Brennstoffzellen-MEAs ohne „forever chemicals“

Brennstoffzellen-MEAs ohne „forever chemicals“

Die Bedrohung für Mensch und Umwelt durch Per- und Polyfluoralkylsubstanzen, sogenannte PFAS, ist längst bekannt. Erst im Februar 2023 berichteten zahlreiche Tageszeitungen über das Ausmaß der PFAS-Kontamination in Europa und rückten das Thema wirksam in die Öffentlichkeit. Auch in Brennstoffzellen werden PFAS verwendet. Das Freiburger Start-up ionysis hat sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern.

PFAS sind eine Gruppe von stark fluorierten Polymeren, die in vielen verschiedenen Anwendungen eingesetzt werden, gut bekannt zum Beispiel aus beschichteten Pfannen oder Outdoor-Jacken. Sie verfügen über einzigartige Eigenschaften wie eine hohe chemische und thermische Stabilität. Sie sind nicht-haftend, nicht-färbend und stark öl- und wasserabweisend und daher heute weit verbreitet in Marken wie Teflon oder Gore-Tex.

---------- Werbung ----------

Doch die positiven Materialeigenschaften haben eine Kehrseite: PFAS bauen sich in der Umwelt nicht ab, und das über Jahrhunderte. Zudem sind sie sehr mobil, so dass sie inzwischen in Grund- und Oberflächenwasser, Luft und Böden nachweisbar sind. Auch in der menschlichen Blutbahn und zahlreichen lebenden Organismen ist diese Stoffklasse bereits nachgewiesen worden. Dort stehen sie unter dem starken Verdacht, Krebs, Unfruchtbarkeit und andere schwere Erkrankungen zu verursachen.

Obwohl diese Eigenschaften seit vielen Jahrzehnten bekannt sind, häuften sich erstmals in den vergangenen Monaten Entscheidungen mit Tragweite zur Eindämmung von PFAS: Im November 2022 reichte der Bundesstaat Kalifornien in den USA eine umfassende Klage gegen PFAS-produzierende Unternehmen wie 3M und Dupont ein. Einen Monat später kündigte 3M als erster großer Chemiekonzern an, sich bis Ende 2025 komplett aus der Herstellung von PFA-Substanzen zurückzuziehen.

---------- Werbung ----------

Zuletzt hat das Thema dann medienwirksam noch einmal an Fahrt gewonnen: Im „Forever Pollution Project“ haben JournalistInnen von 18 Zeitungen und anderen Medienhäusern, darunter Le Monde (Frankreich), NDR, WDR, Süddeutsche Zeitung (Deutschland) und The Guardian (Vereinigtes Königreich) über mehrere Monate Tausende von Datenpunkten gesammelt, um eine „Karte der ewigen Verschmutzung“ zu erstellen, die zum ersten Mal das Ausmaß der Kontaminierung Europas durch PFAS zeigt.

Das „Forever Pollution Project“ deckte auch erstmals auf, wie groß die Anstrengungen der PFAS-Lobby sind, ein EU-weites PFAS-Verbot zu verwässern. Dieses umfassende Verbot der Verwendung und Herstellung von PFAS als Stoffklasse wurde von Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden initiiert. Im Februar 2023 veröffentlichte die europäische Chemieagentur (ECHA) den Vorschlag und evaluiert ihn nun, bevor sie eine Empfehlung an die Europäische Kommission abgibt. Die Hauptargumente gegen das Verbot konzentrieren sich auf den Mangel an PFAS-Ersatzstoffen in Anwendungen, die als kritisch für die Gesellschaft angesehen werden.

Einer dieser scheinbar alternativlosen Fälle ist die Verwendung von Fluorpolymeren in Elektrolyseuren und Wasserstoffbrennstoffzellen. Aufgrund ihrer hohen Protonenleitfähigkeit und chemischen Stabilität werden Fluorpolymere auf Basis von perfluorierten Sulfonsäuren (PFSA) derzeit für Membranen und Elektrodenbinder in Wasserstofftechnologien verwendet.

Ziel: Grüner Wasserstoff mit grünen Materialien

Dr. Andreas Büchler, Co-Geschäftsführer und Mitgründer von ionysis, warnt: „Spätestens die Veröffentlichungen des ‚Forever Pollution Projects‘ sind ein Weckruf. PFAS werden eine enorme Bedrohung für die Umwelt, uns, unsere Kinder und Enkelkinder sein. Die PFAS-Werte, die schon jetzt nachgewiesen werden können, sind schockierend. Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, jetzt, zu Beginn der exponentiellen Skalierung von Wasserstofftechnologien, die Forschung und Entwicklung von fluorfreien Materialien für Wasserstoffanwendungen voranzutreiben und möglichst schnell PFSA-Alternativen zur Marktreife zu bringen.“

Aus dem zunehmenden Bewusstsein über die Verschmutzung durch PFAS und dem dringenden Bedarf an Alternativen in der wachsenden grünen Wasserstoffwirtschaft heraus wurde das Start-up ionysis von einem Team aus dem Bereich Elektrochemische Energiesysteme bei Hahn-Schickard und der Universität Freiburg gegründet. Der Grundstein für das Start-up wurde im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte gelegt, die vom Land Baden-Württemberg, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurden. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, hocheffiziente und nachhaltige Kernkomponenten für Brennstoffzellen zu entwickeln.

Im September 2022 nahm ionysis mit einem achtköpfigen Team den Betrieb auf und wird bis Mitte 2023 auf die doppelte Teamgröße anwachsen. Neben Dr. Matthias Breitwieser (Chief Technology Officer), Dr. Florian Lombeck (Chief Scientist) und Dr. Severin Vierrath (Scientific Advisor) – alle aktive oder ehemalige Mitarbeiter von Hahn-Schickard und der Universität Freiburg – ergänzen Dr. Andreas Büchler (Chief Operation Officer) und Lisa Langer (Chief Financial Officer) das Gründerteam. Zwei starke Investoren unterstützen das Start-up nicht nur mit finanziellen Mitteln. Lisa Langer erklärt: „Durch unsere Investoren haben wir neben einer substanziellen Finanzierung im mittleren einstelligen Millionenbereich auch wertvollen Zugang zu Branchen-Know-how und Unterstützung bei der Geschäftsentwicklung.“

Erster Leistungsnachweis im Vollformat ist erbracht

Neben der Entwicklung dieser neuartigen, umweltfreundlicheren Membran-Elektroden-Einheiten (MEAs) liegt der Fokus auf dem Nachweis ihrer technischen Machbarkeit im relevanten Maßstab. Ziel ist es, gänzlich fluorfreie MEAs zur Marktreife zu bringen und so einen Beitrag zu einer tatsächlich nachhaltigen, „grünen“ Wasserstoffwirtschaft zu leisten. Erst vor wenigen Wochen konnte der erste erfolgreiche Leistungsnachweis im Heavy-Duty-Vollformat erbracht werden, was einen wichtigen Meilenstein in der frühen Phase der Firma darstellt.

„Gemeinsam mit internationalen Partnern ist es uns gelungen, neuartige MEAs für Brennstoffzellen zu entwickeln, die erstmals die Leistungsfähigkeit des Standes der Technik erreichen. Darüber hinaus haben sie das Potenzial, in Zukunft effizienter und bei höheren Temperaturen betrieben werden zu können“, erklärt Dr. Matthias Breitwieser, Chief Technology Officer von ionysis.

