Praxistest im Container-Terminal
An einem Container-Terminal in Hamburg entsteht ein Testfeld für Schwerlastfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. Die erste Zugmaschine ist mittlerweile im Einsatz.
Regen platscht auf die Tische, die geladenen Gäste drängen sich unter den Sonnenschirmen, an denen der Wind rüttelt. Im Container-Terminal Tollerort im Hamburger Hafen soll es heute etwas zu sehen geben. Eine gelbe Zugmaschine fährt vor, kommt auf einem leuchtend blauen Streifen vor einer Tanksäule zum Stehen. Ein Mitarbeiter steht schon bereit, hakt den Dispenser in die Tanköffnung und drückt auf den Startknopf. Der Vorgang ist recht unspektakulär. Lediglich eine Anzeige an der Zapfsäule zeigt, wie der Druck im Tank langsam steigt.
Herausforderung Retrofit
Dass so viele Menschen zum Terminal gekommen sind, liegt nicht allein an der Wasserstofftankstelle. Vielmehr ist es das Gesamtprojekt, das so viele Menschen, darunter Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard, Christian Maaß vom BMWK und Antje Roß von der NOW, den Weg nach Tollerort hat auf sich nehmen lassen. Tanksäule und Zugmaschine sind die ersten Elemente eines sogenannten H2-Testfeldes, an dem das Cluster Clean Port & Logistics arbeitet. Testfeld und Cluster wurden beide im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) gefördert, in Summe mit drei Millionen Euro.
Die Hamburger Hafen und Logistik (HHLA) will in diesem Projekt herausfinden, wie sich das Terminal klimafit machen lässt. „Vieles hier auf dem Terminal funktioniert bereits elektrisch. Den Wasserstoff wollen wir im Schwerlastbereich dort einsetzen, wo Batterien nicht reichen“, sagt Karin Debacher, Head of Hydrogen Projects bei der HHLA, die das Terminal Tollerort betreibt. Dabei geht es nicht nur um große Lasten und Leistungen, sondern auch um „Grenzen betrieblicher Art“, wie HHLA-CEO Angela Titzrath es formuliert.
Das Containerterminal Tollerort wirkt mit seinen 600.000 Quadratmetern Fläche riesig und ist dennoch das kleinste Containerterminal der HHLA. Es liegt im Stadtteil Steinwerder auf einer Art Flussinsel, von der es den größten Teil einnimmt. Daneben passen noch die städtische Kläranlage und einige kleinere Firmen – Platz für Erweiterungen ist dort nicht. Gebaut wurde es schon in den späten 1970er Jahren, automatisiert ist nur wenig.
In Feierstimmung trotz Regenwetters (von links) Karin Debacher, Leiterin Wasserstoffprojekte der HHLA, Dr. Lucien Robroek, President Technology Solutions Division bei Hyster-Yale Materials Handling, Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation, Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der HHLA, Christian Maaß, Leiter Wärme, Wasserstoff & Effizienz im BMWK, Antje Roß, Managerin Hafennetzwerke und -anwendungen bei der NOW GmbH
Im Reich der Giganten
Um die Massen von ankommenden und zu verladenden Containern zu bewältigen, sausen insgesamt 59 sogenannte Van Carrier über das Terminal. Sie erinnern an die AT-AT Walker aus Starwars, sind aber auf Rädern unterwegs. Ihre Beine sind so lang, dass sie über Container hinwegfahren können, um einen weiteren Container darauf zu platzieren oder hinunterzuheben. Bis zu 60 Tonnen bewegen sie dabei. „Einige der Van Carrier in Tollerort fahren mit dieselelektrischem Antrieb, aber ein reiner Batteriebetrieb kommt nicht infrage“, sagt HHLA-Pressesprecherin Karolin Hamann. Daneben gibt es noch sogenannte Reachstacker, die zum größten Teil aus einem langen, starken Arm bestehen. Bis zu sechs Container können sie aufeinanderstapeln.
Der Schwerlast-Fuhrpark des Hafens ist so exotisch, dass man eine Hafensafari mit dem Namen „Tour der Giganten“ buchen kann. Gemeinsam ist den Giganten, dass sie jederzeit leistungsfähig sein müssen. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Zeit um Akkus aufzuladen ist da nicht. Auch einfach mehr Fahrzeuge anzuschaffen und diese nach dem Laden auszuwechseln ist keine Alternative. Die wären nicht nur teuer, sondern es gibt auch gar keinen Platz dafür. Während das neueste Terminal der HHLA im weiter südlich gelegenen Altenwerder schon vollelektrisch und -automatisch läuft, sucht das Hafenunternehmen noch nach einer Lösung für das Bestandsterminal Tollerort. Wasserstoff soll den Durchbruch bringen.
