Hzwei Blogbeitrag

20. August 2024

Titelbild: So könnte es aussehen: eine LOHC-Speicheranlage in einem Hafengebiet

Bildquelle: Hydrogenious LOHC

LOHC könnten H2-Importe vereinfachen

FLÜSSIGER HOFFNUNGSTRÄGER

Viele der Technologien für den H2-Transport sind bislang noch nicht ausgereift. Forscher und Industrie arbeiten daran, eine sichere H2-Distribution über große Entfernungen zu entwickeln, auch weil Deutschland in großem Stil auf H2-Importe angewiesen sein wird. Neben Ammoniak haben flüssige organische Wasserstoffträger (LOHC) gute Chancen auf einen Einsatz in Projekten und der Industrie. Denn sie könnten die konventionelle Infrastruktur von Öltanks und Tanker nutzen.

Das englische Kürzel LOHC steht für Liquid Organic Hydrogen Carriers. Dabei wird Wasserstoff chemisch und reversibel an eine flüssige organische Trägersubstanz gebunden. Das können beispielsweise Toloul, Benzyltoluol oder Dibenzyltoluol sein. Als LOHC werden organische Verbindungen bezeichnet, die Wasserstoff aufnehmen und wieder abgeben können und daher als Speichermedien für Wasserstoff verwendet werden können. Alle verwendeten Verbindungen sind unter Normalbedingungen flüssig und verfügen über ähnliche Eigenschaften wie Rohöl und dessen Derivate. Der Vorteil: LOHC kann in flüssiger Form in der bestehenden Infrastruktur genutzt werden.

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In der Regel wird Wasserstoff gasförmig bei hohem Druck von 700 bar oder in flüssiger Form und bei extremen Temperaturen von minus 253 °C in Spezialbehältern gespeichert und transportiert. Beide Wege sind jedoch technisch aufwändig und teuer. LOHC bieten hier eine reizvolle Alternative. Ein Vorteil: Eine direkte Nutzung von LOHC, beispielsweise in Brennstoffzellen zur Stromerzeugung, macht die Handhabung von Wasserstoff als Gas unnötig. „Die Technologie erlaubt deshalb eine besonders günstige und sichere Versorgung von mobilen und stationären Energieverbrauchern“, erklärt Daniel Teichmann, CEO und Gründer von Hydrogenious.

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LOHC könnte H2-Transporte über große Entfernungen vereinfachen

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TRÄGERMEDIUM WIEDERVERWENDEN
Diese Technologie verbraucht die fossilen Rohstoffe nicht oder nur marginal. Sie können wie in einem geschlossenen Kreislauf immer wieder eingesetzt werden. Der Prozess funktioniert dabei in zwei Phasen: Bei der Hydrierung wird der Wasserstoff in Gegenwart eines Katalysators an flüssige organische Wasserstoffträger gebunden, und bei der H2-Freigabe, also der Dehydrierung, wird das Gas unter Wärme und mit einem Katalysator wieder freigesetzt. Die beladene Trägerflüssigkeit kann bei Umgebungsdruck und ungekühlt gelagert werden. Für den Transport können daher konventionelle Öltanks und Tanker genutzt werden. Wenn der Wasserstoff freigesetzt wird, muss die entladene Trägerflüssigkeit jedoch wieder an den Ort der Beladung mit Wasserstoff zurückgeführt werden. Konkret heißt das: Das Schiff oder der Tanklaster würde vollgeladen im Kreis fahren.

LOHC sind deshalb eine große Hoffnung für den H2-Transport über lange Strecken. Das TransHyDE-Projekt auf Helgoland erforscht zum Beispiel die gesamte Transportkette von der Bindung von Wasserstoff an LOHC bis zur Trennung. Derzeit werden die Projekte nur experimentell oder kleinskalig umgesetzt.