So konnten in den vergangenen sechs Monaten seit dem operativen Start wichtige Entwicklungen vorangetrieben werden: Einerseits wurde die MEA-Zusammensetzung verbessert, zum anderen hat es große Fortschritte bei der Herstellung im Pilotmaßstab gegeben: „Gemeinsam mit einem Partner haben wir einen neuen Prozess zur CCM-Herstellung (catalyst coated membrane; Anm. d. Red.) entwickelt, der es uns perspektivisch ermöglicht, mit den Hydrocarbon-Materialien leistungsfähige CCMs im skalierten Maßstab reproduzierbar herzustellen“, freut sich Dr. Florian Lombeck, Chief Scientist bei ionysis.

EU-Förderung und Industrieauftrag

Dass es großes Interesse an der Technologie von ionysis gibt, zeigte sich bereits in der Startphase: Anfang Februar 2023 wurde ionysis zusammen mit dem slowenischen Start-up ReCatalyst für das prestigeträchtige Förderprogramm EIC Transition des European Innovation Council ausgewählt. Der European Innovation Council ist Europas führendes Innovationsprogramm zur Ermittlung, Entwicklung und Verbreitung bahnbrechender Technologien und wegweisender Innovationen. EIC Transition finanziert Innovationstätigkeiten, die über den experimentellen Nachweis im Labor hinausgehen, um sowohl die Reifung und Validierung von neuartigen Technologien im Labor und in relevanten Anwendungsumgebungen als auch die Entwicklung des Geschäftsmodells für die zukünftige Vermarktung der Innovation zu unterstützen.

Das Projekt „Enabler“ mit einem Gesamtvolumen von 2,5 Mio. Euro kombiniert die innovativen Technologien der beiden Start-ups mit dem Ziel, Brennstoffzellen für Schwerlastanwendungen kostengünstiger und umweltfreundlicher zu machen und ihre Leistung zu verbessern. ReCatalyst hat eine eigene Technologie zur Herstellung neuartiger Elektrokatalysatoren auf der Grundlage von Platinlegierungen entwickelt, die eine höhere Leistung und Haltbarkeit der Katalysatoren ermöglichen. ionysis verwendet die Katalysatoren von ReCatalyst für ihre fluorfreien MEAs. Um die MEAs in der Praxis zu evaluieren, konnte der etablierte Brennstoffzellenstack-Entwickler EKPO Fuel Cell Technologies GmbH als assoziierter Projektpartner gewonnen werden.

Zudem konnte von ionysis ein erster Industrieauftrag im Bereich der MEA-Entwicklung im mittleren sechsstelligen Bereich gewonnen werden. Grundlage für den umfangreichen Entwicklungsauftrag war die Erfahrung des Teams im Bereich der Prototypenentwicklung. „Wir freuen uns wirklich, dass unsere Kompetenz in der agilen und schnellen Entwicklung neuartiger Zusammensetzungen für Membran-Elektroden-Einheiten der nächsten Generation von etablierten Akteuren im Markt bereits jetzt erkannt wird. Das stimmt uns optimistisch für die Zukunft unseres jungen Unternehmens“, freut sich Dr. Matthias Breitwieser.

Validierung, Skalierung und Marktreife

Für die kommenden eineinhalb Jahre hat ionysis einen klaren Entwicklungspfad: Die Validierung der Technologie im Brennstoffzellen-Stack, die Skalierung der CCM-Herstellung sowie der Aufbau von Partnerschaften mit Lieferanten und Kunden. Gleichzeit geht es darum, das Geschäftsmodell zu entwickeln und die Kommerzialisierung vorzubereiten, so dass fluorfreie MEAs so bald wie möglich einen tatsächlichen Impact haben und der Verwendung von PFAS in eigentlich „grünen“ Wasserstoffanwendungen zeitnah ein Ende gesetzt werden kann.

Hydrocarbon-Polymer-basierte MEAs für die PEM-Brennstoffzelle

Alternativen zu perfluorierten Ionomeren, wie dem in elektrochemischen Energieanwendungen bekannten NafionTM, werden bereits seit den 1990er-Jahren erforscht. Viele Jahre wurden Materialien wie zum Beispiel sulfonierte Polyetheretherketone (sPEEK) verwendet, die jedoch in Bezug auf Leistung und Haltbarkeit zu weit vom perfluorierten Stand der Technik entfernt waren. Erst in den letzten fünf Jahren gab es erstmals wesentliche Fortschritte bei der Entwicklung von echten Alternativen: Vor allem durch die systematische Eliminierung der chemischen Schwachpunkte in den Polymeren (z. B. wenig stabile chemische Bindungen im Rückgrat der Polymere) konnten endlich stabile und gut protonenleitfähige Materialien gefunden werden.

Inzwischen gibt es eine Reihe an veröffentlichten Hydrocarbon-Ionomeren und -Membranen, beispielsweise auf Basis von sulfonierten Polysulfonen und verschiedenen sulfonierten Polyphenylenen. Die neuen Materialien ermöglichten erstmals hervorragende Leistungen im Labor und befinden sich inzwischen bei einigen Polymerfirmen wie Ionomr Innovations aus Kanada in der Kommerzialisierung.

AutorInnen: Dr. Matthias Breitwieser, matthias.breitwieser@ionysis.com
Lisa Langer, lisa.langer@ionysis.com, beide ionysis GmbH, Freiburg

JCB erreicht H2-Meilenstein

JCB erreicht H2-Meilenstein

Der britische Land- und Baumaschinenhersteller JCB hat im März 2023 die Produktion seines fünfzigsten H2-Verbrennungsmotors bekanntgegeben. Dieser Meilenstein ist Ergebnis der Klimaschutzbemühungen des englischen Unternehmens. Die Motoren befinden sich derzeit noch im Vorserienstadium und werden aktuell für weitere Tests und Entwicklungen verwendet. So wurden einzelne Aggregate bislang in Prototypen eines Baggerladers und eines Teleskopladers demonstriert und in einen Lkw eingebaut. Dass jetzt der fünfzigste Motor fertiggestellt wurde, ist insofern bemerkenswert, als das Unternehmen erst im Jahr 2020 seinen Fokus von Batterien und Brennstoffzellen abgewandt hat.

J.C. Bamford Excavators Limited, auch bekannt als JCB, wurde 1945 von Joseph Cyril Bamford in Staffordshire, England, gegründet. Das Unternehmen befindet sich noch immer in Familienbesitz und wird vom derzeitigen Vorsitzenden Lord Anthony Bamford, dem Sohn des Gründers, geleitet. Das Unternehmen hat sich zu einem der weltweit größten Hersteller von Bau- und Landmaschinen entwickelt und verfügt über 22 Produktionsstätten auf vier Kontinenten.

---------- Werbung ----------

Im Rahmen seiner Dekarbonisierungsbemühungen investiert JCB 100 Mio. GBP in die Wasserstofftechnologie. Allerdings hatte das Unternehmen ursprünglich gar nicht vor, einen H2-Verbrennungsmotor zu entwickeln. Zunächst lag der Schwerpunkt auf der Effizienzsteigerung des Dieselmotors, um den Kraftstoffverbrauch zu senken und die Vorschriften für Auspuffemissionen zu einzuhalten. Doch die Kunden von JCB wollten mehr.

