Die grünen Technologien müssen raus aus der Weltverbesserungsecke
Gastkommentar von Matthias Putzke
Ein Jahr nach Fukushima ist die Energiewende nicht vorangekommen gekommen. Dabei ist sie wichtiger denn je. Die Geschichte hat gezeigt, dass ein einziger Atomunfall ganze Landstriche für lange Zeit unbewohnbar macht. Ursprünglich war der Kernenergie der Platz als Brückentechnolgie zugedacht auf dem Weg zum Zeitalter der erneuerbaren Energien.
Durch die eingeläutete Energiewende sind die Karten neu gemischt. Um die ambitionierten Klimaziele der Bundesrepublik zu erreichen wird nun immer klarer: Energieeffizienz wird die eigentliche Brückentechnologie, während die Gewinnung von erneuerbaren Energien weiter ausgebaut wird.
Doch damit das gelingt, muss die zentrale Frage beantwortet werden: Warum will er nicht anspringen, der Energieeffizienzmotor? Alles ist im Prinzip vorhanden: marktreife Technologien, gesetzliche Rahmenbedingungen, Fördermittel, Finanzierungsmodelle. Einzig der Unternehmer ziert sich, so scheint es.
Tatsächlich verhält er sich, wie er es immer getan hat: wie ein guter Kaufmann. Die Ressource Kapital ist bekanntlich knapp im Firmen. Der Unternehmer muss die Liquidität optimal einsetzen, um sich zu erneuern und Marktanteile zu gewinnen. Dabei muss er selbstverständlich auch aufs Sparen achten. Warum nicht auch bei der Energie, der oftmals noch einzigen verbliebenen Stellschraube im Unternehmen? Im Prinzip wäre er sogar dazu bereit, die Firmen-Energiebilanz beleuchten zu lassen, wäre da nicht das Dilemma mit dem knappen Geld. Ein Unternehmer, der vor die Wahl gestellt wird, investiere ich in eine neue Maschine, die meinem Betrieb mehr Umsatz bringt oder in eine Energieeffizienztechnologie, mit der ich mehr Einsparungen erziele, wird sich immer für die Erweiterungsinvestitionen entscheiden. Günstige Rechnungen über Lebenszykluskosten, interner Zinsfuß, hohe Renditen fallen dem Diktat des Unternehmenszweckes zum Opfer.
Dafür den Staat verantwortlich zu machen, ist zu kurzsichtig gedacht. Zwar schreit die Branche ständig nach einer einheitlichen Energieeffizienzstrategie, um Planungssicherheit zu erzielen. Jedoch erkennt man bei genauerem hinsehen, dass es durchaus eine Vielzahl interessanter Instrumente gibt. So fördert die KfW zum Beispiel unabhängige Energieeffizienzberatungen mit bis zu 80 Prozent. Das ist das wohl am höchsten subventionierte Programm der Bundesregierung. Darüber hinaus werden den Unternehmen zinsgünstige Kredite angeboten und Einzelmaßnahmen, wie besondere Förderung in KWK (Kraftwärmekopplung).
Jedoch liegen die durchschnittlichen Amortisationszeiten zwischen fünf bis acht Jahren, in Abhängigkeit von der jeweiligen Technologie und den Rahmenbedingungen im Unternehmen. Viel zu lange, sagen die Unternehmen. In maximal 2 Jahren müssen sich diese Investitionen amortisiert haben.
Für Investitionen in Energieeffizienz steht weniger Liquidität zur Verfügung, und sie müssen sich schneller amortisieren als Erweiterungsinvestitionen. Die Schmerzgrenze im Markt scheint sich zwischen drei bis fünf Jahren einzupendeln. Genau hier muss der Hebel angesetzt werden. Und da können wir aus der Historie lernen. Nehmen wir das erfolgreiche Programm des Aufschwung Ost: Sonder AFA 50. Diese diente dem Ziel, den Gebäudebestand in den Neuen Bundesländern zu modernisieren, dies schneller zu erreichen und mehr Liquidität zu absorbieren. Wunderbar hat dies funktioniert.
Das gleiche Prinzip könnte auch im Bereich Energieeffizienz gelten: Werden dem Unternehmen zweckgebundene Steuererleichterungen beziehungsweise Sonderabschreibungen für Investitionen in Energieeffizienz geboten, günstigstenfalls flankiert mit zinsgünstigen Krediten, sinken die Amortisationszeiten erheblich. Der Break-even wäre schneller erreicht und der Cashflow steigt. Und noch weiter gedacht: Sollten die erzielten Einsparungen vom gesamtunternehmerischen Cashflow abgekoppelt und wieder in Energieeffizienz re-investiert werden, könnte der steuerliche Anreiz weiter zunehmen. Somit würde sich die permanente Energiereduktion selber tragen, und es wäre möglich, dies solange fortzusetzen, bis das Unternehmen Klimaneutralität erreicht hat. Zwar mit Anschub, aber aus eigener Kraft. Das fühlt sich für einen Firmenchef, insbesondere für den jetzigen Typus des unternehmerischen Entscheiders, besser an als die Botschaft, das morgen die Welt untergeht, wenn er nicht endlich umdenkt.
Jedoch ist das Ganze vor allem ein langfristig angelegtes Zukunftsunterfangen, das vielleicht erst in der nächsten Unternehmergeneration automatisiert läuft. Daher gilt es, die „Chefs von morgen“ auf die Thematik vorzubereiten. Wahrscheinlich wird die Generation Facebook nachhaltigere Überlegungen in Ihre Entscheidungen einbeziehen als nur Rendite und Amortisationszeiten. Somit ist es wichtig, das Thema Energieeffizienz frühzeitig in Lern- und Ausbildungskonzepte einzubinden. Eine jede Ausbildung, zumindest jene für energieintensive Berufe, sei es Koch oder Maschinist, sollte ein Fach Energie einführen. Und das nicht nur fakultativ. Das ist von heute auf morgen nicht erreichbar, sondern in der Tat eine Generationsfrage. Solange jedoch Kinder denken, der Strom kommt aus der Steckdose, gibt es hier noch viel zu tun.
Bliebe zum Schluss noch die Kampagne. Das, was Solar und nun die Elektromobilität geschafft haben, muss auch der Energieeffizienz gelingen. Sie muss sexy und begehrenswert werden. Klar, Effizienz klingt nicht gut. Darin schwingt das Wort sparen mit. „Den Gürtel enger schnallen“ will niemand, wenn es nicht wirklich nötig ist. Daher gilt es, dies umzudrehen. Positive Botschaften müssen animieren mitzumachen: Wer sich beispielsweise der Energiepiraterie entsagt und Strom sowie Gas nicht verschwendet, ein Stück die Welt rettet, und dass dies auch noch Spaß macht. Es ist an der Zeit, den effizienten grünen Technologien den Weg freizuräumen, um sie aus der Weltverbesserungsecke rauszuholen. Ich bin mir sicher, dass sich in der Kreativwirtschaft jemand dafür finden wird. Wenn es uns gelingen soll, Energieeffizienz – oder nehmen wir gleich das schönere Wort Energieproduktivität –, in den Köpfen zu verankern, muss es uns gelingen, daraus einen Mainstream zu machen. Photovoltaik hat es vorgemacht, Elektromobilität ist auf dem richtigen Weg, Energieeffizienz kann es schaffen. Nicht nur zum Wohle der Menschen in Fukushima, sondern zu unser aller Wohl.
Der Autor ist Geschäftsführer des Energieberatungsunternehmen erío energy consulting, Berlin.