Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Monika Rößiger

28. August 2024

Titelbild: So könnte die Wasserstoffgewinnung auf hoher See aussehen

Bildquelle: Jens Cruse

Grüner Wasserstoff auf hoher See

H2-Erzeugung auf schwimmenden Offshore-Windkraft-Anlagen

Wie man die Produktion von grünem Wasserstoff schon in wenigen Jahren stark hochfahren und diesen unabhängig vom Aufbau des H2-Kernnetzes zügig im Land verteilen könnte, erläuterte Jens Cruse, Schiffbauingenieur, Ende Januar dieses Jahres vor Fachpublikum in Hamburg.

Autarke, schwimmende Windkraftanlagen, in europäischen Gewässern platziert, sollen das vor allem in der Industrie zur Defossilisierung benötigte Gas direkt auf der Plattform per Elektrolyse aus entsalztem Meerwasser herstellen und an die Trägersubstanz LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier – s. auch S. 23) binden. Shuttle-Tankschiffe, wie sie in der Ölindustrie seit langem üblich sind, könnten die wertvolle Fracht dann beispielsweise im Monatsrhythmus an Land bzw. in den nächstgelegenen Hafen transportieren.

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Jens Cruse, der sich nach Jahren in der Forschung mit einem eigenen Unternehmen selbständig gemacht hat, zählt die Vorteile der direkten H2-Erzeugung auf hoher See auf: „Durch so ein Modell lassen sich bis zu 50 Prozent der Investitionskosten sparen, weil weder Strom- noch Gasleitungen verlegt werden müssen.“ Auch entfalle der teure Netzanschluss, was die gesamten Prozesse beschleunige, denn man müsse nicht langwierige Genehmigungsverfahren abwarten. Auch die Betriebskosten verringern sich, wenn man nicht an ein Leitungssystem gebunden ist. Die sogenannten Offshore-H2-Generatoren sollen dort zum Einsatz kommen, wo viel Wind weht, und das beinahe rund um die Uhr.

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„Dafür muss man nicht bis Patagonien, Namibia oder Australien reisen“, sagt der Gründer und Geschäftsführer der Cruse Offshore GmbH. „Das haben wir in Europa direkt vor der Haustür, insbesondere vor den Küsten von Norwegen, Irland und Schottland.“ Die heutzutage noch relativ teuren Elektrolyse-Anlagen könnten dort das ganze Jahr über laufen, mit einem Maximum an frei zu erntender Windenergie.

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Auf jeden Fall kostengünstiger
Wasserstoff auf dem Meer zu erzeugen, indem man den Elektrolyseur in die Windkraft-Anlage integriert, würde sogar noch weniger Kosten verursachen als die Wasserstofferzeugung in einem Offshore-Windpark, der über ein Stromkabel mit der Anlage zur Wasserspaltung verbunden ist. Ein Vorteil der integrierten Lösung besteht auch darin, dass der Niederspannungs-Gleichstrom aus der Windenergieanlage direkt vom Elektrolyseur genutzt werden kann. Das spart schon mal die Umwandlung von Strom sowie die damit verbundenen Verluste ein. Der Transport von Wasserstoff via Pipeline ist bekanntermaßen kostengünstiger als die Weiterleitung des Stroms über Trassen. Durch eine direkte Verbindung des Elektrolyseurs mit der Windenergieanlage entfallen zusätzlich die Grundkosten, die man ansonsten etwa für eine Plattform auf See oder eine Landfläche zum Abstellen des Containers mit der Elektrolyse-Anlage einkalkulieren müsste.

Im Modell habe die schwimmende Anlage stärksten Belastungen getrotzt, erklärt Professor Moustafa Abdel-Maksoud, Leiter des Instituts für Fluiddynamik und Schiffstheorie an der Technischen Universität Hamburg (TUHH), der mit seinem Team Simulationen zur Optimierung der Anlage für extreme Wetterverhältnisse auf See und Tests im Wind- und Wellenkanal der TUHH durchgeführt hat. Nicht einmal eine mehr als 16 Meter hohe simulierte Welle habe die Funktionsweise des Systems beeinträchtigt. „Das System funktioniert einwandfrei, und es rechnet sich“, sagt Moustafa Abdel-Maksoud. „Wir sind technisch und wissenschaftlich in der Lage, das zu realisieren.“ Mit der innovativen Technik vermeide man zudem die Flächenkonkurrenz zu konventionellen Offshore-Windparks und sei für die H2-Produktion unabhängig von Überschussstrom.