Elektrifizierung ab 2018

---------- Werbung ----------

Im Jahr 2018 brachte JCB sein erstes elektrisches Produkt auf den Markt, einen Minibagger, und reagierte damit auf die Nachfrage der Kunden nach einer emissionsfreien Maschine, die in Innenräumen und lärmempfindlichen Stadtgebieten eingesetzt werden kann. Die Technologie wurde auf 14 Modelle ausgeweitet. Tim Burnhope, Chief Innovation and Growth Officer bei JCB, drückt es gegenüber HZwei so aus: „Wir waren etwas naiv und dachten, wir könnten einfach alles mit Batterien ausstatten.“

Während kleine, kompakte Produkte im batterieelektrischen Format gut funktionierten, erfordere die Deckung des Leistungsbedarfs von mittelgroßen und schweren Maschinen bedeutend mehr Kapazität. Dies erhöhe das Gewicht und die Kosten der Maschine drastisch, wobei die Ladedauer die Arbeitszeit verringere. Die Schlussfolgerung: Batterien sind nicht skalierbar. JCB musste das Gewicht, die Kosten und die Ladezeit reduzieren.

Als Ersatz für Diesel wurden daraufhin andere Kraftstoffe in Betracht gezogen, nämlich Biomethan, E-Fuels, Ammoniak und mit Wasserstoff behandeltes Pflanzenöl (HVO). Allerdings hatte jeder Kraftstofftyp auch Nachteile, darunter hohe Kraftstoffkosten, Kohlenstoffgehalt, Toxizität, Geruch und Probleme im Zusammenhang mit der Verwendung von Pflanzen als Kraftstoff und nicht als Nahrungsmittel.

Versuche mit Brennstoffzellen

Die Überlegungen drehten sich um Wasserstoff und – als einzige Technologie, die JCB zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stand – um die Brennstoffzelle. Im Jahr 2019 kam der erste Prototyp eines Brennstoffzellenbaggers auf den Markt, dessen zweite Iteration – ausgestattet mit einer größeren Brennstoffzelle und besseren Batterien – im Jahr 2020 folgte (s. Abb. 1). Die Kosten für die Brennstoffzelle, den DCDC-Wandler und die Leistungsbatterien machten das Antriebssystem jedoch achtmal teurer als einen Dieselmotor.

Burnhope bringt die Schwierigkeiten der Brennstoffzellentechnologie auf den Punkt: „Sie ist zu kompliziert. Sie ist nicht robust genug für unsere Branche.“ Und Robustheit ist in rauen Arbeitsumgebungen wie Steinbrüchen oder Baustellen, wo die Geräte G-Kräften, Asphalt- und Farbdämpfen sowie Staub ausgesetzt sind, von entscheidender Bedeutung.

Ein weiteres Problem war die Verfügbarkeit von Brennstoffzellen. Die beiden Motorenwerke von JCB im Vereinigten Königreich und in Indien stellen jeweils bis zu 250 Motoren pro Tag her, so dass sich die Frage stellte, ob die Brennstoffzellenlieferanten die benötigten Mengen bewältigen würden.

Vorgabe des Vorstandsvorsitzenden

Obwohl JCB davon überzeugt war, dass Wasserstoff der gesuchte emissionsfreie Kraftstoff war, befand sich das Unternehmen in Bezug auf die Brennstoffzellentechnologie an einem Scheideweg. Im Juli 2020 präsentierte das Ingenieurteam seine Ergebnisse dem JCB-Vorsitzenden Lord Bamford, der daraufhin die ehrgeizige Herausforderung ausgab: Bis zu den Winterferien sollte ein Wasserstoffmotor entwickelt werden.

Am 7. Dezember 2020 hatte JCB dann einen mit Wasserstoff betriebenen Motor – den ersten H2-ICE (engl. internal combustion engine = Verbrennungsmotor) der Branche. Bei dessen Entwicklung wurde der Verbrennungsprozess von Grund auf neu konzipiert. 100 Ingenieure waren daran beteiligt, unterstützt von der Universität Aachen in Deutschland.

Vier Schlüsselbereiche wurden untersucht: Wasserstoffmischung, Luftkompression, Funkenzündung und Dampfmanagement. Eine der Herausforderungen beim Übergang von einem flüssigen zu einem gasförmigen Kraftstoff bestand darin, eine gleichmäßige Mischung von Wasserstoff und Luft zu erreichen. Mithilfe der numerischen Strömungsmechanik (CFD) wurde die Vermischung im Zylinder visualisiert. Dabei erkannte das Entwicklungsteam, dass der H2-Verbrennungsprozess in Bezug auf das Luft-Kraftstoff-Verhältnis sehr mager sein kann und nur wenig Wasserstoff benötigt.

Ein weiterer bemerkenswerter Unterschied ist der Druck: Die Dieseleinspritzung erfolgt bei 2.000 bar, während die Wasserstoffeinspritzung bei etwa 10 bar erfolgt. JCB entdeckte auch, dass Wasserstoff bei einer viel niedrigeren Temperatur als andere Kraftstoffe verbrannt werden kann, wobei die genaue Temperatur, die in seinem neuen H2-Verbrennungsmotor verwendet wird, von JCB streng geheim gehalten wird.

Das Ergebnis ist ein Vierzylindermotor mit Saugrohreinspritzung (s. Abb. 2). Er hat genau das gleiche Drehmoment, den gleichen Wirkungsgrad und die gleichen Leistungswerte wie sein Dieselpendant und ist so konzipiert, dass er in bestehenden Maschinen austauschbar ist. Die einzige Änderung an der Maschine selbst besteht darin, dass der Dieseltank durch Wasserstofftanks an der Seite ersetzt wird. Der H2-ICE kann zudem mit bereits verfügbaren Komponenten hergestellt werden. Ein weiterer Vorteil gegenüber Brennstoffzellen ist, dass die Maschine auf der Baustelle repariert werden kann.

H2-ICE von JCB sind bereits in Prototypen von Baggern und Teleskopladern (s. Abb. 1, li. u. re.), die sich von ihren Dieselpendants durch eine neue grün-weiße Lackierung anstelle des traditionellen JCB-Gelbs unterscheiden, im Einsatz. Der Wasserstoffmotor wurde auch in einen 7,5-Tonnen-Lkw von Mercedes eingebaut, um zu zeigen, dass dies möglich ist und dass die Technologie in einem Lastwagen funktioniert.

Was die künftige Produktion betrifft, so konnte Ryan Ballard, Engineering Director for Powertrain bei JCB, bislang keine konkreten Ziele benennen, sagte aber: „Wir sind ehrgeizig.“ Die H2-Testmotoren wurden auf denselben Produktionslinien gebaut wie die Dieselmotoren. Daher sei es möglich, bis zu 250 Wasserstoffmotoren pro Tag zu bauen, aber die Nachfrage sei noch nicht da, hieß es gegenüber H2-international.

Wasserstoff auf dem Vormarsch

Eine Besonderheit in der Bau- und Landwirtschaftsbranche ist bislang die Lieferung von Diesel direkt an die Baustelle mit einem mobilen Tankwagen. JCB hat daher kürzlich eine eigene Wasserstofftankanlage entwickelt (s. Abb. 1, Mitte). Der Tankwagen fasst 100 Kilogramm bei 500 bar. Dies reicht aus, um 16 H2-Bagger zu betanken, in denen der Wasserstoff bei 350 bar gespeichert ist, wobei 1 kg Wasserstoff etwa 3 kg Diesel entspricht. Die Betankungsanlage kann entweder auf der Rückseite einer modifizierten Fastrac-Zugmaschine oder auf einem Anhänger transportiert werden. Die Zapfpistole wird von der Firma WEH geliefert, und die Betankungszeit beträgt nur wenige Minuten.

Was die Bereitstellung des Wasserstoffs betrifft, so wird das JCB-Testgelände von Ryze Hydrogen beliefert, das die Anlieferungen per Tube-Trailer durchführt. Bei einem Besuch der HZwei-Redaktion vor Ort war der verwendete Wasserstoff ein Nebenprodukt eines Chlorherstellungsprozesses, bei dem Salzwasser durch Elektrolyse gespalten wird. Nach Angaben von JCB ist es jedoch das Ziel, zu grünem Wasserstoff überzugehen.

