Gastartikel von Jorgo Chatzimarkakis, CEO von Hydrogen Europe
Mit dem Ziel, den weltweiten Markthochlauf für Wasserstoff voranzubringen, wurde im Juni 2021 die H2Global-Stiftung gegründet. Die Kernidee dahinter ist das sogenannte „Doppelauktionsmodell“: Dabei wird die Differenz zwischen den aktuell noch hohen Weltmarktpreisen für Wasserstoff und den niedrigeren Preisen, zu denen Wasserstoff zum Beispiel in Deutschland weiterverkauft sowie wirtschaftlich genutzt werden kann, erstattet. Dadurch soll die Industrie ermutigt werden, Wasserstoff zu importieren und in Anlagen für die Wasserstoffnutzung zu investieren. Für dieses Förderkonzept stellt die Bundesregierung rund 900 Mio. Euro zur Verfügung. Im Dezember 2021 gab die EU-Kommission der H2Global-Stiftung mit der beihilferechtlichen Genehmigung grünes Licht. Über zwei Jahre später zeigt sich, dass H2Global ein wertvolles Fundament für weitere Mechanismen geschaffen hat, die in der Lage sind, nicht nur den internationalen Wasserstoff-Markthochlauf voranzutreiben – eine (kritische) Bestandsaufnahme.
H2Global ist eine der besten Erfindungen, seit es Wasserstoff gibt. Die Idee, das Risiko für die Produktion, aber auch den Import von Wasserstoff zu senken und dabei Klimaverträge einzusetzen, ist bahnbrechend. H2Global hat dafür Maßstäbe gesetzt. Viele Politiker haben erst durch dieses Förderkonzept einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten erhalten, die mit Wasserstoff einhergehen. Gleichwohl müssen wir heute eine ehrliche Bestandsaufnahme machen und uns fragen, warum H2Global nicht automatisch zu einem wichtigen Element innerhalb der Europäischen Wasserstoffbank geworden ist.
H2Global-Elemente innerhalb der Europäischen Wasserstoffbank
Die gute Nachricht ist: Seit dem Start der ersten Auktion der EU-Kommission für die Produktion von Wasserstoff Ende November 2023 steht die Europäische Wasserstoffbank in den Startlöchern. Diese hat, wie H2Global, unter anderem das Ziel, Investitionen in die erneuerbare Wasserstofferzeugung zu unterstützen. Die Bank soll also einen Beitrag zu den europäischen Wasserstoffkapazitäten für Im- und Exporte leisten.
800 Mio. Euro sind in dieser ersten Auktion in einer Pilot-Ausschreibung angeboten worden. So möchten die Verantwortlichen der EU-Kommission und der Europäischen Wasserstoffbank testen, wie reaktiv die europäische Industrie bei der Frage der erneuerbaren Wasserstofferzeugung ist. Neben der ersten Auktion war zudem wichtig, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sich dafür stark machte, drei Mrd. Euro für diesen neuen Hebel – die Europäische Wasserstoffbank – zur Verfügung zu stellen. Dieser Betrag soll bis Frühjahr 2024 fließen, tangiert aber nur die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff. Was ist jedoch mit der Nachfrageseite und der daraus resultierenden H2-Importstrategie für die europäische Industrie?
Hier müssen wir jetzt Elemente, wie sie aus H2Global bekannt sind, in die Europäische Wasserstoffbank integrieren. Während die Produktionsausschreibungen für erneuerbare Wasserstofferzeugung durch die Wasserstoffbank mit festen Prämien einhergehen, sollten die Nachfragemechanismen – also H2-Importe – durch einen Klimavertrag im Rahmen von Differenzverträgen unterstützt werden. Der Bezugspunkt für die Differenz könnte der CO₂-Preis sein.
Dabei sind die Erfahrungswerte aus dem H2Global-Modell sehr wichtig. Das Modell wird in Zukunft allerdings zu einem Marktmechanismus umfunktioniert. Widergespiegelt wird also die tatsächliche H2-Nachfrage. Vor diesem Hintergrund wäre es am besten, wenn Teile der nationalen Öl- und Gasreserven obligatorisch um H2-Reserven oder dessen Derivate ergänzt würden. Dann hätte die Wasserstoffnachfrageseite eine konkrete Quote zu erfüllen. Der Grund: Durch etwaige Wasserstoffreserven wäre eine Abnahmesicherheit gegeben. Dafür eignen sich die Elemente von H2Global, die imstande sind, einen sehr raschen H2-Markthochlauf zu gewährleisten. Bis dahin ist es ein weiter Weg, der aber bestritten werden muss.
