionsintegration betreiben. Genau dafür muss dieses Anwendungs-Know-how kommuniziert werden, damit die Kunststoffwertschöpfungskette sagen kann, wie Lösungen in Kunststoffen idealerweise aussehen würden.

HZwei: Das heißt, die Wasserstoffindustrie ist sich der Möglichkeiten der Kunststoffindustrie noch gar nicht ausreichend bewusst?

Fischer: Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Welten. Die Anlagen für die Erzeugung oder die Umwandlung von Wasserstoff sind klassische verfahrenstechnische Anlagen. Sie bestehen überwiegend aus Edelstahl mit Edelstahlverrohrung. Die Hersteller solcher Anlagen kennen die Möglichkeiten von Kunststoffen tatsächlich eher selten. Deshalb ist es so wichtig, die H2-OEM mit ihrer Kenntnis der Anforderungen und die Kunststoffindustrie mit ihrem Know-how und ihren technischen Möglichkeiten zusammenzubringen. Nur so kann man anfangen, in hochintegrierten Produkten zu denken, die in Massen in sehr, sehr hohen Stückzahlen automatisiert gefertigt werden können. Und das ist eine absolute Notwendigkeit, wenn das Scale-up grüner Wasserstofftechnologien in angemessener Zeit und zu angemessenen Kosten gelingen soll.

HZwei: Gibt es denn in der Wasserstoffindustrie schon Beispiele?

Fischer: Ja, natürlich. Nehmen wir als Beispiel die Endplatten der Brennstoffzelle. Hier müssen viele Medien geführt werden, sowohl gasförmig als auch flüssig. Und es müssen Anschlüsse integriert werden. Baut man mit Metall, sind das sehr viele Einzelteile, die montiert werden. Inzwischen gibt es erste Anwendungen, in denen das durch ein einziges großes Spritzgussteil gelöst wird, in dem sämtliche Medienleitungen, Anschlüsse, Elektronik usw. bereits integriert sind.

HZwei: Wie kam es zu der Idee eines Netzwerkforums?

Fischer: Die Idee eines Netzwerkforums kam daher, dass wir als IKV in Kooperation mit mehr als 20 Unternehmen 2021 eine Markt- und Technologiestudie gestartet haben, um uns dieses Themengebiet ganzheitlich zu erarbeiten. Die Studie ist aber eigentlich nur die Grundausstattung. Unser Ziel war ja immer, einen kontinuierlichen Austausch zu betreiben, in dem identifiziert wird, wie Kunststoffe bei der Etablierung von Wasserstoff helfen können. Dafür braucht man Kontinuität. Und die haben wir jetzt in Form dieses Forums implementiert, das sich regelmäßig zweimal pro Jahr treffen wird. Ergänzt werden diese Treffen durch ein kontinuierliches Technologiemonitoring. Beim Kick-off haben wir außerdem beschlossen, dass es zwischen den Terminen auch einzelne Workshops zu speziellen Themen geben soll.

HZwei: Was waren Ihre Eindrücke vom Kick-off und was nehmen Sie inhaltlich mit?

Fischer: Das war eine großartige Veranstaltung. Wir hatten in Summe etwa 50 Teilnehmer im Raum und vier Keynote-Präsentationen, die zu gleichen Teilen zwischen Anwendern von Wasserstoffsystemen und Lösungsanbietern aus der Wertschöpfungskette Kunststoffe aufgeteilt waren. Es waren sehr offene und transparente Diskussionen. In den Pausen sind die Visitenkarten nur so geflogen, jeder hat sich großartig vernetzt. Als Teil der Veranstaltung haben wir auch die Weichen gestellt, um bedarfsgerecht für diese beiden Zielgruppen die Elemente der weiteren Zusammenarbeit zu definieren.

Inhaltlich nehme ich mit, dass ein sehr, sehr großer Bedarf besteht, die Systeme in den unterschiedlichen Bereichen zu verstehen – gerade auf der Seite der Kunststoffindustrie. Ich nehme auch mit, dass es viele Firmen gibt, die ungeachtet des Wettbewerbs in ihren Wasserstoffsystemen bereit sind, über die Herausforderungen zu sprechen, weil sie sich den Push des Open-Innovation-Ansatzes – also den Push aus der Zulieferindustrie – erhoffen und sich darüber künftig Wettbewerbsvorteile verschaffen wollen.

Ein weiterer Aspekt, den ich mitnehme, ist, dass die teilweise im Wettbewerb stehenden Unternehmen der Kunststoffwertschöpfungskette sehr offen für die Kooperation untereinander sind. Beispielsweise haben wir besprochen, dass wir im Konsortium sondieren, welche Prüf- und Charakterisierungsverfahren in welchen Unternehmen zur Verfügung stehen, damit sich die Unternehmen untereinander ergänzen können. So können auch ergänzende Bedarfe identifiziert und Maßnahmen zur Umsetzung abgeleitet werden. Man konnte merken, dass alle darauf gepolt sind, diesen sehr wachstumsfähigen Kuchen gemeinsam größer zu backen, anstatt Wettbewerb zu schaffen und zu versuchen, vom kleinen Kuchen das größte Stück zu bekommen. „Growing the cake!“ schien mir der Spirit zu sein.

HZwei: Sie sagen, die Markt- und Technologiestudie bildet die Grundlage für dieses Netzwerk. Was daraus sind für Sie die wichtigsten Take-aways?

Fischer: Die Wasserstoffindustrie ist noch sehr stark von klassischen verfahrenstechnischen Anlagen getrieben. Eine wesentliche Erkenntnis ist aber, dass wir die Kunststoffindustrie nicht revolutionieren müssen, um der Wasserstoffwirtschaft Lösungen anzubieten. Kunststoffe können kompatibel sein, und es gibt zahlreiche Anwendungen und gute Beispiele für die Umsetzung hochintegrierter und funktionsintegrierter Bauteile. Wenn also der Scale-up erforderlich ist und die Stückzahlen wachsen müssen, kann die Kunststoffindustrie diese Lösungen bieten, ohne die Welt neu zu erfinden. Man kann vieles aus anderen Industrien transferieren, muss aber natürlich die spezifischen Anwendungen kennen, um für die Wasserstoffindustrie geeignete Lösungen vorschlagen zu können. Die gute Nachricht ist: Es liegen jetzt nicht erst zehn Jahre Entwicklung vor uns, und die Kunststoffindustrie muss sich auch nicht grundlegend wandeln oder komplett neue Produkte entwickeln. Sie kann für jede Industrie aus dem schöpfen, was bereits da ist, um es weiterzuentwickeln und zu transferieren.

HZwei: Wie geht es nun weiter?

Fischer: Bei unserem Forumsmitglied Freudenberg hat es im August zusätzlich zu den halbjährlichen Treffen einen Workshop gegeben, um die Fragen, die beim Kick-off relativ offen adressiert wurden, mit den Teilnehmern aus dem Forum zu diskutieren. Die Idee zu spezifischen Workshops wurde während des Kick-offs geboren, weil sich die Teilnehmer einen Austausch wünschten, über den Kunststoffexpertise gezielt in die Entwicklung neuer Systeme eingebracht werden kann. Weiterhin startet das Team nun mit dem Markt- und Technologiemonitor, um den Markt kontinuierlich weiter zu beobachten.

Wir haben vereinbart, dass es mehr als eine einfache Sammlung der verfügbaren Informationen sein soll. Die Informationen sollen hinterfragt, evaluiert und eingeordnet werden. Wir werden genau schauen, wie belastbar sie sind und wie realistisch die Umsetzungsszenarien sind. So erarbeiten wir eine kuratierte Liste an Informationen, die wir vierteljährlich an die Partner im Forum weitergeben.

