Wasserstoff scheibchenweise

Wasserstoff scheibchenweise

Metallhydridspeicher als Komplettsystem

In den scheibenförmigen Pellets aus Metallhydridpulver von GKN Hydrogen lässt sich Wasserstoff über lange Zeit sicher speichern. Der Wasserstoffpionier aus dem norditalienischen Pfalzen hat ein Speicher-Komplettsystem im Containerformat entwickelt und gehört seit August 2024 zum britischen Maschinenbaukonzern Langley.

Zugegeben: Dass Metallhydride als Wasserstoffspeicher viele praktische Eigenschaften haben, ist nicht neu. Sie sind kompakt, sie brauchen weder hohe Drücke noch niedrige Temperaturen. Selbst bei einem Brand sind sie verhältnismäßig sicher, denn der größte Teil des Wasserstoffs ist fest im Metall gebunden. Deshalb versuchten Entwickler schon in den 1970er Jahren, sie in Wasserstoffautos einzusetzen. Doch bis heute gibt es kein Auto, das auf diese Technologie setzt. Einer der Gründe dafür ist, dass man bei entsprechenden Tests im Vergleich zur Wasserstoffmenge viel zu viel schweres Metall spazieren fuhr. Auch das Wärmemanagement erwies sich an Bord als schwer zu handhaben.

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Relativ neu ist hingegen der Ansatz, die Metallhydridspeicher einfach in stationären Anwendungen zu nutzen. Speicher für Inselstromnetze, Quartierskonzepte und Industriebetriebe bleiben in der Regel, wo sie sind. Auch für Wasserstoffmobilität kann man den Speicher nutzen – dann aber im Wesentlichen, um den Wasserstoff an der Tankstelle zu bevorraten.

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Wenn es sein muss, kann man den Wasserstoff in den Containern auch transportieren. Am besten geht das per Schiff oder Zug, in den Weiten der Prärie auch mal mit sogenannten Roadtrains. „Aktuell entwickeln wir in den USA einen sogenannten Mobile Refueler. Damit bringen wir den Wasserstoff in abgelegene Gebiete und schaffen dort eine Lkw-basierte Tankmöglichkeit“, sagt Dirk Bolz, Marketingleiter bei GKN Hydrogen.



Abb. 2:
Dirk Bolz, Marketingleiter bei GKN Hydrogen

Dass es sich beim verwendeten Material um eine Eisen-Titan-Legierung handelt und ein Speichercontainer für 250 kg Wasserstoff mitsamt der nötigen Peripherie über 30 Tonnen wiegt, fällt bei diesen Anwendungen kaum noch ins Gewicht. Damit umschifft GKN Hydrogen ein Hauptproblem der Technologie. 

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Auch für andere Herausforderungen fand das Unternehmen Lösungen: „Unser Spezialwissen und geistiges Eigentum steckt vor allem in zwei Bereichen. Einer ist das Produktionsverfahren – das heißt, wie man aus Metallpulver ein gebundenes Material presst“, sagt Bolz. Anfangs formte man das Pulver noch zu kleinen Pellets, heute sind es eher runde, flache Scheiben. „Der andere Bereich ist das Be- und Entladen des Speichers – das heißt, die thermische Zyklierung des Speichers.“

Die eigentliche Speichereinheit ist als Rohr-in-Rohr-System aufgebaut (s. Abb. 1). Im inneren Rohr umströmt der Wasserstoff die Scheiben aus gepresstem Metallpulver. Im äußeren Rohr fließt ein Wärmeträgermedium. Dieses führt die Wärme ab, die entsteht, wenn der Wasserstoff sich an das Metall bindet. Umgekehrt dient Wärmezufuhr dazu, den Speicher zu entladen.

Zehn Jahre Forschung an Wasserstoffspeichern

Die Firmengeschichte von GKN reicht bis zu den Anfängen der Industrialisierung zurück. Sie begann im 18. Jahrhundert in einer Eisenhütte in Dowlais in Südwales. Das Unternehmen beschäftigte sich seither mit verschiedenen Industrietechnologien, darunter der Herstellung von Stahl, Schrauben und Antriebswellen für Pkw. Die GKN Powder Mellallurgy mit Hauptsitz in Bonn ist in der internationalen Firmenfamilie der Spezialist für pulverförmige Metalle. Seit gut einem Jahrzehnt tüfteln die Entwickler dort an der Anwendung von Metallhydriden für die Wasserstoffspeicherung. Gefertigt wird das Metallpulver in den rund um den Globus verteilten Werken des Unternehmens.

