Klimaneutrale Energieversorgung ganzer Siedlungen
Immer mehr Bauprojekte setzen bei der Energieversorgung inzwischen auf Wasserstoff und Brennstoffzellen. Vor dem Hintergrund der Pariser Klimaziele liegt es nahe, für Neubauten keine fossilen Energieträger mehr einzuplanen, sondern komplett auf erneuerbare Energien zu setzen. Da aber der mit einer innovativen Energietechnik verbundene Aufwand oft doch erheblich ist, lohnt er sich umso mehr, je größer die Anzahl der Nutzer ist. Insbesondere für Quartierslösungen, bei denen mitunter viele Dutzende oder gar Hunderte Wohneinheiten gebaut werden, ist solch ein alternativer Ansatz sinnvoll.
In Esslingen entsteht seit Anfang 2020 ein nahezu klimaneutrales Stadtquartier. Auf einem zwölf Hektar großen ehemaligen Güterbahnhofsgelände wird die „Neue Weststadt“ mit 450 Wohnungen sowie Büro- und Gewerbeflächen realisiert, für die eigens ein zukunftsfähiges Energiekonzept entwickelt wurde – ebenso wie für den geplanten Neubau der Hochschule Esslingen: Unweit des Bahnhofs soll bis 2025 der neue Campus mit Vorlesungssälen, Seminarräumen, Büros, einer Mensa, einem Rechenzentrum sowie einer Bibliothek beheimatet sein.
2022 will man mit dem Forschungsvorhaben „Klimaneutrales Stadtquartier“ fertig sein. Mithilfe von überschüssigem Strom aus der gebäudeintegrierten Photovoltaikanlage (1.700 kWpeak) soll per Elektrolyse vor Ort grüner Wasserstoff erzeugt werden, der sowohl für die Immobilien als auch für Mobilitäts- und Industriezwecke genutzt werden kann. Bei Bedarf ist es auch möglich, H2-Gas in dem geplanten Blockheizkraftwerk zurückzuverstromen oder ins Erdgasnetz einzuspeisen.
Eine Besonderheit gegenüber ähnlichen Vorhaben ist, dass die H2-Herstellung (400 kgH2 pro Tag) nicht irgendwo in einem Industriegebiet oder auf der grünen Wiese erfolgt, sondern mitten im Quartier selbst. Die Abwärme des 1-MW-Elektrolyseurs kann auf diese Weise gleichzeitig zur Gebäudebeheizung verwendet werden.
Der knapp neun Tonnen schwere Wasserstoffspeicher wurde Ende November 2020 angeliefert. Felix Mayer, Projektmanager des Projektierers Green Hydrogen Esslingen, erläuterte: „Das Gewicht kommt insbesondere durch die 1,2 cm dicke Edelstahlwand des Speichers zustande. Die braucht der Speicher, um der hohen Lastspielzahl des steigenden und sinkenden Drucks standzuhalten.“
Weiter erklärte Mayer: „In den Speicher passen 30 kg Wasserstoff. Das klingt nach sehr wenig, doch die spezifische Energiedichte von Wasserstoff ist enorm hoch. So entspricht ein voller Speicher etwa 1.000 kWh bezogen auf den Heizwert. Das angeschlossene Blockheizkraftwerk kann mit dem vollen Tank mehr als zwei Stunden laufen und so zum Beispiel die 167 Wohneinheiten des Blocks D mit Energie versorgen und noch einige mehr.“
Da dieses Vorhaben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird und man die deutschen Steuergelder im Lande lassen wolle, so Prof. Norbert Fisch, einer der Mitgründer der Green Hydrogen Esslingen, habe man sich für ein motorisches BHKW aus Deutschland entschieden und gegen ein Brennstoffzellenkraftwerk aus Japan, dessen Stromkennzahl um etwa zehn Prozent höher sei.
Die im März 2019 gegründete Betreibergesellschaft Green Hydrogen Esslingen GmbH erhielt für ihr Quartierskonzept im Sommer 2019 von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) den ersten Preis beim Wettbewerb „Sustainability Challenge“ in der Kategorie Start-up.
Aufbau eines H2-Reviers in Gütersloh
In Gütersloh entsteht ein vergleichbares Projekt: Der Unternehmer Dimitrios Tassikas plant unter dem Stichwort H2-Revier eine komplette Siedlung. Im Ortsteil Avenwedde sollen insgesamt 120 Wohneinheiten in zehn Mehr- und Einfamilienhäusern mitsamt Kindertagesstätte sowie ein Geschäfts- und Bürokomplex entstehen und mithilfe von Brennstoffzellen mit sauberer Energie versorgt werden. Ein passendes Unternehmen hat Tassikas bereits 2019 gegründet, die Tassikas Immobilien GmbH & Co. KG.
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