Auf die Frage nach dem Importvertrag, den JCB und Ryze Hydrogen mit dem australischen Unternehmen Fortescue Future Industries (FFI) für 2021 abgeschlossen haben, erklärte Ballard, dass diese Entscheidung auf die Nervosität des Marktes hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Wasserstoffversorgung zurückzuführen sei. Die Einfuhr von Wasserstoff aus Australien werde wahrscheinlich in Form von Ammoniak erfolgen, das wieder in Wasserstoff gespalten werde.

Mit Blick auf die Zukunft bleibt JCB „optimistisch“, was die künftigen Vorschriften für emissionsfreie Fahrzeuge angeht, und verfolgt aufmerksam die Änderungen der Vorschriften für Pkw und insbesondere für Lkw. Die Entwicklungen bei den Lkw-Vorschriften können nach Ansicht von JCB einen Hinweis darauf geben, was später auf Bau- und Landmaschinen zukommen kann.

Familienwerte

Das Interesse an Wasserstoff ist bei JCB eine Familienangelegenheit. Der Sohn des JCB-Vorsitzenden, Jo Bamford, ist Eigentümer des nordirischen Unternehmens Wrightbus, das seit 2016 Brennstoffzellenbusse herstellt. Er ist auch der Gründer von Ryze Hydrogen, das Wasserstofftransport, -vertrieb und -infrastrukturleistungen in Großbritannien anbietet.

Autorin: Nicola Bottrell Hayward

H2GO – Lastenmobilität im Wasserstoffzeitalter

H2GO – Lastenmobilität im Wasserstoffzeitalter

Steigende Verkehrsleistungen im Straßengüterverkehr haben einen kontinuierlichen Anstieg der CO2-Emissionen in diesem Segment zur Folge, trotz Fortschritten bei Verbrauch und Abgastechnik. Alternativen zu fossilen Energieträgern werden daher besonders im Schwerlastverkehr dringend benötigt. Gemeinsam mit 18 weiteren Fraunhofer-Instituten arbeitet das Fraunhofer IWU mit Hochdruck daran, die Voraussetzungen für eine effiziente Großserienfertigung von Brennstoffzellen zu schaffen, die an Bord eines Nutzfahrzeugs Wasserstoff in Strom umwandeln. Im Rahmen von H2GO werden technologische Lösungen entwickelt, die einen zügigen Hochlauf der Brennstoffzellenproduktion ermöglichen. Der Aktionsplan ist darauf ausgerichtet, Industrie und Forschung zu einem starken Ökosystem für eine wirtschaftliche und nachhaltige Brennstoffzellenproduktion zu verbinden. H2GO wird nicht nur die industrielle Massenproduktion der Komponenten mit durchgängigen Rolle-zu-Rolle-Verfahren entwickeln. Er wird auch konsequent den Kreislaufgedanken aufgreifen. Ein Teilprojekt widmet sich der automatisierten Montage und Demontage von Brennstoffzellen, damit Material und Bauteile für ein zweites Produktleben wiedergewonnen werden können.

Brennstoffzellenelektrische Fahrzeuge (FCEVs, fuel cell electric vehicles) haben das Potenzial, künftig eine tragende Rolle im CO2-neutralen Fernverkehr zu übernehmen: In technologischer Hinsicht bietet die Brennstoffzelle im Vergleich zu den heutigen fossilen Antriebstechnologien ähnliche Volumen- und Gewichtszuladungen bei vergleichbaren Reichweiten und Tankzeiten. Damit bleibt Speditionen die heute gewohnte Flexibilität im Lkw-Einsatz erhalten. Gegenüber anderen emissionsfreien Antrieben sind FCEVs gerade im Schwerlastverkehr betriebs- wie volkswirtschaftlich und auch ökologisch wettbewerbsfähig – einen erfolgreichen Markthochlauf vorausgesetzt, der für Wasserstoff Kostenparität zu fossilen Energieträgern schafft.

---------- Werbung ----------

Für den Produktionsstandort Deutschland kann Wasserstoff zusätzliche Wertschöpfung und damit ein umfangreiches, nachhaltiges und zukunftsfähiges Geschäftsfeld generieren. H2GO wird dazu beitragen, der deutschen Wirtschaft bedeutende Anteile am sich hochdynamisch entwickelnden globalen Brennstoffzellenmarkt zu sichern. Eine zügig aufgebaute BZ-Industrie kann so zu einem zentralen Kompetenzfeld deutscher Unternehmen werden. Zusätzlicher Klimaschutz im Mobilitätssektor eröffnet also auch industriepolitisch einmalige Chancen.

Somit gilt es, Fertigungstechnologien und -prozesse für eine effiziente, kostengünstige und hochrentable industrielle Serienfertigung zu ertüchtigen. H2GO wird dazu über produktionstechnische Forschung, Entwicklung und Vorbereitung der industriellen Umsetzung die Voraussetzungen schaffen. Der Aktionsplan richtet sich nicht zuletzt an kleine und mittelständische Unternehmen, die die gesamte Wertschöpfungskette der Brennstoffzellenproduktion abbilden und bis hin zur Anwendung in der Lastenmobilität schließen.

---------- Werbung ----------

Forschungsverbund aus 19 Instituten

Das organisatorische Fundament von H2GO bilden 19 Fraunhofer-Institute in insgesamt neun Bundesländern, die mit ihren Forschungskompetenzen und -infrastrukturen sowie lokalen Netzwerken neue Fertigungslösungen in regionalen Technologiehubs entwickeln. Als dezentraler Produktionsforschungsverbund erlaubt der Nationale Aktionsplan die dynamische Einbindung weiterer Initiativen und setzt auf bestehenden Infrastrukturen auf. So werden ineffiziente Doppelstrukturen vermieden, und die Mittel können gezielt zur Entwicklung innovativer Technologien und vorwettbewerblicher Produktionskonzepte für eine hochratenfähige Brennstoffzellenproduktion eingesetzt werden.

Das Entwicklungsziel sind Konzepte, die weit über die derzeit verfügbaren Lösungen hinausgehen. Diese Konzepte entstehen in Technologiehubs, die inhaltlich verschiedene Forschungsschwerpunkte verfolgen und zu vier Technologieverbünden zusammengefasst werden: R2MEA, R2HP, HP2BPP und ST2P. Diese bilden die wesentlichen Bestandteile der Wertschöpfungskette bei der Herstellung der wesentlichen BZ-Komponenten, Protonenaustausch-Membran (MEA) und Bipolarplatten (BPP), ab und beschäftigen sich zudem mit dem Recycling von Stacks (ST2P).

Das technologische Rückgrat des Aktionsplans ist die virtuelle Referenzarchitektur für Brennstoffzellenproduktion, die aus den digitalen Abbildern der Produktionsmodule in den Technologieverbünden entsteht. Mit diesem virtuellen Baukasten lassen sich anwendungs- und typspezifische Fertigungsszenarien für Einzelkomponenten und Gesamtsysteme im industriellen Maßstab planen, realisieren und flexibel anpassen.

Rolle zu MEA

Der Verbund R2MEA entwickelt eine kontinuierliche (Rolle-zu-Rolle, R2R) Anlagentechnologie für die MEA-Herstellung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf verschiedenen Verfahren zur Beschichtung und nachfolgenden Prozessen, die für eine industrielle Massenfertigung optimiert werden.