Die Fertigung der containerbasierten Komplettsysteme war bis 2023 im Werk von GKN Sinter Metals in Bruneck in Südtirol angesiedelt. Dort entstanden die ersten Pilotanwendungen. „Das war am Anfang eine Off-Grid-Lösung für ein Ferienhaus und Demonstratoren an unseren Standorten. Es folgten schon bald die ersten vollintegrierten Power-to-Power-Systeme, die vom Elektrolyseur und Speicher bis zur Brennstoffzelle alles beinhalteten“, erzählt Bolz. Vor einem Jahr zog GKN Hydrogen in die 3.000-Einwohner-Gemeinde Pfalzen vor den Toren Brunecks, wo nun die Speichersysteme produziert und weiterentwickelt werden.

Levelized Cost of Storage entscheidet

Als Industrieunternehmen ist für GKN klar, dass der Preis ein zentrales Entscheidungskriterium für die Kundschaft ist. Bei den aktuellen Stückzahlen liegen die Investitionskosten für ein Metallhydrid-Speichersystem je nach Anwendung etwa beim anderthalbfachen eines vergleichbaren Druckspeichers, so Bolz. „Doch je nach Einsatzgebiet liegen die TCO, also die Total Cost of Ownership, unserer Speicher gleichauf oder sogar unter denen von Druckspeichern. Das liegt an den deutlich geringeren Wartungskosten.“ Er empfiehlt daher, auf die projektspezifischen Levelized Cost of Storage (LCOS) zu schauen.

Da sich die Kernkomponenten des Speichers nicht bewegen, fallen im Vergleich zu Hochdrucksystemen mit Kompressoranlage die Wartungskosten niedriger und die Lebenserwartung des Speichers höher aus. Auch der Wirkungsgrad ist höher. Denn ist der Wasserstoff einmal im Metall gebunden, bleibt er dort – im Gegensatz zu Gas- oder gar Flüssigspeichern, bei denen sich ein Teil der Moleküle über die Zeit verabschiedet. Zudem arbeitet der Metallhydridspeicher bei geringem Druck, was je nach Druckstufe bei Erzeugung und Anwendung deutlich Energiekosten sparen kann.

Vergleich und Abgrenzung zur Batterie

Neben den reinen Wasserstoffspeichern bietet GKN Hydrogen auch fertige Power-to-Power-Lösungen an, in denen Elektrolyseur und Brennstoffzelle schon enthalten sind. Diese ähneln in Bezug auf die Maße und die Energiedichte gewerblichen Batteriesystemen. Das Speichersystem HY2MEDI findet mitsamt Brennstoffzelle und Elektrolyseur in einem 20-Fuß-Container Platz. Es fasst 120 kg Wasserstoff. Daraus kann es mit der eingebauten Brennstoffzelle etwa 2 MWh elektrische Energie liefern. Zum Vergleich: Der Batteriespeicher eines bekannten Herstellers im selben Format hat eine Kapazität von 1,9 MWh.

Doch ihre Stärken haben die Metallhydride und die Batterien jeweils in recht unterschiedlichen Anwendungen. Wo viele, kurze Speicherzyklen gefragt sind, hat die Batterie klar die Nase vorn. Den Zyklenwirkungsgrad beziffert der Batteriehersteller mit „bis zu 98 Prozent“. Beim Metallhydridspeicher liegt die rein elektrische Effizienz lediglich bei 32 Prozent. Wer zugleich Wärmebedarf hat, kann immerhin einen nennenswerten Teil der Verluste noch zum Heizen nutzen und kommt auf einen Gesamtwirkungsgrad um 70 Prozent. „Der Einsatzbereich unserer Speicher bei Gebäuden oder Back-up-Lösungen für kritische Infrastrukturen liegt bei längeren Speicherzeiträumen, ab etwa zwei Tagen bis hin zu mehreren Wochen oder Monaten.“


Abb. 3: Das komplette Speichersystem von GKN Hydrogen ist als Containerlösung erhältlich

„In der Industrie sind dann eher die Speichermengen und die Zyklierungsdynamik ausschlaggebend“, betont Bolz daher. Denn wird die Energie lange nicht abgerufen, steigen bei der Batterie die Verluste – nicht aber beim Metallhydrid. Punkten kann der Metallhydridspeicher auch bei der Zyklenfestigkeit. Nach 3.500 Zyklen liegt die Kapazität laut GKN noch immer bei 99 Prozent des Anfangswerts. Auch danach zeigt sich der chemische Speicher bislang stabil. „Wir haben bisher etwa 6.000 Zyklen mit unseren Speichern gefahren. Dabei haben wir keine mechanische Abnutzung oder chemische Degradation beobachtet“, sagt Bolz.

Vorteile bei der Sicherheit

Sowohl Wasserstoff als auch Batterien benötigen besondere Sicherheitsvorkehrungen, vor allem in Bezug auf den Explosions- und Brandschutz. Bei Batterien gibt es mittlerweile viele Erfahrungen, die Berührungsängste sinken auch bei Anwendungen in Wohngebäuden. Neue Batteriematerialien werden zudem in naher Zukunft deutlich mehr Brandsicherheit bringen.