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Fest steht steht jedoch, dass für jede Form der Speicherung und des Transports von Wasserstoff, Ammoniak, LOHC und weiteren wasserstoffbasierten Energieträgern auch geeignete Rahmenbedingungen nötig sind. TransHyDE analysiert daher den systemischen Rahmen und identifiziert Gestaltungsbedarfe. Die Ergebnisse münden dann in Handlungsempfehlungen. Diese enthalten unter anderem den Anpassungsbedarf bei Standards, Normen und Zertifizierungsoptionen von Wasserstoffspeicher- und -transporttechnologien.

Die LOHC-Technologie ist auch Bestandteil des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes der Bundesregierung: Denn die nationale Wasserstoffherstellung erfolgt sowohl durch Anlagen zur elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff als auch durch die Aufspaltung und Dehydrierung von Ammoniak und hydrierten flüssigen organischen Wasserstoffträgern. Der Koalitionsvertrag sowie die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie sehen die Verdopplung des nationalen Ausbauziels der Elektrolyseleistung von 5 auf mindestens 10 GW bis zum Jahr 2030 vor.

Aber das wird bei weitem nicht reichen. Deutschland wird H2-Importe benötigen. LOHC könnten dabei eine wichtige Rolle spielen. So wurde die neue Nationale Hafenstrategie (NHS) in engem Zusammenspiel mit der Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie entwickelt. In der NHS geht die Bundesregierung davon aus, dass bis zum Jahr 2030 bis zu 70 Prozent des Wasserstoffbedarfs durch Importe gedeckt werden, die hauptsächlich per Schiff erfolgen werden.

TRÄGERMATERIAL BENZYLTOLUOL
Die LOHC-Technologie von Hydrogenious könnte für den Seetransport von Wasserstoff besonders interessant sein: Denn sie nutzt die bestehende Infrastruktur für flüssige Brennstoffe in den Häfen und kann mit Tankschiffen oder Lastkähnen transportiert werden. Dies ist ganz im Sinne der Nationalen Hafenstrategie, die darauf abzielt, nachhaltige Konzepte für die Wiederverwendung konventioneller Infrastruktur zu schaffen.

Hydrogenious setzt das schwer entflammbare Thermoöl Benzyltoluol als Trägermedium ein. Nach Einschätzung des Unternehmens gelingt so eine effiziente Speicherung, insbesondere in dicht besiedelten Hafengebieten (z. B. Rotterdam, s. S. 17). In LOHC gespeicherter Wasserstoff kann bei Umgebungstemperatur und -druck gehandhabt werden und hat ein mit Diesel vergleichbares Gefahrenpotenzial, beschreibt Andreas Lehmann, Chefstratege (neudeutsch Chief Strategy Officer) bei Hydrogenious LOHC.

Das Unternehmen sieht durch LOHC die Mängel der bestehenden Methoden behoben. Diese seien weniger entflammbar und billiger zu transportieren als flüssiger Wasserstoff, der hochexplosiv ist, stark verdampft und kostspielige Behälter und eine neue, spezielle Infrastruktur erfordert. Der zurückgewonnene Wasserstoff habe zudem eine hohe Reinheit, anders als nach der Rückverwandlung von Methanol.

Foto FAU Schuehle Kopie
Abb. 3: Dr. Patrick Schühle arbeitet zu LOHC an der Uni Erlangen-Nürnberg

Das Unternehmen Hydrogenious aus Erlangen beteiligt sich auch an verschiedenen Forschungsprojekten: Im Projekt LOReley wollen Fachleute aus Industrie und Forschung den Prozess der H2-Freisetzung, also die Dehydrierung, optimieren. „Um den Wasserstoff freizusetzen, braucht es Reaktionsbeschleuniger, also Katalysatoren, und Temperaturen von bis zu 330 Grad Celsius“, erklärt Forscher Dr. Patrick Schühle von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU, s. Abb. 3). Dem Prozess muss die ganze Zeit Wärme zugeführt werden. „Je weniger Wärme man für den Prozess bereitstellen muss, desto effizienter wird die gesamte LOHC-Technologie, weil man Energie spart.“

LORELEY ENTWICKELT PLATTENREAKTOR
Bislang wurde für die Dehydrierung ein Reaktor mit Rohren verwendet, in die wenige Millimeter große Pellets geschüttet wurden. Die Pellets bestehen aus porösem Aluminiumoxid, in welchem das eigentliche Aktivmetall Platin abgeschieden ist. Wird der mit Wasserstoff beladene LOHC mit den Pellets in Kontakt gebracht, setzt sich das H2 frei. Die Forscher im Projekt LOReley haben nun einen neuen Ansatz gewählt und setzen auf einen Plattenreaktor auf Basis von Wärmetauschern, die man sonst aus Heizungen, Kühlschränken oder Industrieanlagen kennt.