Rolle zu Halbplatte

Der Verbund R2HP entwickelt stückzahlskalierbare Umformtechnologien. Dabei kommen unterschiedliche Halbzeuge bzw. Ausgangswerkstoffe zum Einsatz, aus denen mit zwei hochratenfähigen Umformverfahren Halbplatten in drei verschiedenen Prozessrouten gefertigt werden. Die dafür eingesetzten Produktionstechnologien werden für die Brennstoffzellenfertigung neu geschaffen und hinsichtlich Qualität und Ausbringungsmenge optimiert. R2HP wird auch Herausforderungen bei Werkzeugbau und Handling lösen.

Halbplatte zu Bipolarplatte

Der Verbund HP2BPP baut auf den Produktionsmodulen des R2HP auf und nutzt dessen Halbplatten. Das Ziel besteht darin, aus diesen Halbplatten kontinuierlich hochfunktionale Bipolarplatten herzustellen. Dazu werden spezifische Technologien für die dem Umformprozess (R2HP) vor- bzw. nachgelagerten Fertigungsschritte entwickelt. Der Fokus liegt dabei neben Qualitätsaspekten vorrangig auf höheren Geschwindigkeiten bei den Verfahrensschritten Fügen, Funktionalisieren, Beschichten und Separieren sowie auf einer Prozesskettenverkürzung.

Stack zu Piece

H2GO folgt konsequent dem Gedenken geschlossener Stoffkreisläufe. Gemeinsam mit drei weiteren Fraunhofer-Instituten stellt sich das Fraunhofer IWU bereits jetzt der Frage, wie die Produktion das Produktdesign der Brennstoffzellen beeinflussen muss, damit die eingesetzten Materialien demontiert, wiederverwertet oder am besten sogar wiederverwendet werden können. Der Verbund ST2P untersucht passend dazu, welche Maschinen, Anlagen und Prozesse benötigt werden, um Brennstoffzellensysteme automatisiert montieren sowie am Ende ihres Produktlebens zerstörungsfrei wieder demontieren zu können.

Der Nationale Aktionsplan entwickelt nun passgenaue stückzahlskalierbare Produktionslösungen und Prozessketten für die wirtschaftliche Fertigung von Brennstoffzellen in den Anwendungsbereichen Heavy, Medium und Light Duty (s. Abb. 2).

Abb. 2: Die H2GO-Raodmap – maßgeschneiderte Brennstoffzellen je Nutzfahrzeugklasse

Von Heavy bis Light Duty

Bei den Heavy-Duty-Fahrzeugen (> 11,8 t Gesamtgewicht) liegt der Fokus auf der technologischen Entwicklung von industriellen Produktionsverfahren, die die Ausbringungsmengen deutlich steigern, jedoch auch die Anforderungen an die BZ-Lebensdauer, resultierend aus einer hohen jährlichen Fahrleistung, besonders berücksichtigen. Deswegen werden in dieser Prozesskette Kunststoff-Compounds verwendet und vorgeformt. Das Einbringen der Flussfelder erfolgt danach durch Walzen (R2HP).

Weitere Prozessschritte sind laserbasierte Schneid- und Fügeprozesse sowie schließlich ein spezielles Prüfverfahren, das die Herstellung der BPP abschließt (HP2BPP). Kombiniert wird diese mit einer MEA, die durch eine Decal-Beschichtung mit Siebdruck oder Schlitzdüse hergestellt wurde (R2MEA).

Im Anwendungsbereich der Medium Duties (Gesamtgewicht zwischen 4,5 t bis 11,8 t) liegt der Fokus auf dem Einsatz des umformenden Prägens zur Herstellung von metallischen Halbplatten (R2HP). Die Fertigungsgeschwindigkeiten sollen gesteigert und die Prozessketten verkürzt werden, beispielsweise durch ein gemeinsames Werkzeug für das Prägen und Feinschneiden (HP2BPP). So sollen durch diese technologischen Entwicklungen die Ausbringungsmengen erhöht und an den steigenden Marktbedarf angepasst werden. Damit lassen sich erste Skaleneffekte zur Kostensenkung erzielen.

Um jedoch die komplette Bandbreite der Skaleneffekte auszunutzen und somit eine Kostenparität zu den fossilen Antrieben tatsächlich zu realisieren, bedarf es einer höchstratenfähigen industriellen Massenfertigung. Diese macht das Marktvolumen des Anwendungsbereiches der Light Duties (< 4,5 t Gesamtgewicht) erforderlich. Mit dem kontinuierlichen Walzen lassen sich die benötigten höchstratenfähigen Ausbringungsmengen von bis zu 100 Halbplatten pro Minute erzielen (R2HP).

Jedoch erfordert dies eine Synchronisation mit den nachfolgenden Füge- und Beschichtungsprozessen (HP2BPP). Zudem werden zur Stabilisierung des metallischen Systems vorbeschichtete Halbzeuge verwendet, die die Steigerung der Lebensdauer der BPP begünstigen. Interagieren werden diese mit MEAs, die durch eine besonders innovative und höchstratenfähige Methode hergestellt werden. Dabei wird die Membran direkt durch Inkjet-Verfahren beschichtet (R2MEA).

Referenzfabrik.H2

Mit den stückzahlskalierbaren Produktionslösungen und Prozessketten wird nicht nur der Markthochlauf der BZ-Technologie in unterschiedlichen Anwendungsszenarien der Lastenmobilität intensiviert, sondern auch eine breite Beteiligung verschiedener Industriezweige, insbesondere des Maschinen- und Anlagenbaus, in diesem neuen Geschäftsfeld forciert. Ein Tor für diese Unternehmen zu H2GO ist die vom Fraunhofer IWU koordinierte Referenzfabrik.H2.

Als produktionstechnischer Technologiebaukasten mit realen sowie virtuellen Maschinen und Anlagen, die zur Herstellung von Wasserstoffsystemen notwendig sind, unterstützt sie Unternehmen schneller und zielgerichteter. So lässt sich mit deutlich reduziertem Risiko in die Wasserstoffsystemfertigung einsteigen. Unternehmen können sich in der Referenzfabrik.H2 entwickeln, technologisch wachsen und Schritt für Schritt als Teil der Wertschöpfungsgemeinschaft eigene Produkte und Services anbieten. Dank flexibler Produktionsmodule für eine skalierbare, industrielle Fertigung von Wasserstoffsystemen wird die Wertschöpfungsgemeinschaft den Sprung von heute noch wenigen Stückzahlen hin zur industriellen Massenherstellung in den 2030iger Jahren schaffen.

Autorin: Dr. Ulrike Beyer, Leitern der Referenzfabrik am Fraunhofer IWU, Chemnitz, ulrike.beyer@iwu.fraunhofer.de

Auf dem Weg zu einer regionalen H2-Wirtschaft

Auf dem Weg zu einer regionalen H2-Wirtschaft

Der Landkreis Kulmbach wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ausgerufenen Förderprogramms HyLand als HyStarter-Region ausgezeichnet. Seit Frühjahr 2022 wird in diesem Kontext intensiv am Aufbau einer regionalen Wasserstoffwirtschaft gearbeitet. Dafür wurde ein Akteurskreis mit Vertreter:innen lokaler Unternehmen, Organisationen, Verbände sowie der Wissenschaft zusammengestellt. In insgesamt sechs Dialogformaten fanden externe Fachvorträge statt, es wurden bereits bestehende Aktivitäten vernetzt und sich darüber ausgetauscht, neue Projektideen gemeinsam entwickelt sowie eine übergreifende Strategie für die Region entworfen. Der Abschluss des HyStarter-Programms, das Mitte des Jahres 2023 mit der Veröffentlichung eines eigenen Regionenkonzeptes ausläuft, wird dabei nicht als Ende, sondern als eigentlicher Startschuss für die Aktivierung der Wasserstoffwirtschaft im Landkreis verstanden. Mit der Vernetzung der Akteure vor Ort und der Diskussion der vielzähligen Anwendungs- und Erzeugungspotenziale von Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien wurden die Grundsteine für die Projektideen gelegt, die es nun in die Umsetzung zu bringen gilt.