HZwei: Besteht die Möglichkeit, noch einzusteigen?

Fischer: Ja, die Möglichkeit besteht. Wir zielen natürlich darauf, dieses Netzwerk weiter wachsen zu lassen und freuen uns sowohl auf kleine als auch auf große Firmen der Kunststoffwertschöpfungskette und natürlich auf Firmen der Wasserstoffwertschöpfungskette. Durch die Synergien beider Industrien können wir ein Scale-up für grünen Wasserstoff meistern und wirtschaftlich gestalten.

Hydrogen Business and Technology Forum

Dr. Kai Fischer leitet das „Hydrogen Business and Technology Forum“

Das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen hat mit seinem „Hydrogen Business and Technology Forum“ ein enges Netzwerk zwischen der Wasserstoffwirtschaft und der Kunststoffindustrie geknüpft und bringt dort regelmäßig Anforderungs- und Anwendungs-Know-how mit Material- und Produktions-Know-how zusammen.

Hervorgegangen ist das „Hydrogen Business and Technology Forum“ aus einer vom IKV initiierten und im November 2022 abgeschlossenen Markt- und Technologiestudie zum Thema Kunststoffe in der Wasserstoffwirtschaft. An dieser Studie waren 20 Industriepartner beteiligt. Kick-off für das Forum war der 16. Mai 2023. Der erste Themen-Workshop befasste sich mit „Prüfung und Analyse von Kunststoffen in Wasserstoffanwendungen“ und fand am 9. August 2023 im Hause des Forumsmitglieds Freudenberg statt. Am 19. Oktober 2023 trafen sich die Forumsmitglieder wieder am IKV. Das Forum ist weiterhin offen für neue Mitglieder. Information unter: H2@ikv.rwth-aachen.de

Frustration über anhaltende Unsicherheiten

Frustration über anhaltende Unsicherheiten

HZwei: Herr Chatzimarkakis, zum Glück hat es bei der Verabschiedung der RED III nicht ganz so lange gedauert wie bei der RED II. Was sagen Sie zu dem Ergebnis?

HE: Die Verabschiedung der RED III ist ein positiver Schritt für die Wasserstoffindustrie in Europa. Sie schafft Klarheit und die Grundlage für die Förderung sowie Entwicklung von Wasserstoffprojekten und -anwendungen. Es ist jedoch wichtig, dass die Umsetzung zügig erfolgt, damit die Branche die notwendige Planungssicherheit hat, um Investitionsentscheidungen zu treffen.

HZwei: Überaus große Bauchschmerzen bereitet der H2-Industrie gerade das extrem langwierige Prozedere bei den IPCEI-Vorhaben. Angeblich soll jetzt etwas in Bewegung kommen. Können Sie das bestätigen und etwas Licht ins Dunkel bringen?

HE: Ja, die Verzögerungen bei den IPCEI-Vorhaben aufgrund manchmal europäischer und manchmal nationaler Bürokratie haben die Branche besorgt. In der Summe hat es zur Konsequenz, dass Fördermittelempfänger zu lange warten müssen und entsprechend abspringen. Das birgt die Gefahr, dass Projekte zum Beispiel in den USA verwirklicht werden könnten. Wir dürfen hier also keine Zeit verlieren. Denn der schleichende De-Industrialisierungsprozess beschleunigt sich durch solche unnötigen Verzögerungen. Um dem entgegenzuwirken, konnte ich bei dem einen oder anderen Prozess Bewegung bringen. Die IPCEI-Initiativen sind entscheidend für die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft und die Förderung von Innovationen. Es ist wichtig, dass die bürokratischen Hürden überwunden werden, damit diese Projekte vorankommen.

HZwei: Was melden Ihnen Ihre Mitglieder zurück? Bedauern sie, sich überhaupt beworben zu haben?

HE: Einige unserer Mitglieder haben Bedenken hinsichtlich der langen Verzögerungen bei den IPCEI-Projekten geäußert. Sie haben erhebliche Ressourcen in die Bewerbungen investiert und warten nun auf grünes Licht, um mit ihren Projekten voranzukommen. Es ist verständlich, dass sie über die anhaltenden Unsicherheiten frustriert sind.

HZwei: Wie lautet Ihre Empfehlung: Lieber auf Fördergelder verzichten und selber zügig starten oder weiter abwarten?

HE: Die Entscheidung, auf Fördergelder zu verzichten und eigenständig zu starten oder weiter abzuwarten, hängt von den individuellen Umständen jedes Unternehmens ab. Es ist jedoch wichtig, dass die Fördermittel so schnell, wie möglich, fließen, um die dringend benötigten Wasserstoffprojekte zu unterstützen und die Markteinführung zu beschleunigen.
Leider ist die Produktion von grünem Wasserstoff noch mit hohen Investitionskosten und wirtschaftlichen Risiken verbunden. Trotz der Fördermittel lohnt sich oft ein dauerhafter Betrieb der Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab wirtschaftlich nicht.
Daher brauchen wir auch noch alternative Wasserstoffproduktionswege, welche wettbewerbsfähiger produzieren können.

HZwei: Schauen wir jetzt mal nach Deutschland: Auf die 37. BImSchV warten viele schon seit etlichen Jahren. Wann wird es Ihres Wissens nach eine neue Verordnung geben und was wird sie Ihres Wissens nach enthalten?

HE: Es ist bedauerlich, dass die Überarbeitung der 37. BImSchV so lange dauert. Leider habe ich keine genauen Informationen darüber, wann eine neue Verordnung erwartet wird oder was sie genau enthalten wird. Es ist jedoch entscheidend, dass die Verordnung die Bedürfnisse der Wasserstoffindustrie und die Anforderungen für eine sichere sowie effiziente Wasserstoffproduktion berücksichtigt.

HZwei: Erlauben Sie jetzt noch zwei drei Fragen zu dem offenen Brief, den Hydrogen Europe kürzlich zugeschickt bekommen hat (liegt der HZwei-Redaktion vor). Darin fordern verschiedene hochrangige BranchenvertreterInnen aus dem Projektkonsortium von JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN eine „Verbesserung der Wasserstoffbetankungsinfrastruktur für BZ-Busse“. Ist dieser Brief bei Ihnen angekommen?

HE: Ja, der offene Brief ist bei uns angekommen. Wir nehmen die Anliegen der Branchenvertreter sehr ernst. Die Verbesserung der Wasserstoffbetankungsinfrastruktur für Brennstoffzellenbusse ist von entscheidender Bedeutung, um die Verbreitung dieser umweltfreundlichen Verkehrsmittel zu unterstützen. Hier könnte insbesondere Waste-to-Hydrogen ein Teil des Puzzles sein. Denn die Gestehungskosten, beispielweise aus Biogas, liegen bei 2-3€/kg. Zusammen mit der THG-Quote wird das schnell wirtschaftlich.

HZwei: Darin heißt es unter anderem: „Die Mitglieder des Konsortiums sind davon überzeugt, dass BZ-Busse eine praktikable Option für den öffentlichen Verkehr in ganz Europa darstellen können. Sie haben sich als zuverlässig erwiesen und werden sowohl von den Fahrgästen als auch von den Busfahrern sehr gut angenommen. Das Konsortium ist jedoch der Meinung, dass die technische Reife und die Fähigkeiten der Wasserstofftankstellen (HRS) deutlich unter den Anforderungen für den Betrieb einer BZ-Busflotte liegen. Das Konsortium ist der Ansicht, dass dies ein großes Hindernis und eine Einschränkung für die Kommerzialisierung und Verbreitung von BZ-Bussen darstellt und in der Tat eine Herausforderung für BZ-Fahrzeuge in ganz Europa und vielleicht sogar weltweit darstellen könnte.“ Sie werden in diesem Schreiben aufgefordert, die Bedeutung dieses Problems anzuerkennen und so schnell wie möglich Gespräche mit der Industrie über mögliche Lösungen zu führen. Was sagen Sie dazu?

