Hydrogen Valley in polnischer Grenzregion

Hydrogen Valley in polnischer Grenzregion

Die Idee der Hydrogen Valleys – Regionen, in denen die Entwicklung von Wasserstofftechnik gezielt gefördert wird – ist in Polen nicht neu. Es gibt schon einige derartige Projekte, die nicht selten mit einer Strukturförderung für ehemalige Kohleregionen einhergehen. Nun soll ganz im Nordwesten Polens die sechste Wasserstoffförderregion entstehen.

Die Entscheidung für ein Hydrogen Valley auf Usedom und Wollin ist aber im Vergleich zu den anderen Valleys ein Sonderfall in der polnischen Wasserstoffpolitik: Das Gebiet ist relativ klein, die maritime Wirtschaft steht im Mittelpunkt, und die Gasleitungsnetze spielen hier im Gegensatz zu den anderen Fördergebieten eine zentrale Rolle.

Das Usedom-Wollin Hydrogen Valley will die natürlichen Gegebenheiten und die Infrastruktur der Region voll ausschöpfen. Der Import und die Produktion von Wasserstoff zielen daher darauf ab, die Schiffe auf den Inseln Usedom und Wollin mit diesem Rohstoff zu versorgen.

Das Memorandum über die Gründung des (auf Polnisch) Usedom-Wolinski Hydrogen Valley wurde am 3. Juni 2022 unterzeichnet. „Die Absichtserklärung ist Ausdruck eines gemeinsamen Verständnisses der Notwendigkeit, Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität und zum Aufbau einer lokalen kohlenstoffarmen Wirtschaft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu ergreifen, wobei der Schwerpunkt auf der Verwendung von Wasserstoff als Energieträger im emissionsfreien und emissionsarmen Land- und Seeverkehr einschließlich der Speicherung und des Baus von wasserstoffbetriebenen Schiffen liegt“, hieß es dazu in der Veröffentlichung der städtischen Verwaltung.

Mit Rückhalt der Politik

Die Förderregion, die sich ganz speziell auf die Stadt Świnoujście und deren direkte Umgebung bezieht, verfügt seit Beginn über den vollen Rückhalt der jeweiligen städtischen Politiker. So erklärte Janusz Żmurkiewicz, Stadtpräsident von Świnoujście: „Unsere lokale Regierung hat in diesem Fall eine partnerschaftliche Rolle. Von Anfang an haben wir die Aktivitäten zur Verwirklichung des Projekts unterstützt. Eine davon war die Unterzeichnung einer Absichtserklärung. Aufgrund der Lage ist Świnoujście prädestiniert für die Realisierung dieser Art von Projekten. Wir haben Bauland, auf dem diese Art von Aktivität ihren Platz finden könnte. In unmittelbarer Nähe dieser Standorte befindet sich ein Flüssiggasterminal, das eine Quelle für Wasserstoff sein könnte, so dass wir – sobald das Projekt realisiert ist – mit höheren Einnahmen für den städtischen Haushalt rechnen.“

Im Rahmen der finanziellen Absicherung der Förderregion wurde eine Zusammenarbeit mit der Bank Gospodarstwa Krajowego (BGK) vereinbart. Die BGK setzt im Auftrag der polnischen Regierung die sogenannte 3W-Strategie (Wasser-Wasserstoff-Kohlenstoff) um. Dabei geht es um die Einführung von Innovationen in der Bewirtschaftung von Wasserressourcen, die Nutzung von Wasserstoff als Teil der Energiewende und die Entwicklung moderner Kohlenstofftechnologien für die Entwicklung innovativer Materialien und Technologien.

Im Zentrum der wirtschaftlichen Umsetzung und Nutzung steht das Unternehmen Ecoenergy H2, das an diesem Standort die H2-Produktion und -Speicherung, den Export und Import von flüssigem Wasserstoff sowie den Vertrieb von Wasserstoff realisieren möchte. Das Unternehmen will die Synergien der maritimen Region im Hinblick auf die Wasserstoffwirtschaft bündeln. Es geht vor allem darum, die Möglichkeiten des konventionellen Hafens, der Werftindustrie und der LNG-Terminalinfrastruktur optimal zusammenzuführen.

