Die Brennstoffzellen-Technologie ist fertig

Weltpolitisch gibt es derzeit ähnlich viele große Baustellen wie branchenspezifisch: Im Großen geht es derzeit primär immer noch um die Euro- und/oder Bankenkrise. Außerdem traf sich Ende Juni die erste Garde der Politiker in Mexiko, um die globalen Wirtschaftsbelange zu diskutieren, während fast zeitgleich die zweite Garde in Rio an der Neuauflage eines Klimaabkommens arbeitete.
Im Speziellen, also in den Bereichen Wasserstoff-, Brennstoffzellen- und Elektromobilität, stand gerade die Hannover Messe als Branchen-Highlight an (s. S. 10). Die gute Nachricht aus der niedersächsischen Landeshauptstadt ist, dass die Stimmung wieder etwas zuversichtlicher ist. Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass die Vorbereitung der Markteinführung nicht vorankommt.
Etliche Unternehmen scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass es im BZ-Sektor nur langsam vorangeht. Insbesondere viele der Forschungsinstitute haben sich inzwischen vortrefflich mit Förderprojekten eingerichtet, so vortrefflich sogar, dass sie das eigentliche Ziel, das da lautet „Markteinführung“, mehr und mehr aus den Augen verlieren. Sie forschen anscheinend um des Forschens willen und übersehen dabei, dass vielfach der Zeitpunkt der Lizenzvergabe oder Vermarktung längst überschritten ist. Scheinbar hat niemand in der hochbezahlten Führungsebene den Mut, die bereits vorliegenden Entwicklungserfolge an die Vertriebs- und Marketingfachleute zu übergeben, damit diese daraus „Produkte“ kreieren können. Diesen Dauerforschern rief Staatssekretär Rainer Bomba in Hannover zum wiederholten Male mit deutlichen Worten zu: „Leute! Die Technologie ist fertig. Probiert sie bitte endlich aus!“
Hinsichtlich einer Anschlussförderung, die sich nach der aktuell noch laufenden Marktvorbereitungsphase um die Markteinführung in Deutschland kümmert, sagte Bomba direkt an die Branchenvertreter gewandt: „Wenn Sie zeigen, dass die Technik für den Verbraucher einen Nutzen bringt, wird es in der Förderung einen Anschluss geben. Dies gilt aber in beiden Richtungen: Wenn weiter nur geforscht wird, wird es keine Anschlussförderung geben.“ Mit einem Seitenblick auf die derzeit kriselnde deutsche Photovoltaikbranche, in der gerade einige Unternehmen Insolvenz anmelden mussten, fügte der Staatsekretär allerdings hinzu: „Wir werden nichts zu Tode finanzieren.“
Eng mit dieser Thematik verknüpft ist die große Baustelle im Mobilitätssektor, dies klang auch Mitte Mai beim 5. Deutschen Wasserstoff Congress in Berlin an (s. S. 8). Insbesondere beim Aufbau der für die Brennstoffzellenfahrzeuge benötigten Wasserstoffinfrastruktur herrscht momentan totale Konfusion: Die NOW geht gemäß der H2-Mobility-Planung davon aus, dass 2015 rund 100 Stationen in Deutschland stehen. Das Bundesverkehrsministerium spricht jedoch von 50 H2-Tankstellen (s. S. 44). Angesichts der bereits vorhandenen 15 Stationen sowie der 20, die Daimler und Linde schon vor einigen Monaten ankündigten, kämen demnach also zunächst gerade einmal 15 H2-Stationen hinzu.
Wie aber daraus dann bis 2020 insgesamt 1.000 Tankstellen werden sollen, ist fraglich. Oder werden es doch eher 400? Oder gar nur 300? Es stellt sich somit die Frage, wie man vielleicht auch mit wenigen Standorten ein gut funktionierendes Netz aufspannen könnte. Eventuell können ja auch noch andere Player (z.B. Gashändler, Supermarktketten) mit ins Boot geholt werden, um neue Befüllstationen zu errichten.
Hier gibt es also ähnlich viel Klärungsbedarf wie im Elektromobilitätssektor, wo jetzt mit dem 3. Entwicklungsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität ein neuer Meilenstein erreicht wurde (s. S. 28). Die darin geforderten Maßnahmen zum Erreichen des Ziels von 1 Mio. Elektrofahrzeugen bis 2020 werfen allerdings auch neue Fragen auf: Ist es tatsächlich der richtige Weg, großen Konzernen in großen Schaufensterprojekten große Mengen Geld hinterherzuwerfen? Und wo soll überhaupt dieses Geld für die Schaufenster angesichts schmelzender Einnahmen aus dem Klimafonds herkommen?
Auch hier muss geprüft werden, wie am sinnvollsten die Klein- und mittelständischen Unternehmen, die als Quereinsteiger häufig die wahren Innovationstreiber sind, unterstützt werden können. Es muss offen darüber diskutiert werden, dass Großkonzerne zwar theoretisch die finanziellen Mittel dazu hätten, um einen Technologiewandel mitfinanzieren zu können, dass sie aber häufig von solch einem Wandel gar nicht selber profitieren würden und ihn deswegen auch nicht forcieren werden.
Wie man sieht, gibt es Baustellen genug, im Großen wie auch im Kleinen. Wir müssen nur endlich mal mit der eigentlichen Arbeit anfangen, denn die Technik ist fertig (s. Fahrbericht S. 40).
Die Seitenverweise beziehen sich auf die HZwei-Ausgabe vom Juli 2012.