Wasserstoff in Drucktanks ist jenseits von Industrieanwendungen dagegen weitgehend neu. Gerade mit Anwendungen in Wohnhäusern oder -quartieren gibt es wenig Erfahrung und viel Skepsis. Da könnte der Metallhydridspeicher helfen.

„Nur etwa vier Prozent des in unserem Speicher eingelagerten Wasserstoffs liegen als Gas vor. Der Rest ist chemisch gebunden, also fest“, erklärt Bolz. Das reduziert die Brandlast und das Explosionsrisiko auf ein Minimum. Was im Vergleich zu Batterien bisher fehlt, sind die Routinen im behördlichen Genehmigungsverfahren. Bisher würden die Behörden noch dieselben Nachweise fordern wie für Hochdruckspeicher, so Bolz. Er geht aber davon aus, dass sich das bald ändert. „Wir sind gerade dabei, mit Simulationen und Testinstallationen zu belegen, dass unsere Speicher die sichersten sind, die es auf dem Markt gibt.“

Gerade auch das Thema Sicherheit hat für GKN erst kürzlich die Tür in den japanischen Markt geöffnet. Für Hochdruckspeicher mit 10 bar und mehr gelten dort nämlich strenge Sicherheitsauflagen. Deshalb hat Mitsubishi Corporation Technos, ein japanisches Handelsunternehmen für Industriemaschinen, vor wenigen Monaten ein Memorandum of Understanding mit GKN Hydrogen unterzeichnet.

Übernahme durch Langley Holdings

Im Sommer meldete GKN Hydrogen noch eine große Neuigkeit: Seit Anfang August gehört das Unternehmen zur britischen Langley Holdings. Diesem Schritt waren mehrere Umbauten bei GKN vorausgegangen. Im Jahr 2018 kaufte die Luftfahrt- und Beteiligungsgesellschaft Melrose Industries die GKN-Gruppe. Die GKN Hydrogen war damals noch eine Business Unit, sie wurde erst 2021 zu einem eigenen Unternehmen innerhalb der Gruppe. Im Jahr 2023 trennte Melrose einen Teil der GKN-Firmen als Dowlais Group ab, darunter die GKN Hydrogen.

Der neue Besitzer Langley ist ein familiengeführtes britisches Unternehmen, das in den 1970ern als Zulieferer für die Kohleindustrie begonnen hatte und seither zu einem der größten britischen Privatunternehmen angewachsen ist. Mit 90 Niederlassungen und 5.000 Mitarbeitenden rechnet Langley für 2024 mit einem Umsatz von rund 1,5 Mrd. US-Dollar. Etwa die Hälfte davon soll aus der Power Solutions Division stammen, zu der auch GKN Hydrogen fortan gehören soll. Weitere Firmen in diesem Bereich sind Bergen Engines, ein norwegischer Hersteller von mittelschnelllaufenden Motoren, die italienische Marelli Motori, ein Hersteller von Elektromotoren und Generatoren, und die deutsche Piller Group, ein Anbieter für Systeme zur unterbrechungsfreien Stromversorgung.

Guido Degen, CEO von GKN Hydrogen, bezeichnet die Übernahme als Chance für das Unternehmen, die Entwicklung zu beschleunigen. Man freue sich auf die „potenziellen Synergien“ mit den anderen Firmen des Geschäftsbereichs. GKN Hydrogen sah sich schon vor der Übernahme fertig zum Durchstarten. „Stand heute haben wir weltweit 27 Systeme gebaut und installiert“, sagte Bolz im Frühsommer. Damit kommt GKN Hydrogen auf eine Speicherkapazität von 60 MWh weltweit. „Das ist kein Laborstatus mehr, sondern ein Technology Readiness Level von 9. Die Fertigungsabläufe sind standardisiert. Eine skalierte Serienfertigung, mitsamt den daraus resultierenden Kostenvorteilen, ist jederzeit möglich – wir sind quasi auf das prognostizierte Wachstum der Branche vorbereitet.“

Parteien entwerfen eigene Wasserstoffstrategien

Parteien entwerfen eigene Wasserstoffstrategien

Karliczek
Anja Karliczek, © BMBF, Hans-Joachim Rickel

Die lange Rangelei der Bundesministerien um die Ausformulierung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) hat dazu geführt, dass der Handlungsdruck in beiden Regierungsparteien vor der Sommerpause extrem angestiegen ist. So forderten Anfang Mai 2020 insgesamt zwölf Unionsabgeordnete in einem Positionspapier einen zügigen Aufbau einer „grünen“ Wasserstoffproduktion sowie eine Partnerschaft mit afrikanischen Staaten. Von Seiten der SPD-Bundestagsfraktion hieß es kurzdarauf dazu ebenfalls, wolle man eine ambitioniertere H2-Strategie sowie einen schnellen Hochlauf der H2-Wirtschaft.

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