Für Piotr Kosowicz, den Eigentümer von Ecoenergy H2, hat der Standort einen besonderen Vorteil gegenüber den anderen polnischen Wasserstoffregionen: Świnoujście liegt direkt an der Grenze, und Deutschland ist, so Kosowicz, das Land, in dem sich die Wasserstoffindustrie am schnellsten entwickelt.

In dem Geschäftsmodell von Ecoenergy H2 geht es bei der Herstellung von Wasserstoff erst einmal nicht um Elektrolyse, denn Kosowicz will sich zuerst auf die Pyrolyse von Erdgas konzentrieren. Dafür bieten Usedom und Wollin gute Voraussetzungen. Über das Flüssiggasterminal vor Ort kann Erdgas importiert, aber auch Wasserstoff exportiert werden. Ebenso ist eine Zukunftsvariante möglich, bei der Wasserstoff über das Terminal nach Polen transportiert wird. Die auf der Insel Wollin gelegenen Speicheranlagen sind als Vorratsbehälter für das Wasserstoffprojekt gedacht. Der Transport des Wasserstoffs soll über Straßentankwagen, Eisenbahntankwagen und über die Gasleitungen möglich sein. Dazu könnten die Anschlüsse des Gasfernleitungsnetzes vom LNG-Terminal an das nationale Fernleitungsnetz genutzt werden, was eine direkte Einspeisung des Wasserstoffs in das Erdgasnetz ermöglichen würde. Darüber hinaus werden auch Wasserstofftankstellen für Lastwagen und Schiffe entstehen.

Vor Ort sollen Wasserstofftankstellen zur direkten Betankung von Pkw und Lkw bereitgestellt werden: „Unser Endverbraucher ist ein gewöhnlicher Nutzer von Energiesystemen. Deshalb ist es wichtig, dass bei der Umsetzung dieses Projekts die Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen zu einem marktfähigen Preis im Vordergrund steht“, erklärte Kosowicz.

Der Geschäftsplan von EcoEnergyH2 und damit die Erfolgsaussichten für das gesamte Baltic Hydrogen Valley hängen jedoch in hohem Maße vom Preis und der Verfügbarkeit von Erdgas ab. Dieser Rohstoff könnte in diesem Fall importiert werden, was die Infrastruktur der Gashäfen erlaubt. Auch die Förderung von begrenzten Gasmengen vor Ort auf der Insel Usedom sollte nicht völlig ausgeschlossen werden. Bis August 2022 hat der polnische Mineralöl- und Erdgaskonzern PGNiG noch keine Genehmigung für die Gasförderung an diesem Standort erteilt, aber auf der deutschen Seite der Insel Usedom hat das französische Unternehmen Engie eine Genehmigung für die Förderung beantragt. Die örtliche Gemeinde lehnte diese Möglichkeit jedoch ab. Laut den Prognosen von Engie befindet sich das Gasfeld nördlich des Strandes von Heringsdorf in einer Tiefe von 2.600 Metern, was bedeutet, dass ein Teil des Feldes bereits auf der polnischen Seite der Grenze liegen könnte. In einem Interview mit der Wasserstoff-Akademie schloss Piotr Kosowicz die Förderung von Gas auf der Insel Usedom jedoch aus, da er die Reserven für zu gering hält.

Autorin: Aleksandra Fedorska

Abb. 1: Alumare-Werft – Sitz von EcoEnergyH2 im Hafen von Świnoujście

Grüner Wasserstoff wird Sonderschwerpunkt der Husum Wind

Grüner Wasserstoff wird Sonderschwerpunkt der Husum Wind

Die WindEnergy in Hamburg und die Husum Wind in Nordfriesland finden jeweils in zweijährigem Wechsel statt – in der Hansestadt eher international, in der „grauen Stadt am Meer“ eher national ausgerichtet. Zur Bedeutung von Wasserstoff für Husum befragte HZwei im Oktober 2022 die dortige Messegesellschaft.

H2-Müllwagen auf dem Husumer Messegelände

Inwieweit wird Wasserstoff in Zukunft eine Rolle bei der Husum Wind spielen?