50 H2-Stationen bis 2015

„Ich habe gerade heute Vormittag den Startschuss gegeben zum Aufbau einer Tankstelleninfrastruktur.“ Mit diesen Worten berichtete Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer am Nachmittag des 20. Juni 2012 über die neue Initiative seines Hauses. Gemeinsam mit zahlreichen führenden Industrieunternehmen hatte er kurz zuvor in einer Absichtserklärung unterschrieben, dass es in Deutschland bis zum Jahr 2015 ein Versorgungsnetz mit mindestens 50 öffentlichen Tankstellen geben wird. „Heute haben wir zugegebenermaßen erst 15 Tankstellen. […] Aber alle, die sich 2014 ein Wasserstofffahrzeug zulegen, werden die Gewissheit haben, dass sie in ganz Deutschland damit fahren können“, erklärte Ramsauer und fügte sogleich hoch hinzu: „Dafür stellt der Bund 20 Mio. Euro zusätzlich bereit.“ Weitere 20 Mio. Euro werden im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie von der Industrie (Air Liquide, Air Products, Daimler, Linde und Total Deutschland) beigesteuert. Dr. Klaus Bonhoff, Geschäftsführer der NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, fügte hinzu: „Mit Beginn der Markteinführung von Brennstoffzellenfahrzeugen ab 2015 muss sichergestellt sein, dass die Kunden in den Metropolregionen und entlang der Hauptautobahnen tanken können.“