HE: Die Bedenken des Konsortiums sind berechtigt. Wir unterstützen die Bemühungen, die Wasserstoffbetankungsinfrastruktur für Brennstoffzellenbusse zu verbessern. So sind wir und unsere Mitgliedsunternehmen aktiv in der Normung zu diesem Thema – zum Beispiel bei ISO und UNECE. Es ist wichtig, dass die Industrie und die politischen Entscheidungsträger zusammenarbeiten, um Lösungen für diese Herausforderung zu finden und sicherzustellen, dass Brennstoffzellenbusse ihr volles Potenzial entfalten können.
Zudem: Ein sehr positiver Effekt zum Hochlauf der Betankung wird sicherlich von der AFIR ausgehen. Dieser verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, Wasserstofftankstellen auf den zentralen europäischen Achsen sowie in städtischen Knotenpunkt zu errichten. Wir haben errechnet, dass bis 2030 insgesamt bis zu 600 Tankstellen innerhalb der EU entstehen müssen. Das wird einen deutlichen Impuls für die Nutzer von Brennstoffzellenbussen geben.

HZwei: Heißt das, dass Sie sich dieser Problematik – auch im Interesse Ihrer eigenen Verbandsmitglieder – annehmen werden?

HE: Ja, Hydrogen Europe nimmt sich aktiv dieser Problematik an und setzt sich für die Verbesserung der Wasserstoffbetankungsinfrastruktur ein. Wir sind bestrebt, die Interessen unserer Verbandsmitglieder zu vertreten und die Entwicklung der gesamten Wasserstoffwirtschaft in Europa voranzutreiben.

Interviewer: Sven Geitmann

Auszüge aus dem offenen Brief

„Wenn es etwas gibt, was der kommerzielle Betrieb von Bussen in öffentlichen Verkehrssystemen braucht, dann ist es ein HRS, das für den Betrieb verfügbar und zuverlässig ist. Dieser grundlegende Standard wird bei den derzeitigen Betankungseinheiten häufig nicht erfüllt. An fast allen Standorten der Projekte JIVE, JIVE 2 und MEHRLIN kam es zu erheblichen Ausfallzeiten der Betankungseinheit, so dass die Fahrzeuge nicht einsatzfähig waren.“

„Es hat viele Monate gedauert, um einen zuverlässigen und robusten Tankvorgang zu erreichen, wobei zahlreiche Störungen während des Tankvorgangs auftraten, die der Lieferant nur langsam beheben konnte – und das trotz der inhärenten Redundanz der Station.“

„Die Mitglieder des Konsortiums berichten über Probleme mit einer Reihe recht grundlegender Geräte zur Wasserstoffförderung. Angesichts der umfangreichen Erfahrungen der Industrie mit der Handhabung von Wasserstoff sind diese Probleme überraschend.“

„Darüber hinaus ähneln die Probleme und Kommentare denen, die bei zahlreichen Projekten aus den frühen 2000er Jahren berichtet wurden. Es ist bemerkenswert und sehr enttäuschend, dass die Leistung der Kompressoren für die Betankung von BZ-Bussen offenbar noch nicht das für den kommerziellen Flottenbetrieb erforderliche Niveau erreicht hat.“

„Die Projektstandorte haben berichtet, dass die Datenübertragung häufig unterbrochen wird, was zum Abbruch der Betankung oder zu einer längeren Betankungszeit als erforderlich führt. Der Sensor in der Düse ist nicht robust. Wenn er kaputtgeht, muss die gesamte Zapfpistole ersetzt werden, was ca. 10.000 € kostet.“

„Bei der Umstellung von Tanks des Typs 3 auf Tanks des Typs 4 in den Bussen traten erhebliche Probleme auf. Zumindest teilweise scheint dies darauf zurückzuführen zu sein, dass die Informationen von den Busherstellern nicht an die HRS-OEMs übermittelt wurden.“

„Zwar wurden Ziele wie eine HRS-Verfügbarkeit von mehr als 98 % bereits erreicht, z. B. von einigen Standorten des CHIC-Projekts, doch war eine Leistung auf diesem Niveau nur mit einem erheblichen Einsatz von Personal und finanziellen Mitteln, d. h. mit höheren Kosten, zu erreichen.“

„Gewerbliche Betreiber verlangen, dass ihre Fahrzeuge verfügbar sind, wann und wo sie gebraucht werden (und zu vertretbaren Betriebskosten). Dies ist vielleicht die wichtigste Variable, auf die die Betreiber achten, wenn sie Investitionen in neue oder zusätzliche Fahrzeuge in Erwägung ziehen. Wenn sie nicht sicher sein können, dass die Fahrzeuge bei Bedarf betankt werden können, werden alle Pläne für eine Flottenerweiterung von BZ-Bussen nicht umgesetzt werden.“

„Wir sind der Meinung, dass die anhaltenden Probleme mit der Betankung gelöst werden müssen, wenn die 407 Millionen Euro, die in den letzten 20 Jahren aus öffentlichen EU-Mitteln und den entsprechenden Mitteln von Industrie, Busbetreibern, KMU und Forschungspartnern in BZ-Busse investiert wurden, zu einer nachhaltigen Kommerzialisierung der Busse führen sollen. Wir sind davon überzeugt, dass sie kurzfristig gelöst werden können, wenn man ihnen die nötige Aufmerksamkeit und die erforderlichen Ressourcen zukommen lässt.“

Hintergründe zur Trennung des BMDV von Mister Wasserstoff

Hintergründe zur Trennung des BMDV von Mister Wasserstoff

Eigentlich hatte sich alles schon wieder beruhigt um die Causa Bonhoff, aber dann tauchten im Februar 2024 neue Informationen auf, die Bundesverkehrsminister Volker Wissing zum Anlass nahm zu handeln: Am 15. Februar entband er seinen Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten, Prof. Dr. Klaus Bonhoff, mit sofortiger Wirkung von dessen Dienstpflichten und versetzte zudem einen Referatsleiter. Anlass für die Entbindung war eine Diskrepanz im Rahmen eines Prozesses der Innenrevision im Verkehrsministerium. Zusätzliche Brisanz erhielt diese Affäre, als der Spiegel meldete, Wissing habe am 20. Februar „komplett die Bewilligung von Wasserstoffförderung“ gestoppt. Tatsächlich besteht jedoch kein Förderstopp. Es werden lediglich im Ministerium nochmalige Prüfungen durchgeführt, die zu Verzögerung führen können.

Aber der Reihe nach. Wir versuchen jetzt hier zu beleuchten, wer wie mit wem verbandelt ist und was wann geschah:

Es begann im Sommer 2023 mit einer Veröffentlichung des Handelsblatts über ein fragwürdiges Freundschafts- und Lobbynetzwerk. Der Verdacht der Vetternwirtschaft, der von unterschiedlicher Seite erhoben wurde, wird damit begründet, dass ein zu enges Geflecht an Kontakten zwischen verschiedenen Akteuren aus Politik und Wirtschaft bestehe. So wird Bonhoff vorgeworfen, dass er freundschaftlich mit Werner Diwald, dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Wasserstoff-Verbandes e. V. (DWV), sowie mit Dr. Oliver Weinmann, dem DWV-Präsidenten, verbunden sei und gemeinsam mit beiden in den Skiurlaub fahre. Weiter heißt es, Bonhoff habe dem DWV 2021 zu Fördermitteln verholfen.