Wenige Fahrzeuge erhältlich
Und obwohl der Wasserstoff bei den Hochleistungsfahrzeugen in der Hafen-Logistik so dringend benötigt wird, kommt er hier längst nicht so häufig zum Einsatz wie im Straßenverkehr. Um das zu ändern, haben sich die HHLA und rund 40 weitere Unternehmen aus aller Welt im Oktober 2022 im Cluster Clean Port & Logistics zusammengeschlossen. Zum Cluster gehört auch Hyster-Yales. Das Unternehmen stellt unter anderem Zugmaschinen und Leercontainerstapler her – Fahrzeuge, die im Vergleich zu den Hafengiganten schon fast alltäglich wirken. Doch ganz einfach scheint es dennoch nicht zu sein:
Eigentlich wollte Hyster-Yales schon 2022 die erste Zugmaschine für Tests zur Verfügung stellen, 2023 sollte ein Leercontainerstapler folgen. Nun ist die Zugmaschine endlich da – und wurde in Hamburg kräftig beklatscht. Angetrieben wird sie von einer Brennstoffzelle von Nuvera. Lucien Robroek, President Technology Solutions Division von Hyster-Yale Materials Handling, ist persönlich zur Eröffnung angereist. „Ganz über den Berg sind wir mit der Technologie noch nicht. Aber wir werden es schaffen“, sagte Robroek bei der Feier. Der angekündigte Leerstapler soll Ende 2024 oder Anfang 2025 folgen. Er ähnelt im Aufbau einem Gabelstapler, hat vorne aber statt der Gabel eine Art Lastenaufzug für Container, was ihn zu einem regelrechten Hochstapler macht – bis zu sechs Container aufeinander sind möglich.
Mehr Tempo beim Tanken
Doch was ist nun das Besondere am Tanken von Wasserstoff im Terminal? Allein in Deutschland gibt es fast 100 Wasserstofftankstellen. Der Unterschied zu diesen öffentlichen Standorten: Im Hafen kostet jede Minute viel Geld. Deshalb muss jedes Detail bekannt sein und jeder Handgriff sitzen. Für die ersten Inbetriebnahme-Tests haben Clusterpartner ihre Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. Das kommunale Busunternehmen VWG Oldenburg schickte einen seiner Wasserstoffbusse zum Probetanken, das Logistikunternehmen CMB.Tech aus Antwerpen einen Lkw. Nun weiß man schon mal: Im Prinzip funktioniert das Tankstellendesign.
Das sieht so aus: Der Wasserstoff wird von Lhyfe in einem Speicher angeliefert, der in einen 20-Fuß-Container integriert ist. Bei den 380 bar finden darin 450 kg Wasserstoff Platz. Lokal wird ein Teil des Wasserstoffs bis auf 550 bar nachverdichtet und in einem Mitteldruckspeicher gelagert. Die Fahrzeuge kommen zur Tankstelle, wenn ihr Druck auf etwa 30 bar abgesunken ist. Sie werden dann zunächst aus dem Trailer betankt. Und wenn dieser Druck nicht mehr reicht, schaltet die Tankstelle automatisch auf den Mitteldruckspeicher um. Wie in der neumodischen Gastronomie für Wasser hat die Tankstelle zwei Zapfhähne: einen für gekühlten und einen für ungekühlten Wasserstoff. So will die HHLA herausfinden, ob das Tanken sich mit dem vorgekühlten Wasserstoff nennenswert beschleunigen lässt. Auch Details sollen die Tests klären: Wie lange dauert ein Tankvorgang in der Sommerhitze, wie lange im Eisregen? Tankt man am besten bei Schichtwechsel oder einfach dann, wenn es nötig ist? Tankt der Fahrer selbst – oder geht es mit einem Tankwart schneller?
Was rauskommt
Nach und nach will HHLA auch seine Schwerlast-Giganten testweise mit Wasserstoff betreiben. Neben Hyster-Yale gehören auch die Hersteller Konecranes, Kalmar und Gaussin zum Cluster Clean Port & Logistics. Einen Zeitplan für die Lieferung erster Fahrzeuge gibt es aber noch nicht.
In Zukunft will die HHLA ihre H2-Tankstelle auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellen, die Fahrzeuge mit 350 bar betanken wollen. Ganz unkompliziert ist das allerdings nicht. Man muss sich über eine App registrieren und eine Sicherheitseinweisung absolvieren. Der HHLA-Sicherheitsdienst begleitet zudem die Tankwilligen bis zur Zapfsäule und zurück. Da es in Hamburg bereits vier verkehrsgünstig gelegene öffentliche Wasserstofftankstellen in verschiedenen Himmelsrichtungen gibt, dürfte der Kundenkreis der Tankstelle im Containerterminal also überschaubar sein.
Für das Gesamtprojekt ist das allerdings eine Nebenbaustelle. Vor allem warten die Cluster-Mitglieder – darunter Forschungseinrichtungen, Fahrzeughersteller, Wasserstoffspezialisten und weitere Hafengesellschaften – auf Ergebnisse, die sie in ihren eigenen Entwicklungen weiterbringen. Der Schwerpunkt der Partner liegt in Deutschland, zum Beispiel sind die Häfen von Kiel und Lübeck in dem Projekt organisiert. Allerdings sind auch der Port of Los Angeles and Neltume Ports, ein Betreiber von 17 Häfen in Chile, Argentinien, Brasilien, Uruguay und den USA, an Bord. Die Erkenntnisse aus Hamburg könnten also weltweit Schule machen.
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