Einen weiteren Vorteil gegenüber dem bisherigen Vorgehen sehen die Wissenschaftler darin, dass der Katalysator fest mit der Platte verbunden ist. „Im Schüttreaktor können die Pellets aneinanderreiben, und so kann es sein, dass der Katalysator als Pulver abgerieben ist. Im Projekt LOReley haben wir jetzt eine katalytische Schicht entwickelt, die eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber mechanischem Abrieb und Vibrationen aufweist“, erklärt Chemieingenieur Schühle.

Foto Hydrogenious LOHC Kopie
Abb. 4: In dieser Plattendehydrieranlage wurde Wasserstoff freigesetzt

Im Projekt haben die Fachleute das neue Katalysator-Reaktor-Konzept im Labor und in den Räumlichkeiten der beteiligten Firma Hydrogenious LOHC Technologies, einer Ausgründung der FAU, getestet. Rund 1.000 Stunden lief der neue Plattenreaktor stabil. Zudem zeigte sich, dass mit diesem innerhalb von 15 Minuten die Wasserstofffreisetzungsrate verdoppelt werden konnte. „Die Wärme wird nicht erst vergleichsweise langsam über das gesamte Volumen des Reaktors gebracht, sondern gezielt und direkt an die Katalysatorschicht“, sagt Schühle. Diese Flexibilität im dynamischen Betrieb ist in Gaskraftwerken oder in der Schifffahrt durchaus relevant.

Schühle und Kollegen haben ihren Ansatz in vergleichsweise kleinem Maßstab testen können. Der Reaktor bestand aus zehn Platten. Im nächsten Schritt muss der Demonstrator wachsen, um ihn im Realbetrieb an einem Standort einzusetzen, wo der Wasserstoff auch gebraucht wird. Erst dann könne man sagen, wie gut der Reaktor bei der Wärmeeffizienz im Vergleich zum Standardreaktor sei. LOHC bieten viele Chancen. Ob alle Hoffnungen erfüllt werden können, muss das LOReley-Projekt, aber auch die Technologie insgesamt erst noch zeigen.

Transport per Schiff um 20 Prozent teurer
Laut einer Analyse von Aurora Energy Research sind Transporte per Schiff nach Deutschland grundsätzlich mindestens um 20 Prozent teurer als ein Pipelinetransport: Demnach kommt verflüssigter Wasserstoff aus Spanien auf 4,35 Euro und aus Marokko auf 4,58 Euro pro Kilogramm. Bei einem Transport mittels flüssiger organischer Wasserstoffträger (LOHC) oder Ammoniak wären es aus Spanien rund 4,57 Euro pro Kilogramm und aus Marokko rund 4,70 Euro, einschließlich der Kosten für die Rückumwandlung in gasförmigen Wasserstoff in Deutschland. Für Importe aus Australien und Chile kommt generell nur der Schiffstransport infrage. Sie erreichen Wettbewerbsfähigkeit nur dann, wenn der Wasserstoff als Ammoniak transportiert wird. Dann liegen die Kosten demnach bei 4,84 bzw. 4,86 Euro pro kg. All diese Werte bewegen sich innerhalb der Spanne der Herstellungskosten in Deutschland. Es käme also auf den konkreten Einzelfall an, welcher Weg wettbewerbsfähig ist. Bei Wasserstoff aus den Vereinigten Arabischen Emiraten wäre der günstigste Transport ebenfalls der in Form von Ammoniak; mit 5,36 Euro pro Kilogramm wäre dieser aber im Vergleich zur heimischen Produktion nicht wettbewerbsfähig.

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