Stefan Schnorr, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), wurde mit der Klärung dieses Sachverhalts beauftragt und gab laut Spiegel wenige Wochen später Entwarnung: „Keine Spur von Günstlingswirtschaft.“ Parallel dazu erhielt Bonhoff, insbesondere aus der Wasserstoffbranche, breite Rückendeckung.

Anfang 2024 kam dann aber alles nochmals hoch, nachdem der Spiegel aus dem E-Mail-Verkehr zwischen Bonhoff und Diwald zitierte (s. www.fragdenstaat.de). Daraus werde ersichtlich, so die Unterstellung, dass zwischen den Akteuren eine große Nähe und Vertrautheit bestehe.

Ungereimtheiten und Widersprüche

Tatsächlich lässt sich aus den offengelegten E-Mails ablesen, dass seitens des DWV gewisse Wünsche und Vorstellungen hinsichtlich einiger Fördermaßnahmen artikuliert wurden. So schrieb Werner Diwald beispielsweise im September 2021: „In Anbetracht der anstehenden Wahlen wäre es sicherlich gut, wenn ein Zuwendungsbescheid noch in dieser Legislaturperiode erteilt wird.“ (Spiegel, 6. Februar 2024)

Bonhoff hatte daraufhin diese E-Mail an das zuständige Fachreferat im BMDV weitergeleitet, wobei er sich nach dem Sachstand erkundigt habe, wie er gegenüber HZwei erklärte. Wie Spiegel und Tagesspiegel Background einhellig darlegen, habe er zudem dieses Projekt „mündlich befürwortet“. Ebendiese Befürwortung wurde allerdings zuvor bestritten, was nun zu weitreichenderen Problemen im Bundesverkehrsministerium führen könnte.

LobbyControl sah es daraufhin als erwiesen an, dass es sehr wohl eine Günstlingswirtschaft gab. Am 16. Februar berichtet die Internetplattform dann darüber, dass tags zuvor das Verkehrsministerium eingeräumt habe, dass es „Ungereimtheiten und Widersprüche“ bei der Vergabe der Fördergelder gegeben und Verkehrsminister Wissing deswegen Abteilungsleiter Klaus Bonhoff von seinen Tätigkeiten entbunden habe.

„Das nötige Vertrauensverhältnis des Ministers zu dem Abteilungsleiter besteht nicht mehr fort.“ BMDV-Staatssekretär Stefan Schnorr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)

Darüber hinaus bemängelt LobbyControl, dass die Compliance-Regeln im Bundesverkehrsministerium unzureichend seien und Bonhoff bei der Vergabe von Fördergeldern nicht sauber zwischen privaten und dienstlichen Kontakten getrennt habe.

Zu enges Geflecht?

Klaus Bonhoff, der aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit in Führungsfunktionen im H2– und BZ-Sektor auch als „Mister Wasserstoff“ bezeichnet wird, hatte jahrelang bei Daimler an Brennstoffzellenautos gearbeitet, bevor er 2008 Geschäftsführer der Nationalen Organisation für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie GmbH (NOW – s. HZwei-Hefte Apr. 2011 & Okt. 2019) wurde. Von dort wechselte er ins Bundesverkehrsministerium. Sein Nachfolger bei der NOW wurde im Mai 2020 Kurt-Christoph von Knobelsdorff (s. HZwei-Heft Jan. 2021).

Aufgrund seiner umfangreichen Expertise war er viele Jahre lang auf zahlreichen Branchen-Events ein gerngesehener Gast, da er auch als versierter Redner gilt, der sehr diplomatisch und präzise formuliert. Verständlich, dass insbesondere der DWV seine Nähe suchte, da in diesem Verband viele wesentliche deutsche Industrieunternehmen aus der H2-Community Mitglied sind und Bonhoff als NOW-Sprecher Hauptansprechpartner für die Beantragung von Fördermitteln im Wasserstoffsektor war. Die Bewilligung oblag hingegen damals und obliegt auch heute noch dem Projektträger Jülich (PtJ).

Die Rolle des DWV

Der DWV hat sich im Laufe der Jahre – insbesondere unter der Führung von Werner Diwald – von einem engagierten Verein motivierter Idealisten zu einem industriellen Lobby-Verband entwickelt. Einige der ursprünglichen Mitglieder, die eher die ideellen Ansätze unterstützten, kehrten deswegen dem Verband in den vergangenen Jahren den Rücken. Einige von ihnen drängten immer wieder auf weniger Industriehörigkeit und mehr Transparenz. Zuletzt legte zum Jahreswechsel Dr. Johannes Töpler, langjähriger DWV-Vorsitzender, seine Ernennung zum DWV-Bildungsbeauftragten nieder, weil er unter anderem das von ihm für elementar erachtete Thema der Aus- und Weiterbildung in der Verbandsarbeit nicht mehr angemessen berücksichtigt und gewürdigt sah.

Der DWV ist offiziell ein eingetragener Verein. Diwald setzte sich über die Jahre für die Einrichtung verschiedener Fachkommissionen ein, bei denen die mitwirkenden Firmen hohe Beiträge bezahlen, damit der DWV, unter anderem auf dem politischen Parkett in Berlin und Brüssel, deren Interessen vertreten kann. So werden regelmäßig politische Abende und Wirtschaftsgespräche organisiert, wo Repräsentanten aus Industrie und Politik zusammenkommen, so wie es heutzutage bei Verbänden üblich ist. Eine dieser Fachkommissionen, HyMobility, hat 2021 einen Millionen-Euro-Betrag an Fördergeldern über das PtJ, also aus dem Etat des Bundesverkehrsministeriums, zugesprochen bekommen, was nun Bonhoff vorgeworfen wird.

LobbyControl kritisiert in diesem Zusammenhang: „Es ist ungewöhnlich und fragwürdig, dass ein Wirtschaftslobbyverband wie der DWV einen staatlichen Zuschuss für Aufgaben bekommt, die er ohnehin tut: Netzwerke pflegen und Lobbyarbeit betreiben.“

Bonhoff entgegnete darauf gegenüber HZwei: „Die Förderung von HyMobility erfolgt analog zu dem vom BMUV geförderten Vorhaben HySteel, das zeitlich vor HyMobility bewilligt wurde.“ Genau darüber hatte am 7. Februar 2024 Tagesspiegel Background berichtet: „Das Ministerium [Bundesumweltministerium; Anm. d. Red.] ist mit dem Projekt zufrieden. ‚Solche Netzwerk-Bildungen sind effektiv und erfolgreich, dienen dem Best-Practice-Austausch und der Gründung von horizontalen und vertikalen Partnerschaften bei der Erforschung, Erprobung und Produktion.‘“

„Das Projekt HyMobility wird im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie mit insgesamt 1,8 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt.“

https://dwv-hymobility.de/organisation/

Unter den insgesamt 22 Mitgliedern von HyMobility sind auch die NOW GmbH sowie die H2 Mobility Deutschland GmbH & Co. KG. H2 Mobility ist ein Zusammenschluss verschiedener Automobil-, Industriegas- und Mineralölunternehmen sowie einem Investmentfonds, der sich um den Aufbau von H2-Tankstellen in Deutschland kümmert. So gut wie jede Station, die von dieser Berliner Gesellschaft errichtet und betreut wird, wird mit annähernd 50 Prozent Fördermitteln aus europäischen, Bundes oder Landesmitteln bezuschusst. Einer von drei Geschäftsführern ist seit April 2023 Lorenz Jung (s. HZwei-Heft Okt. 2023), nach Angaben von LobbyControl der Schwiegersohn von Dr. Oliver Weinmann. Jung, dessen Ehefrau (Weinmanns Tochter) bei der NOW in der Kommunikationsabteilung arbeitet, war quasi seit der Gründung leitender Mitarbeiter des Unternehmens.