Der ländlich geprägte Landkreis Kulmbach liegt im Herzen Oberfrankens im nördlichen Bayern. Die gleichnamige Kreisstadt ist bekannt für ihre Biere und imposanten Burgen. In der Nachbarschaft sind mit dem Wunsiedel-Projekt, der Universität Bayreuth sowie der HyExpert-Region Neustadt an der Waldnaab bereits spannende H2-Aktivitäten zu verzeichnen. Ausschlaggebend für die frühzeitige Positionierung als H2-Region war die Erkenntnis, dass der Landkreis als eine der letzten Gegenden im Entwicklungsplan des deutschen H2-Backbone-Fernleitungsnetzes Anschluss erhält.

---------- Werbung ----------

Damit daraus keine Standortnachteile entstehen, sollen die Grundlagen einer Wasserstoffinfrastruktur selbst geschaffen werden. Gute Ausgangsvoraussetzungen sind dafür gegeben: Handwerksbetriebe, Dienstleister und Hersteller innovativer Komponenten und Systeme im Bereich der Energietechnik sind im Landkreis heimisch. Und nach einem Jahr der intensiven Zusammenarbeit ist der Grundstein für den Aufbau der regionalen Wasserstoffwirtschaft gelegt.

Starkes Netzwerk, großer Umsetzungswille

---------- Werbung ----------

Motiviert durch den Willen der regionalen Wirtschaft, Innovationen umzusetzen und die Zukunft aktiv zu gestalten, kann der Landkreis Kulmbach auf eine gut vernetzte Unternehmerlandschaft blicken. Viele Betriebe existieren seit mehreren Generationen. Die Universität Bayreuth gründete am Außencampus Kulmbach im Herbst 2022 ihre neue Fakultät für Lebenswissenschaften. Für die geplante Standorterweiterung ist die Idee eines Klimacampus entstanden, bei der auch Wasserstoff eine tragende Rolle einnehmen könnte. Die Planungen hierfür befinden sich noch im Anfangsstadium. Nichtsdestotrotz hätte ein Klimacampus Strahlkraft über den Landkreis hinaus. Die Begegnung mit gelungenen Praxisbeispielen sowie der Austausch der jungen Studierenden dazu können nur akzeptanzstiftend wirken und weitere innovative Vorhaben nach sich ziehen.

Die (Aus-)Bildung und Qualifizierung von Fachkräften hat im Landkreis Kulmbach ohnehin einen hohen Stellenwert. In der Berufsschule in Kulmbach werden Fachkräfte u. a. in den Bereichen Versorgungs- und Kältetechnik mit einem Schwerpunkt auf Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik ausgebildet. Das Handwerk ist der Umsetzer der Energiewende. Veränderte Kompetenzanforderungen, die mit dem verstärkten Einsatz von Zukunftstechnologien einhergehen, sollen in einer langfristigen Anpassung der Lehrpläne Berücksichtigung finden. Kurzfristig sind Vortragsreihen mit einem starken Praxisbezug angedacht, um für das Thema zu sensibilisieren und Skepsis gegenüber der Technologie abzubauen.

Unter dem Schlagwort Praxisbezug lassen sich die Ansätze aus der ansässigen Verkehrsakademie zusammenfassen. Die Fahrschule und Berufskraftfahrer-Ausbildungsstätte möchte einen Brennstoffzellen-Lkw anschaffen, an dem die Anwendung sowie Instandhaltung und Reparatur derartiger Fahrzeuge demonstriert wird, damit Berufskraftfahrer:innen in dieser Technologie aus- und fortgebildet werden können.

Gute Ideen, interessante Anwendungen

Ohnehin hat der Landkreis einen starken Schwerpunkt auf Wasserstoffmobilität gelegt. Viele der Unternehmen im HyStarter-Netzwerk zeigen sich gegenüber der Technologie sehr offen und sind perspektivisch bereit, ihre Fahrzeugflotten anzupassen bzw. den Energieträger Wasserstoff bei der Umstellung ihres Fuhrparks zu berücksichtigen. Es gibt zudem ein Interesse am Einsatz von Wasserstoff in schweren Baumaschinen.

Eine Besonderheit hierbei bilden die Steinwerke, wo Bagger und schwere Sonderfahrzeuge im Einsatz sind. Sie eignen sich aufgrund der hohen energetischen Dauerbelastung besonders für die Nutzung von Wasserstoff, gleichzeitig gibt es derzeit aber noch keine serienreifen Modelle. Herausfordernd ist in dem Zusammenhang zudem, dass eine eigene Tankinfrastruktur nötig wäre, da die Fahrzeuge teilweise keine übliche Straßenzulassung besitzen und die Standorte der Steinbrüche naturgegeben abseits der Städte liegen. Mobile Tankstellen an den jeweiligen Standorten könnten für eine Übergangszeit eine Lösungsoption darstellen.

Aufbau einer eigenen H2-Station

Als Nukleus der H2-Mobilitätsoffensive wird der Aufbau einer Tankinfrastruktur für Lkw und Pkw gesehen. Das Netzwerk hat sich frühzeitig auf die Notwendigkeit einer H2-Station in zentraler Lage verständigt. Zunächst bildete sich eine Arbeitsgruppe aus engagierten Unternehmern sowie dem Klimaschutzmanagement des Landkreises Kulmbach. Nachdem ein Standort auf einem privaten, aber zukünftig für alle zugänglichen Betriebshof gefunden war, wurde bereits die erste Skizze zur Förderung verfasst. Im zweiten Anlauf wurde die finanzielle Unterstützung dann durch den Freistaat Bayern bewilligt.

Dass das regionale Interesse an der Nutzung der Tankstelle hoch ist, spiegelte sich in besonderem Maße in den zahlreichen Absichtserklärungen zur Anschaffung von Brennstoffzellenfahrzeugen wider, die im Rahmen der Antragstellung eingesammelt wurden. Während die Planungen für die Tankstelle bereits in vollem Gang sind, werden die Potenziale für die zusätzliche Erzeugung von grünem Wasserstoff in der Region geprüft, um sich perspektivisch bei der Versorgung der Tankstelle von Importen aus anderen Regionen unabhängig zu machen. Das Vorhaben der bayerischen Landesregierung, den Aufbau von Elektrolysekapazitäten mit entsprechenden Förderprogrammen flächendeckend zu unterstützen, verspricht aus Sicht der HyStarter-Akteure eine gute Unterstützung.

Reges öffentliches Interesse

Das in Kulmbach außergewöhnlich hohe Engagement, gepaart mit einem starken Willen zur Umsetzung, wurde im Spätsommer 2022 auch für die breite Öffentlichkeit sichtbar: Aus einer Informationsveranstaltung, auf der die Zwischenergebnisse des HyStarter-Projektes präsentiert werden sollten, wurde eine zweitätige Messe, bei der zahlreiche Aussteller aus Industrie und Forschung mit Exponaten dem interessierten (Fach-)Publikum Fragen rund um Fahrzeuge, Erzeugungstechnologien und allerlei Anwendungen beantworten konnten.

Grußworte des Bundesverkehrsministers Volker Wissing und des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger unterstrichen sowohl die Relevanz des Themas als auch die Unterstützung von Seiten der Politik. Das überregionale durchweg positive Meinungsbild war Anlass genug, eine jährliche Fortschreibung der Veranstaltung festzumachen. Im September 2023 wird in der Raumhalle Kulmbach die nächste H2-Roadshow stattfinden.

