Zum H2Mobility-Kongress in Berlin war viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft erschienen, um sich gegenseitig nochmals ihre bereits zugesicherten Versprechen zu bestätigen. So traten am 12. April 2016 im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) nach dem Hausherrn Alexander Dobrindt zunächst der chinesische Verkehrsminister Dr. Wan Gang und anschließend der Reihe nach verschiedene Firmen-Chefs ans Mikrofon, um über ihre jeweiligen Errungenschaften im Bereich der Wasserstofftechnik zu berichten. Wirklich Neues war jedoch nicht darunter, dafür aber das klare Bekenntnis, dass die Zukunft der Mobilität durch Elektromobilität bestimmt sein wird.
Während des Kongresses, der den Untertitel „Elektromobilität mit Brennstoffzelle“ trug, verkündete Verkehrsminister Dobrindt offiziell seine neue „Strategie für eine emissionsfreie Mobilität mit Wasserstoff“. Wie er erklärte, basiert sein Konzept auf drei Säulen: „Wir investieren mehr als je zuvor, bauen mit der Industrie eine flächendeckende Ladeinfrastruktur und fördern gezielt Innovationen.“
Mit den „Investitionen“ meinte er die 161 Mio. Euro, die in den Jahren 2016 bis 2018 vom BMVI für den Bereich der H2-Mobilität bereitgestellt werden und die Staatssekretär Rainer Bomba bereits am 1. Juni 2015 in Berlin während der Vollversammlung des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) angekündigt hatte. Die „flächendeckende Ladeinfrastruktur“ sind die bis zu 400 Wasserstofftankstellen, die im Jahr 2023 in Deutschland installiert sein sollen, wovon 50 bis Ende 2015 fertig sein sollten, von denen aber bis heute nur 20 in Betrieb sind. Diesbezüglich war weiterhin die Rede davon, dass insgesamt „350 Mio. Euro in die Hand genommen werden sollen“. Ob hier allerdings schon die bereits genannten 161 Mio. Euro mit eingerechnet sind, blieb offen.
Mit den oben erwähnten „Innovationen“ ist eine tatsächlich neue Förderrichtlinie zur Marktaktivierung gemeint, mit der beispielsweise Sonderfahrzeuge in der Logistik, autarke Stromversorgungseinheiten für kritische oder netzferne Infrastrukturen sowie Anlagen zur Erzeugung strombasierter Kraftstoffe gefördert werden sollen, Details der Förderrichtlinie werden derzeit jedoch noch erarbeitet. Dahinter könnte sich der Teil des NIP 2 verbergen, der nicht unter die beiden oberen Punkte fällt, derzeit aber noch nicht spezifiziert ist.
Deutsch-chinesische Kooperation
Wesentlich für den Kongress war zudem die Anwesenheit des chinesischen Verkehrsministers Wan Gang, mit dem Dobrindt eine Intensivierung der Zusammenarbeit vereinbarte. So unterzeichneten die Vertreter der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) und des China Automotive Technology and Research Center (CATARC) eine gemeinsame Absichtserklärung über die Vertiefung der Kooperation auf den Gebieten innovativer Antriebstechnologien und Infrastruktur.
Ein zentrales Thema, nämlich die Zusammenführung von Digitalisierung und Elektromobilität, schnitt Minister Wan Gang an: So berichtete er, dass in China gerade ein neuer Plan im Volkskongress beschlossen worden ist, in dem festgehalten wurde, dass „Verkehr grün und smart gestaltet“ werden solle. Dazu sagte Dobrindt: „Das Auto der Zukunft fährt mit Daten, mit Strom, mit Wasserstoff.“
Gang berichtete zudem, dass in den Jahren 2009 bis 2015 insgesamt fast 500.000 Elektroautos in der Volksrepublik gebaut wurden, allein 380.000 im Jahr 2015 (inkl. Plug-in-Hybride). Dabei lag die Zahl der registrierten Autos in China mit 137 Mio. im Jahr 2013 bezogen auf den Pro-Kopf-Bestand verglichen mit in den USA und Deutschland relativ niedrig. 2020 wird mit 200 Mio. Autos in China gerechnet.
Auch die Produktion erneuerbarer Energie steigt rasant an in China: Die installierte Windkraftleistung liegt derzeit bei 129 GW (Zubau 2016: 33 GW). Bis 2020 sollen es 200 GW Windkraft- und 150 GW Photovoltaikleistung sein.