Die Rollen von Weinmann und Diwald

Weinmann ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des damaligen Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands (s. HZwei-Heft Okt. 2010). Der gebürtige Hamburger arbeitete zunächst für die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), die 2001 mehrheitlich von dem schwedischen Großkonzern Vattenfall Europe übernommen wurden. Von 2010 bis Juli 2023 war er Geschäftsführer der Vattenfall Europe Innovation GmbH, dann war er Head of Innovation Management bei der Vattenfall Europe AG. Seit 2020 ist er zudem ehrenamtlich Präsident des DWV. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des NOW-Beirats, stellvertretender Vorsitzender der Wasserstoffgesellschaft Hamburg e.V. und hat bzw. hatte – laut seiner eigenen HyAdvice-Homepage, über die er freiberuflich Beratungsdienstleistungen, auch zu Fördermitteln, anbietet – weitere Führungspositionen inne, unter anderem bei Hydrogen Europe sowie beim Bundesverband Energiespeicher (BVES).


Dr. Oliver Weinmann bei einem parlamentarischen Abend 2022 in Berlin

Ähnlich, wie Weinmann mit HyAdvice agiert, verfährt Diwald mit der PtXSolutions GmbH, ehemals ENCON.Europe GmbH. Über diese Firma berät der DWV-Vorsitzende nebenbei Institutionen wie DWV, Encon Energy EOOD (ENCON-Tochterfirma), Enertrag (ehemaliger Arbeitgeber), NOW, Performing Energy (DWV-Think-Tank), Vattenfall Europe Innovation usw. Ursprünglich hatte ENCON.Europe einige Tätigkeiten für den DWV übernommen (s. HZwei-Heft Okt. 2020). Nach Aussage Diwalds trug die ENCON.Europe GmbH damals erheblich dazu bei, die Sichtbarkeit des DWV zu steigern, ohne selbst großartig in Erscheinung zu treten. Sie habe exklusiv den DWV und die Fachkommission Performing Energy als Markennamen im politischen Umfeld platziert und im Interesse des Verbands gehandelt. Zum Team zählte seit 2017 unter anderem Dennitsa Nozharova, die Ehefrau von Werner Diwald, die gleichzeitig auch für den DWV arbeitete und auch für Encon Energy EOOD tätig ist.


Werner Diwald ist seit 2014 DWV-Vorstandsvorsitzender

Performing Energy war die erste Fachkommission, die der DWV 2015 auf Diwald Bemühungen hin initiierte, nachdem er selbst dieses Bündnis für Windwasserstoff im Jahr 2011 gegründet und den Sprecherposten übernommen hatte (s. HZwei-Heft Jan. 2012). Neben Enertrag und Vattenfall sind dort noch weitere Mitgliedsfirmen beteiligt, die auch in anderen Gruppierungen dieses Netzwerks mitwirken.

Werner Diwald bezog zu diesem Sachverhalt gegenüber einigen Vereinsmitgliedern Stellung mit den Worten (E-Mail liegt der HZwei-Redaktion vor): „Die Verdachtsvermutungen der Medien über einen möglichen Verstoß seitens des DWV gegen Compliance-Regeln in Bezug auf die Beantragung der Förderung des Innovationsclusters HyMobility sind unbegründet. […] Eine unzulässige Einflussnahme durch den DWV hat nicht stattgefunden. Der DWV lässt sich seine satzungsgemäße Arbeit nicht fördern. […] Aufgrund der Förderung des Innovationsclusters HyMobility durch das BMDV hat sich der DWV somit eindeutig nicht in eine Abhängigkeit der Regierung begeben.“

Darüber hinaus gab es bislang von Seiten des DWV keine offizielle Stellungnahme – außer der Verweigerung der „Freigabe“ mehrere Passagen dieses Textes, weil sie „nichts mit dem gesamten Vorgang zu tun“ hätten und „nur zur Erzeugung einer unberechtigten Verdachtsvermutung“ dienten, nachdem die HZwei-Redaktion bei Diwald und Weinmann vor der Online-Veröffentlichung um eine Rückmeldung gebeten hatte.

H2-Fördergelder eingefroren

Den zwischenzeitlichen Höhepunkt erfuhr diese Affäre am Dienstag, nachdem der Spiegel berichtete, dass der Bundesverkehrsminister alle Fördergelder für H2-Projekte eingefroren habe. Demnach sollten vorerst keine Gelder für diesen Sektor mehr bewilligt und auch keine Verträge mehr abgeschlossen werden. Selbst Änderungsbescheide bedürften einer Freigabe von Staatssekretärsebene, hieß es.

Eine BMDV-Pressesprecherin stellte diesbezüglich allerdings am 21. Februar in einer Pressekonferenz klar, dass das Ministerium „nicht die Wasserstoffförderung als solche gestoppt“ habe, sondern sorgfältigere Prüfungen von Förderanträgen vorgenommen werden. Diese „fokussieren sich derzeit auf das Bewilligungsverfahren für die Fördervorhaben HyMobility des DWV“. Sollten sich im Rahmen der Untersuchung entsprechende Anhaltspunkte ergeben, werden gegebenenfalls auch weitere Fördervorhaben näher beleuchtet.

Anlass für dieses verschärfte Vorgehen scheint die Causa Brunner zu sein. Hierbei geht es unter anderem um den E-Mail-Verkehr über einen privaten GMX-Account, über den Klaus Bonhoff unter anderem mit dem bayerischen Unternehmer Tobias Brunner, Geschäftsführer der Cryomotive GmbH sowie der Hynergy GmbH und zentrale Figur beim Aufbau des Wasserstoff Technologie- und Anwenderzentrums (WTAZ) in Pfeffenhausen, kommuniziert hat. LobbyControl moniert diese „Nutzung eines privaten Mailaccount für dienstliche Kommunikation“, weil dieser Mailverkehr der ministeriumsinternen Innenrevision nicht bekannt war und somit auch nicht in deren Abschlussbericht entsprechend Berücksichtigung hatte finden können. Hierbei geht es um 14 GB an Daten, die jetzt gesichtet werden müssen.

Autor: Sven Geitmann

„Wenn es jemals ein Momentum für Wasserstoff gab, dann jetzt“

„Wenn es jemals ein Momentum für Wasserstoff gab, dann jetzt“

Interview mit Dr. Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender Deutsche Messe

„Wir bringen Leute zusammen.“ Mit diesen Worten beschrieb Dr. Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe, den Anspruch der Hannover Messe, auch 2024 wieder die Anlaufstelle im Real Life für AusstellerInnen und BesucherInnen im Industriesektor zu sein. Noch stärker als schon 2023 soll dabei in diesem Jahr Wasserstoff in den Fokus rücken. Köckler betonte die Notwendigkeit von mehr Gemeinsamkeit, indem er sagte, der Aufbau einer H2-Wirtschaft werde „nur gelingen, wenn Politik und Wirtschaft zusammen funktionieren“.

HZwei: Herr Dr. Köckler, 2023 zählte Wasserstoff bereits zu den fünf Kernthemen, die Sie während der Hannover Messe bespielt haben. Wird 2024 die Präsenz der H2-Technologie nochmals zunehmen?

Köckler: Wir gehen davon aus, dass wir im Bereich Wasserstoff einen deutlichen Anstieg erleben werden. Sowohl auf der Hydrogen + Fuel Cells Europe als auch in den anderen Ausstellungsbereichen der Hannover Messe stehen die Zeichen auf Wachstum.

HZwei: Was werden Sie vonseiten der Deutsche Messe unternehmen, um die große Bedeutung des Themas Wasserstoff herauszustellen?