Grundsätzlich sollte sich die Europäische Wasserstoffbank auf folgende fünf Grundprinzipien konzentrieren: Einfachheit, Umfang, Schnelligkeit, Stabilität und Nachhaltigkeit.
Eine grüne Kapitalmarktunion
H2Global und die Europäische Wasserstoffbank bilden die Speerspitze für den H2-Markthochlauf. Die Gründung einer Green Capital Market Union (CMU) hingegen bildet nicht nur für Wasserstoffprojekte ein weiteres Fundament, sondern für die gesamte europäische Cleantech-Industrie. Die Idee einer grünen Kapitalmarktunion – zusammen mit neu ausgegebenen grünen Anleihen – stammt von EZB-Präsidentin Christine Lagarde.
Es handelt sich dabei um einen mutigen Ansatz, um langfristige Sicherheit für Investitionen in Cleantech sicherzustellen. Damit sollte eine Risikoteilung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor einhergehen: Ein öffentlicher Sektor, der von der Privatwirtschaft angeführt wird. Das wäre die richtige Antwort auf die Investitionslücke und die täglich sinkende Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.
Die Idee einer grünen Kapitalmarktunion zeigt auch: Der Hauptantrieb ist Dekarbonisierung und nicht die Konzentration auf einige wenige Technologien. Die richtige Taxonomie, die sämtliche Cleantech-Technologien beachtet, die zu einer schnellen und nachhaltigen Dekarbonisierung führen, wird entscheidend sein. Frei nach dem Prinzip „Zeit bis zur Markteinführung“ im Rahmen von Innovationen sollte hier die „Zeit bis zur Dekarbonisierung“ das Leitprinzip sein. Dies führt uns zu einem reichhaltigen und komplementären Mix an sauberen Technologien.
Blick in die europäische H2– und Cleantech-Zukunft
Steigende Zinssätze sowie hohe Preise für Rohstoffe erschweren es Unternehmen aktuell, Projekte im Bereich der sauberen Energien, wie Wasserstoff, umzusetzen und Finanzmittel zu beschaffen. Entwickler warten daher mit dem Bau von Großprojekten. Sie hoffen auf sinkende Zinssätze. Die bereits knappen Fremdmittel sind noch schwieriger zu beschaffen. Außerdem verursachen diese Mittel aktuell höhere Kreditkosten. Trotz eines starken Anstiegs der Investitionen von Risikofonds in Wasserstoff zwischen 2019 und 2022 bewegt sich die Mittelbeschaffung im ersten Quartal 2023 nur auf einem Drittel des Niveaus vom ersten Quartal 2022.
Zudem sind China und die USA im Cleantech-Bereich auf dem Vormarsch. Das Engagement der Volksrepublik bei der Solartechnik und der damit einhergehenden Kostenrevolution ist bemerkenswert. Diese Tatsache hat zu einer weltweiten Abhängigkeit von chinesischen Solarpanels geführt. Der Windsektor entwickelt sich in gleicher Weise. Und das chinesische Engagement im Bereich von Wasserstoff? 2021 hatte China einen Anteil von bis zu zehn Prozent an der weltweiten Elektrolysekapazität. Heute sind es bereits 50 Prozent.
Mit H2Global, der Europäischen Wasserstoffbank und einer möglichen grünen Kapitalmarktunion haben wir Werkzeuge für eine klimaneutrale europäische Revolution in der Hand. Europa muss noch einen pragmatischen und technologieübergreifenden Ansatz akzeptieren. Dann haben wir noch immer die Chance, mit den schnellen globalen Entwicklungen Schritt zu halten – und so unabhängig wie möglich zu bleiben.
Wasserstoffverbrauch nach EU-Ländern – Balkendiagramm
Autor:
Jorgo Chatzimarkakis
Hydrogen Europe, Brüssel
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