Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Eva Augsten

3. September 2024

Titelbild: Der Europäische Rechnungshof in Luxemburg wacht über die Mittelverwendung der EU. Neben den jährlichen Berichten erstellt er auch Sonderberichte.

Bildquelle: ECA / Sophie Margue

EU-Rechnungshof: H2-Strategie braucht „Realitätscheck“

Prüfer halten Ziele für unklar und unrealistisch

Die EU hat sich in ihrer Wasserstoffstrategie für das Jahr 2030 zu hohe Ziele gesteckt. Zu diesem Fazit kommen die Prüfer des EU-Rechnungshofes in einem im Juli 2024 veröffentlichten Sonderbericht. Sie fordern nun eine Anpassung der Strategie und ein besseres Controlling.

---------- Werbung ----------
VDMA Banner 728x90 V1

Im Sommer legte der Europäische Rechnungshof einen Sonderbericht mit dem Titel „Die Industriepolitik der EU im Bereich erneuerbarer Wasserstoff“ vor. Auf 124 Seiten (inklusive Anhänge) durchleuchten die Prüfer dabei die bisherigen Pläne, Rechtsvorschriften und Maßnahmen der Europäischen Kommission. Dabei geht es unter anderem um deren mangelnde Konsistenz. Schon bei der Zieldefinition der EU-Pläne monieren die Prüfer viele Unklarheiten und Widersprüche: So ist in der EU-Wasserstoffstrategie die Rede von 40 GW bis 2030 installierter Elektrolyseleistung, mit denen 4,4 Mt Wasserstoff erzeugt werden sollen. Laut einer Arbeitsunterlage zum REPowerEU-Plan soll diese Elektrolyseleistung hingegen 6,6 Mt Wasserstoff liefern. Mit dem Produktionsziel von 10 Mt für das Jahr 2030 passt keiner der Werte zusammen.

---------- Werbung ----------
240815 VDI WF Zertifikate Banner 728x90

Die Prüfer führen zudem eine Reihe von Nachfrageschätzungen für das Jahr 2030 an. Auf Basis der EU-Regulierungen ergeben sich dabei Mengen zwischen 3,8 und 10,5 Mt. Die meisten liegen jedoch deutlich unter 10 Mt. Für einen Großteil der im REPowerEU-Plan vorgesehenen 20 Mt (10 Mt aus Europa, 10 Mt aus Importen) gebe es demnach keine Abnehmer.

---------- Werbung ----------
Hy Fcell24 Banner Besucher 728x90px Stat EN

Auch die Herleitung der Ziele steht für die Prüfer auf zu schwachen Beinen: Für das 40-GW-Ziel sehen sie im Wesentlichen ein Papier des Branchenverbandes Hydrogen Europe als Quelle. Das in der ersten EU-Wasserstoffstrategie festgelegte Produktionsziel von 10 Mt sei hauptsächlich am Bedarf für fossilen Wasserstoff aus dem Jahr 2020 abgeleitet.

---------- Werbung ----------
HYD 24 Banner Stat 728x90px DE

Im Markt zeige sich die Unsicherheit vor allem in Form des altbekannten Henne-Ei-Problems: Kein Industrieunternehmen setzt auf Wasserstoff, wenn dieser nicht sicher verfügbar ist. Und niemand will in teure Infrastruktur investieren, bevor die Kundschaft bereitsteht. „Ein Teufelskreis“, folgert der EU-Rechnungshof in seiner Pressemitteilung. Nötig wären staatlich gestützte Investitionen. Doch wie teuer der Umstieg auf Wasserstoff werden könnte und wie viel öffentliches Geld dafür verfügbar sei, überblicke die Kommission ebenfalls nicht komplett, so die Prüfer. Selbst die verfügbaren EU-Fördermittel für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft ließen sich nur schätzen, denn sie seien über mehrere Programme verstreut. Auf 18,8 Mrd. Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027 kommen die Rechnungsprüfer.

Nicht alle ziehen an einem Strang
Dass die Mitgliedsstaaten unterschiedliche Ambitionen haben, die nicht immer mit denen der EU übereinstimmen, macht es nicht leichter. Der Rechnungshof hat vier Länder ausgemacht, in denen nach jetzigem Stand fast 80 Prozent der Elektrolyseurkapazität installiert werden sollen: Deutschland, Spanien, Frankreich und die Niederlande. Dort sei der Anteil der schwer dekarbonisierbaren Industriezweige hoch und die Wasserstoffprojekte vergleichsweise weit gediehen. Zugleich fließe ein Großteil der EU-Förderung in diese Länder.

---------- Werbung ----------
WE24 WEB Banner Besucher Ticket 728x90px HZwei

Dafür, dass das Wasserstoffpotenzial der gesamten EU ausgeschöpft werde, gebe es hingegen keine Garantie – ebenso wenig dafür, dass dieser Wasserstoff dann in die Länder mit hoher industrieller Nachfrage komme. Nur wenige der möglichen Exportländer hätten bereits Pläne dafür vorgelegt. Eine konkrete Importstrategie (s. S. 7) gebe es lediglich in Deutschland.

Die Prüfer attestieren der Europäischen Kommission allerdings auch viele richtige Schritte. Insbesondere habe sie binnen kurzer Zeit einen fast vollständigen Rechtsrahmen geschaffen. Damit habe sie für die rechtliche Sicherheit gesorgt, die für den neuen Markt nötig sei. Zudem habe sie alles in ihrer Macht Stehende getan, um die Genehmigungen zu beschleunigen.

„Welche Industriezweige will die EU behalten?“
Der Rechnungshof gibt der EU eine Reihe von Empfehlungen mit, die bis Ende 2025 umgesetzt werden sollen. Bereits die erste hat es in sich: Nach einem „Realitätscheck“ solle die Kommission „strategische Entscheidungen […] treffen, ohne neue strategische Abhängigkeiten zu schaffen“. Die Brisanz dieser Aussage verstecken die Prüfer allerdings in einer Klammer in einem Unterpunkt: „Welche Industriezweige will die EU behalten und zu welchem Preis?“ Dabei ist zu berücksichtigen: Die EU-Fördermittel sind begrenzt und die Kommission muss entscheiden, in welchen Teilen der Wertschöpfungskette sie die größte Wirkung entfalten. „Die EU sollte über den strategischen Weg zur CO₂-Neutralität entscheiden, ohne die Wettbewerbssituation ihrer Schlüsselindustrien zu beeinträchtigen oder neue strategische Abhängigkeiten zu schaffen“, sagt Stef Blok, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs. Dass es keinen perfekten Weg dafür gibt und es nicht um das Vermeiden von Importen per se geht, wird an den Formulierungen in der Pressemitteilung klar. Man müsse geopolitische Abwägungen bewusst treffen, präzisiert Blok. Zu vermeiden seien „sehr große Abhängigkeiten bei Grundprodukten“.

Die weiteren Empfehlungen sind deutlich technischer: Die Kommission soll einen Fahrplan festlegen und überwachen, sich einen Überblick über die nationale Finanzierung verschaffen, den Mitgliedsstaaten bei der Projektgenehmigung Dampf machen und sich besser mit der Industrie koordinieren.

Rechnungshof Stef Blok Kopie
Abb. 2: Stef Blok ist Mitglied des Europäischen Rechnungshofs und war für die Prüfung im Rahmen des Sonderberichts zuständig

Autorin: Eva Augsten
Sonderbericht: www.eca.europa.eu/ECAPublications/SR-2024-11/SR-2024-11_DE.pdf

Anm. d. Red.: Eine Zahl korrigiert am 13.09.2024

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

preloader