Köckler: Mit dem diesjährigen Partnerland Norwegen rücken wir das Thema Energie in den Fokus, und damit insbesondere das Thema Wasserstoff. Deutschland und Norwegen haben bereits im Januar 2023 eine Energiekooperation vereinbart. In der gemeinsamen Erklärung zum Thema Wasserstoff bekräftigten die beiden Länder ihre Absicht, bis 2030 eine großflächige Versorgung mit Wasserstoff inklusive der dafür notwendigen Infrastruktur aufzubauen. Norwegen wird sich daher mit seinem Gemeinschaftsstand im Energiebereich der Hannover Messe positionieren.

HZwei: Mit der Hydrogen + Fuel Cells Europe ist eine der wichtigsten H2-Messen Europas Teil Ihrer Industrieschau. Was können die BesucherInnen dort erwarten?

Köckler: Die Hydrogen + Fuel Cells Europe ist seit rund 30 Jahren der Treffpunkt der internationalen Community. Dort trifft sie sich, dort diskutiert sie in zwei Foren alle relevanten Themen. Im Public Forum geht es um aktuelle Themen, wie zum Beispiel die Frage, welchen Beitrag Wasserstoff zur CO2-Reduktion leisten kann. Im Technical Forum werden neue Produkte und Lösungen präsentiert. BesucherInnen, die sich mit dem Thema Wasserstoff beschäftigen, erhalten dort einen umfassenden Überblick über technische Neuerungen, aber auch über unterschiedliche Anwendungsfelder.

Aber H2-Lösungen werden nicht nur auf der Hydrogen + Fuel Cells Europe in Halle 13 gezeigt, sondern auch in anderen Bereichen der Hannover Messe. Wir freuen uns, dass immer mehr Aussteller mit wasserstoff- und brennstoffzellenrelevanten Produkten vertreten sind. Insgesamt erwarten wir mehr als 500 Unternehmen in Hannover. Damit geben wir der Wasserstoffwirtschaft einen ordentlichen Schub. Die Salzgitter AG informiert zum Beispiel in Halle 13 über klimaneutrale Herstellung von grünem Stahl aus grünem Wasserstoff.

HZwei: Waren Sie auf der Hydrogen Technology Expo in Bremen? Beeindruckt es Sie, wie schnell diese Messe gewachsen ist und wie professionell sie aufgezogen wurde?

Köckler: Wenn ein Thema an Bedeutung gewinnt, dann entstehen natürlich auch neue Möglichkeiten für Messen, das ist normal. Unser Vorteil ist, dass wir das Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen bereits seit Jahrzehnten besetzen und in all dieser Zeit eine einzigartige Community etabliert haben. Diese weiß die Einbindung der Hydrogen + Fuel Cells Europe in die Hannover Messe zu schätzen, da sie hier direkten Zugang zur Industrie, zur Energiewirtschaft und zur Politik hat. Das gibt es weltweit auf keiner anderen Messe.

HZwei: Wie ist Ihre Sicht auf den deutschen Veranstaltungssektor? Welches sind die Vorteile der Hannover Messe gegenüber mittlerweile großen europäischen H2-Fachmessen wie beispielsweise in Rotterdam oder Paris?

Köckler: Die Hannover Messe ist eine horizontale Messe, auf der sich alljährlich VertreterInnen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft austauschen. Sie befruchten sich gegenseitig und treiben im Schulterschluss Entwicklungen voran. In der Halle 2 zeigen zum Beispiel WissenschaftlerInnen von führenden Forschungsinstituten, an welchen Produkten und Lösungen geforscht wird. In den anderen Hallen der Hannover Messe geht es um konkrete Anwendungen. Die Politik wird in diesem Jahr noch stärker vertreten sein als in den Vorjahren, da neben dem Bundeskanzler Olaf Scholz sowie dem Wirtschaftsminister Robert Habeck auch Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, erwartet wird.

Die EU wird insgesamt stark vertreten sein. Am ersten Messetag findet die EU-Konferenz „EU as Home of the Decarbonised Industry” im Convention Center auf dem Messegelände in Hannover statt. Auf der Veranstaltung können sich Industrievertreter mit hochrangigen EU-Politikern austauschen, um über relevante Themen wie den Green Deal zu diskutieren. Diese Möglichkeiten bietet nur die Hannover Messe. Insbesondere im Energiebereich ist der Kontakt zur Politik wichtig, da alle politischen Entscheidungen in dem Bereich Auswirkungen auf die Unternehmen haben.

Interviewer: Sven Geitmann

H2Direkt: Blaupause fürs Heizen mit reinem H2

H2Direkt: Blaupause fürs Heizen mit reinem H2

Die Thüga und Energie Südbayern (ESB) sowie Energienetze Bayern haben Teile ihres Gasnetzes in einem Testgebiet auf 100 Prozent Wasserstoff umgestellt. Mitte September 2023 wurde die H2-Einspeiseanlage des Forschungsprojekts H2Direkt in Hohenwart im Landkreis Pfaffenhofen in Betrieb genommen. Schon in dieser Heizperiode werden von dort aus zehn Kunden über das umgewidmete Gasnetz für zunächst 18 Monate mit reinem Wasserstoff versorgt.

„Die Umstellung eines Erdgasnetzes auf 100 Prozent Wasserstoff ist mit geringen technischen Umrüstungen machbar und der Betrieb ist sicher“, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bei der Inbetriebnahme. H2Direkt sei damit eine Blaupause für eine klimafreundliche Energieversorgung.

Die Einspeiseanlage reduziert den Druck des gelieferten Wasserstoffs und speist ihn mit 250 Millibar in den entsprechenden Netzabschnitt ein. Den dafür benötigten grünen Wasserstoff liefert die Westfalen AG in Trailern per Lkw nach Hohenwart.

Das Forschungsinstitut DVGW-EBI hat zuvor grünes Licht für alle im Verteilnetzbereich verbauten Komponenten gegeben. H2-tauglich sind auch alle verbauten Komponenten in den Heizungsräumen der Haushalte, inklusive der ursprünglich vorhandenen volumetrischen Gaszähler, die für die Messrichtigkeit mit Wasserstoff durchaus geeignet sind. Wegen des größeren Volumenstroms von Wasserstoff werden sie trotzdem durch handelsübliche, aber größer ausgelegte Zähler ersetzt.

Die 100 Prozent H2-fähigen Brennwertthermen kommen vom Kooperationspartner Vaillant. Als Teil des Forschungsvorhabens werden zudem Regularien für die Messung von Wasserstoff aufgestellt. Das Messkonzept ist vom Eichamt beziehungsweise Landesamt für Maß und Gewicht (LMG) für den Feldtest freigegeben. H2Direkt ist Teil des TransHyDE-Projekts Sichere Infrastruktur und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. (s. Bericht S. 15)

Autor: Niels Hendrik Petersen

Interview mit dem Wasserstoff-Experten Dr. Johannes Töpler

Interview mit dem Wasserstoff-Experten Dr. Johannes Töpler

HZwei: Dr. Töpler, wie würden Sie sich und Ihr Tätigkeitsfeld in Bezug auf den Themenkomplex Wasserstoff und Ihre Fachkompetenz beschreiben?
Meine berufliche Beschäftigung mit dem Wasserstoff begann 1977 bei DaimlerBenz mit der Aufgabe, für eine geplante Wasserstoffflotte in Kundenhand die Metall-Hydrid-Speicher zu bauen. Die Flotte war von 1984 bis 1988 in Berlin im Einsatz. 1989 habe ich mit Vorlesungen über „Erneuerbare Energien und Wasserstoff“ an der Hochschule Esslingen meine akademische Lehrtätigkeit begonnen, die bis heute andauert.
Von 2002 bis 2023 war ich im Vorstand/Präsidium des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes (2003-2014 Vorstandsvorsitzender) mit der Aufgabe, den Wassersstoff in Wirtschaft und Politik voranzutreiben.
Zurzeit fokussiere ich mich auf die Bildungsarbeit für den Wasserstoff, zum Beispiel mit dem Aufbau eines berufsbegleitenden Master-Studienganges an der Dresden International University (DIU) und der Technischen Akademie Esslingen.