Aufgrund der zentralen Bedeutung für den Industriestandort Deutschland ist das Thema Grüner Wasserstoff erneut Sonderschwerpunkt der Husum Wind im nächsten Jahr. Mit einer erstmals separaten Wasserstoff-Themenfläche in Halle 5 sowie einem dazugehörigen Forenprogramm schafft die Messe eine eigene Plattform und bietet Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den führenden Technologieunternehmen in diesem Sektor und Endabnehmern.

Wird es eine Weiterführung der ehemaligen New Energy geben?

Die New Energy wurde 2018 das letzte Mal durchgeführt und es wird sie in dieser Form nicht mehr geben. Vom 9. bis 12. März 2023 werden in Husum dafür die Future Energy & Mobility Days stattfinden. Es ist die erste Messe, die alle Zukunftstechnologien aus dem Mobilitäts- und Energiebereich an einem Ort präsentiert – vom E-Roller bis zur riesigen Landmaschine, von der Wallbox bis zur Photovoltaik- und Kleinwindanlage. Zukunft zum Anfassen und Ausprobieren. Neben der großen Ausstellung stehen Informationen und Konferenzen zu den bewegenden Themen der Zukunft auf dem Programm.

In welchem Rahmen soll in den nächsten Jahren die watt_2.0-Konferenz durchgeführt werden?

Auch 2023 setzen watt_2.0 und Husum Wind ihre Kooperation fort. Die H2.0-Konferenz „Grüne Wasserstoff-Wirtschaft in den Regionen“ von watt_2.0 wird im Rahmen der Husum Wind am Vor-Messetag, dem 11. September 2023, stattfinden. Am ersten Messetag wird die Konferenz „Industry meets Renewables“ abgehalten, und während der gesamten viertägigen Messelaufzeit wird es ein offenes Fachforum geben.

Noch haben wir die Wahl

Noch haben wir die Wahl

Dieses Buch ist bereits heute – nicht nur in „Klimakreisen“ – ein Spiegel-Bestseller, obwohl es in ungewohnter Form daherkommt. Es ist kein „Erklärtext“, sondern ein Gespräch – kein Interview, weil beide Akteure gleichberechtigt den jeweils anderen ausfragen, selbst aber auch viele persönliche Details preisgeben.

Im Zentrum der Betrachtung steht der sich seit Pandemiebeginn vollziehende Wandel vom vorherigen theoretischen in den praxisorientierten Teil der sozial-ökologischen Transformation – vom reinen Reden zum Machen. Neubauer nennt dies den „materiellen Wandel“.

Dabei kommt die Aktivistin stets deutlich länger zu Wort als ihr Gesprächspartner, während dieser, der Journalist Ulrich, im Vergleich dazu häufig leicht provozierende Anmerkungen einstreut, was durchaus unterhaltsam ist. Insgesamt lässt sich dieses „Gespräch über Freiheit, Ökologie und den Konflikt der Generationen“ sehr gut lesen, da es Perspektiven und Potentiale aufzeigt – denn „noch haben wir die Wahl“. Absolut empfehlenswerte Lektüre.

Neubauer, Luisa; Ulrich, Bernd; Noch haben wir die Wahl, Tropen Verlag, ISBN 978-3-608-50520-7, 2022

Unregulierte H2-Produktion erhöht fossilen Energiebedarf

Eine uneingeschränkte Wasserstoffproduktion, die nicht an das Angebot erneuerbarer Energien angepasst ist, erhöht signifikant die Stromproduktion fossiler Kraftwerke und damit die CO2-Emissionen. Das ist nicht nur desaströs fürs Klima, wir können uns das in der aktuellen Gasmangellage schlichtweg nicht leisten.

Elektrolyseure leisten insbesondere dann einen wichtigen Beitrag zur Energiewende, wenn ihre Betriebsstunden mit jenen Stunden korrelieren, in denen besonders viel Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht. Daher sollten sie vornehmlich als flexible Optionen im Energiesystem dienen.

Laufen Elektrolyseure hingegen praktisch ununterbrochen, greifen sie dabei zwangsläufig auf den jeweils aktuellen bundesdeutschen Strom-Mix zurück, der noch immer hohe Anteile fossiler Energien enthält. Wenn dann Ökostrom nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht, muss ein konventionelles Kraftwerk für die Wasserstoffproduktion hochgefahren werden, um den Bedarf zu decken, der durch die zusätzliche Nachfrage der Elektrolyseure entsteht.