Glaubwürdigkeitsproblem

Es ist wirklich vertrackt mit dem Vertrauen. Ist es einmal missbraucht worden, dann kann es passieren, dass es für immer verloren ist oder nur unter sehr großen Anstrengungen wiedererlangt werden kann. Ähnlich ist es mit dem Glauben. Man glaubt an das, was man für richtig hält. Wenn man jedoch immer wieder nachgewiesen bekommt, dass diese angeblichen Wahrheiten, an denen man vielleicht schon lange Zeit festgehalten hat, falsch waren, dann weiß man schlussendlich nicht mehr, woran man glauben soll.
Dieses Phänomen lässt sich derzeit gleich mehrfach beobachten. Es ist ja nicht so, dass die Gläubigen nur der Kirche den Rücken kehren. Neben der Religion, die bisher traditionsgemäß für Glaubensfragen zuständig war, hat die aktuelle Glaubenskrise innerhalb von wenigen Monaten auch etliche andere Bereiche infiziert. Ganze Nationen finden inzwischen immer weniger Gläubiger, weil das Vertrauen in die Finanzkraft dieser Länder zunehmend schwindet. Der Vertrauensverlust in die Wirtschaft drängt auf diese Weise immer mehr langjährige Aktienanhänger zu den vermeintlich sichereren Goldanlagen.
Den Politikern vertraut ohnehin schon seit Jahren kaum noch jemand. Kein Wunder. Erst heißt es, man werde sich an Taten messen lassen. Dann läuft es nicht so wie von den Verantwortlichen geplant, dies wird auch öffentlich festgestellt, aber passieren tut nichts. Erst ein Ehrenwort hier, dann der Nachweis des Gegenteils dort. Erst heißt es, ohne Kernkraftwerke ginge in Deutschland das Licht aus. Dann wird quasi über Nacht ein halbes Dutzend Atomkraftwerke heruntergefahren, ohne dass eine Lampe flackert.
Erst heißt es, mit Batteriefahrzeugen sei rein physikalisch keine größere Reichweite als 150 Kilometer realisierbar. Dann kommt ein Jungspund, lässt hunderte von Experten dumm dastehen, und plötzlich sagen alle, aber selbstverständlich könne man mit einer 100-kW-Batterie 600 km weit fahren.
Das Glaubwürdigkeitsproblem hat somit inzwischen auch die Bereiche Wissenschaft und Forschung erreicht. Dies sind die Bereiche, von denen man bisher dachte, hier zählen nur knallharte Fakten. Plötzlich müssen nun aber auch die Naturwissenschaften infrage gestellt werden. Damit bleibt dann bald gar kein Gebiet mehr übrig, wo man noch an irgendetwas glauben könnte. Dann muss man auch bald daran zweifeln, was bei zwei plus zwei tatsächlich herauskommt.
Ich selbst habe als Ingenieur bisher immer zumindest ein Stück weit an die Aussagen der Automobilhersteller geglaubt, dass die Brennstoffzellentechnik für den Einsatz im Pkw tatsächlich noch nicht ganz reif ist, dass noch zu viel Platin erforderlich ist, dass deswegen die Stacks zu teuer sind, dass die Lebensdauerfrage noch nicht hinreichend geklärt ist. Jetzt frage ich mich aber gerade, ob diese Begründungen tatsächlich glaubhaft sind. Ganz wesentlich erscheint mir hier zudem die Frage, ob dies alles wirklich so gravierende Probleme sind, dass sie einen motivierten Menschen aufhalten können, wenn derjenige ein bestimmtes Ziel vor Augen hat.
Bisher habe ich auch den Energieversorgern immer zumindest ein Stück weit geglaubt, dass der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur ohne die entsprechende Anzahl an Fahrzeugen keinen Sinn machen würde. Jetzt überlege ich, warum dieses so genannte Henne-Ei-Problem auch nach über zehn Jahren immer noch nicht gelöst werden konnte. Kann allein diese Frage denjenigen, der sich etwas wirklich sehnlichst wünscht, tatsächlich an der Umsetzung seiner Idee hindern?
Meine Antwort darauf lautet: Nein! Wenn man etwas wirklich will, dann tut man alles dafür, um es zu erreichen. Eine Idee oder eine Vision kann aus kleinen Menschen wahre Helden machen. Übertragen auf die Brennstoffzellenbranche lässt sich dies an vielen kleinen Unternehmen feststellen, die – ähnlich wie damals die Solarpioniere – tagtäglich hohe Risiken eingehen, damit ihre Erfindungen, Entwicklungen, das, woran sie glauben, Realität werden. Auch bei vielen Mitarbeitern der unterschiedlichsten Institutionen aus dem H2- und BZ-Sektor ist offensichtlich, wie viel Herzblut von ihnen in dem festen Glauben an eine saubere, nachhaltige Zukunft mit eingebracht wird.
Aber warum sind wir dann immer noch fünf Jahre von der Markteinführung der Brennstoffzelle im Kfz- und Hausenergiebereich entfernt? Haben wir denn nicht eine ganz tolle Agentur gegründet, was zwar zugegebenermaßen ziemlich lange gedauert hat, was aber unabdingbar war, damit die bürokratische Hürde bei der Antragstellung nicht zu klein wird und die nachgeschaltete Bewilligungsbehörde sich nicht übergangen fühlt? Haben wir denn nicht schon ganz viele Steuergelder an die Großunternehmen ausgeschüttet, damit diese ihre eigenen Entwicklungskosten bezahlen können und somit ihre Milliardengewinne nicht schmälern müssen, damit sie auch ja nicht ins Ausland abwandern? Haben wir denn nicht schon ganz viel für die Grundlagenforschung getan, was auch gut und richtig war und auf jeden Fall noch lange so weitergeführt werden sollte? Haben wir denn nicht immer wieder mit Politikern gesprochen, die vielleicht zwar als erstes an die nächste Wahl denken, aber dann doch bestimmt gleich an zweiter Stelle an Brennstoffzellen glauben? Haben wir denn nicht schon ganz viele Bürger über die Vorteile der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik informiert, ohne dass wir etwas dafür können, dass die nicht zuhören, immer gleich wieder alles vergessen und zudem behaupten, das Gleiche hätten wir vor fünf Jahren auch schon erzählt?
Tja, nach menschlichem Ermessen kann man wohl wirklich nicht noch mehr tun.
Machen wir dann also einfach weiter wie bisher? Vielleicht. Vielleicht sollten wir einfach weiterhin darauf vertrauen, dass letztlich alles gut wird. Wenn wir nur fest genug daran glauben, dann sind die Ankündigungen dieses Mal bestimmt alle korrekt. Sicherlich. Hoffentlich. Aber was ist, wenn nicht?
Herzlichst, Sven Geitmann
PS: Nur als kleiner Nachsatz: Könnte sein, dass sich das H2Mobility-Vorhaben mit den 1.000 Wasserstofftankstellen ab 2015 um ein oder zwei Jahre verzögert. Ist aber keine böse Absicht.

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