Wasserstoff wird sehr emotional diskutiert. Auf Erdgas basierend ist dieser schon immer in großen Mengen im täglichen Einsatz. Ich denke da beispielsweise an die Chemieindustrie – aber eben mit CO2-Abdruck. Nun geht es um den regenerativ erzeugten, den grünen, aber auch den gelben (mit Biogas) und die Nutzung von Überschussstrom aus Kohle- und Kernkraftwerken für schwarzen bzw. roten/türkisen Wasserstoff sowie die Vermeidung von CO2-Emissionen (Dekarbonisierung). Wie sieht Ihr Zukunftsszenario aus? Von wo wird der Wasserstoff zu uns kommen? Können wir diesen selbst in ausreichender Menge produzieren, wie mancher Politiker dies so sieht?
Die emotionale Diskussion kommt häufig daher, dass von einem singulären Standpunkt aus argumentiert wird – sei es zum Beispiel von einem Vorurteil bezüglich der Wasserstoff-Sicherheit, dem Energiebedarf bei der Wasserstoff-Produktion oder einem kurzfristigen Profitstreben. Im Sinne der Bedeutung des Wasserstoffs für eine nachhaltige Energieversorgung ist es zielführender, den Wasserstoff in seiner ganzheitlichen Bedeutung zu betrachten. Diese liegt wesentlich in seiner Fähigkeit, sehr große Energiemengen im Bereich von mehreren Terrawattstunden zu speichern und damit die Fluktuationen des Angebotes der erneuerbaren Primärenergien auszugleichen. Das ist das Fundament der Versorgungssicherheit und damit von zentraler volkswirtschaftlicher Bedeutung. Dazu kommt langfristig nur CO2-freier Wasserstoff oder CO2-neutraler Wasserstoff aus Biomasse in Frage. Eventuell ist auch Wasserstoff aus Pyrolyse von organischen Abfällen und Kunststoffen denkbar, wenn das Recycling des Kohlenstoffs und anderer Reststoffe gelingt.
In der Übergangsphase, wenn eventuell noch nicht genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, um die Marktpotenziale der Wasserstoff-Technologien schnellstmöglich hochzufahren, wird auch Wasserstoff aus anderen Quellen erforderlich sein; aber bitte nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich.

Die Infrastruktur für den Transport steht auf der einen Seite – Beimischung (Blending) in Gasnetzen. Parallel soll es ausschließlich Wasserstoff transportierende Pipelines geben. Wie sehen Sie da die zukünftige Entwicklung? Auch bezogen auf andere Netze wie die Stromnetze.
Die Zumischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz ist eine erste Möglichkeit, ihn in Netzen zu verteilen. Allerdings ist dieses Verfahren nicht neu. Bereits in früheren Stadtgasnetzen mit Synthesegas war ein H2-Gehalt von circa 50 % üblich. Beispielseise wurde die erste Flotte von Wasserstoff-Fahrzeugen in Kundenhand 1984 bis 1988 in West-Berlin mit Wasserstoff betrieben, der mit einer Reinheit von 5.0 mittels eines dreistufigen PSA-Verfahren (Pressure-Swing-Adsorption) aus dem Berliner Stadtgas gewonnen wurde.
Heute laufen die ersten Versuche der H2-Zumischung im Erdgasnetz mit einem Anteil von bis zu 30 % mit gutem Erfolg inclusive der begleitenden Sicherheitsuntersuchungen zum Beispiel der Zündgrenzen des Gemisches. Eine direkte Nutzung des Gasgemisches ist allerdings nur thermisch möglich. Für eine bessere exergetische Nutzung des Wasserstoffs – zum Beispiel über die Brennstoffzelle – ist eine Abtrennung erforderlich. Daher wird die Zumischung wahrscheinlich nur in einer Übergangsphase stattfinden mit dem Ziel, am Ende ein vollständiges Wasserstoffnetz zu haben.
Zusätzlich zum Bedarf der H2-Speicherung innerhalb Deutschlands ist auch zu berücksichtigen, dass der erforderliche Import erneuerbarer Energien insbesondere bei interkontinentalem Transport nur über den Wasserstoff geht, so dass auch für dessen Verteilung ein H2-Netz erforderlich sein wird.

Wie sehen Sie die Entwicklung in der Elektromobilität bezogen auf den Einsatz der Batterie und der Brennstoffzelle in der Welt und in den verschiedenen Einsatzfeldern? Ergänzen sich beide Varianten oder stehen diese im Wettbewerb? Welche Variante hat für Sie das größte Potential? Worin könnten Hürden liegen, die mancher Entwicklung im Weg steht?
Ich bin überzeugt, dass der Brennstoffzellen-Pkw weltweit kommen wird. Er steht meines Erachtens auch nicht in Konkurrenz zum Batterie-Pkw, sondern beide ergänzen sich. Batterie-Fahrzeuge werden direkt über das elektrische Netz beladen, was bezüglich des Wirkungsgrades der Energiekette optimal ist. Das gilt aber nur, wenn das elektrische Netz ausreichend stabil ist und die Energie nicht mit Wasserstoff zwischenzeitlich gespeichert werden musste (z. B. bei Dunkelflaute). Dann wäre die direkte Nutzung des Wasserstoffs in einem H2/BZ-Fahrzeug sinnvoller. Ein H2/BZ-Fahrzeug bezieht seine Energie immer aus den Speichern und nie direkt aus dem Stromnetz und trägt damit zur Stabilisierung des elektrischen Netzes in Zeiten eines schwachen Primärenergie-Angebotes bei.
Je nach dem Fahrprofil eines Autos und der vorrangig zur Verfügung stehenden Energiequelle (z. Z. PV-Anlage mit Batteriespeicher im eigenen Haus) kann ein Batterie- oder BZ-Fahrzeug Vorteile haben. Auch die Kombination beider Technologien in einem Fahrzeug (Batterie für die täglichen kurzen Strecken – die Brennstoffzelle für die längeren Fahrten) wie beim Daimler GLC kann sinnvoll sein, weil dann Wirkungsgrad und Versorgungssicherheit gut kombinierbar sind.
Die Hürden sind aus meiner Sicht beim Batterie-Fahrzeug die CO2-Emissionen bei der Batterie-Produktion und die noch nicht gelösten Probleme des Recycling und beim H2/BZ-Fahrzeug die noch unzureichende Infrastruktur und Verfügbarkeit des grünen Wasserstoffs.