Wegen der momentan noch knappen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien sowie aufgrund gängiger Marktmechanismen kommen zur Deckung solcher Spitzenlasten meist fossile und klimaschädliche Kraftwerke zum Einsatz – insbesondere rasch hochfahrbare Gaskraftwerke. Bei einem uneingeschränkten Betrieb von Elektrolyseuren steigt in der Folge also der Verbrauch von teurem und knappem Erdgas. Verschärft wird dieser Umstand noch zusätzlich, wenn – wie von der Bundesregierung und vielen Industrieakteuren geplant – in steigendem Tempo viele leistungsstarke und inflexible Elektrolyseure in Betrieb gehen, dabei aber der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht Schritt hält. Sinnvoll ist das nicht. Gut fürs Klima schon gar nicht.

Stattdessen sollten Elektrolyseure vornehmlich als flexible Optionen im Stromsystem dienen. Natürlich bringt ein hochflexibler Betrieb Herausforderungen mit sich: Elektrolyseure müssen intelligent nach der Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom gesteuert werden, auch die Peripherie muss diese Flexibilität gewährleisten. Und die Abnahme des Wasserstoffs muss trotz der fluktuierenden Wasserstoffproduktion funktionieren.

Diese Herausforderungen sind aber lösbar, wie Akteure vor allem aus der Ökoenergiewelt beweisen. Sie erfordern jedoch weitere Forschung, Entwicklung und in manchen Bereichen sicher auch Kreativität. Machbar wäre es also. Allerdings gibt es dafür aktuell praktisch keine wirksamen Anreize, so lax wie die Kriterien für die Wasserstoffproduktion derzeit sind.

Solange die Regeln für den Elektrolyseurbetrieb nicht vor allem an maximalem Klimaschutz orientiert sind, müssen sich die Betreiber den genannten Herausforderungen gar nicht erst stellen – und wir werden in Summe auch kaum die für die Energiewende notwendigen Lösungen für ein effizientes, erneuerbares Energiesystem finden.

Die Europäische Kommission muss deshalb von Anfang an einen Rahmen setzen, der die Synchronisation von Wasserstoffproduktion und Erneuerbaren-Dargebot ins Zentrum stellt. Übergangsregelungen können für den Beginn hilfreich sein. Sie dürfen aber keinesfalls den Status quo zementieren. Sie sollten hingegen schon jetzt sicherstellen, dass die Elektrolyseurprojekte, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden, die erforderliche Nutzung hoher und weiter steigender Ökostromanteile gewährleisten.

Für einen schnellen Markthochlauf von klimaverträglicher Wasserstoffproduktion brauchen wir aus den genannten Gründen verbindliche und ambitionierte Grünstromkriterien. Dabei sollte die flexible Betriebsweise von Elektrolyseuren durch eine Begrenzung der Volllaststunden angereizt werden. Diese Begrenzung könnte beispielsweise in Abhängigkeit der Anteile von erneuerbaren Energien im jeweiligen Mitgliedsstaat bestimmt werden. Darüber hinaus sollte die Wasserstoffproduktion durch Elektrolyseure mittels stundenscharfer Zeitgleichheit mit dem Angebot von erneuerbaren Energien in Einklang gebracht werden.

Der zusätzliche und höchst ambitionierte Ausbau der erneuerbaren Energien ist die zentrale Grundlage und Voraussetzung für den Aufbau einer klimafreundlichen Wasserstoffwirtschaft. Deshalb sollten auch alle europäischen Mitgliedsstaaten diesen Erneuerbare-Energien-Ausbau vorantreiben. Da ein Bezug von Strom aus Neuanlagen kurzfristig allerding schwierig zu realisieren ist, sollten für die Wasserstoffproduktion für den Übergang ungeförderte Strommengen eingesetzt werden. Dies sichert zugleich eine gewisse finanzielle Unterstützung der Erneuerbare-Energien-Anlagen durch Elektrolyseure als Abnehmer des Grünstroms, und Altanlagen könnten für die Wasserstoffproduktion genutzt werden.