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Technisch und ökonomisch machbar
Nach Jahren der Vorarbeiten und wissenschaftlichen Tests plant Cruse jetzt mit einem Konsortium den Bau einer 5-MW-Anlage, die Windkraft, Meerwasserentsalzung, Elektrolyse und H2-Speicherung in LOHC miteinander kombiniert. Das geschieht im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojektes ProHyGen, das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) unterstützt wird [1]. Dabei handelt es sich um ein Verbundvorhaben, an dem sich außer der Cruse Offshore GmbH und der TUHH auch die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Maschinen- und Getriebebauer Renk und das auf die Verarbeitung von Rohöl-Derivaten spezialisierte Unternehmen H&R beteiligen.

Dass die Erzeugung von grünem Wasserstoff auf schwimmenden Anlagen ökonomisch und technisch machbar ist, darauf weist auch ein anderes, ebenfalls vom BMWK gefördertes Projekt des Fraunhofer ISE hin [2]. Dessen Konzept sieht ebenfalls den Transport des klimaneutralen Gases per Schiff vor, allerdings nicht an LOHC gebunden, sondern in Drucktanks gespeichert, in denen der Wasserstoff auf 500 bar komprimiert ist.

Der 5-MW-Prototyp von ProHyGen soll in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) zum Einsatz kommen. Das Fundament des geplanten H2-Offhore-Generators wird aus vier Auftriebskörpern (engl. floater) bestehen, die unter Wasser verbunden und mit Ballastwasser gefüllt sind. Als Material werden Stahlbleche wie beim Schiffbau verwendet. Einer der Körper trägt die Windkraftanlage, ein anderer beherbergt eine Anlage zur Entsalzung von Meerwasser sowie einen Elektrolyseur und eine Komponente zur Einspeicherung des Wasserstoffs in LOHC. Darunter befinden sich eine Drehboje und die Ankertrossen, mit denen der H2-Offshore-Generator am Meeresboden befestigt wird. Zwei weitere Auftriebskörper bestehen aus doppelwandigen Tanks, in denen die Trägerflüssigkeit LOHC gelagert wird. Das sind normale Öltanks. Auch sonst sei bei diesem Verfahren die bereits vorhandene Öl-Infrastruktur nutzbar, betont Cruse und verweist auf die Schienen und Wasserwege, welche schon heute die Industriehäfen mit industriellen Standorten verbinden. Hamburg zum Beispiel biete da beste Voraussetzungen, weil im Hafen ansässige Unternehmen der Schwermetall-Produktion bereits als potentielle Wasserstoff-Abnehmer infrage kämen. Außerdem können die Tanks mit dem an das Trägeröl gebundenen Wasserstoff per Zug oder Binnenschiff bis tief ins Hinterland weiterverteilt werden, so wie das derzeit noch mit fossilen Energieträgern geschieht. Dieses seit langem bewährte Transportnetz reicht bis in die europäischen Nachbarländer. Eine funktionierende Infrastruktur ist zudem ein wichtiges Kriterium für einen schnellen Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft.

H2 Offshore Generator2 Kopie
Diese Skizze zeigt, wo die notwendigen Anlagen untergebracht sind

Investoren gesucht
„Nach der Erprobung des Prototyps soll die Anlage im Laufe des Jahres 2025 auf 15 MW hochskaliert und in Serie hergestellt werden“, erläutert Jens Cruse, der das Verfahren zum Patent angemeldet hat und für die industrielle Verwertung des Konzeptes zuständig ist. Das weitere Ziel des Verbundprojektes „ProHyGen“ ist die Planung von Offshore-H2-Parks im Gigawatt-Bereich. Wenn alles gut läuft, könnte mit der Installation des ersten 3-GW-Parks, der grünen Wasserstoff erzeugt, in der zweiten Hälfte des Jahres 2027 begonnen werden, so Cruse. „Dazu benötigen wir jedoch finanzstarke Partner, die diese zukunftsweisenden Innovationen begleiten möchten.“

H2 Offshore Generator3 Kopie
Der in LOHC gebundene grüne Wasserstoff kann per Schiff an Land transportiert werden

Literatur:
[1] https://www.tuhh.de/fds/research/current/modular-ship-assist-1

[2] https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2023/wasserstofferzeugung-auf-dem-meer-fraunhofer-ise-entwickelt-konzept-fuer-wasserstofferzeugung-auf-einer-offshore-plattform.html

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