Aus China ist zu hören, dass da führende Kfz-Hersteller Prototypen für BZ-Fahrzeuge entwickelt haben. Toyota und Hyundai geben sich technologieoffen und setzen neben der Batterie auf wasserstoffbetriebene Kfz aller Art, vom Pkw (Mirai, Nexo) bis hin zu Bussen und Nfz. Was beziehungsweise welchen Weg würden Sie der deutschen Autoindustrie empfehlen? VW und andere – außer BMW – sehen die Elektromobilität ausschließlich auf die batterieelektrische bezogen. Die Brennstoffzelle und Wasserstoff finden da nicht statt. Wo stehen wir da in 10 bis 20 Jahren – in Deutschland, der EU und in der Welt?
Die Japaner (Toyota, Honda), Koreaner (Hyundai) und auch chinesische Hersteller haben angekündigt, Weltmarktführer in dieser Branche werden zu wollen. Sie fahren ihre Produktionsmöglichkeiten entsprechend hoch. Toyota und Hyundai haben die ersten Fahrzeuge auch auf dem europäischen Markt, Hyundai auch mit einer großen Lkw-Flotte in der Schweiz. Auch Daimler und VW hatten marktreife BZ-Pkw in Kalifornien im Einsatz und Daimler hat 2011 mit der Weltumrundung von drei H2/BZ-Fahrzeugen der B-Klasse die Marktreife demonstriert.
Zurzeit sind die Batterie-Fahrzeuge natürlich weit voraus. Das liegt nach Aussage der Herstellerfirmen daran, dass die strengen Klimaziele wesentlich schneller mit Batterie-Fahrzeugen zu erreichen sind, weil die Fertigungstiefen und damit auch der Personalaufwand deutlich niedriger ist. Hinzu kommt, dass die Batterieentwicklung bezüglich. Betankungsdauer, Zyklisierungsstabilität und Reichweite deutliche Fortschritte gemacht hat.
Bei Lkw, großen Arbeitsfahrzeugen (z. B. Müllsammler) und Bussen werden allerdings die Batterien so schwer oder die Ladezeiten so lang, dass H2/BZ-Antriebe deutliche Vorteile haben. Daher fokussieren die meisten deutschen Hersteller ihre Entwicklungen darauf. Es ist zu hoffen, dass diese Entwicklungen so schnell in den Markt kommen, dass wir unsere Klimaziele noch erreichen.

Wasserstoff in den Wärmemärkten (Gasheizung) wird sehr zurückhaltend betrachtet oder sogar gar von mancher politischer Seite als nicht zielführend beschrieben. Wo sehen Sie da das Potential? Firmen wie Viessmann hatten hierbei große Pläne, Gasheizungen H2-ready zu machen. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein – auch in Konkurrenz zur strombasierten Wärmepumpe?
Zunächst einmal müssen wir beim „Wärmemarkt“ unterscheiden zwischen der Hochtemperatur-Wärme für industrielle Prozesse (z. B. für die Glasindustrie) und der Gebäudeheizung. Bei der Hochtemperatur-Wärme sehe ich nur den grünen Wasserstoff als CO2-freie Wärmequelle.
Zur Gebäudeheizung sind in Japan schon einige zig-tausend Brennstoffzellen-Heizgeräte im Markt, die gleichzeitig Strom und Wärme produzieren. Dabei entspricht das Verhältnis der Strom- und Wärmemenge etwa dem Bedarf eines typischen japanischen Haushalts. In Deutschland sind die Wohnungen deutlich größer und damit auch der Wärmebedarf. Folglich müsste bei einem BZ-Heizgerät noch ein zusätzlicher Brenner für den Spitzen-Wärmebedarf eingebaut werden. Das ist sicherlich sub-optimal, da der Exergieinhalt des Wasserstoffs zu schade ist, um diesen nur thermisch zu nutzen. Darüber hinaus sind kleine Anlagen (z. B. für Einfamilienhäuser) relativ teuer. Große Anlagen (Quartierlösungen) sind deutlich rentabler – im Wesentlichen aufgrund von Skalierungs-effekten.
Ob eine Wärmepumpe oder ein BZ-Heizgerät vorzuziehen ist, hängt vom Einzelfall ab und sollte genau geprüft werden, auch im Hinblick auf die Versorgungssicherheit bei der Stromversorgung und die Bedeutung des Wasserstoffs als Energiespeicher.

Wenn Sie der Politik in Deutschland – der Ampel-Regierung, aber auch der nächsten Regierung – Empfehlungen geben würden, was die Energiewende, die Elektromobilität und auch die Wärmemärkte bezogen auf Wasserstoff angeht: Wie würden diese aussehen? Welche Maßnahmen müssten Ihrer Meinung nach getroffen werden? Wie ließe sich der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft beschleunigen? Ist der amerikanische IRA da Vorbild?
Das sind sehr viele Fragen auf einmal. Zur Strukturierung der Antworten möchte ich von der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Versorgungssicherheit ausgehen. Diese wird durch den Wasserstoff und seine Speicherfähigkeit großer Energiemengen (durch Moleküle) gewährleistet. Die erneuerbaren Primärenergien kommen vorrangig durch Elektronen in die Anwendung, und deren direkte Nutzung ermöglicht die besten Wirkungsgrade. Beides wird für eine nationale Energiestrategie gebraucht.
Hinzu kommt, dass für den notwendigen Import erneuerbarer Primärenergie Wasserstoff als Energieträger benötigt wird, insbesondere bei Importen aus Übersee. Wir sind in Deutschland in der glücklichen Situation, dass wir für die „Träger“ der Effizienz (Elektronen) und der Speicherfähigkeit (Moleküle) verfügbare Netze haben. Dabei sind elektrischen Netze noch auszubauen, die Erdgasnetze und Erdgasspeicher – soweit wie möglich auf Wasserstoff umzurüsten und gegebenenfalls neue H2-Speicher noch auszusolen.
Auf dieser Basis sollte eine nationale Energiestrategie der Regierung aufbauen, die die gesamte Wertschöpfungskette umfasst – von der Versorgungssicherheit der Rohstoffe bis hin zum Recycling aller eingesetzten Materialien. Bei der Mehrheit der Politiker, mit denen ich Kontakt hatte, war ich erfreut über den Sachverstand. Nur manchmal haben partei-ideologische Vorbehalte gegenüber dem Wasserstoff die Kommunikation erschwert. Insgesamt ist Deutschland und auch große Teile Europas auf einem guten Weg – nicht zuletzt auch durch die engagierte Arbeit des Nationalen Wasserstoff-Rates (NWR).
Es fehlen zurzeit noch Regelwerke für die Umsetzung der nationalen Wasserstoff-Strategien, so dass die Firmen noch keine ausreichende Planungssicherheit haben oder an kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Gewinn festhalten. Es ist zu hoffen, dass mit der Erstellung eines Rechtsrahmens für die Einführung des Wasserstoffs auch die Geschwindigkeit der Umsetzung zunimmt.
Aber: Die ersten Abschnitte des „European Hydrogen Backbone“ werden gebaut, und die Phantasien der all-elektrischen Welt mit der Forderung des Rückbaus der Gasnetze sind Geschichte.
Eine Förderung nach dem amerikanischen IRA-Vorbild halte ich bezüglich der Geldmenge in Deutschland für nicht realisierbar. Aber um zu verhindern, dass erfolgversprechende deutsche Entwicklungen wegen der IRA-Förderungen in die USA verlagert werden, wäre in Deutschland eine Fokussierung auf wirklich wichtige Projekte empfehlenswert. Die „ergebnisoffene“ Förderung war nicht immer zielführend.
Wenn nach einem ausländischen Vorbild für unsere Aktivitäten gesucht wird, fällt mir zuerst Japan ein, wo ein Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) nach anfänglichen umfassenden Voruntersuchungen eine Vorauswahl der zielführenden Optionen erstellt und darauf die weiteren Arbeiten konzentriert und massiv fördert.

Haben Sie Anmerkungen zum Themenkomplex, die unsere Leser interessieren sollten/dürften? Eine Vision? Ein Zukunftsszenario?
Ich habe als Vision oder Zukunftsszenario eigentlich nur das, was vermutlich jede(r) von uns hat: Dass wir es wirklich schaffen, den Klimawandel zu stoppen, damit unsere Erde auch für die kommenden Generationen bewohnbar bleibt.
Vielen Dank!

Interviewer: Sven Jösting

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