Das Auto neu erfinden
Das Bekenntnis zur Elektromobilität wurde auch von den Vertretern der Automobilunternehmen untermauert. Allen voran brachte Prof. Thomas Weber, Vorstand Forschung bei Daimler, zum Ausdruck, dass man bei den Batterieautos zwar durchaus eine noch größere Reichweite als die momentan erzielbare anstrebt. Gleichzeitig betonte er aber: „Wir setzen parallel auch auf die Brennstoffzelle. Sie bleibt ein wichtiger Bestandteil unserer Roadmap.“ Und weiter: „Die Marktreife der Brennstoffzelle steht außer Frage. Diese Technologie hat einen enormen Rückenwind.“
Weber, der Ende dieses Jahres seinen Vorstandsposten für Ola Källenius räumen wird, erklärte während des Kongresses: „Wir müssen das Auto neu erfinden. Es muss connected, autonom und emissionsfrei sein.“ Er wandte sich zudem direkt an alle Anwesenden mit den Worten: „Ich möchte Ihnen zurufen: Lassen Sie uns wirklich weitermachen. […] Nur gemeinsam geht so etwas.“ Er scheint dabei allerdings vergessen zu haben, dass es in der Vergangenheit eher so gewesen ist, dass man eine derartige Aufforderung gen Stuttgart rufen musste.
2016 Jahr des Übergangs
Bernd Eulitz, Mitglied des Linde-Vorstands, räumte in seiner Rede ein, dass es „noch einiges zu optimieren gibt“. Er sagte aber auch: „Einen langen Atem haben wir alle.“ Gleichzeitig forderte er weitere Unterstützung seitens der Bundesregierung – sowohl ideell als auch materiell – und bat um die finanzielle Ausstattung des NIP 2. Zudem kündigte er an, dass die Zahl der H2-Tankstellen auf bis zu 100 Stück bis 2018/19 angehoben werden soll, unabhängig von der Anzahl der BZ-Fahrzeuge. Das nächste Ziel (400 H2-Stationen bis 2023) wird jedoch abhängig gemacht von der Anzahl der dann zur Verfügung stehenden BZ-Fahrzeuge.
Auch BMW meldete sich zu Wort. Dr. Gerd Schuster, Bereichsleiter Strategie, Ziele, Innovation und Fahrzeugerprobung, Bezeichnete den damaligen Ausflug seines Unternehmens in Richtung Flüssigwasserstoff im Nachhinein als Fehler („Einzelwege sind nicht förderlich.“). Stattdessen sprach er sich deutlich für die 700-bar-Technik aus. Die Kryodrucktechnologie werde für andere Anwendungen zwar noch weiter verfolgt, das gelte allerdings nicht für Brennstoffzellen-Pkw.
Dr. Klaus Bonhoff, der NOW-Geschäftsführer, konstatierte, dass die Bundesregierung ihr Commitment in diesem Bereich bestätigte habe, schließlich wurde lange auf eine Weiterführung des NIP hingearbeitet („2013 starteten die Diskussionen über NIP 2.0.“). Trotz der zahlreichen Verzögerungen zeigte er sich zuversichtlich: „Ich bin überhaupt nicht frustriert. […] Wir warten nach wie vor auf die Zustimmung aus Industrie und Politik für die Weiterführung dieser Public-private-Partnership. Die Zustimmung wird aber definitiv noch in diesem Jahr kommen.“ Für ihn ist 2016 ein „Jahr des Übergangs“, in dem sich noch viel tun wird: „Es ist einfach, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten weiterzuführen, aber ungleich schwieriger, geeignete Markteinführungsinstrumente zu finden.“ (s. Bonhoff-Interview)
Irritationen
Im Umfeld dieses Kongresses sorgten gleich mehrere Umstände für etliche Irritationen:
Der Name H2Mobility-Kongress hat nichts mit der H2 MOBILITY Deutschland GmbH & Co. KG zu tun. Auch wenn diese 2015 gegründete Gesellschaft vor Ort vertreten war, handelte es sich bei dieser Veranstaltung nicht um deren Kongress, sondern um einen Event des BMVI. Warum allerdings vom Ministerium nicht einfach ein anderer Titel gewählt wurde (z. B. H2-Mobilitätskongress), um Verwechselungen zu vermeiden, ist nicht bekannt.
Der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt umgibt sich anscheinend gerne mit hochrangigen Firmenvertretern. Jedenfalls dürfen auf seinen Veranstaltungen in der Regel nur Mitglieder aus der Vorstandsebene von Konzernen sprechen. Frank Sreball, der zum Zeitpunkt des Kongresses „nur“ Geschäftsführer von H2 MOBILITY war, durfte das Joint Venture daher nicht vorstellen. An seine Stelle trat Oliver Bishop, General Manager von Shell Hydrogen.
Ähnlich war es bereits im Oktober 2015 gewesen, als die H2 MOBILITY offiziell vorgestellt worden war: Bei diesem Termin trafen sich die beteiligten Konzernvorstände mit Minister Dobrindt für ein gemeinsames Foto. Sreball durfte jedoch nicht mit dabei sein, obwohl er das Start-up leitete. Mittlerweile wurde Sreball von Nikolas Iwan abgelöst (s. H2 MOBILITY mit neuer Führung).
0 Kommentare
Trackbacks/Pingbacks