Der geografische Zusammenhang von Elektrolyseuren und Solar- oder Windkraftanlagen ist hochrelevant. Denn der Betrieb von Elektrolyseuren darf nicht zu einer Verstärkung von Netzengpässen führen. Diese Regelungen auf europäischer Ebene einzuführen, ist aufgrund der starken Unterschiede von Infrastruktur, Regelzonen und Strommarktdesign in den Mitgliedsstaaten schwierig. Hier sollten die einzelnen EU-Staaten selbst aktiv werden und, wo nötig, die Möglichkeit zur weiteren Eingrenzung des geografischen Zusammenhangs nutzen. In Deutschland könnten Elektrolyseure beispielsweise im Redispatch so berücksichtigt werden, dass sie zur Netzengpassbewirtschaftung beitragen und ein Elektrolysestandort entsprechend unter Berücksichtigung von Netzengpassvorkommen gewählt wird.

Mit diesen Kriterien und einem flexiblen Einsatz der Elektrolyse lässt sich Wasserstoff mit geringen Emissionen und gleichzeitig zu geringen Kosten herstellen.

Autorin: Carolin Dähling
Green Planet Energy eG, Hamburg
Carolin.Daehling@green-planet-energy.de

Netzdienliche Elektrolyse

Wann ist grüner Wasserstoff tatsächlich grün? Das zu definieren ist von entscheidender Bedeutung für den Hochlauf der H2-Wirtschaft in Europa. Und deshalb ist es gut, dass der Delegated Act endlich veröffentlicht werden soll und erstmals eine europäische Definition liefert. Es ist gut – trotz der Defizite, die er aus meiner Sicht aufweist.

Drei Kriterien sind zur Definition von grünem Wasserstoff besonders wichtig:

1.         Herkunft: Der Strom zur Erzeugung von grünem H2 muss aus Erneuerbare-Energien-Anlagen stammen.

2.         Zeitgleichheit: Die Erzeugung und der Verbrauch des grünen Stroms sollten auf die Viertelstunde genau nachgewiesen werden.

3.         Regionalität: Die Produktion von grünem H2 darf nicht zu mehr Netzengpässen führen. Dementsprechend müssen Erzeugung des Stroms und Verbrauch in der Elektrolyse vor dem nächsten Netzknotenpunkt liegen, oder Erzeugung und Verbrauch müssen vor dem nächsten Netzengpass stattfinden.

Nur wenn das alles erfüllt ist, ist die Elektrolyse netzdienlich, weil sie nur dann unsere Stromnetze entlastet. Der Delegated Act müsste also so gestaltet sein, dass er die Netzdienlichkeit der Elektrolyse fördert und so den Ausbau der erneuerbaren Energien überall in Europa maximal beschleunigt. Denn das ist die Grundlage sowohl für den Aufbau einer grünen H2-Wirtschaft als auch für die Dekarbonisierung aller Sektoren – und die Einhaltung unserer Klimaziele.

Leider erfüllt der Delegated Act diese Anforderungen nicht an allen Stellen: Die zeitliche Korrelation wird bis April 2028 auf das Vierteljahr gefordert und nicht auf die Viertelstunde, wie heute in jedem Strom-Bilanzkreis. Ab 2028 wird auf die Stunde genau abgerechnet.

Den Ausbau der Erneuerbaren versucht der Delegated Act auch nicht über zwingende Netzdienlichkeit zu gewährleisten, sondern über die sogenannte Zusätzlichkeit, nach der fast nur Strom aus Neuanlagen die Grundlage für grünen Wasserstoff sein darf. So wird beispielsweise der Bezug des grünen Stroms für Elektrolyseanlagen, die bis Ende 2026 in Betrieb genommen werden, aus Post-EEG-Anlagen, zwar nicht vollständig ausgeschlossen, aber die formulierten Ausnahmen beziehen sich nur auf den Strombezug über das Netz. Bei einer Direktbelieferung darf die Stromerzeugungsanlage weiterhin nur 36 Monate vor der Elektrolyse in Betrieb gegangen sein. Dabei wäre eine räumlich nahe Direktbelieferung – auch aus Altanlagen – viel netzdienlicher.

Apropos räumliche Nähe: Die ist laut dem letzten Entwurf des Delegated Act schon dann erfüllt, wenn Elektrolyseur und Stromerzeugungsanlage in derselben Gebotszone liegen. Ich kann also in Nordfriesland den Strom produzieren und in Garmisch-Patenkirchen die Elektrolyse laufen lassen. Das ist sicher nicht netzdienlich.