Neben den Themen Bildung und Qualifizierung sowie Mobilität hat sich ein weiterer Baustein im Bereich der Gebäudeenergie- und Wärmeversorgung aufgetan. Ausgehend von der Tatsache, dass in zum Landkreis gehörenden Gemeinden Siedlungen oder Dörfer nicht an ein Wärmenetz angeschlossen sind und die Häuser entsprechend mit Öl und Flüssiggas beheizt werden, ist die Idee eines lokalen Nahwärmenetzes geboren. Wasserstoff könnte dafür nach den derzeitigen Überlegungen vor allem in den sonnenarmen Wintermonaten Einzug in die Energieversorgung halten.

Entscheidend für den Erfolg ist neben der Technologie aber vor allem die Akzeptanz innerhalb der lokalen Bevölkerung. Erste Beteiligungsformate wurden deswegen schon durchgeführt. Bei Erfolg des Projekts soll es als Blaupause für andere Gemeinden dienen.

Große politische Unterstützung

Der Landkreis Kulmbach zeichnet sich nicht nur durch eine umsetzungsgetriebene Wirtschaft aus, sondern kann zudem auf eine sehr praxisnahe und unterstützende Verwaltungsstruktur blicken, was insbesondere am Engagement des Klimaschutzmanagements und der Rückendeckung durch den Landrat im Rahmen von HyStarter sichtbar wurde. Bei der Planung der H2-Tankstelle findet eine enge Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und privaten Akteuren statt, und es gibt eine fraktionsübergreifende Aufgeschlossenheit gegenüber H2– und BZ-Technologie in der Kommunalpolitik. Außerdem gab es starke Rückendeckung für die Wasserstoffprojekte aus der Landespolitik: Der bayerische Wirtschaftsminister hat sowohl für die Errichtung der Tankstelle als auch für die H2-Roadshow die Schirmherrschaft übernommen.

Die unterstützenden Worte aus der Politik allein sind in der Regel (noch) nicht ausreichend und lassen Förderprogrammen auf Bundes- und Landesebene eine hohe Bedeutung zukommen. HyStarter hat es geschafft, den nötigen Rahmen für den erforderlichen Austausch untereinander bzw. zur Pflege des Netzwerks zu schaffen. Durch die Organisation und Durchführung der Dialogformate mit interaktiven Workshops, gezielten Fachinputs zu verschiedensten Wasserstoffthemen, angefangen bei technologischen Grundlagen über Praxisbeispiele hin zu Rechtsberatung, wurde der fruchtbare Nährboden geschaffen, der die raschen Entwicklungserfolge ermöglichte und von dem Landratsamt allein finanziell und personell nicht zu stemmen gewesen wäre.

Auch die Errichtung der Tankstelle ist ohne die Förderhilfe durch das Land Bayern zum derzeitigen Zeitpunkt nicht denkbar. Es braucht also nach wie vor kommunale Unterstützung zur Aktivierung regionaler Wasserstoffmärkte.

Am Beispiel der HyStarter-Region Kulmbach werden die Besonderheiten von Wasserstoff als Schlüssel der Energietransformation ersichtlich. Das Thema berührt viele Sektoren, Branchen und damit auch Akteure gleichermaßen, die bisher selten bis gar nicht an einem Tisch zusammenkommen. Es zahlt sich aus, diese Diversität in einen aktiven Akteurskreis mit Leuten aus Wirtschaft, Wissenschaft sowie Politik und Verwaltung zusammenzubringen, um gemeinsam eine langfristige Vision zu erarbeiten. Letztendlich sind es umsetzungswillige und engagierte Akteure, die mit Rückendeckung aus Politik und Verwaltung in die Umsetzung der Energiewende investieren und diese in die Praxis überführen.

Autoren: Patrick Steiger, patrick.steiger@nuts.one
Nils Werner, nils.werner@nuts.one
beide Nuts One GmbH, Berlin

Methan ohne Wasserstoff

Methan ohne Wasserstoff

Synthetische Energieträger wie künstlich hergestelltes Methan können Ökoenergie transportierbar und langfristig speicherbar machen. Das Problem: Die Herstellung ist mit relativ hohen Energieverlusten verbunden. Bisherige Verfahren benötigen zudem eine zusätzliche Aufreinigung des Methans. Forschende der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) wollen das ändern. Sie haben nun ein neues Konzept für die Methanisierung entwickelt.

Künstlich erzeugtes Methan zählt zur Kategorie synthetischer Gase – und es bietet ein enormes Potential, wenn es aus atmosphärischem CO2 und erneuerbar erzeugtem Wasserstoff hergestellt wird. Die Methanisierung stellt jedoch einige Herausforderungen dar: Die katalytische Umwandlung von Wasserstoff und CO2 zu Methan führt zu einem Produkt, das noch Wasserstoff und gegebenenfalls auch CO2 enthält. Das verhindert eine direkte Einspeisung ins Gasnetz.

---------- Werbung ----------

Direkte Einspeisung ins Erdgasnetz

Schweizer EMPA-Forschende um Florian Kiefer haben deshalb ein neues Reaktorkonzept entwickelt. Das wasserstofffreie Methan wird durch eine sogenannte sorptionsverstärkte Methanisierung erzeugt. Die Idee dahinter: Das bei der Reaktion entstehende Wasser wird während des Prozesses auf einem porösen Katalysatorträger fortlaufend adsorbiert. Dieser kontinuierliche Wasserentzug führt dazu, dass als Produkt nur Methan anfällt. Damit entfällt die Aufreinigung des Produktegemisches. Das Katalysatorträgermaterial wird nach Ende der Reaktion mittels Druckabsenkung wieder getrocknet und steht für den nächsten Reaktionszyklus bereit.

---------- Werbung ----------

Bereits seit drei Jahren forscht das Team an einem neuen Reaktorkonzept mit sogenannten Zeolith-Pellets. Diese dienen als poröser Katalysatorträger und adsorbieren gleichzeitig das während der Methanisierungsreaktion entstehende Wasser. „Wir erreichen eine relativ hohe Reinheit des Produktes durch den Effekt der sorptionsverstärkten Katalyse“, so Florian Kiefer, der Projektverantwortliche für die Methanisierung. „Das bedeutet, wir verschieben das Reaktionsgleichgewicht der Sabatier-Reaktion durch eine kontinuierliche Entnahme eines Teils der Produkte.“

In diesem Fall wird das Wasser entzogen. So entsteht nahezu reines Methan oder eben CH4. „Die Entnahme des Wassers findet im Reaktor kontinuierlich durch Adsorption auf dem Katalysatorträger statt“, beschreibt Kiefer. Um dies zu erreichen, muss der Katalysatorträger eine hohe Wasseraufnahmekapazität haben.

Was machen Zeolith-Pellets?

Mit dem verwendeten Zeolith kreieren die Wissenschaftler am EMPA genau diese Eigenschaft der Speicherung. Zeolithe verfügen über eine hohe Wasseraufnahme, selbst unter den Bedingungen, unter denen die Reaktion stattfindet. Doch was ist das für ein Material? „Zeolithe sind kristalline mikroporöse Alumosilikate mit großer innerer Oberfläche“, beschreibt der Wissenschaftler, „und daher kommt die hohe Wasseraufnahmekapazität.“

Das Adsorbieren des Wassers ist unter anderem für die Einspeisung ins Gasnetz, die Verflüssigung zu LNG oder auch zur Nutzung in CNG-Fahrzeugen wichtig. Je nach Anwendung werden unterschiedliche maximale CO2– und H2-Anteile vorgeschrieben, die man mit möglichst geringem energetischem Aufwand zuverlässig erreichen möchte. Darüber hinaus ist eine möglichst vollständige Umwandlung der Ausgangsstoffe H2 und CO2 wichtig für die Gesamteffizienz des Prozesses. „Alternativ wäre natürlich eine Abtrennung und Rückführung von Wasserstoff und CO2 möglich, was allerdings mit energetischem und technischem Aufwand verbunden ist“, erklärt Kiefer.

Einer der entscheidenden Vorteile des neuen Reaktorkonzepts ist der hohe Methananteil im Produktgas, der ohne Gasrückführung auskommt. Zudem kann der Prozess sowohl bei niedriger Teillast als auch bei schwankender Zufuhr von CO2 und H2 stabil betrieben werden. Diese Lastflexibilität ist insbesondere für die Kopplung mit erneuerbaren Energien wichtig.

Elektrolyseur toleriert keine Unreinheiten

Das Wasser muss zur Elektrolyse im PEM-Elektrolyseur aufbereitet werden (z. B. durch Umkehrosmose), denn der Elektrolyseur toleriert keine Unreinheiten, da diese die Membranen schädigen würden. Für die Bereitstellung des Wasserstoffs für die Methansynthese könne allerdings auch eine andere Elektrolysetechnologie verwendet werden, berichtet Kiefer. Um 1.000 kg Wasserstoff zu erzeugen, benötigt man rein rechnerisch 8.936 kg Wasser. Wird aus dem Wasserstoff Methan erzeugt, kann theoretisch die Hälfte des Wassers wieder zurückgeführt werden.

Synfuels lassen sich in herkömmlichen Benzin-, Diesel- oder Gasfahrzeugen nutzen. Ein Nachteil sind allerdings die hohen Umwandlungsverluste. Bei der Herstellung der Synfuels aus erneuerbarem Strom geht derzeit rund die Hälfte der Primärenergie verloren. Diese Verluste können laut Angaben des EMPA in Zukunft voraussichtlich auf 40 bis 45 Prozent gesenkt werden. Der synthetische Kraftstoff ist deshalb nur dort sinnvoll, wo eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. Mögliche Einsatzbereiche wären der Lastverkehr, Frachtschiffe und Flugzeuge.

Bei allen Verlusten haben Synfuels aber auch einen Vorteil: Sie lassen sich einfach über weite Strecken transportieren. Und so könnten auch weit entfernte Erneuerbare-Energie-Ressourcen, z. B. in Wüstengebieten, erschlossen werden. Die synthetischen Energieträger können dann auch über längere Zeiträume verlustfrei gespeichert werden. Sie stellen damit einen interessanten Puffer für ein regeneratives Energiesystem dar – das schon in weniger als drei Jahrzehnten komplett oder fast komplett erneuerbar sein soll.

Vom Labor zur Industrieanlage

Noch spielt sich all dies im Labor ab. Im Fokus des neuen Verfahrens stand aber von Anfang an die Skalierung. Die Forschenden haben also ein Konzept gesucht, das auch in Großanlagen umsetzbar ist. Finanziell unterstützt wurde das Projekt unter anderem durch den Kanton Zürich, Avenergy Suisse, Migros sowie Lidl Schweiz, Armasuisse und Swisspower. Zudem hat die EMPA mit verschiedenen Industriepartnern zusammengearbeitet.

Entscheidend für die Reaktorauslegung und Prozessplanung ist dabei vor allem die Regenerationszeit, also die für die Trocknung des Reaktors benötigte Zeit. Um eine kontinuierliche Methanproduktion zu gewährleisten, müssen deshalb mindestens zwei Reaktoren abwechselnd arbeiten. Für die Trocknung der Reaktoren ist zudem ein geeignetes Wärmemanagement zentral, entweder durch die Ableitung der Wärme aus dem Reaktor oder durch die interne Speicherung von Wärme im Katalysatorbett. In diesem Bereich hat Kiefers Team ein Patent angemeldet. Details dazu will oder kann er jedoch noch nicht verraten.

„Für die Wasserstofferzeugung benötigt man neben erneuerbarer Elektrizität aber auch viel Wasser“, weiß Kollege Christian Bach, Leiter der Abteilung für Fahrzeugantriebssysteme. In einem Mobilitätsdemonstrator soll deshalb neben dem CO2 auch das Wasser für die Wasserstoffherstellung mithilfe eines CO2-Kollektors des Spin-offs Climeworks der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) direkt vor Ort aus der Atmosphäre gewonnen werden. Solche Konzepte wären dann künftig auch in Wüstenregionen ohne flüssige Wasservorräte umzusetzen. Das Schweizer Start-up Climeworks betreibt mit Orca in Island bereits eine Anlage mit einer jährlichen Abscheidekapazität von 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft (s. Kasten).

Climeworks will CO2 aus der Luft holen

Diese neudeutsch bezeichnete CO2-Direct-Air-Capture-Anlage basiert auf dem Prinzip der selektiven Adsorption von CO2 in einem Material, das mit Luft durchströmt wird. Neben CO2 wird hierbei auch Wasser aus der Luft aufgenommen. Durch eine Temperaturerhöhung wird das aufgenommene CO2 wieder aus dem Material ausgetrieben und in reiner Form für die Methanisierungsanlage bereitgestellt. Dabei wird Strom für die Ventilatoren benötigt, um die Zirkulation des Luftstroms zu gewährleisten. Zum Austreiben des adsorbierten CO2 ist eine Wärme von rund 100 °C erforderlich. „Diese Wärme stellen wir mindestens zur Hälfte mit Abwärme aus dem Gesamtprozess zur Verfügung“, erklärt Kiefer. Zudem bringt eine Wärmepumpe die Abwärme des Elektrolyseurs auf das benötigte Temperaturniveau.

Ende 2023 soll der Demonstrator in Betrieb gehen. Die nächsten Schritte in der Entwicklung stünden schon fest, berichtet Kiefer: Optimierung des gesamten Betriebsablaufs und des lastflexiblen Betriebs sowie die Einbindung der Methanisierung in den Gesamtprozess. Eine genaue Beurteilung der Energieeffizienz wird erst dann möglich sein.

Climeworks startet erste Großanlage zur Abscheidung

Im September 2021 hat Orca ihren Betrieb auf Island aufgenommen. Hierbei handelt sich aber nicht um einen großen Schwertwal, wie der Name suggerieren könnte, sondern um eine Anlage zur direkten Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Laut der Schweizer Firma Climeworks handelt es sich um die weltweit größte Abscheideanlage ihrer Art.

Die Anlage besteht aus acht Sammelbehältern mit einer jeweiligen Abscheidekapazität von 500 Tonnen jährlich. Die Container sind um eine Prozesshalle herum angeordnet. In dieser ist die gesamte Elektrik der Aufbereitungseinheit untergebracht, so dass diese auch aus der Ferne bedient und gesteuert werden kann.

Die erforderliche Wärme und Elektrizität für den Prozess der Lufterfassung kommt direkt vom Geothermiekraftwerk Hellisheidi. Die Orca nutzt also reine Ökoenergie für die Abscheidung. Dabei wird das konzentrierte CO2 in der Erde gespeichert. Durch eine natürliche Mineralisierung reagiert der Kohlenstoff mit Basaltgestein und versteinert so innerhalb weniger Jahre. Mitte 2022 wurde der Baustart für einen weiteres Projekt auf Island verkündet. Die neue Anlage heißt: Mammut.

Autor: Niels Hendrik Petersen

preloader