Warum ist es dennoch gut, dass der Delegated Act bald in Kraft tritt? Weil nur dann, wenn Rechtssicherheit herrscht, Investitionen in die heimische grüne Wasserstoffwirtschaft erfolgen werden.

Der Delegated Act bildet die Grundlage, um über die Generierung von THG-Zertifikaten die Nutzung von grünem Wasserstoff gezielt zu fördern. Dafür muss noch 2022 die nötige Anpassung der Anrechnungsregeln für strombasierte Kraftstoffe in der 37. BImSchV erfolgen. Denn nur wenn die richtigen Anreize geschaffen werden, werden hier in Deutschland und Europa relevante Mengen an grünem Wasserstoff produziert.

Eile ist geboten: Im Rahmen des US-amerikanischen Inflation Reduction Act werden viele Milliarden in den Aufbau der dortigen grünen Wasserstoffwirtschaft investiert. Die Folgen: US-Unternehmen kaufen aktuell Elektrolyseure und dafür benötigte Komponenten auf. Europäische Elektrolyseurhersteller erwägen, die Produktion dorthin zu verlagern, und US-Konzerne beteiligen sich vermehrt an Herstellern aus der EU, um sich Kapazitäten zu sichern.

Für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und Europa braucht es dringend ebenso starke Anreize. Ansonsten steht Europa nach der Abwanderung der Solar- und Windkraftanlagenindustrie vor dem Wegbrechen des nächsten entscheidenden Pfeilers der Energiewende.

Autor:Ove Petersen
GP Joule, Reußenköge
info@gp-joule.de

Beschwerden verhindern H2-Projekt in der Schweiz

Der Schweizer Energiekonzern Axpo wollte beim Wasserkraftwerk Eglisau-Glattfelden eine H2-Produktionsanlage bauen. Das Projekt direkt an der deutsch-schweizerischen Grenze wurde nun allerdings gestoppt, weil es Beschwerden über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gab.

Die H2-Anlage sollte über 2,5 MW Leistung verfügen und jährlich rund 350 Tonnen grünen Wasserstoff erzeugen. Genug, um jährlich rund 1,5 Mio. Liter Diesel im Straßenverkehr einzusparen, berechnet der Versorger. Die Anlage hätte mit steigender Nachfrage auf 5 MW erweitert werden können. Mehrere Tankstellen in der Umgebung hätten mit Wasserstoff beliefert werden können, so die Pläne.

Für den Bau in Eglisau-Glattfelden hätte allerdings ein bestehendes Gebäude des Kraftwerks, das außerhalb der Bauzone steht, abgerissen und ersetzt werden müssen. Dafür hatte Axpo eine Ausnahmegenehmigung beantragt, die zunächst von der Gemeinde bewilligt worden war. Daraufhin beschwerten sich drei Privatpersonen beim Baurekursgericht des Kantons Zürich, das ihnen Recht gab. Es hieß, es gebe „keine besonders wichtigen und objektiven Gründe“ für die erteilte Ausnahmegenehmigung. Das öffentliche Interesse, hier Energie zu produzieren, sei vom Gericht weniger hoch gewichtet worden als der durch dieses Projekt zu erwartende Lkw-Lärm.

Guy Bühler, Projektleiter bei Axpo, kommentierte diese Entscheidung: „Mit dem Entscheid, das Gesetz selbst im Falle einer umweltschonenden, im Einklang mit der Energiestrategie 2050 stehenden Anlage eng auszulegen, wird die Dekarbonisierung gehemmt“, mahnte er. „Wir bedauern es sehr, dass wir wieder daran gehindert werden, noch mehr zur Dekarbonisierung der Schweiz beizutragen.“

Trotz des abrupten Projektstopps will Axpo jedoch weiter an anderen Bauplänen mit grünem Wasserstoff festhalten und weitere Projekte in der Schweiz realisieren. Bühler sieht nun den Gesetzgeber in der Verantwortung. „Es sind Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Realisierung von innovativen Projekten und somit dringend benötigte Investitionen in die Energiewende ermöglichen.“

Autor: Niels Hendrik Petersen

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